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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 129 (1. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0517

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Allgemeiner Anzeiger für Vic badische unv bayerische Rheinpfalz.

VII. Jahrgang.

Samstag, 1. November 1873.

No. 12S

Erscheint
wöchentlich drei Mal;
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Jogker, Itudokf Wosse und K. L. Dauöe L Co., sowie die Süddeutsche Annoncen-Krpedrtion
von G. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

chwehmger Wochmblall
Amtsverkündigungsötatt für den Wezirk Schwetzingen.

P e r s
vierteljährlich 51 kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 Er.,
Garmondzeile 5 kr.


Procch Bazainc.
Versailles, 16. Oktober.
(Zehnter Perhandlungstag.) Das Verhör des Ange-
klagten wird fortgesetzt. Es handelt sich uin seine Verbin-
dungen mit der Regierung der Landes-Pertheidigung.
Präs.: Nach den Akten haben Sie sich nur mit zwei
Depeschen an die Regierung gewendet, von denen die eine
vom 15. Sep^., güvere vom 21. Oktober datirt ist.
Die letztere war chiffrirt und konnte in Tours nicht ent-
ziffert werden, da sich der Schlüssel in Paris befand, von
wo man ihn erst am 17. Dez. herausbekommen konnte. In
der ersten der beiden Depeschen klagen sie über Mangel an
aller Verbindung mit der Außenwelt, über die beunruhigen-
den Gerüchte, welche die Gefangenen verbreiteten, und erbitten
Instruktionen und Nachrichten. Damals wußten Sie schon
von der neuen Regierung?
Angekl.: Ja wohl, aus den Zeitungen.
Präs.: Am 24. Sept, bot sich ihnen ein Mittel:
haben sie den General Bourbaki nicht beauftragt, der Natio-
nalregierung Mittheilungen über ihre Lage zukommen zu
lassen?
Angekl.: Nein; da er sich zur Kaiserin begab, konnte
ich ihm nicht gut einen offiziellen Auftrag an die National-
regierung mitgeben. Allerdings gehörte die Armee vor allem
dem Lande an, aber die gesetzliche Regierung blieb für
uns immer die Regentschaft. j
Präs.: Jedenfalls konnten sie durch Bourbaki milüä- l
rische Aufschlüsse über ihre Lage an die Regierung gelangen !
lassen.
Angekl.: Bourbaki mußte selbst wissen, was er nach
seiner Unterredung in Hastings zu thun hatte.
Präs.: Sie setzten ja aber doch voraus, daß er wieder
nach Metz zurückkommen würde, und in diesem Falle mußte
es ihnen doch besonders nahe liegen, daß er ihnen sichere
Meldungen von dort zurückbringe, daß Sie sich in ihren
Operationen danach richten könnten.
Angekl.: Es war schwer, dem General Bourbaki im
Voraus solche Instruktionen zu geben; er mußte selbst wissen
was er zu thun hatte.
Präs.: Welche Mittheilung haben sie von der Landes-
regierung erhalten?
Angekl.: Keine.
Präs.: Sie haben keine Depesche erhalten, auch nicht
die des Obersten Turnier vom 18. Sept. ?
Angekl.: Nein.
Präs.: Wir werden darüber die Zeugen hören. Sie
wußten auch nicht, daß die Regierung am 16. Sept, die
Wahlen für eine Nationalversammlung auf den 10 Okt.
ausgeschrieben hatte?
Angekl.: Nein.

Präs.: Aber ain 17. erschien ja das Dekret im „Cour,
de la Moselle."
Angekl.: Den las ich nicht und übrigens brauchte ich
die Sache so lange nicht zu beachten, als sie mir nicht
offiziell angezeigt war.
Präs.: Spät, r, am 17. Okt., überbrachte ihnen jeden-
falls der General Boyer die Bestätigung dieser Nachricht
und einer Reihe anderer Dekrete, aus denen sie ersehen konnten
daß die Wahlen wieder verschoben worden waren. Jeden-
falls mußten Sie zwischen dem 17. Sept, und dem 17.
Okt. glauben, daß die Nationalversammlung einberufeu sei.
Angekl.: Nein, in diesem Falle hätten wir uns sofort
zn ihrer Verfügung gestellt. Wir hatten fast alle Tage
deutsche Zeitungen und konnten den Berichten derselben kei-
nen großen Glauben beimessen. Gerade weil man mich
ohne alle Nachrichten ließ, mußte ich glauben, daß die
Kammer nicht einberufen worden sei.
Präs.: Es ist Ihnen also nicht bekannt, daß die Re-
gierung mehrere Agenten in die Festung geschickt hat, um
Ihnen anzuzeigen, daß sie bedeutende Proviantvorräthe für
Ihre Armee in den benachbarten Festungen bereit halte?
Wissen Sie nichts von einem solchen Emmissär Namens
Risse?
Angekl.: Nein, ich kann mich wenigstens nicht erinnern.
Präs.: Haben Sie nicht am 2. Oktober einem Stabs-
offizier gesagt, Sie wüßten, daß in Diedenhofen bedeutende
Vorräthe aufgespeichert wären und wollten sehen, dorthin
durchzubrechen?
Angekl.: Allerdings wollte ich versuchen, auf Dieden-
hofen zu marschiren und machte zu diesem Behuf die Ope-
ration von Ladonchamps; aber von Proviant konnte ich
nicht sprechen.
Präs.: Der Oberst Fay hat es in einer von ihm ver-
öffentlichten Denkschrift bestimmt behauptet, und diese Denk-
schrift beruhte auf täglich niedergeschriebenen Notizen.
Angekl.: Dann ist es wohl möglich, daß er sich besser
erinnert, als ich.
Präs.: Ließen Sie nicht am 2. Oktober dem Oberst
Turnier durch den Agenten Flahaut sagen, Sie wollten
nach Diedenhofen marschiren, um sich zu verproviantiren?
Angekl.: Auch dessen kann ich mich nicht mehr erin-
nern ; auf alle Fälle kann ich mit ihm nicht von Verpro-
viantirung gesprochen haben.
Präs.: Gaben Sie nicht dem Intendanten Gaffiot
Weisungen zur Vorbereitung eines Marsches für die ersten
Tage des Oktober?
Angekl. : Allerdings, aber auch ihm konnte ich nicht
sagen, daß ich auf Proviantirung ausgehe.
Präs. : Wie konnten Sie jetzt plötzlich an einen Ab-
marsch denken, nachdem Sie nach Sedan jeden Ausfall für
unmöglich erklärten?

Angekl. : Der Hunger jagt den Wolf aus dem Walde
und wenn ich später die allgemeine Theorie aufstellte, daß
ein Durchzug durch das konzentrische Feuer des Feindes
nicht möglich war, so konnte ich darum doch die Idee ha-
ben, bei günstiger Gelegenheit einen Versuch zu wagen.
Präs.: Haben Sie nie etwas von den Unterhandlun-
gen von Ferieres gewußt?
Angekl.: Nein, wir wußten von der Reise des Hrn.
Jules Favre aber nichts Näheres.
Präs.: Sie wußten immerhin, daß man mit dem
Feinde unterhandelte, und mußten also Ihre Anstrengungen
verdoppeln, um auf ihn einen Druck zu üben. Statt einer
großen Demonstration fanden aber nur kleine partielle
Kämpfe statt.
Angekl.: Ich mußte mit meinen Truppen sparsam
umgehen. Wenn die Deutschen 200 oder 300 Mann ver-
loren, hatten sie sie am nächsten Tage wieder ersetzt, wäh-
rend die Verluste bei uns unersetzlich waren. Wäre der
Friede gekommen, so hätte Frankreich, Dank meiner Vor-
sicht, eine vortreffliche Armee unversehrt gehabt. Andern-
falls mußte ich die Organisirung der neuen Armee im In-
nern abwarten und nichts thun, was die Lage hätte kom-
promittiren können.
Präs.: Am 29. Sept, erhielten Sie eine Depesche
aus Ferieres, in welcher der Feind Sie fragt, ob Sie die
Armee von Metz unter den von Regnier mitgetheilten Be-
dingungen ausliefern würden. Sie antworten mit einem
Schreiben an General v. Stiehle, welches sich in Berlin
befindet, von dem Sie aber eine Abschrift in Ihrer Schrift
über die Rheinarmee mitgstheilt haben. Sie erklären da-
rin, daß Sie nur auf eine Kapitulation mit kriegerischen
Ehren und zwar ausschließlich für die Armee und nicht
auch für die Festung eingehen könnten. Was meinten Sie
mit dem Ausdruck: „Kapitulation mit kriegerischen Ehren?"
Angekl.: Ich meinte, daß die Armee mit Sack und
Pack und als organisirter Heereskörper abziehen sollte.
Präs.: Und dann?
Angekl.: Dann hätte sie dem Lande gedient.
Präs.: Aber Hr. Marschall, Sie mußten doch wissen,
daß die kriegerischen Ehren nur in gewissen militärischen
Ceremonien bestehen, daß aber damit nicht nothwendig das
Behalten der Waffen verbunden ist!
Angekl. : Der ganze Brief war nur eine Taktik. Ich
wollte hauptsächlich wissen, was Bourbaki that und wie der
Feind dachte. Mit Hrn. Regnier hatte ich ja ein bloßes
Gespräch ohne jeden offiziellen Charakter gehabt.
Präs.: Schien Ihnen aber eine solche Korrespondenz
mit dem Feinde nicht bedenklich?
Angekl.: Ich dachte mir nichts Schlimmes dabei. Ich
wollte dem Feind eine Falle legen, und wenn er mich nur
erst herausgelassen hätte, Hütten wir leicht Frieden schließen

Sie Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
Entzückt hob ich es auf und öffnete die Kapsel des
goldenen Medaillons, welche das Bild einer Dame enthielt
— wahrscheinlich das ihrer Mutter, denn es trug eine
unverkennbare Aehnlichkeit mit meiner Unbekannten. Sofort
eilte ich aus der Kirche, aus Furcht, sie möchte hierher zu-
rückkehren; ich wollte sie in ihrem Hause aufsuchen. Rasch
eilte ich meiner Wohnung zu. Unterwegs erkundigte ich
mich noch verschiedene Male, wer der Besitzer jenes Hauses
sei, erfuhr aber nichts. Nachdem ich meinen Anzug sorg-
fältig geordnet, machte ich mich auf den Weg. Mein
Herz klopfte fast hörbar, als ich den mir öffnenden Diener
nach dem Herrn oder der Herrin des Hauses fragte.
„Nur die Marchesa ist zu Hause, Signor," versetzte
der geschmeidige Italiener mit einem sonderbaren Lächeln.
„So melden Sie ihr den Maler Böheim," sagte ich
möglichst ruhig.
„Der Diener führte mich in ein mit verschwenderischem
Luxus ausgestattetes Gemach und während ich die kostbaren
Meubles und vor Allem die werthvollen Gemälde berühm-
ter Meister bewunderte, gieng er, mich der Marchesa Cä-

cilie Cegliane zu melden. Ich konnte mich mit Muße dem
Zauber dieser Umgebung hingeben, alle Gegenstände, bis
zu der feinen Stickerei, die halb vollendet auf einem Mar-
mortischchenlag, betrachten, denn es verging fast eine Stunde,
bis die Thür sich öffnete und die Marchesa eintrat.
Sie war bei weitem schöner in diesem schwarzen, engan-
schließenden Hauskleide, als am Morgen in der Kirche.
Sie trug keinen Schmuck als ihre Locken, und doch dünkte
sie mir eine Königin, als sie mich mit einer anmuthigen
Bewegung zum Sitzen einlud.
„Ich weiß nicht mehr, was ich im ersten Augenblick
hervorstotterte, aber es mußte der geistreichen Marchesa
wohl sehr dumm erscheinen, denn ein halb mitleidiges, halb
wohlwollendes Lächeln umspielte ihre feinen Lippen. Da-
mals erschien mir dieses Lächeln wie eine Botschaft des
Himmel — jetzt ist es anders geworden.
„Ihre sanfte, melodische, Stimme, die mit mir in
meiner Muttersprache redete, so klar und deutlich, als habe
die Marchesa nie ihren Fuß über Deutschlands Grenzen
hinaus gesetzt, gewann mein Herz vollends, und gar bald
wußte sie, daß ich auf längere Zeit an Rom gefesselt war.
„Auch sie schien Vertrauen zu mir gefaßt zu haben,
und mit feuchten Augen erzählte sie mir, daß sie vor
Zeit ihre Mutter und vor einem Jahre ihren Gatten verlor.
„Halten Sie mich aber nicht für gefühllos, Signor,
wenn ich gestehen muß, daß ich den Tod meines Gatten
nicht beklagt habe. Schon als fünfzehnjähriges Mädchen
wurde ich gezwungen, den alten kränklichen Marchese Ce-

gliano zu heirathen, der seitdem das Krankenlager nicht
mehr verlassen hat, und ich mußte daher seinen Tod als
eine Erleichterung ansehen, da er mich vom Morgen bis
zum Abend mit der glühendsten Eifersucht quälte.. Sein
Tod gab mir die Freiheit und jetzt lebe ich hier mit mei-
nem alten Vater von aller Welt zurückgezogen. Ich sehne
mich nicht nach Umgang mit Menschen, doch würde es mir
sehr lieb sein, wenn Sie uns bisweilen einige Stunden
Ihrer kostbaren Zeit opfern wollten, um uns Gesellschaft
zu leisten. Ich triebe mit Vorliebe Malerei und würde es
sehr dankbar anerkennen, wenn Sie mir dann und wann
eine kleine Anweisung darin ertheilen wollten."
„Ich Thor! Mit welch unbeschreiblichem Gefühle der
Wonne nahm ich dies Anerbieten an! Wie ein Träumen-
der schritt ich meiner Wohnung zu, nachdem ich über zwei
lange Stunden bei der Marchesa zugebracht hatte. Vor
mir schwebte die schlanke, elastige Gestalt der Marchesa
Cäcilie; die sanfte, wohlklingende Stimme, mit welcher sie die
für mich so beglückenden Worte gesprochen hatte, tönte
beständig an mein Ohr und ich saß noch Stunden lang in
meinem einsamen Stübchen, über das Erlebte nachzudenken.
„Als ich endlich ausgeträumt hatte oder vielmehr
durch einen eintretenden Fremden emporgeschreckt wurde,
begann ich mit erneutem Muth meine Arbeiten. Aber
nichts wollte gelingen, Alles schien mir ohne Farbe, ohne
Glanz, ohne Leben im Vergleich zu dem bezaubernden Ant-
litz der Marchesa, und es blieb mir endlich nichts anders
übrig, als ihr Bild zu malen. (Fortsetzung folgt.)
 
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