Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
VH. Jahrgang
Äo. 9
Für das „SHwetzirrger Wochenblatt" bestimmte Inserate Arden auch im „Phitippsbnrger Wochenblatt Gratis-Aufnahme
Feuillkton
(Fortsetzung folgt.)
>4.
wie
eine
politischen Parteien treten mehr und
welche von der Verschiedenheit der
von dem Antagonismus zwischen
, s - Wir haben nur
nöthig, an den Leipziger Socialistenproceß vom Februar
v. I. und an die zur Zeit desselben ziemlich allgemein aus-
gesprochene Ueberzeugung zu erinnern, „das; rechtsgelehrte
Richter die Schuld der Herren Bebel und Liebknecht anders
bemtheilt haben würden, als die von Socialistenfurcht ge-
ängstigten Leipziger bürgerlichen Geschworenen", um dar-
zuthun, daß die Zeit im Verscheiden ist, in welcher von
einem einheitlichen Rechtsbewußtsein des Volkes und von
sicheren Rechnungen auf dasselbe die Rede sein konnte. Je
breiter und tiefer die Kluft zwischen Besitzenden und Besitz-
losen wird, desto dringender stellt sich die Notwendigkeit
einer uninterefsirten, rein objectiv urtheilenden Rechts-
Instanz heraus, desto sorgfältiger muß der Gefahr einer
Ciassenjnstiz begegnet werden, welche alle Ehrfurcht des Volkes
vor den Gerichten untergraben würde.
So weit das Raisonnement der Süddeutschen Reichs-
post. Wir lassen die Frage, die hier discutirt wird, die
Frage über den Werth des Schwur- oder Schöffengerichts
ganz unerörtert, und wollen nur unsere Brüder im Süden
bitten, sich ja nicht etwa in den Kopf zu setz-m, daß die
Gedanken, die Vie Süddeutsche Reichspost ansdrückt, bei
uns im Norden so verbreitet sind, als man es jenseüs des
Mains sich einzubilden scheint, und daß dec Sächsische
Generalsstaatsanwalt Schwarze mit seiner Propaganda für
Schöffengerichte bisher blutwenig reussirt hat. Wenn un-
sere Süddemschen Reichsmilbürger glauben, daß die ge-
meinsame Deutsche Gerichts-Organisation an der verschie-
denen Auffassung, die im Norden und im Süden des
Reiches über Schwurgerichte herrscht, scheitern könnte, so
irren sie sich W-r hangen an diesem Institute gerade so,
wie das in Bayern u. s. w. der Fall ist, und die National-
gesinnten jenseits des Mains Haden so wenig Ursache,
sich schon mit Concessionen zu beschäftigen, die sie etwa
durch Versöhnung mit den Schöffengerichten an die Deutsche
Einheit zu machen hätten, als diejenigen, die im Grunoe
der Seele wirklich für die Schöffengerichte eingenommen
sind, Ursache haben, für ihre Idee im Süden zu aaitiren,
um dadurch ein vermeintliches Hinderniß für gemeinsame
Deutsche Gerichts-Organisation aus dem Wege zu raumen.
Wenn die Süddeutsche Opposition gegen die Erweiterung
der Reichscompetenz auf die Gerichts-Organisation kein an-
deres Fundament hat, als die Divergenz der Ansicht über
das von der „Lüdd. Reichspost" vertretene Institut, so ist
sie durchaus grundlos. Vereinigen mir uns nur zunächst
auf dem Grunde der Idee des Schwurgerichts. Denn diese
Idee kommt dem Norden und Süden zu. Sollte später
im Reiche sich einmal ein anderes Prinzip Bahn brechen,
so immer noch Zeit dazu. In jedem Falle — darin geben
wir der „ öüdd. Reichspost" Recht — dürfte noch viel
Wasser über den Berg fließen, ehe die kontroverse „Schwur-
oder Schöffengerichte" überhaupt zur Entscheidung gestellt
wird und in die Lage kömmt, die guten Beziehungen zwi-
schen dem Norden und dem Süden Deutschlands zu ge-
fährden (B B. C.)
* LonSon
der Strike der Grubenarbeiter in Südwallis
nächst zu Ende sein.
* London, 22. Jan. (I. M. L.)
Georg
oder
Ein Opfer der Vorurteile«
Deutsch von H. K. Kißling.
P reis
zicr^lsä.nlich 45 lr.
Jnsrraie
die viergesvaltene
Vetitznte oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeige«
3 kr.
Erscheint
wöchentlich drei Mat:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Vostanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.
neben Ihnen einen Augenblick den Verstand verloren, was
sehr leicht möglich ist, wenn mau den Anbl'ck Ihrer Reize
geniest, die mir eine so tiefe und reine Liebe eingeflöst,
ich vermochte die Heftigkeit meiner Leidenschaft nicht zu
dämpfen und es wird mir Die, welche dieselbe in meinem
Herzen angefacht hat, deßhalb gewiß nicht zürnen.
„Mein Herr," seufzte Alice unter Thränen, die sie
noch reizender machten, ich darf mit einer Beleidigung, die
ihre Entschuldigung in meiner eigenen Schwäche findet,
nicht allzu strenge verfahren, aber ich befinde mich nicht
wohl und bedarf der Ruhe, bitte mich verlassen zu wollen."
„Ich erhorche Ihnen, aber verbergen Sie nicht unter
dem Vorgeben des Unwohlseins Langeweile, die Ihnen
meine Gegenwart verursacht?"
„Glauben Sie meinem Worte."
„Auf jeden Fall" und sich verneigend entfernte sich
Edgar Dordy, nachdem er zuvor die Börse auf ein Seiten-
tischchen gelegt und die Erlaubniß zum Wiederkommen durch
einen Blick des jungen Mädchens erhalten hatte.
„Sie ist jetzt mein" lächelte Dorby die Hände reibend,
als er die letzte Stufe der Treppe erreicht. „Ihr Wider-
stand ist nur das letzte Aufwallen ihrer Schamhaftigkeit,
noch einen Sturm und die Festung ergibt si h "
In dieser schmeichelhaften Hoffnung sich wiegend, kam
er nach Hause woselbst er sich vornahm, keine acht Tage
vergehen zu lasten, um diejenige wiederzusehen, die all'
seine Gedanken in Anspruch nahm.
Donnerstag, 23. Januar 1873
Nachdem Alice allein war, warf sie sich auf's Bett,
nm dort einige Ruhe zu suchen, aber vergebens harrte sie
auf den Schlummer, der ihrem armen brennenden Kopfe
Erquickung bringen sollte; ihr Herz pachte zu heftig, als
daß es jetzt schon zu seiner gewöhnlichen Ruhe hätte zurück-
kehren können und so gelang es ihr auch nicht, den ersehn-
ten Schlaf herbeizulocken Obg'eich sie die Gefahr ahine,
die für sie in ihrer Liebe zu Edgar lag, so konnte sie doch
keinen muthigen Entschluß fasten und einer Hoffnung ent-
sagen, die auf keiner Wahrscheinlichkeit beruhte. S'e er-
innerte sich indessen gar zu gerne an die verführerischen
Versprechen, die er ihr gemacht, und sah schon den Braut-
kranz, das ersehnte Ziel aller Mädchen, in ihren Locken,
mit einem Worte sie unterhielt ihre Wunde, stack sie zu
heilen zu suchen.
„Ich muß schön sein", flüsterte sie wohlgefällig, weil
Edgar mich versicherte, daß ich es bin, und was es mir
noch mehr beweist, ist das, daß e>n Mann seines Standes
sonst nicht vor einer einfachen Arbeiterin gekniet hätte,
wenn nicht wirkliche Reize ihre niedere Stellung ansglichen.
Welch' ein Glück, wenn ich eines Tag'S seine Gattin sein
werde! Warum sollte ich daran zweifeln? Hat er mir
es nicht versprochen, mir geschworen und hat er diesen Schwur
nicht mit zärtlichen Küsten besiegelt, womck er meine Hände
bedeckte?"
(Fortsetzung.)
Vier Hände, die sich gegenseitig drücken, bedürfen der
Worte nicht, um sich gleichwohl Vieles zu sagen, und wenn
dann auch die Füße sich bei dieser Unterredung betheiligen,
so darf unter diesen Umständen der Mund stumm bleibens
die Geständnisse werden demungeachtet ihren raschen Fort-
gang nehmen. Alice sah endlich Edgar so schmachtend an,
daß er daraus wohl ersah, wie glücklich sie sich fühle, sich
geliebt zu wissen.
Jit diesem Gefühle versunken, merkte sie nicht,
Edgars Gesicht langsam dem ihrigen sich näherte, bis
leise Berührung ihrer Lippe sie aufschreckte.
Gott fühlte noch ein Mal Mitleiden mit ihr
wollte den Engel vor dem Falle warnen. Das
und
arme
Mädchen durch eine ebenso rasche als unerwartet gekommene
Reaction, aus ihrem ersten Liebestraume gerissen, verbarg
ihr schamrothes Gesicht in den wieder freigewordenen Händen.
„Verzeihen Sie mir," bat ihr Liebhaber, „daß ich
Depeschen.
* London, 21. Jan. (I. M. L.) Die „Times"
bestätigen, daß England Rußland benachrichtigte, Englands
Politik werde in dem Augenblick aufhören unthätig zu sein,
sowie Rußland bestimmte Bezirke Afghanistans besetze.
22. Jan. (H. B. R.) Man glaubt
werde dem-
Prinz Napo-
leon und Prinzessin Clotilde begaben sich zum Besuche der
Königin nach Osborn, welche sie gebeten hat, einige Tage
dort zu verweilen.
* New-York, 21. Jan. (H. B. R.) -100 Sol-
daten und Freiwillige haben Medoc angegriffen. Die In-
dianer haben sich in oen Oregon-Schluchten gesammelt.
Die Truppen wurden nach einem Tage langen Gefechte
zum Rückzüge gezwungen, dieselben hatten 40 Tobte und
Verwundete.
Die spanische Regierung hat besohlen, die Muuicipal-
reformen auf Porto-Rico zu vertagen.
Volk' mit einem liberalen
steht in ihrer früheren Stärke
..mrgen ganz anderer Art Platz
WoN-oll 111k "'"s dieses Blatt werden f o r t-
w ä h r e n d von allen Post-
expeditionen , Landpostboten sowie von der Expedition ent-
gegengenommen.
Die Süddeutsche KppoMon gegen die Er-
weiterung der Htcichs Kompetenz auf die
Herichts-Hrganisation.
Mit der „Süddeutschen Opposition gegen dre Erweite-
rung der Reichscompetenz auf die Gerichts-Organisation"
lat es, so schreibt man dem „H. C." aus Bayern, fein be-
sonderes Bewenden. In den; größten Theile Süddeutsch-
lunds hängt man nämlich am Schwurgerichte, wenn auch
d e Last, als Geschworener ohne Entgelt zu fungiren, von
En Einzelnen schwer genug empfunden wird. Daher haben die
in Norddeutschland hervorgetretenen, von vielen Seiten unter-
stützten Bestrebungen für Abschaffung der Schwurgerichte
(deren Hauptvertreter bekanntlich der Königlich Sächsische
General-Staatsanwalt Or. Schwarze ist) zu einer Agitation
Veranlassung gegeben, die fortwährend im Zunehmen be-
griffen ist, und deren Tragweite nicht übersehen werden
darf, weil sie den Bestrebungen der Particularisten zweifel-
los ein reiche? und ergiebiges Feld bietet. Schon bei der
Berathung über die Versailler Verträge in den Süddeut-
schen Landtagen wurde in diesem Lager ein Hauptargu-
ment gegen deren Annahme aus der in die Verfassung neu
aufgenommenen Ausdehnung der Bundescompetenz auf
Presse und Vereinswesen hergenommen und auf die Preußi-
schen Preßzustände und auf die Gefährdung des Schwur-
gerichts direct hingewiesew Man hat dieses Moment seit-
her nie aus den Augen verloren und wird vorkommenden
Falls mit allem Nachdruck auf dasselbe zurücklommen.
Nationale Stimmen im Süden sind daher geneigt,
. gegen die Schwurgerichte und für die Schöffengerichte ein-
, zutreten, um auf diesem Wege eine gemeinsame Deutsche
Gerichts-Organisation zu erleichtern, d. h dem Norden,
, der angeblich von den Schwurgerichten nichts mehr wissen
will, eine Concession zu machen. Die conservative „Süd-
. deutsche Reichspost" bringt einen Artikel zu Gunsten der
- Schöffengerichte, der auf dem folgenden Raisonnement
' beruht :
Ueber den Werth des in Rede stehenden Instituts kann
in letzter Instanz aber doch nur oie Erfahrung entscheiden.
Diese hat uns gerade in letzter Zeit mit zunehmender
Deutlichkeit gesagt, daß das Schwurgericht mit seiner auf
s schwere Verbrechen beschränkten Competenz in Deutschland
' eine Kunstpflanze geblieben ist, welche trotz der Gunst ver-
öffentlichen Meinung nicht die Fähigkeit erlangt hat, im
Volksbewußtsein Wurzel zu schlagen. Gerade was voli-
tische Proceffe anlangt, haben dieselben sich nicht bewährt.
Die Gegensätze von „conservativ" und „liberal",, welche vor
dreißig und noch
Leben bewegte" '
! „Rechtssprechung
§ Heiligenschein zu
; nicht mehr und
gemacht.
An die Ster
mehr Clafsengegensäs)
socialen Verhältnisse
Besitzenden und Besitz'osu. tUsgehen.
politische Aeöerstcht.
Gelegentlich der am verflossenen Sonntag sta'tgehablen
feierlichen Aufstellung der 86 eroberten französischen Fahnen
und Standarten in der Hof- und Garnisonsk.rche
zu Potsdam erließ der Kaiser folgenden Tagesbefehl an
die Armee:
„Soldaten Meiner Armee!
Ich habe den heutigen Tag — durch das letzte rühm-
liche Gefecht vor Paris und durch die Schlacht bei St.
Quentin einer der neuen Ehrentage der Armee — gewählt, um
die Siegeszeichen deS letzten Kriegs denen Hinzazufügen,
welche aus früheren glorreichen Kriegen in der Garnison-
kirche in Potsdam aufgestellt sind.
Gott war mit uns und hat Großes an uns geihan.
Die Vertreter der ganzen Armee, welche der heutigen Feier
lhwetzingcr Vochtlib lall
AmLsverkündigungsötati für den Mezirk Schwetzingen.
Badische
vor zwanzig Jahren unser öffentliches
w dazu beitrugen, die s g.
VH. Jahrgang
Äo. 9
Für das „SHwetzirrger Wochenblatt" bestimmte Inserate Arden auch im „Phitippsbnrger Wochenblatt Gratis-Aufnahme
Feuillkton
(Fortsetzung folgt.)
>4.
wie
eine
politischen Parteien treten mehr und
welche von der Verschiedenheit der
von dem Antagonismus zwischen
, s - Wir haben nur
nöthig, an den Leipziger Socialistenproceß vom Februar
v. I. und an die zur Zeit desselben ziemlich allgemein aus-
gesprochene Ueberzeugung zu erinnern, „das; rechtsgelehrte
Richter die Schuld der Herren Bebel und Liebknecht anders
bemtheilt haben würden, als die von Socialistenfurcht ge-
ängstigten Leipziger bürgerlichen Geschworenen", um dar-
zuthun, daß die Zeit im Verscheiden ist, in welcher von
einem einheitlichen Rechtsbewußtsein des Volkes und von
sicheren Rechnungen auf dasselbe die Rede sein konnte. Je
breiter und tiefer die Kluft zwischen Besitzenden und Besitz-
losen wird, desto dringender stellt sich die Notwendigkeit
einer uninterefsirten, rein objectiv urtheilenden Rechts-
Instanz heraus, desto sorgfältiger muß der Gefahr einer
Ciassenjnstiz begegnet werden, welche alle Ehrfurcht des Volkes
vor den Gerichten untergraben würde.
So weit das Raisonnement der Süddeutschen Reichs-
post. Wir lassen die Frage, die hier discutirt wird, die
Frage über den Werth des Schwur- oder Schöffengerichts
ganz unerörtert, und wollen nur unsere Brüder im Süden
bitten, sich ja nicht etwa in den Kopf zu setz-m, daß die
Gedanken, die Vie Süddeutsche Reichspost ansdrückt, bei
uns im Norden so verbreitet sind, als man es jenseüs des
Mains sich einzubilden scheint, und daß dec Sächsische
Generalsstaatsanwalt Schwarze mit seiner Propaganda für
Schöffengerichte bisher blutwenig reussirt hat. Wenn un-
sere Süddemschen Reichsmilbürger glauben, daß die ge-
meinsame Deutsche Gerichts-Organisation an der verschie-
denen Auffassung, die im Norden und im Süden des
Reiches über Schwurgerichte herrscht, scheitern könnte, so
irren sie sich W-r hangen an diesem Institute gerade so,
wie das in Bayern u. s. w. der Fall ist, und die National-
gesinnten jenseits des Mains Haden so wenig Ursache,
sich schon mit Concessionen zu beschäftigen, die sie etwa
durch Versöhnung mit den Schöffengerichten an die Deutsche
Einheit zu machen hätten, als diejenigen, die im Grunoe
der Seele wirklich für die Schöffengerichte eingenommen
sind, Ursache haben, für ihre Idee im Süden zu aaitiren,
um dadurch ein vermeintliches Hinderniß für gemeinsame
Deutsche Gerichts-Organisation aus dem Wege zu raumen.
Wenn die Süddeutsche Opposition gegen die Erweiterung
der Reichscompetenz auf die Gerichts-Organisation kein an-
deres Fundament hat, als die Divergenz der Ansicht über
das von der „Lüdd. Reichspost" vertretene Institut, so ist
sie durchaus grundlos. Vereinigen mir uns nur zunächst
auf dem Grunde der Idee des Schwurgerichts. Denn diese
Idee kommt dem Norden und Süden zu. Sollte später
im Reiche sich einmal ein anderes Prinzip Bahn brechen,
so immer noch Zeit dazu. In jedem Falle — darin geben
wir der „ öüdd. Reichspost" Recht — dürfte noch viel
Wasser über den Berg fließen, ehe die kontroverse „Schwur-
oder Schöffengerichte" überhaupt zur Entscheidung gestellt
wird und in die Lage kömmt, die guten Beziehungen zwi-
schen dem Norden und dem Süden Deutschlands zu ge-
fährden (B B. C.)
* LonSon
der Strike der Grubenarbeiter in Südwallis
nächst zu Ende sein.
* London, 22. Jan. (I. M. L.)
Georg
oder
Ein Opfer der Vorurteile«
Deutsch von H. K. Kißling.
P reis
zicr^lsä.nlich 45 lr.
Jnsrraie
die viergesvaltene
Vetitznte oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeige«
3 kr.
Erscheint
wöchentlich drei Mat:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Vostanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.
neben Ihnen einen Augenblick den Verstand verloren, was
sehr leicht möglich ist, wenn mau den Anbl'ck Ihrer Reize
geniest, die mir eine so tiefe und reine Liebe eingeflöst,
ich vermochte die Heftigkeit meiner Leidenschaft nicht zu
dämpfen und es wird mir Die, welche dieselbe in meinem
Herzen angefacht hat, deßhalb gewiß nicht zürnen.
„Mein Herr," seufzte Alice unter Thränen, die sie
noch reizender machten, ich darf mit einer Beleidigung, die
ihre Entschuldigung in meiner eigenen Schwäche findet,
nicht allzu strenge verfahren, aber ich befinde mich nicht
wohl und bedarf der Ruhe, bitte mich verlassen zu wollen."
„Ich erhorche Ihnen, aber verbergen Sie nicht unter
dem Vorgeben des Unwohlseins Langeweile, die Ihnen
meine Gegenwart verursacht?"
„Glauben Sie meinem Worte."
„Auf jeden Fall" und sich verneigend entfernte sich
Edgar Dordy, nachdem er zuvor die Börse auf ein Seiten-
tischchen gelegt und die Erlaubniß zum Wiederkommen durch
einen Blick des jungen Mädchens erhalten hatte.
„Sie ist jetzt mein" lächelte Dorby die Hände reibend,
als er die letzte Stufe der Treppe erreicht. „Ihr Wider-
stand ist nur das letzte Aufwallen ihrer Schamhaftigkeit,
noch einen Sturm und die Festung ergibt si h "
In dieser schmeichelhaften Hoffnung sich wiegend, kam
er nach Hause woselbst er sich vornahm, keine acht Tage
vergehen zu lasten, um diejenige wiederzusehen, die all'
seine Gedanken in Anspruch nahm.
Donnerstag, 23. Januar 1873
Nachdem Alice allein war, warf sie sich auf's Bett,
nm dort einige Ruhe zu suchen, aber vergebens harrte sie
auf den Schlummer, der ihrem armen brennenden Kopfe
Erquickung bringen sollte; ihr Herz pachte zu heftig, als
daß es jetzt schon zu seiner gewöhnlichen Ruhe hätte zurück-
kehren können und so gelang es ihr auch nicht, den ersehn-
ten Schlaf herbeizulocken Obg'eich sie die Gefahr ahine,
die für sie in ihrer Liebe zu Edgar lag, so konnte sie doch
keinen muthigen Entschluß fasten und einer Hoffnung ent-
sagen, die auf keiner Wahrscheinlichkeit beruhte. S'e er-
innerte sich indessen gar zu gerne an die verführerischen
Versprechen, die er ihr gemacht, und sah schon den Braut-
kranz, das ersehnte Ziel aller Mädchen, in ihren Locken,
mit einem Worte sie unterhielt ihre Wunde, stack sie zu
heilen zu suchen.
„Ich muß schön sein", flüsterte sie wohlgefällig, weil
Edgar mich versicherte, daß ich es bin, und was es mir
noch mehr beweist, ist das, daß e>n Mann seines Standes
sonst nicht vor einer einfachen Arbeiterin gekniet hätte,
wenn nicht wirkliche Reize ihre niedere Stellung ansglichen.
Welch' ein Glück, wenn ich eines Tag'S seine Gattin sein
werde! Warum sollte ich daran zweifeln? Hat er mir
es nicht versprochen, mir geschworen und hat er diesen Schwur
nicht mit zärtlichen Küsten besiegelt, womck er meine Hände
bedeckte?"
(Fortsetzung.)
Vier Hände, die sich gegenseitig drücken, bedürfen der
Worte nicht, um sich gleichwohl Vieles zu sagen, und wenn
dann auch die Füße sich bei dieser Unterredung betheiligen,
so darf unter diesen Umständen der Mund stumm bleibens
die Geständnisse werden demungeachtet ihren raschen Fort-
gang nehmen. Alice sah endlich Edgar so schmachtend an,
daß er daraus wohl ersah, wie glücklich sie sich fühle, sich
geliebt zu wissen.
Jit diesem Gefühle versunken, merkte sie nicht,
Edgars Gesicht langsam dem ihrigen sich näherte, bis
leise Berührung ihrer Lippe sie aufschreckte.
Gott fühlte noch ein Mal Mitleiden mit ihr
wollte den Engel vor dem Falle warnen. Das
und
arme
Mädchen durch eine ebenso rasche als unerwartet gekommene
Reaction, aus ihrem ersten Liebestraume gerissen, verbarg
ihr schamrothes Gesicht in den wieder freigewordenen Händen.
„Verzeihen Sie mir," bat ihr Liebhaber, „daß ich
Depeschen.
* London, 21. Jan. (I. M. L.) Die „Times"
bestätigen, daß England Rußland benachrichtigte, Englands
Politik werde in dem Augenblick aufhören unthätig zu sein,
sowie Rußland bestimmte Bezirke Afghanistans besetze.
22. Jan. (H. B. R.) Man glaubt
werde dem-
Prinz Napo-
leon und Prinzessin Clotilde begaben sich zum Besuche der
Königin nach Osborn, welche sie gebeten hat, einige Tage
dort zu verweilen.
* New-York, 21. Jan. (H. B. R.) -100 Sol-
daten und Freiwillige haben Medoc angegriffen. Die In-
dianer haben sich in oen Oregon-Schluchten gesammelt.
Die Truppen wurden nach einem Tage langen Gefechte
zum Rückzüge gezwungen, dieselben hatten 40 Tobte und
Verwundete.
Die spanische Regierung hat besohlen, die Muuicipal-
reformen auf Porto-Rico zu vertagen.
Volk' mit einem liberalen
steht in ihrer früheren Stärke
..mrgen ganz anderer Art Platz
WoN-oll 111k "'"s dieses Blatt werden f o r t-
w ä h r e n d von allen Post-
expeditionen , Landpostboten sowie von der Expedition ent-
gegengenommen.
Die Süddeutsche KppoMon gegen die Er-
weiterung der Htcichs Kompetenz auf die
Herichts-Hrganisation.
Mit der „Süddeutschen Opposition gegen dre Erweite-
rung der Reichscompetenz auf die Gerichts-Organisation"
lat es, so schreibt man dem „H. C." aus Bayern, fein be-
sonderes Bewenden. In den; größten Theile Süddeutsch-
lunds hängt man nämlich am Schwurgerichte, wenn auch
d e Last, als Geschworener ohne Entgelt zu fungiren, von
En Einzelnen schwer genug empfunden wird. Daher haben die
in Norddeutschland hervorgetretenen, von vielen Seiten unter-
stützten Bestrebungen für Abschaffung der Schwurgerichte
(deren Hauptvertreter bekanntlich der Königlich Sächsische
General-Staatsanwalt Or. Schwarze ist) zu einer Agitation
Veranlassung gegeben, die fortwährend im Zunehmen be-
griffen ist, und deren Tragweite nicht übersehen werden
darf, weil sie den Bestrebungen der Particularisten zweifel-
los ein reiche? und ergiebiges Feld bietet. Schon bei der
Berathung über die Versailler Verträge in den Süddeut-
schen Landtagen wurde in diesem Lager ein Hauptargu-
ment gegen deren Annahme aus der in die Verfassung neu
aufgenommenen Ausdehnung der Bundescompetenz auf
Presse und Vereinswesen hergenommen und auf die Preußi-
schen Preßzustände und auf die Gefährdung des Schwur-
gerichts direct hingewiesew Man hat dieses Moment seit-
her nie aus den Augen verloren und wird vorkommenden
Falls mit allem Nachdruck auf dasselbe zurücklommen.
Nationale Stimmen im Süden sind daher geneigt,
. gegen die Schwurgerichte und für die Schöffengerichte ein-
, zutreten, um auf diesem Wege eine gemeinsame Deutsche
Gerichts-Organisation zu erleichtern, d. h dem Norden,
, der angeblich von den Schwurgerichten nichts mehr wissen
will, eine Concession zu machen. Die conservative „Süd-
. deutsche Reichspost" bringt einen Artikel zu Gunsten der
- Schöffengerichte, der auf dem folgenden Raisonnement
' beruht :
Ueber den Werth des in Rede stehenden Instituts kann
in letzter Instanz aber doch nur oie Erfahrung entscheiden.
Diese hat uns gerade in letzter Zeit mit zunehmender
Deutlichkeit gesagt, daß das Schwurgericht mit seiner auf
s schwere Verbrechen beschränkten Competenz in Deutschland
' eine Kunstpflanze geblieben ist, welche trotz der Gunst ver-
öffentlichen Meinung nicht die Fähigkeit erlangt hat, im
Volksbewußtsein Wurzel zu schlagen. Gerade was voli-
tische Proceffe anlangt, haben dieselben sich nicht bewährt.
Die Gegensätze von „conservativ" und „liberal",, welche vor
dreißig und noch
Leben bewegte" '
! „Rechtssprechung
§ Heiligenschein zu
; nicht mehr und
gemacht.
An die Ster
mehr Clafsengegensäs)
socialen Verhältnisse
Besitzenden und Besitz'osu. tUsgehen.
politische Aeöerstcht.
Gelegentlich der am verflossenen Sonntag sta'tgehablen
feierlichen Aufstellung der 86 eroberten französischen Fahnen
und Standarten in der Hof- und Garnisonsk.rche
zu Potsdam erließ der Kaiser folgenden Tagesbefehl an
die Armee:
„Soldaten Meiner Armee!
Ich habe den heutigen Tag — durch das letzte rühm-
liche Gefecht vor Paris und durch die Schlacht bei St.
Quentin einer der neuen Ehrentage der Armee — gewählt, um
die Siegeszeichen deS letzten Kriegs denen Hinzazufügen,
welche aus früheren glorreichen Kriegen in der Garnison-
kirche in Potsdam aufgestellt sind.
Gott war mit uns und hat Großes an uns geihan.
Die Vertreter der ganzen Armee, welche der heutigen Feier
lhwetzingcr Vochtlib lall
AmLsverkündigungsötati für den Mezirk Schwetzingen.
Badische
vor zwanzig Jahren unser öffentliches
w dazu beitrugen, die s g.