Ers.üeint
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Dienstag, Donnerstag
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3 kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
Donnerstag, 15. Mai 1873.
««. 57.
..
VII. Jahrgang.
Für das ^Schwetzirrger WocheabLaLL" beftimrnLe ZsrseraLe strrZen auch im Philippsburger «L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
politische Aeöerstcht.
Ein officiöser Berliner Correspondent der „Elbs. Zig."
schreibt: „Von dem Gerücht, daß die Reise des Kaisers
Wilhelm nach Wien, welche auf den 29. d. M. fest-
gesetzt ist, wegen des unfertigen Standes der Ausstellung
vertagt ist, will mau in Kreisen, welche dem Hotel sehr
nahe stehen, gar nichts wissen. Es ist doch auch wirklich
nicht anzunelunen, daß vier Wochen nach der osficiellen
Eröffnung der Ausstellung dieselbe noch nicht in einem
präsentableu Zustande sein wird. Was die Begleitung des
Kaisers anbelaugt, so steht es ganz fest, daß Fürst Bis-
marck denselben begleiten wird, ebenso wie der Kaiser von
Rußland den Fü'sten Gortschakoff milbrmgeu wird, so daß
der politische Charakter der Drei-Kaiser-Confcreuz auch in
diesem Jahre außer Zweifel gestellt wird."
Das Reichs-Militärgesetz ist vom Buudes-
rathe iu den Plenarsitzungen am Sonnabend und Sonntag
angenommen worden, wird übermorgen schon, dein Reichs-
tage zugehen, also möglichst bald zur Berathung kommen.
Es ist auf allen Seiten die Absicht vorhanden, die Be-
ratung so bald wie möglich zu beginnen und schnell zu
fördern. Die wichtigen Arbeiten des Reichstages und zwar
gerade solche besonders dringender Natur häufen sich so sehr,
daß man selbst bei angestrengtestem Fleiße kaum im Stande
sein wird, bis zum 22. Juni, wie es Zn der Absicht liegt,
die Session zu Ende zu führen.
Der Großherzog von Olden burd hat Wie-
§ dem Geh. Rath Günther unterzeichnet worden. Das Brief-
Porto beträgt 2h'r Sgr. oder 30 Cent., ohne Unterschied
i des Abgangs- und Bestimmungsortes. Drucksachen, Musi-
i kalien, Kupferstiche, Lithographieen, Photographieen, gedruckte
oder metallographirte Avise zahlen 6 Pf. oder 5 Cent, pro
i 50 Gramm. Durch Erleichterungen im Transit über Brindisi
i ist die directe Postverbindung mit Ostindien und Australien
! ermöglicht.
! Die „Partie", welche wir allerdings nicht als eine
Quelle von klarstem Wasser bezeichnen wollen, schreibt dem
> Herrn Thiers folgende Projecte zu: Der Präsident würde
' mit Hülfe der Mitlelparteien und der Linken die definitive
i Ausrufung der Republik durchsetzen; eine möglichst kurz ge-
faßte und mit Hülfe gewisser Modificationen in der Aus-
übung des allgemeinen Stimmrechts die nöthigen Bürg-
' schäften gegen revolutionäre Ausschreitungen bietende Ver-
' fassung würde promulgirt und unter den Schutz der Armee
i gestellt, die allgemeinen Wahlen würden um ein Jahr ver-
i schoben und Herr Thiers selbst endlich zum Präsidenten der
Republik auf Lebenszeit ernannt werden.
i Deutsches Reich.
' Vertin, 11. Mai. Nach dem Börsen-Curier hatte
die badische Regierung in der Diätenaugelegenheit ihre An-
sicht dahin geäußert, daß der Widerstand gegen die Majorität
i des Reichstages in Bezug hierauf auf die Dauer nicht
durchzuführeu und es daher gerathen sei, noch in der
gegenwärtigen Session die Wünsche des Reichstages zu be-
ner Blättern zufolge neuerdings auf das Entschiedenste er- j
klärt, daß er nicht Willens sei, die Regentschaft des Her-
zogthums Braunschweigs nach dem Ableben des Herzogs zu
übernehmen. Das vom Braunschweigischen Landtage be- >
schlossene Regentschaftsgesetz ist dam't gegenstandslos ge-
worden. !
Aus der Bundesrathssitzung vom Freitag wird nach- <
träglich bekannt, daß die w ü r t t e m b e r g i s ch e Regierung
den Antrag einbrachte, es möge noch in dieser Reichstags-
session ein Gesetzentwurf über Einführung eines gemein-
samen Reichs-Papiergeldes vorgelegt werden, >
und daß dieser Antrag allge > eine Zustimmung fand. Hoffeut- i
lich wird der Antrag so rasch zur Ausführung gelangen, !
daß die Erledigung gleichzeitig mit der Berathung des ver-
tagten letzten Artikels (18) des Münzgesetzes erfolg-m kann. ,
Im klebrigen sind weitere Aenderungen im Münzgesetz durch !
Bundesraths-Beschluß nicht zu erwarten. Jedenfalls wird
der Reichstags-Beschluß über das Zweimarkstück von keiner i
Seite als ein Grund aufgefaßt, das wichtige Gesetz in Frage
gestellt bleiben zu lassen. !
Der neue deutsch-italienische Po st vertrag
ist am 11. Mai Nachmittags zwischen dem italienischen Ge- !
sandten Launay, dem General-Post-Director Stephan und
friedigen.
Berlin, 13. Mai. Der Reichstag beendete in heuti-
ger Sitzung in zweiter Berathung das Kriegsleistungsgesetz,
welches iu der Fassung der freien Kommission unter Zurück-
stellung des Paragraphen 15 a. genehmigt wurde. Die
nächste Sitzung morgen — Der Spener'schen Zeitung zu-
folge ist Achenbach zum Handelminister ernannt.
*** Mannheim, 12. Mai. Wir tbeilcn im Folgen-
dem die Anträge des Ausschusses des badischen Städtetages
in definitiver Fassung mit:
Anträge des AuSschusses des badischen
Städte-Tages.
Der Ausschuß des badischen Städtetages beantragt,
daß der letztere folgende Resolutionen fasse:
X.. Bezüglich der Einwohner-Gemeinde:
I. Die Einführung der Einwohnergemeinde in Städten
über 10,000 Einwohner ist gesetzlich festzustellen.
II. Den Städten unter 10,000 Einwohnern bleibt
es frei gestellt, durch Gemeindebeschluß sich unter die für
die Städte über 10,000 Einwohner zu erlassende Städte-
ordnung zu stellen.
III. Bei Erlassung der Städteordnung sollen die bis-
herigen Bestimmungen unserer Gemeindeordnung, so weit
solche nicht besonders berührt werden, aufrecht erhalten bleiben.
IV. Die Stadtgemeinde wird durch alle Einwohner
eines Stadtbezirkes, mit Ausnahme der servisberechtigter
Militärpersonen des aktiven Dienststandes, gebildet.
V. Alle Gemeindeangehörigen sind einerseits zur Mit-
benützung der öffentlichen Gemeindeanstalten und zum Mit-
genusse der Erträgnisse des Stadtvermögens berechtigt, an-
dererseits zur Theilnahme an den Gemeindelasten verpflichtet.
Die Gesetzgebung über Allmendgenuß soll einer Revision
uuterworfen werden.
VI. Das Bürgerrecht im engeren Sinne besteht in
dem Rechte zur Theilnahme an den Gemeindewahlen und
in der Befähigung zur Uebernahme von Aemtern in der
Gemeindeverwaltung und Vertretung, vorbehaltlich der unter
IX aufgenommenen Beschränkung.
VII. Das Bürgerrecht wird von jedem Reichs - An-
gehörigen erworben, welcher nach zurückgelegtem 24. Lebens-
jahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Stadtgemeinde gehabt hat.
Versagt wird dasselbe einem Jeden, der sich in dem
Ausnahmsfalle des § 3 des Reichswahlgesetzes befindet oder
den Nachweis eines den Unterhalt einer Familie sichernden
Vermögens oder Nahrungszweiges nicht zu erbringen ver-
mag oder seine schuldigen Steuern und Gemeindeabgaben
in den letzten zwei Jahren nicht entrichtet hat.
Wer bisher das Bürgerrecht in der Bürgergemeinde
ausgeübt hat, erlangt solches ohne Weiteres auch in der
Einwohnergemeinde.
VIII. Dem Gemeinderathe und Bürgerausschusse ist
die Ermächtigung zu ertheilen, von dem Erfordernisse eines
zweijährigen Aufenthalts in dem Falle Umgänge zu neh-
men, wenn ein Bürger von einer andern Gemeinde beizieht.
IX. Zur Annahme der Wahl in den Gemeinderath
ist der Besitz oder die Erwerbung des Staatsbürgerrechtes
erforderlich.
8. Bezüglich der Organisation der Gemeindevertretung:
Die Organisation der Gemeindeverwaltung und Ver-
tretung soll thunlichst mit den in der Städteordnung für
Schleswig-Holstein hierüber aufgenommenen Bestimmungen
in Einklang gebracht werden.
6. Bezüglich der Gemeindebesteuerung:
I. Die Gemeindesteuern werden in der Rege! nach den
gleichen Normen aufgebracht wie die Staatssteuern, insbe-
sondere werden auch die Capital- und Claffensteuer nach
einem festzustellenden Modus zu denselben beigezogen.
II. Den Stadtgemeinden ist es jedoch gestattet, ihre
Bedürfnisse im Wege einer Einkommensteuer zu decken, deren
Festsetzung der Staatsgenehmigung bedarf.
III. Die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen
sollen einer Revision unterworfen und letztere auf das mög-
lichst geringste Maß reducirt werden. (Schluß folgt.)
Der Much des Holdes.
*
* H
(Fortsetzung.)
2.
Ich dachte sie auf dem Posthofe zu finden/ erwiderte Cornelius,
dem der lauernde Seitenblick des Trödler nicht entging, „da Sie nicht
dort waren, mußte allein den Weg zum Gasthof suchen. Es hat manches
sich geändert in der Stadt, seitdem ich sie verlassen habe; glauben sie
wohl, daß ich kaum die Straßen wieder erkannte? Aber kommen wir
zur Sache. Sie schrieben in ihrem letzten Briefe, daß ich bei meiner
Ankunft meine Tochter finden werde, wo ist sie?"
Ich werde sie morgen in ihre Arme führen, entgegnete der Wu-
cherer, während er, ohne eine Einladung dazu abzuwarten, auf einem
Sessel Platz nahm. „Ein hübsches Mädchen, gleicht ihnen aufs Haar,
aber in der Erziehung etwas vernachlässigt."
„Ist sie bereits unterrichtet?"
„Ja, aber sie weiß nicht, daß sie heute Abend ankommen wollten,
ich verheimlichte es ihr, um Ihnen eine Aufregung zu ersparen. Wenn
man eine so weite Reise gemacht hat, ist man ermüdet —"
„Hm, lieber wäre es mir gewesen, wenn sie die junge Dame mit-
gebracht hätten," fiel Cornelius ihm ins Wort, „aber ich werde mich
gedulden bis morgen. Wollen sie nun die Güte haben, mir Bericht
zu erstatten."
„Herzlich gern. Sie wissen, daß ich oft eine Spur entdeckt zu
haben glaubte und ebenso oft mich getäuscht sehen mußte, dadurch war
ich behutsamer geworden und ich läugne nicht, daß die öfteren Ent-
täuschungen mich entmuthigten. Vor neun Monaten glaubte ich aber-
mals einen Haltpunkt gefunden zu haben. Der Zufall führte mich in
das Haus einer Schusterwittwe, ich war von der Armenverwaltung zu
ihr geschickt, um mir bie Ueberzeugung zu verschaffen, ob sie wirklich
der Unterstützung so sehr bedürftig sei, wie sie es in ihrer Bitte um
Hülfe geschildert hatte. Ich fand sie auf dem Sterbelager; neben dem I
Strohsack, auf welchem sie lag, saß ein hübsches junges Mädchen. Dank
der Unterstützung, welche die Armenverwaltung der Kranken gewährte,
flackerte das Lebenslicht noch einmal auf, aber lange konnte es mit ihr
nicht mehr dauern. Ich besuchte sie oft, bald brachte ich ihr die Unter-
stützungsgelder, bald sah ich nach, ob diese Gelder auch ihrem Zwecke
gemäß verwandt wurden. Bei einem solchen Besuch hörte ich, daß
Hedwig nicht die Tochter der Wittwe, sondern nur ihr Pflegeki id sei.
In einem solchen ärmlichen Hause ein Pflegekind zu finden, be-
fremdete mich, ich forschte nach und erfuhr folgendes: Vor ungefähr
sechzehn Jahren hatten in dem Hause des damals noch ziemlich wohl-
habenden Schusters zwei Mitglieder einer Akrobaten- und Taschenspie-
ler-Gesellschaft zur Miethe gewohnt. Sie führten ein kleines vierjäh-
riges Mädchen mit sich, welches sie für ihr Kind ausgaben. Dieses
Mäd^en mußte in jeder Vorstellung seine Künste zeigen und es that
dies mit sichtbarem Widerwillen, es wurde gezwungen, an den gym-
nastischen Hebungen Theil zu nehmen und es war unglücklich, gedrückt,
weil es gegen diese Beschäftigung eine unbesiegelbare Abneigung hegte.
Die Frau des Schusters hatte das Kind lieb gewonnen, und die Eltern
desselben schienen es ungern zu sehen, daß das Mädchen seine ganze
freie Zeit in der Werkstätte oder Wohnstube ihres Hauswirths ver-
brachte. Das Kind klagte der Freundin sein Unglück und das Müller-
sche Ehepaar, welches selbst keine Kinder besaß, beschloß, das Mädchen
zu adoptiren, vorausgesetzt, daß die Eltern ihre Rechte ihnen abtraten.
Der Schuster bot ihnen dafür eine kleine Summe an, er machte die
Leute darauf aufmerksam, daß das Kind weder Geschick noch Lust zur
Seiltänzerei zeige und deshalb ihnen zur Last fallen müsse, er ver-
sprach ihnen, das Mädchen wie sein eigenes Kind zu halten und ihm
stets nur Liebe zu bezeugen, — er wurde zurückgewiesen. Das Kind
verstand, um was es sich handelte, es klammerte sich an ihre mütter-
liche Freundin und erklärte den Eltern, daß es ihnen entlaufen werde,
wenn sie sich weigerten, den ihnen gemachten Vorschlag anzunehmen.
Der Schuster drohte mit der Behörde, die Drohung fruchtete; die
Akrobaten schienen triftige Gründe zu haben, die nähere Bekanntschaft
mit der Polizei und den Gerichten zu fürchten. Sie zogen nach einer::
mehrwöchentlichen Aufenthalt ab, das Kind blieb im Hause des Schusters
zurück, und man muß diesen biederen Leuten das Zeugniß geben, daß
sie ihr Versprechen ehrlich ungelöst haben. Einige Jahre später erhielt
der Schuhmacher durch die Post von unbekannter Hand ein Packet, er
fand darin ein Kinderhemdchen und ein seidenes Tüchelchen. Das
Hemdchen trug das Zeichen C. C."
„Clementine Cornelius," sagte der Amerikaner, der
sich erhoben hatte und nun auf und ab wanderte, um seine wachsende
Erregung zu bemustern.
„Ich dachte an Clemens Cornelius," fuhr der Trödler fort. „Der
Schuster wußte nicht, was er mit dem Inhalt des Packetchens beginnen
sollte; daß die Akrobaten es geschickt hatten und daß es mit seinem
Pflegekinde in irgend welcher Beziehung stand, bezweifelte er nicht.
Uebergab er die Sachen der Polizei, so lag die Möglichkeit nahe, daß
die Eltern des Kindes entdeckt wurden und der Schuster war zu sehr
Egoist, als daß er sich mit dem Gedanken, das Kind verlieren zu sollen,
befreunden konnte. Er beschloß, das Packetchen einstweilen aufzube-
wahren, leider ging dasselbe später bei einem Brandunglück, das den
Schuster betraf, verloren. Dieser Brand war auch Ursache des Ruins.
Müller hatte sein Haus gegen Feuersgefahr nicht versichert; er war,
als es in Asche lag, ein Bettler, und sein Unmuth verleitete ihn zum
Trunk. Gr starb, die Wittwe und ihre Pflegetochter ernährten sich
durch ihrer Hände Arbeit, so gut sie es vermochten. Jetzt ist auch die
Wittwe todt, die Vorsehung fügte es, daß kurz vor ihrem Tode Hedwig
den Vater fand."
Cornelius blickte forschend den Wucherer an, in dessen Zügen
eine ruhige Selbstzufriedenheit sich ausdrückte.
„Fatal, daß alle Beweise fehlen," sagte er. „Wenn ich auch weit
entfert bin, in ihren Bericht einen Zweifel zu setzen, so wä>e es mir
doch angenehm, bessere Beweise zu haben, als die Mittheilungen einer
alten Frau."
(Fortsetzung folgt.)
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Donnerstag, 15. Mai 1873.
««. 57.
..
VII. Jahrgang.
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politische Aeöerstcht.
Ein officiöser Berliner Correspondent der „Elbs. Zig."
schreibt: „Von dem Gerücht, daß die Reise des Kaisers
Wilhelm nach Wien, welche auf den 29. d. M. fest-
gesetzt ist, wegen des unfertigen Standes der Ausstellung
vertagt ist, will mau in Kreisen, welche dem Hotel sehr
nahe stehen, gar nichts wissen. Es ist doch auch wirklich
nicht anzunelunen, daß vier Wochen nach der osficiellen
Eröffnung der Ausstellung dieselbe noch nicht in einem
präsentableu Zustande sein wird. Was die Begleitung des
Kaisers anbelaugt, so steht es ganz fest, daß Fürst Bis-
marck denselben begleiten wird, ebenso wie der Kaiser von
Rußland den Fü'sten Gortschakoff milbrmgeu wird, so daß
der politische Charakter der Drei-Kaiser-Confcreuz auch in
diesem Jahre außer Zweifel gestellt wird."
Das Reichs-Militärgesetz ist vom Buudes-
rathe iu den Plenarsitzungen am Sonnabend und Sonntag
angenommen worden, wird übermorgen schon, dein Reichs-
tage zugehen, also möglichst bald zur Berathung kommen.
Es ist auf allen Seiten die Absicht vorhanden, die Be-
ratung so bald wie möglich zu beginnen und schnell zu
fördern. Die wichtigen Arbeiten des Reichstages und zwar
gerade solche besonders dringender Natur häufen sich so sehr,
daß man selbst bei angestrengtestem Fleiße kaum im Stande
sein wird, bis zum 22. Juni, wie es Zn der Absicht liegt,
die Session zu Ende zu führen.
Der Großherzog von Olden burd hat Wie-
§ dem Geh. Rath Günther unterzeichnet worden. Das Brief-
Porto beträgt 2h'r Sgr. oder 30 Cent., ohne Unterschied
i des Abgangs- und Bestimmungsortes. Drucksachen, Musi-
i kalien, Kupferstiche, Lithographieen, Photographieen, gedruckte
oder metallographirte Avise zahlen 6 Pf. oder 5 Cent, pro
i 50 Gramm. Durch Erleichterungen im Transit über Brindisi
i ist die directe Postverbindung mit Ostindien und Australien
! ermöglicht.
! Die „Partie", welche wir allerdings nicht als eine
Quelle von klarstem Wasser bezeichnen wollen, schreibt dem
> Herrn Thiers folgende Projecte zu: Der Präsident würde
' mit Hülfe der Mitlelparteien und der Linken die definitive
i Ausrufung der Republik durchsetzen; eine möglichst kurz ge-
faßte und mit Hülfe gewisser Modificationen in der Aus-
übung des allgemeinen Stimmrechts die nöthigen Bürg-
' schäften gegen revolutionäre Ausschreitungen bietende Ver-
' fassung würde promulgirt und unter den Schutz der Armee
i gestellt, die allgemeinen Wahlen würden um ein Jahr ver-
i schoben und Herr Thiers selbst endlich zum Präsidenten der
Republik auf Lebenszeit ernannt werden.
i Deutsches Reich.
' Vertin, 11. Mai. Nach dem Börsen-Curier hatte
die badische Regierung in der Diätenaugelegenheit ihre An-
sicht dahin geäußert, daß der Widerstand gegen die Majorität
i des Reichstages in Bezug hierauf auf die Dauer nicht
durchzuführeu und es daher gerathen sei, noch in der
gegenwärtigen Session die Wünsche des Reichstages zu be-
ner Blättern zufolge neuerdings auf das Entschiedenste er- j
klärt, daß er nicht Willens sei, die Regentschaft des Her-
zogthums Braunschweigs nach dem Ableben des Herzogs zu
übernehmen. Das vom Braunschweigischen Landtage be- >
schlossene Regentschaftsgesetz ist dam't gegenstandslos ge-
worden. !
Aus der Bundesrathssitzung vom Freitag wird nach- <
träglich bekannt, daß die w ü r t t e m b e r g i s ch e Regierung
den Antrag einbrachte, es möge noch in dieser Reichstags-
session ein Gesetzentwurf über Einführung eines gemein-
samen Reichs-Papiergeldes vorgelegt werden, >
und daß dieser Antrag allge > eine Zustimmung fand. Hoffeut- i
lich wird der Antrag so rasch zur Ausführung gelangen, !
daß die Erledigung gleichzeitig mit der Berathung des ver-
tagten letzten Artikels (18) des Münzgesetzes erfolg-m kann. ,
Im klebrigen sind weitere Aenderungen im Münzgesetz durch !
Bundesraths-Beschluß nicht zu erwarten. Jedenfalls wird
der Reichstags-Beschluß über das Zweimarkstück von keiner i
Seite als ein Grund aufgefaßt, das wichtige Gesetz in Frage
gestellt bleiben zu lassen. !
Der neue deutsch-italienische Po st vertrag
ist am 11. Mai Nachmittags zwischen dem italienischen Ge- !
sandten Launay, dem General-Post-Director Stephan und
friedigen.
Berlin, 13. Mai. Der Reichstag beendete in heuti-
ger Sitzung in zweiter Berathung das Kriegsleistungsgesetz,
welches iu der Fassung der freien Kommission unter Zurück-
stellung des Paragraphen 15 a. genehmigt wurde. Die
nächste Sitzung morgen — Der Spener'schen Zeitung zu-
folge ist Achenbach zum Handelminister ernannt.
*** Mannheim, 12. Mai. Wir tbeilcn im Folgen-
dem die Anträge des Ausschusses des badischen Städtetages
in definitiver Fassung mit:
Anträge des AuSschusses des badischen
Städte-Tages.
Der Ausschuß des badischen Städtetages beantragt,
daß der letztere folgende Resolutionen fasse:
X.. Bezüglich der Einwohner-Gemeinde:
I. Die Einführung der Einwohnergemeinde in Städten
über 10,000 Einwohner ist gesetzlich festzustellen.
II. Den Städten unter 10,000 Einwohnern bleibt
es frei gestellt, durch Gemeindebeschluß sich unter die für
die Städte über 10,000 Einwohner zu erlassende Städte-
ordnung zu stellen.
III. Bei Erlassung der Städteordnung sollen die bis-
herigen Bestimmungen unserer Gemeindeordnung, so weit
solche nicht besonders berührt werden, aufrecht erhalten bleiben.
IV. Die Stadtgemeinde wird durch alle Einwohner
eines Stadtbezirkes, mit Ausnahme der servisberechtigter
Militärpersonen des aktiven Dienststandes, gebildet.
V. Alle Gemeindeangehörigen sind einerseits zur Mit-
benützung der öffentlichen Gemeindeanstalten und zum Mit-
genusse der Erträgnisse des Stadtvermögens berechtigt, an-
dererseits zur Theilnahme an den Gemeindelasten verpflichtet.
Die Gesetzgebung über Allmendgenuß soll einer Revision
uuterworfen werden.
VI. Das Bürgerrecht im engeren Sinne besteht in
dem Rechte zur Theilnahme an den Gemeindewahlen und
in der Befähigung zur Uebernahme von Aemtern in der
Gemeindeverwaltung und Vertretung, vorbehaltlich der unter
IX aufgenommenen Beschränkung.
VII. Das Bürgerrecht wird von jedem Reichs - An-
gehörigen erworben, welcher nach zurückgelegtem 24. Lebens-
jahre zwei Jahre lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Stadtgemeinde gehabt hat.
Versagt wird dasselbe einem Jeden, der sich in dem
Ausnahmsfalle des § 3 des Reichswahlgesetzes befindet oder
den Nachweis eines den Unterhalt einer Familie sichernden
Vermögens oder Nahrungszweiges nicht zu erbringen ver-
mag oder seine schuldigen Steuern und Gemeindeabgaben
in den letzten zwei Jahren nicht entrichtet hat.
Wer bisher das Bürgerrecht in der Bürgergemeinde
ausgeübt hat, erlangt solches ohne Weiteres auch in der
Einwohnergemeinde.
VIII. Dem Gemeinderathe und Bürgerausschusse ist
die Ermächtigung zu ertheilen, von dem Erfordernisse eines
zweijährigen Aufenthalts in dem Falle Umgänge zu neh-
men, wenn ein Bürger von einer andern Gemeinde beizieht.
IX. Zur Annahme der Wahl in den Gemeinderath
ist der Besitz oder die Erwerbung des Staatsbürgerrechtes
erforderlich.
8. Bezüglich der Organisation der Gemeindevertretung:
Die Organisation der Gemeindeverwaltung und Ver-
tretung soll thunlichst mit den in der Städteordnung für
Schleswig-Holstein hierüber aufgenommenen Bestimmungen
in Einklang gebracht werden.
6. Bezüglich der Gemeindebesteuerung:
I. Die Gemeindesteuern werden in der Rege! nach den
gleichen Normen aufgebracht wie die Staatssteuern, insbe-
sondere werden auch die Capital- und Claffensteuer nach
einem festzustellenden Modus zu denselben beigezogen.
II. Den Stadtgemeinden ist es jedoch gestattet, ihre
Bedürfnisse im Wege einer Einkommensteuer zu decken, deren
Festsetzung der Staatsgenehmigung bedarf.
III. Die Bestimmungen über die Steuerbefreiungen
sollen einer Revision unterworfen und letztere auf das mög-
lichst geringste Maß reducirt werden. (Schluß folgt.)
Der Much des Holdes.
*
* H
(Fortsetzung.)
2.
Ich dachte sie auf dem Posthofe zu finden/ erwiderte Cornelius,
dem der lauernde Seitenblick des Trödler nicht entging, „da Sie nicht
dort waren, mußte allein den Weg zum Gasthof suchen. Es hat manches
sich geändert in der Stadt, seitdem ich sie verlassen habe; glauben sie
wohl, daß ich kaum die Straßen wieder erkannte? Aber kommen wir
zur Sache. Sie schrieben in ihrem letzten Briefe, daß ich bei meiner
Ankunft meine Tochter finden werde, wo ist sie?"
Ich werde sie morgen in ihre Arme führen, entgegnete der Wu-
cherer, während er, ohne eine Einladung dazu abzuwarten, auf einem
Sessel Platz nahm. „Ein hübsches Mädchen, gleicht ihnen aufs Haar,
aber in der Erziehung etwas vernachlässigt."
„Ist sie bereits unterrichtet?"
„Ja, aber sie weiß nicht, daß sie heute Abend ankommen wollten,
ich verheimlichte es ihr, um Ihnen eine Aufregung zu ersparen. Wenn
man eine so weite Reise gemacht hat, ist man ermüdet —"
„Hm, lieber wäre es mir gewesen, wenn sie die junge Dame mit-
gebracht hätten," fiel Cornelius ihm ins Wort, „aber ich werde mich
gedulden bis morgen. Wollen sie nun die Güte haben, mir Bericht
zu erstatten."
„Herzlich gern. Sie wissen, daß ich oft eine Spur entdeckt zu
haben glaubte und ebenso oft mich getäuscht sehen mußte, dadurch war
ich behutsamer geworden und ich läugne nicht, daß die öfteren Ent-
täuschungen mich entmuthigten. Vor neun Monaten glaubte ich aber-
mals einen Haltpunkt gefunden zu haben. Der Zufall führte mich in
das Haus einer Schusterwittwe, ich war von der Armenverwaltung zu
ihr geschickt, um mir bie Ueberzeugung zu verschaffen, ob sie wirklich
der Unterstützung so sehr bedürftig sei, wie sie es in ihrer Bitte um
Hülfe geschildert hatte. Ich fand sie auf dem Sterbelager; neben dem I
Strohsack, auf welchem sie lag, saß ein hübsches junges Mädchen. Dank
der Unterstützung, welche die Armenverwaltung der Kranken gewährte,
flackerte das Lebenslicht noch einmal auf, aber lange konnte es mit ihr
nicht mehr dauern. Ich besuchte sie oft, bald brachte ich ihr die Unter-
stützungsgelder, bald sah ich nach, ob diese Gelder auch ihrem Zwecke
gemäß verwandt wurden. Bei einem solchen Besuch hörte ich, daß
Hedwig nicht die Tochter der Wittwe, sondern nur ihr Pflegeki id sei.
In einem solchen ärmlichen Hause ein Pflegekind zu finden, be-
fremdete mich, ich forschte nach und erfuhr folgendes: Vor ungefähr
sechzehn Jahren hatten in dem Hause des damals noch ziemlich wohl-
habenden Schusters zwei Mitglieder einer Akrobaten- und Taschenspie-
ler-Gesellschaft zur Miethe gewohnt. Sie führten ein kleines vierjäh-
riges Mädchen mit sich, welches sie für ihr Kind ausgaben. Dieses
Mäd^en mußte in jeder Vorstellung seine Künste zeigen und es that
dies mit sichtbarem Widerwillen, es wurde gezwungen, an den gym-
nastischen Hebungen Theil zu nehmen und es war unglücklich, gedrückt,
weil es gegen diese Beschäftigung eine unbesiegelbare Abneigung hegte.
Die Frau des Schusters hatte das Kind lieb gewonnen, und die Eltern
desselben schienen es ungern zu sehen, daß das Mädchen seine ganze
freie Zeit in der Werkstätte oder Wohnstube ihres Hauswirths ver-
brachte. Das Kind klagte der Freundin sein Unglück und das Müller-
sche Ehepaar, welches selbst keine Kinder besaß, beschloß, das Mädchen
zu adoptiren, vorausgesetzt, daß die Eltern ihre Rechte ihnen abtraten.
Der Schuster bot ihnen dafür eine kleine Summe an, er machte die
Leute darauf aufmerksam, daß das Kind weder Geschick noch Lust zur
Seiltänzerei zeige und deshalb ihnen zur Last fallen müsse, er ver-
sprach ihnen, das Mädchen wie sein eigenes Kind zu halten und ihm
stets nur Liebe zu bezeugen, — er wurde zurückgewiesen. Das Kind
verstand, um was es sich handelte, es klammerte sich an ihre mütter-
liche Freundin und erklärte den Eltern, daß es ihnen entlaufen werde,
wenn sie sich weigerten, den ihnen gemachten Vorschlag anzunehmen.
Der Schuster drohte mit der Behörde, die Drohung fruchtete; die
Akrobaten schienen triftige Gründe zu haben, die nähere Bekanntschaft
mit der Polizei und den Gerichten zu fürchten. Sie zogen nach einer::
mehrwöchentlichen Aufenthalt ab, das Kind blieb im Hause des Schusters
zurück, und man muß diesen biederen Leuten das Zeugniß geben, daß
sie ihr Versprechen ehrlich ungelöst haben. Einige Jahre später erhielt
der Schuhmacher durch die Post von unbekannter Hand ein Packet, er
fand darin ein Kinderhemdchen und ein seidenes Tüchelchen. Das
Hemdchen trug das Zeichen C. C."
„Clementine Cornelius," sagte der Amerikaner, der
sich erhoben hatte und nun auf und ab wanderte, um seine wachsende
Erregung zu bemustern.
„Ich dachte an Clemens Cornelius," fuhr der Trödler fort. „Der
Schuster wußte nicht, was er mit dem Inhalt des Packetchens beginnen
sollte; daß die Akrobaten es geschickt hatten und daß es mit seinem
Pflegekinde in irgend welcher Beziehung stand, bezweifelte er nicht.
Uebergab er die Sachen der Polizei, so lag die Möglichkeit nahe, daß
die Eltern des Kindes entdeckt wurden und der Schuster war zu sehr
Egoist, als daß er sich mit dem Gedanken, das Kind verlieren zu sollen,
befreunden konnte. Er beschloß, das Packetchen einstweilen aufzube-
wahren, leider ging dasselbe später bei einem Brandunglück, das den
Schuster betraf, verloren. Dieser Brand war auch Ursache des Ruins.
Müller hatte sein Haus gegen Feuersgefahr nicht versichert; er war,
als es in Asche lag, ein Bettler, und sein Unmuth verleitete ihn zum
Trunk. Gr starb, die Wittwe und ihre Pflegetochter ernährten sich
durch ihrer Hände Arbeit, so gut sie es vermochten. Jetzt ist auch die
Wittwe todt, die Vorsehung fügte es, daß kurz vor ihrem Tode Hedwig
den Vater fand."
Cornelius blickte forschend den Wucherer an, in dessen Zügen
eine ruhige Selbstzufriedenheit sich ausdrückte.
„Fatal, daß alle Beweise fehlen," sagte er. „Wenn ich auch weit
entfert bin, in ihren Bericht einen Zweifel zu setzen, so wä>e es mir
doch angenehm, bessere Beweise zu haben, als die Mittheilungen einer
alten Frau."
(Fortsetzung folgt.)