Hwetzingcr Wochenblatt.
die viergespaltene
Amtsverkündigungsötalt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische H o p s c n; e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für Vie badische und bayerische Rheinpfalz.
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Voten nehmen
Bestellungen an.
Samstag, 9. August 1873.
M. 93.
VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Burcaux von Kaasenstein L Asgt'er, Aadolf Masse und G. L. Aauöe L Ho., sowie die Süddeutsche Attnoneen-Kspedition
von H. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und, Straßburg.
Rundschau.
Kronprinz Albert von Sachsen ist durch den
Telegraphen aus Metz nach Pillnitz au das Krankenlager
seines Vaters zurückgerufen worden. Er ist 24 Jahre all,
drei Jahre älter als der deutsche Kronprinz. Die Mei-
nungen stehen noch nicht fest, was von seiner Regierung zu
erwarten, sind aber überwiegend günstig. Er gilt für ge-
scheht, von praktischem Verstände und ziemlich vorurtheils-
frei. Früher hielt man ihn für exclusiv militärisch gesinnt
und seit dem Jahre 1866 für wenig geneigt, sich mit der
neuen Ordnung der Dinge in Deutschland zu befreunden.
Mit dem französischen Kriege, wo er sich als tüchtiger Feld-
herr bewährte, ist die letztere Meinung in ihr Gegentheil
umgeschlagen. Die Junkerpartei hat sich viel Mühe gegeben
ihn auf ihre Seite zu ziehen, doch scheint es ihr nicht ge-
lungen zu sein.
Nicht, blos die Parteien in Deutschland machen sich in
der Sorge für die Wahlen zum Reichstage Cocurrenz, auch
die französische Presse läßt sich der Mühe nicht verdrießen,
Kandidaten in Vorschlag zu bringen. Als den geeignetsten
Kandidaten für das deutsche Reichsland Elsaß-Lothringen
empfiehlt die Republ. fr. Herrn Liebknecht. Und zwar in
vollem Ernst und — vielleicht nicht ohne Wirkung. Denn
in den Industrie-Bezirken, in Müllhousen u. a. O. ist
die Arbeiter-Bevölkerung durchaus socialiftisch gestimmt und
der Herr Liebknecht würde ihnen gewiß zusagen.
Ueber den Besuch des Schah von Persien
in Wien werden von dorther, im Gegensätze zu den Preis-
und Lobhvmnen der englischen und französischen Presse,
sehr abfällige Stimmen laut. „Nach seinem Auftreten in
Oesterreich zu urtheilen, schreibt man aus Wien „muß
Nasr-L-Din allen Ernstes glauben, daß seine Hofpoeten die
Wahrheit sagen, wenn sie ihn den König der Könige nennen.
Er gerirt sich in der That so, als sei Franz Joseph sein
Vasall; darüber herrscht natürlich großes Entsetzen unter
den Hofbeamten, die jedoch kaum das Entwürdigende der
lächerlichen Komödie fühlen, bei der sie Statistendienste ver-
richten müssen. Ihr größter Kummer ist die Unbeständigkeit
des Schah, die jeden Augenblick etwas anderes will, so den
es unmöglich ist, „ein Programm zu machen." Von den
socialen Ungeheuerlichkeiten des Schah werden sie aus daß
hiesigen Zeitungen das Nähere ersehen. Das Stärkste ist
jedenfalls seine Erklärung, er werde bestimmen, wann die
Kaiserin ihn empfangen solle. Das ward der Gemahlin
Franz Josephs zu viel; sie erklärte kategorisch, daß sie nicht
mehr mitthue, und reiste, allen Ueberlegungen des Schah
ein Ende zu machen, nach Payerbach ab. Diese „Flucht
der Kaiserin" bildet das Gespräch in allen Theilen der Stadl
und ich habe noch keine Stimme vernommen, welche dem
Entschluß nicht volle Anerkennung gezollt hätte. Ueberall
schimpft man auf den Schah und findet es ent-
würdigeud, für ganz Oesterreich, daß sich der Kaiser gleich-
sam als Vasall des Schah's behandeln lasse. Wie man
aufs Bestimmteste versicherte, soll übrigens auch Franz Jo-
seph des Spiels bereits überdrüssig sein. Es wäre nicht un-
möglich, daß er es für angebracht hielte, „krank zu werden"
und einen der Erzherzöge mit seiner Stellvertretung beim
König der Könige zu beauftragen. Uebrigens ist die Stim-
mung gegen den Halbbarbaren derart, daß man sich kaum
mehr durch Hochrufe blamiren wird.
Paris, 7. Aug. Die gestrige Zusammenkunft der Grafen von
Paris und von Chambord hat drei Stunden gedauert. Die Union
sagt, der Empfang sei sehr herzlich gewesen; Chambord sei sehr zu-
frieden und mache heute den Gegenbesuch. Der Prinz Joinville wurde
heute Nachmittag um 4 Uhr von Chambord empfangen.
Perpignan, 7. Aug. 23 spanische Offiziere, welche in Baga,
Alpenz und Jgualada von den Carlisten gefangen genommen und
seither an die Grenze gebracht worden, sind hier angekommen. Sie
werden in der Citadelle bleiben, bis die Ermächtigung znr Rückkehr
nach Spanien erfolgt. — Meta und Texedor, zwei reiche Grundbe-
sitzer in der Provinz Gerona, sind auf Befehl des Carlistenführers
Saballs erschossen worden, wiewohl sie carlistifche Gesinnungen an den
Tag legten.
London, 7. Aug. Baxter, einer der Secretäre des Schatzam-
tes, hat fein Entlassungsgesuch eingereicht: Grund sind Streitigkeiten
mit dem Schatzkanzler Lowe. Es liegen noch mehrere solcher Gesuche
vor. Die Antwort der Königin wird heute erwartet. _
Aus Städ^and Land.
)( Schwetzingen, 7. August. Se. Exc. der koin-
mandirende General v. Werder traf heule Morgen hier
ein und nahm sofort auf dem Erercirplatze eine Inspektion
der hiesigen Garnison vor..
* Schwetzingen, 8. August. Gestern Abend hielt
der „Gemeinnützige Verein" im Hotel Haßler wieder eine
Generalversammlung ab, welche aber leider ebenso, wie schon
manche vorhergegangene, nur sehr schwach besucht war, was
um so mehr zu bedauern ist, da dieser Verein unter der
Leitung seines jetzigen Vorstandes sich alle mögliche Blühe
gibt und jeden Gegenstand, der in unserem socialen Leben
dem allgemeinen Interesse und somit unserer Stadt förder-
lich und nützlich ist, aufgreift und zu verbessern und ver-
vollkommen sucht. Dieser Verein ist seiner Aufgabe vollständig
bewußt und entfaltet seit einiger Zeit eine so vielseitige und
ersprießliche Thätigkeit, daß es wohl an der Zeit wäre,
diesem Verein durch zahlreiche Theilnahme und Mitwirkung
in seinen Versammlungen sowie durch thatkräftige Unter-
stützung endlich einmal Anerkennung zu Theil werden zu
lassen, zumal wir schon hübsche Resultate seiner nicht frucht-
losen Thätigkeit : (Extra- und. Localzüge zur Hebung der
Communication u. des Fremdenverkehrs, Veranstaltungen von
Festlichkeiten, die ohne dessen Bemühungen jedenfalls gar
nicht angeregt worden wären, ferner ist seit den Bekannt-
machungen n. Artikeln in den fremden Zeitungen von Seiten
des Vereins eine nicht zu unterschützende Steigerung des
Kontingents fremder Besucher zu bemerken) erhalten haben.
Im Gegentheile aber scheint trotz alledem noch in manchen
Kreisen eine gewisse Antipathie gegen diesen Verein vor-
handen zu sein, wie sich am deutlichsten an dem äußerst
spärlichen Besuche der gestrigen Versammlung zeigte, deren
Tagesordnung namentlich auch für die Herren Gasthofbesitzer
und Wirlhe von großer Wichtigkeit ist. Die gestrige General-
Versammlung beschäftigte sich nun in eingehender Weise mit
Erledigung nachfolgender Gegenstände: In erster Reihe war
es die Wahl eines Vicepräsidenten, wovon man Abstand
genommen hat und bestimmte, daß der jeweilige Secretär
in Verhindelungsfälleu des Präsidenten denselben zu vertreten
habe; als zweiter Gegenstand wurde über Baedeker'? Reise
Handbuch disputirl, und in Anbetracht, daß Schwetzingen
durch die neue Bahnverbindung in den großen Weltverkehr
als Hauptkuoienpunkl hineingezogen werde und demzufolge
in diesem bekannten in über 150,000 Exemplaren verbrei-
teten Reise- und Touristenhandouch als ein H a u p t p u n k t
für den Touristen selbstständig ausgezeichnet sein sollte
und nicht nur so als Nebensache eingeschaltet und gleichsam
als Filiale von Mannheim so untergeordnet hineingeschoben
zu werden verdient. Die über Schwetzingen in diesem
Baedeker enthaltene Aufzeichnung ist, wie wir uns aus
einem vorgelegenen Exemplare überzeugten, so untergeordneter
Natur und so klein eingeschaltet, daß ein den Baedeker
benützender Tourist dasselbe nur bei äußerst aufmerk-
samem Durchsehen findet, und so mancher Reisende infolge
dessen seine Schritte unbeachtet an Schwetzingen vorüber
lenkt: ES wurde :u dieser Hinsicht nun beschlossen, daß von
den Herren Mitgliedern ein neuer Artikel zur Aufnahme in
Baedeker'? Rc sehandbuch entworfen werde n. der Vorstand den
besten und taktvollsten dieser Entwürfe erwählen, und betreffs
der Ausnahme desselben in die im nächsten Jahre erscheinende
neue Auflage dieses Reisehandbuches sich an Herrn Baedeker
wenden solle. Von welch' großer Wichtigkeit diese soeben
besprochene zweite Frage ist, wird wohl jeder Unbefangene
selbst einsehen. Den dritten Gegenstand bildeten Besprechun-
gen über locale Angelegenheiten und sonstige verschiedene
Debatten, welche nicht besonderer Bedeutung sind.
Nach Mittheilung des Präsidenten will der „Gemein-
nützige Verein" infolge der so häufig und allseitig vorkom-
mend-n Klagen über die enorm theueren Wochenmarkt-
besonders Butterpreise, nun auch der Lebensbedürfniß-
srage in hiesiger Stadt seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit
zuweuden. Da bekanntlich die Stadt Mannheim vom Oden-
walde her eine große Zufuhr von derartigen Lebensmitteln
bekommt, und sonach diese Erzeugnisse in Mannheim billiger
als hier sind, und dort manchmal soviel Verkäufer mit
Lebensmittel zuströmen, daß diese Landleute dort oft von
Händlern abgefangen zu sehr billigen Preisen ab-
Baron und Schauspieler.
Novelle.
von I. Krüger.
Fünftes Kapitel.
Bat er und Sohn.
(Fortsetzung.)
Aber der melancholische stille Herr Braun hatte nicht i
lange nach seiner Ankunft auf dem Gute nicht nur die Zu- i
Neigung seines gütigen Wirthes, er hatte auch noch die an-
dern Personen gewonnen, die in seiner Nähe lebten.
Auf seinen Spaziergängen im Parke, die er oft noch
spät Abends antrat, war er in die Nähe des Pavillons
gekommen, den Herr Tobias Feldmann und seine liebliche
Tochter bewohnten. Eine süße Stimme, die aus einem der
offenstehenden Fenster erscholl, hatte seine Aufmerksamkeit
erweckt. Er war stehen geblieben, hatte entzückt gehorcht und
sich dann, als der Gesang schwieg, unbemerkt entfernt. Am
nächsten Abende hatte er sich aber wieder auf derselben
Stelle eingefunden. Neue Lieder waren von Minna's blüh-
enden Lippen gefloßen. Wieder hatte er gelauscht und dies-
mal länger als an dem Abend zuvor, denn das junge
Mädchen musicirte und sang wohl eine ganze Stunde.
Wer mag die junge Sängerin sein d hatte er gedacht.
Herr von Fernau hat doch niemals von ihr gesprochen.
Harmonirt ihr Antlitz und ihre Gestalt mit ihrer Stimme,
muß sie ein liebenswürdiges Geschöpf sein. Seine Neugier
war von Minute zu Minute gewachsen. Er war endlich
dicht an die Fenster getreten, die ziemlich niedrig gelegen,
und hatte in die Stube geblickt, die von einer Lampe und
den Lichtern, die am Klavier brannten, erhellt war.
Seine Vermuthung hatte ihn nicht getäuscht. Das junge
Mädchen, deren blonde glänzende Haare bis auf den weißen
tadellosen Nacken herabwallten, machten schon beim ersten
Anblick einen solchen Eindruck aus sein jugendliches Herz,
daß er sich vornahm, so bald als möglichst Zn versuchen,
'n ihre unmittelbare Nähe zu gelangen. Der alte Herr,
der an ihrer Seite saß und während sie sang, beständig
mit einer in der rechten Hand haltenden Papierrolle den
Takt schlug, schreckte diesen Gedanken nicht zurück. War dieser
Mann ihr Vater, so mußte er jedenfalls zu den gemüthli-
chen Vätern zählen, denn er blickte unverkennbar mit großer
Zärtlichkeit auf seinen holden Sprößling und nickte oft bei-
fällig mit dem Kopfe.
Wenige Abende später führte der junge Künstler seinen
Vorsatz aus, wenn ihm dabei das Herz auch stärker als ge-
wöhnlich klopfte.
Er pochte bescheiden an die Thür des Pavillons. Den-
noch hatte man ihn gehört. Minna Feldmann, die vom
Klavier aufgesprungen war, öffnete und trat ihm entgegen.
Das holde Kind verrieth bei seinem Anblick weniger Ver-
legenheit, als er vermuthet hatte. Hatte sie auch noch nicht
persönlich mit ihm verkehrt, war er doch ihrem Auge nicht
fremd geblieben, denn während er am Tage mit dem Baron
im Garten spazieren gegangen, hatte sie, und ebenso ihr
! Vater, ihn mehrmals gesehen und oft mit verzeihlicher
weiblicher Neugier gewünscht, daß sie mit ihm bekannt wer-
i den möchte, wodurch in ihr einseitiges Verhältniß vielleicht
eine willkommene Abwechslung eintreten würde. Es war
i ein freudiges Roth, das ihre Wangen färbte, als sie seinen
Gruß enigegennahm, aber gottlob so dunkel auf dem Flnr
des Pavillons, daß er es nicht bemerken konnte, worüber sie
im Innern herzlich froh war.
Herr Braun bat das Fräulein um Verzeihung, wenn
- er zu stören gewagt habe.
„Ich will aufrichtig gestehen," sagte er, „daß ihr Ge-
sang, den ich vom Garten aus hörte, mich zu dem Schritte
veranlaßte, noch so spät am Abend hier einzutreten. Wie
sie, liebe auch ich die schöne Kunst der Musik und des Ge-
sanges, und wenn lnir eine so liebliche Stimme, wie die
ihrige, in's Ohr dringt, so drängt es mich, Diejenige kennen
zu lernen, der sie angehört.
Minna wußte nicht recht, was sie auf dies Kompli-
ment antworten sollte. Aus ihrer Verlegenheit half sie sich
dadurch, daß sie Braun ersuchte, in's Zimmer zu treten,
wo er ihren Vater finden würde.
Er verbeugte sich und gehorchte. Beide traten in dre hell-
erleuchtete Stube. Feldmann riß die Augen weit auf,
als er den jungen Mann sah, der seit einiger Zeit der
tägliche Begleiter seines Schwagers im Garten und im
Parke war.
(Fortsetzung folgt.)
die viergespaltene
Amtsverkündigungsötalt für den Bezirk Schwetzingen.
Badische H o p s c n; e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für Vie badische und bayerische Rheinpfalz.
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Voten nehmen
Bestellungen an.
Samstag, 9. August 1873.
M. 93.
VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Burcaux von Kaasenstein L Asgt'er, Aadolf Masse und G. L. Aauöe L Ho., sowie die Süddeutsche Attnoneen-Kspedition
von H. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und, Straßburg.
Rundschau.
Kronprinz Albert von Sachsen ist durch den
Telegraphen aus Metz nach Pillnitz au das Krankenlager
seines Vaters zurückgerufen worden. Er ist 24 Jahre all,
drei Jahre älter als der deutsche Kronprinz. Die Mei-
nungen stehen noch nicht fest, was von seiner Regierung zu
erwarten, sind aber überwiegend günstig. Er gilt für ge-
scheht, von praktischem Verstände und ziemlich vorurtheils-
frei. Früher hielt man ihn für exclusiv militärisch gesinnt
und seit dem Jahre 1866 für wenig geneigt, sich mit der
neuen Ordnung der Dinge in Deutschland zu befreunden.
Mit dem französischen Kriege, wo er sich als tüchtiger Feld-
herr bewährte, ist die letztere Meinung in ihr Gegentheil
umgeschlagen. Die Junkerpartei hat sich viel Mühe gegeben
ihn auf ihre Seite zu ziehen, doch scheint es ihr nicht ge-
lungen zu sein.
Nicht, blos die Parteien in Deutschland machen sich in
der Sorge für die Wahlen zum Reichstage Cocurrenz, auch
die französische Presse läßt sich der Mühe nicht verdrießen,
Kandidaten in Vorschlag zu bringen. Als den geeignetsten
Kandidaten für das deutsche Reichsland Elsaß-Lothringen
empfiehlt die Republ. fr. Herrn Liebknecht. Und zwar in
vollem Ernst und — vielleicht nicht ohne Wirkung. Denn
in den Industrie-Bezirken, in Müllhousen u. a. O. ist
die Arbeiter-Bevölkerung durchaus socialiftisch gestimmt und
der Herr Liebknecht würde ihnen gewiß zusagen.
Ueber den Besuch des Schah von Persien
in Wien werden von dorther, im Gegensätze zu den Preis-
und Lobhvmnen der englischen und französischen Presse,
sehr abfällige Stimmen laut. „Nach seinem Auftreten in
Oesterreich zu urtheilen, schreibt man aus Wien „muß
Nasr-L-Din allen Ernstes glauben, daß seine Hofpoeten die
Wahrheit sagen, wenn sie ihn den König der Könige nennen.
Er gerirt sich in der That so, als sei Franz Joseph sein
Vasall; darüber herrscht natürlich großes Entsetzen unter
den Hofbeamten, die jedoch kaum das Entwürdigende der
lächerlichen Komödie fühlen, bei der sie Statistendienste ver-
richten müssen. Ihr größter Kummer ist die Unbeständigkeit
des Schah, die jeden Augenblick etwas anderes will, so den
es unmöglich ist, „ein Programm zu machen." Von den
socialen Ungeheuerlichkeiten des Schah werden sie aus daß
hiesigen Zeitungen das Nähere ersehen. Das Stärkste ist
jedenfalls seine Erklärung, er werde bestimmen, wann die
Kaiserin ihn empfangen solle. Das ward der Gemahlin
Franz Josephs zu viel; sie erklärte kategorisch, daß sie nicht
mehr mitthue, und reiste, allen Ueberlegungen des Schah
ein Ende zu machen, nach Payerbach ab. Diese „Flucht
der Kaiserin" bildet das Gespräch in allen Theilen der Stadl
und ich habe noch keine Stimme vernommen, welche dem
Entschluß nicht volle Anerkennung gezollt hätte. Ueberall
schimpft man auf den Schah und findet es ent-
würdigeud, für ganz Oesterreich, daß sich der Kaiser gleich-
sam als Vasall des Schah's behandeln lasse. Wie man
aufs Bestimmteste versicherte, soll übrigens auch Franz Jo-
seph des Spiels bereits überdrüssig sein. Es wäre nicht un-
möglich, daß er es für angebracht hielte, „krank zu werden"
und einen der Erzherzöge mit seiner Stellvertretung beim
König der Könige zu beauftragen. Uebrigens ist die Stim-
mung gegen den Halbbarbaren derart, daß man sich kaum
mehr durch Hochrufe blamiren wird.
Paris, 7. Aug. Die gestrige Zusammenkunft der Grafen von
Paris und von Chambord hat drei Stunden gedauert. Die Union
sagt, der Empfang sei sehr herzlich gewesen; Chambord sei sehr zu-
frieden und mache heute den Gegenbesuch. Der Prinz Joinville wurde
heute Nachmittag um 4 Uhr von Chambord empfangen.
Perpignan, 7. Aug. 23 spanische Offiziere, welche in Baga,
Alpenz und Jgualada von den Carlisten gefangen genommen und
seither an die Grenze gebracht worden, sind hier angekommen. Sie
werden in der Citadelle bleiben, bis die Ermächtigung znr Rückkehr
nach Spanien erfolgt. — Meta und Texedor, zwei reiche Grundbe-
sitzer in der Provinz Gerona, sind auf Befehl des Carlistenführers
Saballs erschossen worden, wiewohl sie carlistifche Gesinnungen an den
Tag legten.
London, 7. Aug. Baxter, einer der Secretäre des Schatzam-
tes, hat fein Entlassungsgesuch eingereicht: Grund sind Streitigkeiten
mit dem Schatzkanzler Lowe. Es liegen noch mehrere solcher Gesuche
vor. Die Antwort der Königin wird heute erwartet. _
Aus Städ^and Land.
)( Schwetzingen, 7. August. Se. Exc. der koin-
mandirende General v. Werder traf heule Morgen hier
ein und nahm sofort auf dem Erercirplatze eine Inspektion
der hiesigen Garnison vor..
* Schwetzingen, 8. August. Gestern Abend hielt
der „Gemeinnützige Verein" im Hotel Haßler wieder eine
Generalversammlung ab, welche aber leider ebenso, wie schon
manche vorhergegangene, nur sehr schwach besucht war, was
um so mehr zu bedauern ist, da dieser Verein unter der
Leitung seines jetzigen Vorstandes sich alle mögliche Blühe
gibt und jeden Gegenstand, der in unserem socialen Leben
dem allgemeinen Interesse und somit unserer Stadt förder-
lich und nützlich ist, aufgreift und zu verbessern und ver-
vollkommen sucht. Dieser Verein ist seiner Aufgabe vollständig
bewußt und entfaltet seit einiger Zeit eine so vielseitige und
ersprießliche Thätigkeit, daß es wohl an der Zeit wäre,
diesem Verein durch zahlreiche Theilnahme und Mitwirkung
in seinen Versammlungen sowie durch thatkräftige Unter-
stützung endlich einmal Anerkennung zu Theil werden zu
lassen, zumal wir schon hübsche Resultate seiner nicht frucht-
losen Thätigkeit : (Extra- und. Localzüge zur Hebung der
Communication u. des Fremdenverkehrs, Veranstaltungen von
Festlichkeiten, die ohne dessen Bemühungen jedenfalls gar
nicht angeregt worden wären, ferner ist seit den Bekannt-
machungen n. Artikeln in den fremden Zeitungen von Seiten
des Vereins eine nicht zu unterschützende Steigerung des
Kontingents fremder Besucher zu bemerken) erhalten haben.
Im Gegentheile aber scheint trotz alledem noch in manchen
Kreisen eine gewisse Antipathie gegen diesen Verein vor-
handen zu sein, wie sich am deutlichsten an dem äußerst
spärlichen Besuche der gestrigen Versammlung zeigte, deren
Tagesordnung namentlich auch für die Herren Gasthofbesitzer
und Wirlhe von großer Wichtigkeit ist. Die gestrige General-
Versammlung beschäftigte sich nun in eingehender Weise mit
Erledigung nachfolgender Gegenstände: In erster Reihe war
es die Wahl eines Vicepräsidenten, wovon man Abstand
genommen hat und bestimmte, daß der jeweilige Secretär
in Verhindelungsfälleu des Präsidenten denselben zu vertreten
habe; als zweiter Gegenstand wurde über Baedeker'? Reise
Handbuch disputirl, und in Anbetracht, daß Schwetzingen
durch die neue Bahnverbindung in den großen Weltverkehr
als Hauptkuoienpunkl hineingezogen werde und demzufolge
in diesem bekannten in über 150,000 Exemplaren verbrei-
teten Reise- und Touristenhandouch als ein H a u p t p u n k t
für den Touristen selbstständig ausgezeichnet sein sollte
und nicht nur so als Nebensache eingeschaltet und gleichsam
als Filiale von Mannheim so untergeordnet hineingeschoben
zu werden verdient. Die über Schwetzingen in diesem
Baedeker enthaltene Aufzeichnung ist, wie wir uns aus
einem vorgelegenen Exemplare überzeugten, so untergeordneter
Natur und so klein eingeschaltet, daß ein den Baedeker
benützender Tourist dasselbe nur bei äußerst aufmerk-
samem Durchsehen findet, und so mancher Reisende infolge
dessen seine Schritte unbeachtet an Schwetzingen vorüber
lenkt: ES wurde :u dieser Hinsicht nun beschlossen, daß von
den Herren Mitgliedern ein neuer Artikel zur Aufnahme in
Baedeker'? Rc sehandbuch entworfen werde n. der Vorstand den
besten und taktvollsten dieser Entwürfe erwählen, und betreffs
der Ausnahme desselben in die im nächsten Jahre erscheinende
neue Auflage dieses Reisehandbuches sich an Herrn Baedeker
wenden solle. Von welch' großer Wichtigkeit diese soeben
besprochene zweite Frage ist, wird wohl jeder Unbefangene
selbst einsehen. Den dritten Gegenstand bildeten Besprechun-
gen über locale Angelegenheiten und sonstige verschiedene
Debatten, welche nicht besonderer Bedeutung sind.
Nach Mittheilung des Präsidenten will der „Gemein-
nützige Verein" infolge der so häufig und allseitig vorkom-
mend-n Klagen über die enorm theueren Wochenmarkt-
besonders Butterpreise, nun auch der Lebensbedürfniß-
srage in hiesiger Stadt seine Aufmerksamkeit und Thätigkeit
zuweuden. Da bekanntlich die Stadt Mannheim vom Oden-
walde her eine große Zufuhr von derartigen Lebensmitteln
bekommt, und sonach diese Erzeugnisse in Mannheim billiger
als hier sind, und dort manchmal soviel Verkäufer mit
Lebensmittel zuströmen, daß diese Landleute dort oft von
Händlern abgefangen zu sehr billigen Preisen ab-
Baron und Schauspieler.
Novelle.
von I. Krüger.
Fünftes Kapitel.
Bat er und Sohn.
(Fortsetzung.)
Aber der melancholische stille Herr Braun hatte nicht i
lange nach seiner Ankunft auf dem Gute nicht nur die Zu- i
Neigung seines gütigen Wirthes, er hatte auch noch die an-
dern Personen gewonnen, die in seiner Nähe lebten.
Auf seinen Spaziergängen im Parke, die er oft noch
spät Abends antrat, war er in die Nähe des Pavillons
gekommen, den Herr Tobias Feldmann und seine liebliche
Tochter bewohnten. Eine süße Stimme, die aus einem der
offenstehenden Fenster erscholl, hatte seine Aufmerksamkeit
erweckt. Er war stehen geblieben, hatte entzückt gehorcht und
sich dann, als der Gesang schwieg, unbemerkt entfernt. Am
nächsten Abende hatte er sich aber wieder auf derselben
Stelle eingefunden. Neue Lieder waren von Minna's blüh-
enden Lippen gefloßen. Wieder hatte er gelauscht und dies-
mal länger als an dem Abend zuvor, denn das junge
Mädchen musicirte und sang wohl eine ganze Stunde.
Wer mag die junge Sängerin sein d hatte er gedacht.
Herr von Fernau hat doch niemals von ihr gesprochen.
Harmonirt ihr Antlitz und ihre Gestalt mit ihrer Stimme,
muß sie ein liebenswürdiges Geschöpf sein. Seine Neugier
war von Minute zu Minute gewachsen. Er war endlich
dicht an die Fenster getreten, die ziemlich niedrig gelegen,
und hatte in die Stube geblickt, die von einer Lampe und
den Lichtern, die am Klavier brannten, erhellt war.
Seine Vermuthung hatte ihn nicht getäuscht. Das junge
Mädchen, deren blonde glänzende Haare bis auf den weißen
tadellosen Nacken herabwallten, machten schon beim ersten
Anblick einen solchen Eindruck aus sein jugendliches Herz,
daß er sich vornahm, so bald als möglichst Zn versuchen,
'n ihre unmittelbare Nähe zu gelangen. Der alte Herr,
der an ihrer Seite saß und während sie sang, beständig
mit einer in der rechten Hand haltenden Papierrolle den
Takt schlug, schreckte diesen Gedanken nicht zurück. War dieser
Mann ihr Vater, so mußte er jedenfalls zu den gemüthli-
chen Vätern zählen, denn er blickte unverkennbar mit großer
Zärtlichkeit auf seinen holden Sprößling und nickte oft bei-
fällig mit dem Kopfe.
Wenige Abende später führte der junge Künstler seinen
Vorsatz aus, wenn ihm dabei das Herz auch stärker als ge-
wöhnlich klopfte.
Er pochte bescheiden an die Thür des Pavillons. Den-
noch hatte man ihn gehört. Minna Feldmann, die vom
Klavier aufgesprungen war, öffnete und trat ihm entgegen.
Das holde Kind verrieth bei seinem Anblick weniger Ver-
legenheit, als er vermuthet hatte. Hatte sie auch noch nicht
persönlich mit ihm verkehrt, war er doch ihrem Auge nicht
fremd geblieben, denn während er am Tage mit dem Baron
im Garten spazieren gegangen, hatte sie, und ebenso ihr
! Vater, ihn mehrmals gesehen und oft mit verzeihlicher
weiblicher Neugier gewünscht, daß sie mit ihm bekannt wer-
i den möchte, wodurch in ihr einseitiges Verhältniß vielleicht
eine willkommene Abwechslung eintreten würde. Es war
i ein freudiges Roth, das ihre Wangen färbte, als sie seinen
Gruß enigegennahm, aber gottlob so dunkel auf dem Flnr
des Pavillons, daß er es nicht bemerken konnte, worüber sie
im Innern herzlich froh war.
Herr Braun bat das Fräulein um Verzeihung, wenn
- er zu stören gewagt habe.
„Ich will aufrichtig gestehen," sagte er, „daß ihr Ge-
sang, den ich vom Garten aus hörte, mich zu dem Schritte
veranlaßte, noch so spät am Abend hier einzutreten. Wie
sie, liebe auch ich die schöne Kunst der Musik und des Ge-
sanges, und wenn lnir eine so liebliche Stimme, wie die
ihrige, in's Ohr dringt, so drängt es mich, Diejenige kennen
zu lernen, der sie angehört.
Minna wußte nicht recht, was sie auf dies Kompli-
ment antworten sollte. Aus ihrer Verlegenheit half sie sich
dadurch, daß sie Braun ersuchte, in's Zimmer zu treten,
wo er ihren Vater finden würde.
Er verbeugte sich und gehorchte. Beide traten in dre hell-
erleuchtete Stube. Feldmann riß die Augen weit auf,
als er den jungen Mann sah, der seit einiger Zeit der
tägliche Begleiter seines Schwagers im Garten und im
Parke war.
(Fortsetzung folgt.)