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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 122 (16. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0489

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wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

KthwchiMr Wochmblilll
AmtsverkündigungsölatL für den Aezirk Schwetzingen.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

M. 122. Donnerstag, 16. Oktober 1873. VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Mogker, Rudolf Waffe und ch. L. Aauöe L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-Grpedition
von G. Stächhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Prorcß Bapiine.
Versailles, 9, Oktober.
(Vierter Verhandlungstag.) Der Gerichtsschreiber be-
gann seine heutige Ablesung mit den sogenannten Annexen,
da der Vortrag des Hauptberichts gestern mit Ausnahme
des „Resume", das erst zum Schluß gelesen werben soll,
sein Ende erreicht hatte.
Der erste Theil der Annexe erwähnt der zahlreichen
Boten, welche von der kaiserlichen Regierung, und später
von der Regierung der Nationalvertheidigung an Bazaine
gesandt wurden, und gibt den Tag und die Stunde an,
wo dieselben in Metz eintrafen. Einer der Hauptboten
Gambetta's war der Maurer Risse, der ebenerwähnte Zeuge.
Die Regierung der Nationalvertheidigung machte große An-
strengungen, um mit dem Marschall in Beziehungen zu
treten. Die Liste ihrer Boten ist sehr lang. Bei Gelegen-
heit der Erwähnung der Boten, welche Oberst Turnier,
Kommandant von Montmedy, an Bazaine sandte, läßt sich
der Bericht scharf über diesen Offizier aus und klagt ihn
an, nicht Alles gethan zu haben, was er hätte thun sollen.
Der Oberst habe, um sich zu entschuldigen, geantwortet,
daß er sich nicht der Dinge genau erinnere. Diese Ent-
schuldigung sei aber eine schlechte, und der Kriegsrath habe
darin einen Versuch gesehen, sein oft schuldvolles Auftreten
zu verbergen. Es scheint, daß derselbe die Depesche vom
22. nicht befördert hat, in welcher Mac Mahon Bazaine
ankundigte, daß er einen Vormarsch auf Metz über Thion-
ville nnd Lanares versuchen werde. Der Bericht ergeht sich
dann weitläufig über das Auftreten des Kommandanten
Maguan (heute Oberstlieutenant; Bazaine erhob ihn in
Metz zu diesem Rang.) Dieser Magnan war Adjutant des
Marschalls und zugleich dessen Vertrauter. Bazaine hatte
diesen zum Kaiser nach Chalons gesandt, um sich mit dem-
selben zu benehmen, und der Bericht will deßhalb die Um-
triebe (uAwtsmsuts) dieses Offiziers genau besprechen.
„Das seien ausweichende Antworten", so heißt es in dem-
selben, „die Schwierigkeit, die er macht, uns heute die
Wahrheit zu sagen, zeigt, wie dieser Offizier heute selbst
sein Auftreten sehr tadelhaft findet." Gegen 3 Uhr stellte
der Gerichtsschreiber plötzlich seinen Vortrag ein, aber der
Präsident forderte ihn auf, das begonnene Kapitel zu
Ende zu lesen, worauf dann die Sitzung für eine Viertel-
stunde suspendirt wird.
Gleich nach Wieder-Eröffnung der Sitzung um 3 Uhr
20 Minuten gibt der Präsident dem Gerichtsschreiber wieder
Las Wort. Der Bericht beschäftigt sich mit den Depeschen,
welche zwischen Montmedy, Thionville und Metz ausgewech-
selt wurden, und kommt dabei auf den Oberst Stoffel zu
sprechen, von dem schon vielfach die Rede war. Es handelt
sich dabei nur um vier Depeschen des Generals Coffinieres
und des Marschalls Bazaine, welche der Oberst unterdrückt

haben soll. Die Anklage suchte deßhalb den Boden auf,
und stellte fest, daß die betreffenden Documente dem Oberst
wirklich übergeben worden sind, ohne jedoch in die Hände
des Marschalls Mac Mahon zu gelangen. Das Geheimniß,
welches auf dieser Affaire ruht, ist noch nicht enthüllt. Der
Gerichtsschreiber liest: „Die Aussage des Obersten Massa-
roli beweist, daß der Oberst Stoffel bei Empfang der De-
peschen gesagt hat, „der Marschall habe ganz was Anderes
zu thnn, als sich darum zu bekümmern!" Es sind übrigens
ziemlich viele Depeschen von Marschall Bazaine an den
Marschall Mac Mahou im Laufe weniger Tage abgesandt
worden; diese Depeschen geben die Rückzugsdewegung an,
welche nach der Schlacht am 8. gemacht werden mußte.
Vier davon sind dem Oberst Stoffel übergeben worden und
nicht an ihre Bestimmung gelangt; man hat also Ursache,
zu schließen, daß sie von dem Oberst Stoffel beseitigt wur-
den. Der Bericht stützt sich außer den Aussagen der ver-
schiedenen Boten auf die schriftliche Aussage des jetzt ver-
storbenen Herrn Amyot, Director des Telegraphendienstes
bei dem Kaiser. Diese Aussage bestätigt die vorhergehen-
den Angaben in allen Punkten. Aus Allem geht hervor,
daß von den von Metz ins Lager von Chalons gesandten
Depeschen einige an ihre Bestimmung gelangt sind, andere
aber unterschlagen wurden. Aber diese Unterschlagungen
sind nicht das Werk des Zufalls gewesen. Einige dieser
Depeschen geben die Absicht des Marschalls Bazauie, von
Metz auszurücken, an; andere bildeten gewisser Maßen ein
Corrcctio der ersteren. Nun sind diejenigen, welche von- den
Projekten des Ausmarsches meldeten, alle angekommen; von
den anderen ist im Gegentheil keine einzige angelangt."
Der Bericht schließt daraus, daß die Unterschlagung der
Depeschen den Zweck hatte, den Marschall nicht zu ent-
muthigen, indem man ihm die Unschlüssigkeit des Mar-
schalls Bazaine verhehlte, und ihn glauben machte, daß die
Rhein-Armee zu ihm stoßen würde. Daraus ergibt sich
für die Anklage, daß der Marschall Bazaine durch die erst-
genannten Depeschen den Marschall Mac Mahon nöthigte,
ihm zu Hülfe zu kommen, während durch die zweiten (die-
jenigen, welche unterschlagen wurden, deren Absendung aber
der Marschall Bazaine beweisen kann) der Kommandant
der Rhein-Armee eine Entschuldigung für seine Unthätig-
keit vorbereitete. Der Marschall Mac Mahon war also
überzeugt, daß die Armee des Marschalls Bazaine in der
Umgegend von Montmedy erscheinen werde, ein Punkt,
welchen der Kommandant der Rhein-Armee selbst bestimmt
hatte. Diese Ueberzeugung war so bestimmt bei dem Mar-
schall Mac Mahon, daß von Longuyon bis Montmedy
alle Vorkehrungen für eine allgemeine Aktion getroffen
waren. Die Bauern waren angewiesen, Karren mit Stroh
bereit zu stellen, die Einwohner erhielten Befehl, große
Quantitäten Bouillon bereit zu halten und Betten, kurz,

alles, was für die Verwundeten nöthig sein könnte. Aber
Niemand kam und diese Vorbereitungen waren unnütz, man
weiß, warum. Da er gar keine Nachrichten, keine Depe-
schen mehr von Marschall Bazaine erhielt und überzeugt
war, daß dieses nur an einer unwillentlichen Verzögerung
lag, so gab der Herzog von Magenta seiner Bewegung die
Richtung, welche nicht, wie er hoffte, unterstützt, schließlich
zu der Niederlage von Sedan führte. Das Aktenstück
schließt mit einigen Worten über eine der wichtigsten Depe-
schen des Marschalls Bazaine. Diese Depesche, überbracht
durch den kaiserlichen Procurator von Saargemünd, Herrn
Lallemann und Herrn Kulme, wurde dem Marschall Mac
Mahon übergeben, und man sieht leicht ein, welchen großen
Einfluß sie auf die Beschlüsse des Commandanten der Ar-
mee von Chalons haben mußte, denn sie meldete die Mög-
lichkeit, die Truppen ans Metz herauszuführen. Schließlich
gibt der Bericht noch einige Aufschlüsse über die Depeschen,
die von Metz nach Tours gesandt wurden, und welche mau
erst im Dezember lesen konnte, da sie in Ziffern waren
und der Schlüssel sich in Paris befand.
Die Sitzung wird nm 5 Uhr 25 Minuten geschloffen.

Rundschau.
Kaiser Wilhelm wird nach der „N. Fr. Pr."
in Wien nur etwa 4 Tage bleiben und seine Zeit haupt-
sächlich der Ausstellung widmen. Große Feierlichkeiten hat
er sich verbeten. Er trifft am 17. d. mit dem neuernannten
Staatssekretär v. Bülow, dort ein, der Reichskanzler er-
wartet ihn vor Wien. Den klerikalen, wölfischen und feu-
dalen Blättern, wie „Vaterland", wird es schon unheimlich
und sie schimpfen, wie gewöhnlich in solchen Fällen. Die
letzten Monate haben ihnen auch gar zu viele Striche durch
ihre Rechnung gemacht. Trotzdem hat der päpstliche Nun-
tius die Weisung erhalten, nicht abzureisen.
Nicht bloß Japan reorganisirt seine Armee nach
preußischem Muster, auch die Transvaal-Republik
im südöstlichen Afrika (1848 von holländischen Colonisten,
die aus dem Caplande auswanderten, gegründet), hat sich
preußische Instruktoren erbeten. Die Zeiten Friedrichs des
Großen, in denen das preußische Militärsystem das Vorbild
für andere Nationen war, kehren wieder.
Aus Rheinhessen veröffentlichen die dortigen
Kriegervereine folgenden „Aufruf an das deutsche Volk:"
„Tausende unserer Kameraden leiden noch in Folge dis-
ciplinarischer Vergehen im Felde, und nicht, wie man wohl
irrthümlich glauben möchte, wegen gemeiner Verbrechen, auf
den deutschen Festungen. Sie waren sich, gleich uns, der
militärischen Pflichten bewußt, eben so treue Soldaten, wie
gute Bürger; sie sind freudig dem Rufe des Vaterlandes
gefolgt und haben gern ihr Blut und ihr Leben für die

Sie Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
„Mag sein, Kathrin, ich weiß es nicht so genau.
Komm,' Franziska," wandte sie sich dann zu dieser, „Du
kannst wohl ein Bischen an meinem Nähzeug arbeiten
nnd mit Kathrin Plaudern, dieweil ich's Essen bereite."
Mit ungewohnter Lebhaftigkeit setzte Franziska sich
nieder und arbeitete im nächsten Augenblicke fleißig weiter,
doch bald darauf sprang sie wieder auf, und Kathrin das
Nähzeug hinhaltend, sagte sie lachend:
„Nimm, Kathrin, und laß mich ein Bisle spinnen.
Das Schnurren verkürzt die Zeit und ich will auch mal
so feinen Leinen spinnen, wie gut Du's verstehst."
„Um Dir Dein' Sach' zur Aussteuer recht wacker zu
machen?" scherzte Kathrin.
Abermals bedeckte glühende Röthe Franziska's hübsches
Gesicht und sie neigte sich tiefer, um den verlorenen Faden
zu suchen.
„Hast heut' den Andres gesehen?" fragte Kathrin
nach einer Pause, als Franziska noch immer nichts er-
wiöerte.

„Nein," entgegnete diese ganz ruhig, ihre großen
blauen Augen auf Kathrin richtend.
„Nein", weder heute, noch gestern, noch seit langer
Zeit."
Kathrin blickte sie ein wenig entäuscht bei dieser ruhi-
gen Sprache an ; in Franziska's Worten lag auch nichts wei-
ter als die vollkommenste Gleichgültigkeit gegen den Sohn
des Nachbars.
Franziska schien außerdem heute ungewöhnlich still und
in sich gekehrt, und oft bemerkte Kathrin, wie sie schwer auf-
seufzte. Einmal sogar war ein glänzender Tropfen auf
Franziska's Schooß gefallen. Sie fühlte sich glücklich und
unglücklich zugleich, sie hätte lachen und weinen mögen; in
einem Augenblicke machte sie die heitersten Scherze, im an-
dern war's ihr so schwer uin's Herz, wie noch nie.
Immer und immer wieder glaubte sie die milde freund-
liche Stimme des jungen Mannes aus dem Pfarrhause zu
hören; das Schnurren des Spinnrades, der Gesang der
Vögel, das Rauschen der Bäume — Alles schien ihr die
wenigen Worte, die er zu ihr gesprochen hatte, zu wieder-
holen. Ach, sie hätte hinauseilen mögen in die einsamste
Stille des Waldes oder auf die Spitzen der Berge, um
allein zu sein, nur eine Stunde allein ; sie mußte über Etwas
nachdenken, und wußte nicht über was.
„Ach, Mutter," bat sie schmeichelnd, als Rosi wieder
in das kleine Stübchen trat, „ich möcht' heut' ein Bisle in's
Freie — hast was dagegen?"
„Gott bewahre," entgegnete Rosi freundlich, „lauf

so viel hinaus wie du willst, nur mußt Du bis nach dem
Essen daheim bleiben, oder besser noch, bis die Sonne sich
für die Nacht rüstet, 's ist halt noch zu warm draußen."
Franziska war damit einverstanden. Abends war's
doppelt schön in der prächtigen Natur, und bis dahin konnte
sie ihre Gedanken ruhen lassen.
Jetzt saß sie oben auf der Alm , neben ihr lag ihr
großer, runder Ltrohbut und ein buntes Tuch, das Rosi
ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Es war ein prächtiger
Abend und so still, so ruhig in der Natur, als wäre sie
ohne Leben, und Franziska wagte kaum zu athmen. Ach,
wie frei fühlte sie sich hier. Hier möchte sie bleiben und
Niemand als Rosi und Kathrin mit ihr. Niemand weiter?
„Nein!" murmelte Franziska, ihren Kopf in beide
Hände stützend, „Niemand anders. Zum Herrn Pfarrer
könnt' ich alle Tage einmal hinabsteigen, und der Herr
aus der Stadt, der so schön mit mir sprach, mag längst
wieder fort sein."
„Grüß Gott, Jungfer," wiederholte der Bursche fast
stürmisch; „was verschafft mir die Ehre, Euch auf meiner
Alm zu sehen?"
„Euer Alm? " fragte Franziska zitternd, „Verzeiht,
ich hab's nicht gewußt; ich meint', sie gehörte der Gemeind',
und bin hergekommen, um ein Bisle auszuschauen. Nehmt's
nicht für ungut — ich geh gleich heim."
(Fortsetzung folgt.)

Hierzu eine Beilage r „Der General-Anzeiger" Nr. 6.
 
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