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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 145 (11. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0581

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wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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KlhwchilMr WochMül

KmtsverkündigungsötatL für den Wezirk Schwetzingen.
Kadischc H a p s k n z c i t n n g.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzerle oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
Ao. 145. Donnerstag, 11. Dezember 1873. VII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenstein L Wogl'er, Rudolf Wosfe und H. L. Jauöe L tzo., sowie die Süddeutsche Anuoncen-Hrpedition
von K. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Badischer Landtag.
Karlsruhe, 28. November.
(V. öffeniliche Sitzung der zweiten Kammer.)
(Forisetzung.)
V. B u ß als Vertreter öer klerikalen Minoriläisadresse :
Ich bin den Axrathungen der Majori lätsadresse mit
großer Aufmerksamkeit gefolgt; in der Comwissio» ging es
ganz gemülhlich und freundlich dabei her, als herrsche Alt-
weibersommer (Gelächter). Ich stimme mit M anchem über-
ein, mit Anderem aber auch nicht und erkläre zum Schluß,
ich müsse mir mein Verfahren Vorbehalten; man billigte
dann meine Ansicht, daß meine Partei eine Minomätsadrtsse
erlassen solle. Ich möchte mich gern kurz fassen, aber frei-
lich geht das nicht, wenn ein Professor dem andern ant-
wortet (Gelächter, das sich, wie in allen folgenden Fällen,
fast mehr auf den burlesken Tou, Mimik und Gestikulation
des Redners bezieht, als auf seine Worte selbst und theil-
weise seine Rede ganz unverständlich macht, die sich ohne-
dies in allen möglichen Abschweifungen gefüllt). Redner-
hat sowohl formelle, als sachliche Bedenken gegen die Ma-
jorn ätSaoiusse. Erstere beziehen sich darauf, daß dieselbe
sich in der Reihenfolge der einzelnen behandelten Punkte
nicht eng an die Thronrede angeschlossen habe, was eine
Pflicht der „Pietät" sei. So seien die Aeußerungen über
das Verhäliniß von Staat und Kirche ganz aus der Reihen-
folge in der Thronrede herausgenssen, obgleich sie nur Er-
gänzungsgcsetze, etwas Accessorisches seien, während die so
wichtige Städke-Ordnung erst ganz hintendrein besprochen
werde.
Die sachlichen, viel ernsteren Bedenken des Redners
beziehen sich hauptsächlich auf die Grundsätze über das Ver-
bältniß von Reich und Einzelstaat und von Staat und
Kirche. Er ist in Beziehung auf das Reich in zwiespältiger
Stimmung, wie es dem Menschen oft gehe, daß leine eine
Hälfte nach Ost, die andere nach Westen fahre. Als Jurist
kann er sich nicht begeistern für dasselbe, wegen seiner ge-
waltsamen Entstehung, da ein Uebergang von der Verfas-
sung des Bundes hätte stattfinden müssen; als Mensch und
Deutscher aber ist er es, da er von jeher für die Einheit
Deutschlands gekämpft, geshwärmt und gelitten habe, aber
gerade deswegen wünsche er es möglichst vollkommen, wie
der Liebende den Gegenstand seiner Liebe. „Wäre ich in
der konstituirenden Versammlung von 1867 gesessen, so
hätten Sie längere Reden von mir zu lesen gehabt (Ge-
lächter). D e alte Reichsverfassung von 1806 — (das
liebe heil'ge römische Reich, wer hält's nur noch zusammen.
D. Ref.) Den Hut ab davor! Durchlöchert 1806, hat
sie gedauert bis 1870. Welches Leben, welche Kraft! Sie
hatte ein Leben, wie eine Katz! (Allgemeines Gelächter.)
Hätte man Deutschland in Süd-, Mittel- und Norddeutsch-

land zerlegt, wie auf dem Wiener Congreß sogar Stein
Und Wilhelm v. Humboldt Vorschlägen, so wäre die Sache
organisch zusammengewachsen. Hätte ich im konstituirenden
Reichstag gesessen, ich hätte schon die Sache hinausgetrie-
ben ! (Gelächter)
Das Verhältniß von Reich und Einzelstaat bezeichnet
Redner so, daß die schon konstituirten Reichskompetenzen
fest seien und Regierung wie Volk zum Gehorsam verpflich-
teten, wenn es sich aber um neue Competenzen handle,
müsse im Zweifelsfall die Compelenz des Gliederstaates
vorausgehen; das sei die logische Folge der Entstehung des
Reichs, die auf einem Bündniß mit der bayerischen Regie-
rung, zunächst nur zu gegenseitiger Garantie des Besitzstan-
des, also ans einem Vertrag beruhe.
In Beziehung auf den Kirchenkonflikt, meint Redner,
seine Parlei habe allerdings die Sehnsucht nach Frieden
ausgesprochen, aber es müsse ein Frieden sein, der auf der
Grundlage des Rechtes beruhe. Der Staat habe seine Rechte,
aber auch die Kirche. Letztere habe schon Hegel für ewig
dauernd erklärt, und es gäbe auch nur eine höchste Macht
auf Erden. Die Kirche sei nach den badischen Kirchenge-
setzen von 1860, eine öffentliche Korporation, und als solche
allerdings dem Staate unterworfen, aber sie sei noch mehr
ein Reich, das auf eigenem Grunde ruhe und dem Staate
nicht unterworfen sei. Das Herz ihrer Verfassung ist die
Einheit; der Papst ist für uns nicht ein Ausländer, son-
dern ein Inländer.
Neber die Verbesserung der Beamtengehalte bemerkt
Redner, man solle von unten anfangen; noch nie habe er
so viele bleiche, abgehärmte Gesichter gesehen, als jetzt von
solchen, die standesgemäß leben müßten, aber es nicht könn-
ten. „Fangt darum unten an; bleibt etwas nach oben,
güt; bleibt nichts, schadet's auch nichts!" (Gelächter.) Für
die Eisenbahnen müsse ein großer Theil der Kriegsentschä-
digungsgelder verwendet werden. Für das Budget spricht er
seinen Dank aus und schließt mit einer seiner Gesten: „Ih-
nen ni t, aber mir habe ich von Herzen gesprochen!" (Ge-
lächter.) Als Redner die Tribüne verläßt, wird er durch
Zurufe erinnert, die Adresse seiner Parlei vorzulesen; er-
holt sie daher von seinem Platz mit der gern geglaubten
Versicherung, daß es dort zu „dunkel" sei und liest sie von
der Tribüne vor.
Der Präsident erklärt nun die Discussion für eröffnet.
Staatsminister Dr. Jolly sprich; kurzen, aber auf-
richtigen Dank für die MajorUätsadrefse aus, meint, die
Herren von der Minorität hätten statt einer eigenen Adresse
lieber den gewöhnlichen parlamentarischen Weg der Oppo-
sition gegen die andere wählen sollen. Das Reich und Ba-
den betrachte die Regierung als sich ergänzende Organis-
men, die Entwicklung des Reichs habe durch seine Organe
sortzuschreiten; die Ansicht der Minorität, daß das Reich

ein bloßer Vertrag sei, verurtheile es zum Stillstand. Auch
wir haben die Sehnsucht nach Frieden zwischen Staat und
Kirche — allein wer trägt die Schuld am Kampf? —
Was die Herren der Minorität über die Schulfrage äußern,
spricht ebenso, wie ihre anderen Aeußerungen ihre Meinung
nicht aufrichtig aus: In Wahrheit wollen Sie das Volks-
schulgefetz abgeschafft und den Schullehrer vom Pfarrer ab-
hängig haben (neu;, nein auf der klerikalen Seite). Um
so besser, wenn ich mich täusche.
Die nun folgenden Reden von beiden Seiten sind
größientheils Paraphrasen und Erweiterungen der in den
Reden der beiden Berichterstatter enthaltenen Ideen. Die
Debatte sp tzt sich immer mehr zu und erwärmt sich stufen-
- weise bis 1 Uhr, nach einer Sitzung von vier Stunden,
l Wir können nur das Wesentlichste daraus geben, da eine
! ausführliche Berichterstattung selbst für den Raum der
! „Times" zu lang wäre.
Abg. Bender erklärt die von Bluntschli behauptete
„Flüssigkeit" der Grenzen der Reichskompetenz aus der ge-
genwärtigen Unfertigkeit seiner Verfassung, die nicht aus ei-
nem Guß entstanden sei, sondern aus Einzelverträgen und
sogar in sehr wesentlichen Punkten noch die für die Reichs-
regierung noihwendigen Machttribute vermissen lasse. Auch
er sei kein Freund der Centralisation und fürchte nicht, daß,
wie Autoritäten meinten, der Einheitsstaat kommen müsse.
„Unsere weichere, süddeutsche Gemüthsart verträgt sich nicht
mit dem kälteren, Verstandesschärfen Norden. Auch haben
i sich die Residenzen der Kleinstaaten immer als Mittelpunkte
j der Kultur erwiesen. Im deutschen Charakter liegt ein star-
j kcr Drang nach Individualisation; wäre es möglich, einen
i Einhitsstaat herzustellen, so würde zugleich die Centrifugal-
kraft der einzelnen Stämme wieder eintreten. Der Ein-
heitsstaat ist weder zu wünschen, noch zu fürchten. Die
Neigung dazu ist nicht in der Reichsgewalt vorhanden. —
Der Kampf zwischen Staat und Kirche ist dadurch entbrannt,
daß eine Klasse in der Kirche, die lehrende Kirche, von sich
' aus allein entscheiden will, welches die Grenzen zwischen
beiden find und daß diese vollkommen abhängP ist von ei-
nem Uuiversalbischof, dessen Mandatare alle übrigen sind,
der Staat aber kann sich die Grenzen sein r Gesetzgebung
nicht einseitig von einem unfehlbaren Papst festsetzen lasten.
(Schluß folgt.)
Deutsches Reich.
Leipzig, 6. Dez. (Reichs-Oberhandelsgericht) Auf
einer württembergischen Station wurde eine Partie Hopfen
nach Walldorf aufgegeben, aber aus Versehen des
Beamten nach Mannheim dirigirt. In Folge dessen
kam der Hopfen etwa anderthalb Tag zu spät an seinem
Bestimmungsorte an und zeigte sich dort als theilweise durch
Brand verdorben, was nach der Expertise einen Schaden

Proccß Bazame.
Neunzehnter MerHandlungstag.
30. October.
(Schluß.)
Dieser gab ihm hierauf einen ebenso wichtigen als ge-
fährlichen Auftrag an den Marschall Bazaine, da es sich
darum handelte, diesen um jeden Preis von den Bewegungen
Mac-Mahons in Kenatniß zu setzen. General Ducrot gab
ihm schriftlich nur folgende Worte für den Marschall:
„Vertrauen und tausendfacher Freundschaftsausdruck;"
mündlich aber beauftragte er ihn, dem Angeklagten zu
sagen: „Mac-Mahon ist mit 120,000 Mann im Anmarsch.
Seine Armee wird am 27. Abends in Stenay sein. Be-
reiten Sw sich vor, auf den ersten Kanonenschuß von Metz
abzurücken, falls diese Bewegung Ihrem Plane entspricht."
Auf dem Wege erzählte der Zeuge dem General
Margueritte den Zweck seiner Sendung und telegraphirte
ihm, in Beaumont angelangt, daß er auf seiner Hut sein
möge, weil der Feind sich zu zeigen beginne.
In Montmedy erleichterte ihm Präfect und Platz-
commandant die Reise nach Longwy. Zweimal überschritt
er ungefährdet die luxemburgischen Grenzen und kehrte auch
ebenso oft wieder nach Frankreich zurück. Bei dem dritten
Versuche mußte er nebst anderen Boten aus Verdun einen
wahren Kugelregen Uber sich ergehen lassen. Er gelangte
nach Thionville, von wo ihm aber Oberst Turnier seinen

Weg nach Metz nicht fortsetzen lassen wollte, weil er zur !
Uebermittelung von Depeschen sichere Leute besitze. Zeuge '
dictirte hierauf seine Nachrichten. Oberst Turnier sagte
ihm, daß er sehr unruhig darüber sei, keine Nachricht von
Bazaine zu haben, daß aber seine Emissäre sicher in die
eingeschlossene Festung gelangen würden. Tags darauf sandte
ihn der Oberst zu Mac-Mahon zurück, den er auch, über -
Belgien reisend, am 29. erreicht. Zuerst empfing ihn !
Oberst Stoffel und frug ihn über alles Gesehene und Ge- i
hörte umständlich aus. Mac-Mahon schien viel daran zu -
liegen, daß seine Depesche nach Metz gelangt sei, und
Zeuge wiederholt hierauf die ihm von Turnier ertheilten
Versicherungen.
Der Präsident: Die Worte, falls diese Bewegung
Ihrem Plane entspricht, siguriren nicht in Ihrer Aussage
vor dem Untersuchungsrichter.
Zeuge erklärt, daß diese Worte in der ersten Fassung
der Depesche wirklich existirten, daß sie aber Oberst Turnier
in seiner Copie gestrichen hatte, was er bei seiner ersten
Deposition zu erwähnen vergaß.
Auf die Frage des Regierungskommissärs erklärt Zeuge,
daß er nicht wisse, ob Herr Hulme Mac Mahon eine De-
pesche vorgelesen habe, da er nicht anwesend gewesen sei.
Auch dieser Zeuge wird vom Präsidenten seiner kalt-
blütigen Entschlossenheit halber belobt.
Lallemand, Ex-Prokurator der Republik in Sarre-
guemines ist der nächste Zeuge. Er sagt aus:

Am 27. wurde er vom Oberst Turnier mit einer
Depesche für die Armee Mac Mahon's betraut. Der Oberst
gab ihm die Richtung nach Conflans als die beste an, um
nach Sedan zu gelangen und sich seiner Botschaft zu ent-
ledigen. Er übergab daselbst seine Depesche dem General
Melcion, der sie dem Festungs-Commandanten übermittelte.
Zeuge wird gefragt, ob er in Thionville nicht den Zeugen
Lagoste gesehen, oder mindestens von ihm sprechen gehört
habe. Zeuge verneint.
Lagoste wird wieder vorgerufen. Er ist aber ab-
wesend. Nun wird zur Vernehmung des Zeugen Marchal
geschritten. Er war mit einer Botschaft betraut, welche
identisch mit der durch Flahaut besorgten war. Nach
tausend Gefahren, nachdem er in den Schluchten von Gra-
velotte mit dem Erschießungstode bedroht worden war,
wenn er seinen Weg fortsetze, gelang es ihm doch, die
Linie zu durchbrechen und seine Depesche an Bazaine zu
übermitteln. Am 1. September wurde er vom Marschall
mit einer Mission nach Thionville betraut. Zeuge tritt
unter Belobung des Präsidenten ab.
Lagoste wird neuerdings vorgerufen, um die Stunde
. seiner Ankunft und seines Abganges von Thionville genau
zu präcisiren. Er erklärte am 27. Abends dort eingetroffen
und am 28. Morgens abgereist zu sein. Am Abend des-
selben Tages war er in Givet.
 
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