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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 137 (22. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0549

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wöchentlich drei Mal:
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und Samstag.
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Ilhwctzmger Wochenblatt.
Amtsverkündigungsölalt für den Aezirk Schwetzingen.
B aditchc H o p f c n ; c i 1 n n g.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Av. 137.

Samstag, 22. November 1873.

VII. Jahrgang.

Inserate von Slnswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenj'tein L Dogker, Rudolf Wssse und H. L. Daube L Eo., sowie die Süddeutsche Knuoncen-Hrpedition
von G. Stöckhardt in f'mttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wsin, Zürich, Basel und Straßburg.

Pwcch Bazaine.
Versailles, 24. Oktober.
Wierzetznter Wertzandlungstag.
Coffinieres gibt Erklärungen über die Brücken, die er
aus Befehl des Kaisers bis zum 12. hatte schlagen lassen.
Daß man die Brücken nicht zerstört habe, erklärt der Zeuge
dadurch, daß man noch immer nicht gewußt habe, ob man die
Offensive ergreifen oder ob man den Rückzug antreten werde.
Für die Offensive würde man aber der Brücken benöthigt
gewesen sein und man hatte sie deßhalb nicht in die Luft
sprengen lassen können. Spater gibt der General noch Auf-
schlüsse über den Waffenstillstand von zwei oder drei Stun-
den, den er dem Feinde nach der Schlacht von Borny,
aber ohne den General Bazaine zu befragen, bewilligt habe, j
General Coffinieres hatte für die sieben Wege, die nach den ,
Plateaux führen, Brücken bauen lasten, den Marschall aber
nicht davon unterrichtet, da dies nicht seine Sache gewesen se'u
Nachdem der Präsident sein Verhör beendet, stellt der !
Regierungskommistär noch einige Fragen an den Zeugen,
worauf dann Bazaine erklärt, daß er volles Vertrauen in j
Coffinieres gehabt; er kenne ihn schon seit langer Zeit;
1835 seien sie zu gleicher Zeit verwundet worden.
Was den Zeugen Scalle, den Eisenbahn-Jnspec'or, an-
belangt, so gab derselbe Erklärungen über die Brücke von
Longville, die er am 3. Sept, inspizirte und die wieder
hergeftellt werden sollte. Das Genie hatte behauptet, daß
man sie erst in 3 Wochen Herstellen könne, während er sich
Bazaine gegenüber anheischig machte, die Verbindung in 3
Tagen dadurch zu bewerkstelligen, daß er Sand in Masse
in die Mosel werfen lasse. Der Zeuge erstattete dann Be-
richt über einen Vorschlag, den er am 22 Bazaine machte.
Er hatte erfahren, daß Metz keinesweg vollständig von der
Außenwelt abgeschnitten sei, und deßhalb dem Marschall den
Vorschlag gemacht, sich auf die Eisenbahn-Linie zu werfen,
dieselbe bis Forbach zu zerstören und sich der 1500 deut-
schen Muuitions- und Proviantwagen, die sich auf derselben
befänden, zu bemächtigen. Marschall Bazaine habe seinen
Vorschlag nicht angenommen, sondern nur erwiedert, daß er
die Sache mit seinen Offizieren besprechen werde. Zum
Beweis, daß sein Plan ein guter gewesen sei, führt er
schließlich an, daß ihm der Eisenbahn-Inspektor, der sich
damals in Forbach befunden, nach der Kapitulation von
Metz gesagt, daß man die Franzosen 8 Tage lang erwar-
tet habe und daß sie sehr leicht 1500 Waggons hätte neh-
men können.
Bazaine bemerkt zu diesen Aussagen, daß er Mitthei-
lungen gehabt, die im Widerspruch mit denen des Zeugen
gestanden, und daß er um dessen Plan anszuführen, eine
Schlacht Hütte wagen müssen.

Um 2 Uhr 40 M nuten wird die Sitzung nm 20
Minuten vertagt.
Der erste Zeuge, der nach Wiederaufnahme der Sitzung
vernommen wird, ist Escadronschef Lers. An seiner Depo-
siten ist nichts Besonderes hervorzuheben, inan wollte denn
seine Angabe, der Marschall habe ihm gesprächsweise mitge-
theilt, daß er, wenn es nach seinem Willen ginge, die
Mosel nicht überschreiten würde, und daß die Anwesenheit
des Kaisers ihr Unangenehmes habe, als etwas Wichtiges
gelten lassen.
Die Deposition des darauf folgenden Chefiuteudauten
Wolff ist absolut nichtssagend. Beim Verkästen der Schranke
hält er es für angezeigt, sich vor dem Angeklagten zu ver-
neigen.
Der nächste Zeuge erregt bei seinem Erscheinen die
lebhafteste Aufmerksamkeit und mit Grund. Es ist dies i
nämlich Cosseron de Villenoisy, jener Stabsoffizier, dessen j
Petition au die Kammer die Ernennung einer Enguetecom-
Mission und dadurch mittelbar die Verweisung Bazaine's vor !
ein Kriegsgericht veranlaßte. Es ist dies ein militärischer s
Gelehrter, der 34 Dienstjahre zählt, nenn Feldzüge mitge- i
macht hat, wahrend der Belagerung von Metz die Foriisi- i
cationswissenschaft daselbst doctirte, bei dem Einzug der
Preußen sich aus dem Staub zu machen wußte und schließ-
lich bei der Nordarmee als Vice-Generalstabschef sungirte.
Er ist von Gestalt hoch aufgeschossen, mager; seiue Stirne
ist kahl und trägt eine Brille. Seine Physiognomie ver-
räth Viel Intelligenz, aber auch große Schroffheit uud
Strenge.
Er tritt rasch vor und so, daß er den Angeklagten
nicht zu Gesicht bekommt, verueigt sich tief vor dem Tribu-
ual und spricht den Präsidenten mit „Mein General" an.
Gleich den ersten Worten seiner Aussage merkt man es au,
daß man es hier mit einem Mann zu thun hat, dessen
Ueberzeuguug seit langer Zeit feststeht rind daß sie keine
Aeuderung erleiden wird. Sie ist bei ihm zur mathemati-
schen Gewißheit geworden
Der Vorsitzende läßt ihn eine gewisse Zeit hindurch
sich über Facta verbreiten, die das Kriegsgericht fürs Erste
schon abgethau uud führt ihn darauf zu der in Behandlung
stehenden Frage der Brückenzerstöruug und Errichtung zurück.
Herrn v. Villenoisy lag es in Gemeinschaft mit der Brücken-
und Straßenverwaltung ob, die Brücken über die Mosel zu
schlagen. Er bestrebt si h vor Allem darzuthun, daß die
Hemmungen, welche bei den Moselübergängen vorgekommen
sind, auf Rechnung Jener (des Generalstabes) zu schieben
seien, welche die Zahl dieser Ucbergünge (eine zu geringe)
festgestellt haben.
Frage: Am 17. August wurde ein Waffenstillstand
behufs Begrabung der Tobten abgeschlossen Hatten Sic
von demselben Kenntnis; ?

Antw.: Ja, und es war sehr schlimm, daß er ab-
geschlossen wurde; denn die Preußen gewannen dadurch die
Ueberzeugung, daß sie ihre begonnene Bewegung zu Ende
führen konnten.
Die weiteren Zeugen von diesem Tage (Oberstlieute-
nant Fay, Unter-Intendant Preval, die Intendanten Mony
und Gaffiot tragen für den Augenblick nichts zur Aufklä-
rung des Tribunals bei.
(Fortsetzung folgt.)

Deutsches Reich.

Karlsruhe, 20. Nov. Heute Mittag wurde der
Landtag nach dem bereits bekannten Ceremouiel durch Se.
Königliche Hoheit den Großherzog eröffnet. Die Thronrede
spricht das Vertrauen aus, daß, gestützt auf die langbe-
wührte Einsicht der Vertreter des Landes, die bevorstehen-
den Arbeiten von Erfolg begleitet sein werden. Der Aus-
bau des Reiches schreite rüstig vorwärts und berechtige zu
der Hoffnung, daß das Reich und die Einzelstaaten recht
wohl neben einander bestehen können. Die Regierung will
die naturgemäße Entwickelung der Reichsangelegenheiten, das
Ansehen und die Erstarkung des Reiches im Bundesrathe
fördern, zugleich aber auch die Selbstständigkeit des inneren
Staatslebens auf der verfassungsmäßigen Grundlage be-
festigen.
. Da sich die Einwohnerzahl verschiedener größerer Städte
bedeutend vermehrt hat, so ist die Vorlage einer besondern
Städteordnung nothwendig geworden. Der allgemeine Kampf
zwischen Staat uud Kirche hat nur wenig Nahrung im
Badischen Lande gefunden, die Lücken, welche in dieser Be-
ziehung die Gesetzgebung enthält, sind leicht zu ergänzen.
Die Thronrede kündigt alsdann ferner die Vorlage eines
Gesetzentwurfs über den obligatorischen Fortbildungsunter-

richt an uud verheißt namhafte Erhöhung der Gehalte der

Volksschullehrer, sowie Wohuungsgeldzuschüsse für die Staats-
beamten. Eine Vorlage betreffs der Ausdehnung des Eisen-

bahnnetzes wird alsbald erfolgen. Die Finanzlage ist eine
erfreuliche, es war möglich ein vollständiges Gleichgewicht

im Budget herzustellen.
Ilm eine gerechtere Verlheiluug der Steuern herbeizu-
führen, wird ein Gesetzentwurf betreffs Einführung einer
allgemeinen Einkommensteuer und der Umgestaltung der Ka-

pitalsteucr vorgelegt werden.

— Nach einer Mitlheilung, die der Spen. Ztg. zu-
geht, hat der Reichskanzler dem Bundesrathe einen Gesetz-
entwurf über die Verfassung der Gerichte im Deutschen

Reiche für bürgerliche Rechtsstreitigkecken und Strafsachen,

nebst dem Entwurf eines Einsühruugsgesetzes vorgelcgt.
Ueber den Landesgerichtcn erster und zweiter Instanz, deren

Einrichtung und Kompetenz geregelt wird, fnugirt als allei-

Die Zigeunerin.
Novelle

von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
„Und nun erzählte sie mir jedes Wort, das sie zu
ihnen gesprochen; sie theilte mir den Aufenthalt oder wenig-
stens den Namen jenes Dorfes mit, wo sie das Kind aus-
gesetzt, und gab mir daun dieses Stück von einem goldenen
Ohrgehänge, welches das Kind in den Händen gehabt halte.
Einen Moment später, nachdem Zendale sich von ihnen
trennte, bat sie die Kleine fortgebracht, in einem Korbe von
buntem Geflecht, in welchem auch deren Kleider und eine
goldene Kette mit einem Kreuze enthalten waren."
Fiora theilte Leon alles mit, was Zendale zu ihr ge-
sprochen hatte und fügte hinzu:
„Während des Sprechens war Zendale bleicher uud
bleicher geworden, ihr Athem wurde schwächer und die dun-
keln Augen verloren allmälig ihren Glanz.
„Sage Leon," — die Worte waren kaum noch ver-
nehmlich — „ich hätte mein Wort gehalten, ich wäre nie
eines andern Weib geworden; ich hätte nur ihn geliebt —
möge er glücklich werden. Leon — Leon!"
„VergHens lauschte ich, noch ein Wort von ihren

! Lippen zu vernehmen; ihr Kops sank schwer zurück uud die
! glänzeudeu Augen schloffen sich für immer."
> Bei ihren letzten Worten hatte Fiora sich erhoben und
trat auf Leon zu, der unbeweglich mit geschlossenen Augen
in seinem Sessel saß.
„Seien sic ein Manu, mein Herr!" sagte sie, ihn bei
seiner Hand, die schlaff herniederhing, ergreifend. „Es war
Zeudale's letzter Wunsch, daß sie sich ihrem Kummer nicht
hingeben sollten. Ihr Lod kann ihnen kaum einen Schmerz
bereiten, wenn sic ein solcher Christ sind, wie Zendale eine
Christin war."
„So wurde sic eine Christin?" fragte Leon.
„Sie starb mit dem Glauben au ein Wiedersehen."
Fiora legte ein kleines Päckchen auf den Tisch nieder
und im nächsten Augenblick, ehe Leon noch daran denken
konnte, sie zurückzuhalten, hatte sie das Gemach und gleich
darauf das Haus verlassen.
„Jetzt gilt es, zu handeln und die Ehre meines Vaters
zu schonen," murmelte Leon, sich aufrichteud. „Es ist alles
gut geworden. Und wenn ich Franziska ihren Eltern wieder
zugeführt habe, daun kann ich ruhig das Ende meines
Lebens erwarten, bis ich Zendale wiedersehe."
Noch an demselben Abend schrieb Leon einen Brief
an feine Gattin Olympia, worin er ihr meldete, daß er ge-
zwungen sei, eine längere Reise auzutreten; obgleich er fest
überzeugt war, daß jene vielleicht nicht einmal seinen Brief
öffnete, so gab er ihr doch keine Gelegenheit, ihm Vorwürfe
... zu machen. Auch au seinen OnUl, den Grasen Franz von

Cölestin, schrieb er und theilte ihm jede Einzelheit von dem
Raube seines Kindes mit, doch verschwieg cr ihm, wer der
Anstifter davon gewesen war.
Am andern Morgen bereits machte Leon sich auf,
seine kleine Nichte zu suchen. Ob cr sie finden werde, da-
rüber war sein Herz voller Zweifel uud Sorgen; aber es
mußte doch Licht werden, er wollte nicht eher ruhen.
„Ach Rosi," sagte Kathrin eines Morgens zu ihrer
Schwester, „ich seh das Elend nicht länger an — ich Halts
nicht länger aus. Schau doch, wie bleich die Wangen un-
seres Mädels sind, und die Augen so roth vom Weinen."
Rosi seufzte.
„Ich kauns halt nicht ändern, Kathrin, 's ist nicht
meine Schuld," entgegnete sic schmerzlich. „Der liebe Herr-
gott uud die heilige Jungfrau mögen ihm die Schuld nicht
anrechuen, er Hütte diesseits uud jenseits keine Ruh' mehr."
„'s ist halt ein zu schlechter Mensch," eiferte Kathrin,
, „o, ich sag's dir, Rosi, die Manusleui', die Maunsleut'
sind zu schlimm — ich Habs immer gesagt und dank' dem
lieben Gott, daß er mich vor einem solchen liebel bewahrt
hat. Ich hält' mein Leben gelassen sür die Treue dieses
Manucs, uud da führt er eines Tages auf und davon mit
i dem Bescheid, bald wiederzukommen, und nun sind derweil
zwei Jahr verflossen und er läßt nichts mehr von sich hören
noch sehen. Ach, lieber Gott, was wird aus dem armen
Mädel?" (Fortsetzung folgt.)
 
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