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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 102 (30. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0409

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Erscheint
wöchentlich drei Mnl:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Mwchmgcr Wochenblatt.
Amtsverkündigungsölatt für den Aezirk Schwetzingen.

P - ü
Vierteljahrs ch öl kr.
Inserate:
die viergespaltene
Petitzerle oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Kadische H o p s c n z e i t u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Samstag, 30. August 1873.

Ko. 102.

VII. Jahrgang.

Inserate von Answürts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Burcaux von Haasenstein L Wogter, JUldotf Masse und ch. L. Aauöe L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-Gspedition
von G. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Rundsch a u.
Das Deutsche Volk schickt sich au, in diesen Tagen
eine Feier zu begehen, welche, wiewohl nicht mehr neu,
doch erst in diesem Jahre das Gepräge eines eigentlichen
Nationalfestes tragen wird. Bis auf einen Rest
von 5000 Mann haben die deutschen Truppen das feind-
liche Gebiet jenseits der Vogesen geräumt und auch diese
Fünftausend stehen schon gehobenen FußeS da, um bald
den Rückmarsch in die lang entbehrte Heimalh anzutreten.
So ist denn das Kriegeswerk erst jetzt vollbracht, erst jetzt
der blutig errungene Frieden nnit allen seinen Folgen zur
Thatsache geworden. Da geziemt sich's, einen Merklag zu
suchen, an welchen spätere Geschlechter ihre Betrachtungen
anknüpfen können zur Erinnerung an jene wenigen und
großen Tage, die für das Loos des Deutschen Volkes, für
seinen Rhum und seine Ehre von grundlegender Bedeutung
waren. Der Streit über oie Waal eines solchen Tages,
der im vorigen Jahr mit ächt deutscher Gründlichkeit, um
nicht zu sagen Philisterhaftigteit, geführt wurde, ist in die-
sem Jahre glücklich verstummt. Man scheint endlich sich
der Einsicht erschlossen zu haben, daß nicht das geschichtliche
Factum des Tages der Feier desselben die Bedeutung leiht,
sondern daß diese letztere nur durch die Gemei n s a m-
keit gewonnen wirb, mit welcher die Nation als großes
und geeinigtes Ganze den Gedenktag in festlicher Feier be-
geht. Schon jetzt ist es jedem Zweifel entzogen, daß die
weitaus überwiegende Mehrzahl deutscher Städte sich der
nationalen Feier des 2. September anschließen wird und
die stalistlsche Mühe, die sich die Feinde des Reichs mit der
Auszählung aller Andersdenkenden geben, legt nur Zeug-
niß ab für die verschwindende Minderzahl derer, die jene
Tage deutscher Größe, weil sie die eigene Tyrannei zer-
störten, aus dem Gedüchtniß des Volkes tilgen möchten.
Fürst Bismarck ist wieder oben auf. Er hat das
Jutriguengewebe, mit welchem seine Gegner den Kaiser
Wilhelm umsponnen haben, glücklich zerrissen und wenn er
im September aus seinem ^Schmollwinkel Varzui in die
Reichshauplstadt zurnckkehrt, so wird die Welt die Zeichen
von diesem Umschwung der Dinge tu einer Umgestaltung
des preußischen Ministeriums verspüren, welches zunächst
durch den Rücktritt Roon's von seinem Haupte, in der Folge
aber auch an seinen Gliedern reformirt werben wird!
Die Erhöhung der Gehalte der Volks-
schullehrer wird als unabweisliches Bedürfniß betrachtet
und kann wohl der ständischen Genehmigung vollkommen
sicher sein.
Die Stadt Genf hat Glück im Erben. Der in Bellet)
verstorbene Herr Rangier hat das Cantonsspital zum Erben
seines Vermögens von 170,000 Frs. eingesetzt. Uebrigens
Hal die Stadt Genf nicht weniger als 18 Millionen Schul-

den und kein produktives Vermögen. Am schlimmsten kom-
men bei der Braunschweiger Erbschaft Dienerschaft und Um-
gebung des Herzogs Karl weg, denen nichts vermacht ist.
Der Tod hat ihn überrascht, ehe er sie bedacht hatte, was
ja in seinem Testamente ausdrücklich gesagt war.
Deutsches Reich.
Stuttgart, 28. Ang. Der Minister des königlichen
Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, v. Wächter, s
wurde auf sein Ansuchen pensionirt. Sein Ressort wurde i
interimistisch dem Justizminister Mittnacht übertragen.
KeiH-zig, 27. Aug. Der Stadtkommandant macht
durch Anschlag an den Straßenecken bekannt, daß, wenn
das Militär in Folge von neuen Ruhestörungen wieder ein-
schreiten müsse, der volle Gebrauch der Waffen eintreten
werde und fordert die gesetzlich gesinnten Einwohner auf,
den Schauplätzen der Ruhestörungen fern zu bleiben. Rath
und Polizeiamt Leipzigs verbieten hierauf bezugnehmend, bei
Vermeidung der Arretirung mit Eintritt der Dunkelheit das
Zusammengehen und Stehen von mehr als 3 Personen auf
dem Augustusplatz, Rcßplatz, Königsplatz und den angren-
zenden Theilen der Promenade. Tanz- und Schanklokali-
Läten sind bei Vermeidung sofortiger Schließung und Geld-
strafen ohne Ausnahme um 11 Uhr Abends zu schließen.
Der Staatsanwalt ' macht bekannt, daß bei den verübten
Gewaltthätigkeiten Wäsche, Kleidungsstücke und andere Werth-
gegenstände im Werthe von 1100 Thaler geraubt
wurden.
Fulps, 28. Aug. Bischof Koett wurde wegen ohne
Regierungsgenehmigung verfügter Anstellung von Geistlichen
zu 400 Thaler Geldbuße, eventuell 3 Monat Gefängniß
nach Z 22 des Kirchengesetzes vom hiesigen Kreisgerichie
verurtheilt.
Ausland.
London, 23. Aug. Die Mittheilung der,,Morning
Post," daß der verstorbene Herzog von Braunschweig den
kaiserlichen Prinzen erst zu seinem Universal-Erben eingesetzt
hatte, wird heute in einem Briefe an die „Times" bestätigt.
In demselben heißt es noch, daß die Kaiserin Eugenie drei
mal ince gnito deßhalb in Genf gewesen sei, um den Herzog
zur Wiederherstellung des ursprünglichen Testaments zu
Gunsten ihres Sohnes zu bewegen. In dem Briefe heißt
es auch, daß der Czar und der König von Holland den
Herzog zu veranlassen suchten, das Vermögen nicht der Stadt
Genf zu hinterlassen
Barcelona, 26. Aug. Das Kriegsgericht verurtheilte
von den dortigen aufständischen Artilleristen 12 zum Tode,
37 zu lebenslänglicher Galeerenstrafe. — Eine Bekannt-
machung der Karlisten verbietet bei Todesstrafe jeden Ver-
kehr von Eisenbahnzügen zwischen Frankreich und Spanien

und bedroht die Wiederherstellung von Telegraphenleitungen
derselben mit Strafe.
New-Nork, 28. Aug. Der Dampfer Russia kam
in Halifax an und meldet, ein orkanartiger Sturm bei Cap
Breton habe viele Schiffbrüche herbeigeführt und 30 Schiffe
an die Küste geworfen.__
Neueste Kopfen-Aerichte.
Born Continent.
* Schwetzingen, 26. Aug. Fast allenthalben hat die
Hopfenernte begonnen. Hält das warme Wetter an,
so muß dieselbe mehr beschleunigt werden, als im Interesse
der Erzielung höherer Preise zu wünschen ist. Hier und in
benachbarten Orten wurden heute 60 Gulden für den Ctr.
bezahlt. — Baden macht qualitativ und quantitativ eine
der schönsten Ernten und wird das Ergebniß annähernd
auf 35—40,000 Centner zu 50 Kilo geschätzt.
*SchWetzingen, 29. Aug. Nachdem die Hopfenernte
hier und in der Umgebung in vollem Gange ist, stellt sich
immer mehr heraus, daß die diesjährige Ernte viel reich-
licher ausfallen wird, als man auch nur. annähernd berech-
nete. Obwohl seit einigen Tagen die Frühhopfen in einigen
Lagen roth zu werden beginnen, so sind dies doch nur ver-
einzelte Fälle, welchen der neuerdings eingetretene Regen
Einhalt gethan hat. — Gestern wurden hier einige Ballen
heuriges Produkt zu 70 fl. und 80 ff. per Ctr. verkauft.
— In Reilingen ist man mit der Ernte schon ziemlich
weit fortgeschritten und wurden dort bereits mehrere Quan-
titäten gehandelt und mit 70-—75 fl. bezahlt. — Von an-
deren umliegenden Orten hörte man bis jetzt in Hinsicht
des Preises noch nichts Bestimmtes.
Hockenheim, 21. Aug. Bezugnehmend auf mein
ergebenes Letztes vom 14. ds. berichte Ihnen hiermit, daß
wir seither zum Ausbilden der Hopfen ganz erwünschtes
Wetter haben, dieselben machen täglich vorwärts, so daß
innerhalb 8 Tagen die Ernte bei uns allgemein beginnen
wird. Die Qualität verspricht sehr schön zu werden, sowie
die Quantität alle Erwartungen übertreffen und wir in
Baden auf eine Ernte sicher rechnen können. In Be-
zug der Preise sind unsere Produzenten nicht überspannt in
ihren Erwartungen.
Philippsburg, 27. Aug. Wir sind in der Lage,
unfern Interessenten folgenden Hopfenbericht mittheilen zu
können: Am Montag dieser Woche hat hier die Hopfen-
Ernte theilweise begonnen, nachdem schon am Schluffe
der vorigen Woche mit der Pflücke einiger Frühhopfen der
Anfang gemacht worden war. Die gegenwärtige herrliche
Witterung, welche als eine ununterbrochene schöne u. Helle
und für den Hopfen sehr günstige genannt werden kann,
dürfte wohl zur völligen Bildung und Vollendung des
immerhin frischen und gesunden Gewächses, welches von allem

Die Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
Den kleinen Knaben hatte die Pflegerin Mutter Röm-
lein mit der Weisung gebracht, dafür zu sorgen und als
diese ihn jetzt in den schneeigen Windeln, dem Battisthemd-
chen und Jäckchen vor sich liegen sah, fühlte sie sowohl
inniges Mitleid mit dem Kinde, als mit der Mutter. Sie
beklagte beider Schicksal, das der Mutter, weil sie niemals
ihr Kind in die Arme schließen sollte, das des Kindes, weil
es die mütterliche Liebe und Pflege entbehren mußte. Und
doch hatte die Dame gar nicht ausgesehen wie eine Verrückte,
sondern nur unglücklich und leidend, sonst glaubte Mutter
Lisbeth noch kein zarteres, lieblicheres und klügeres Gesicht-
chen gesehen zu haben.
Oben in dem Staatszimmer des Hauses lag in dem
schneeweißen, hochaufgethürmten Bette, auf deren Besitz Lis-
beth nicht wenig zu Gute that, eine kranke, blasse Gestalt
mit einem wunderlieblichen Gesichtchen. Keine Spur von
Farbe war auf den bleichen, blutleeren Wangen, selbst die
Lippen trugen nur eine kaum bemerkbare Spur von Röthe
und sie waren noch von dem tiefinnersten Weh schmerzlich
verzogen.

Jetzt endlich, nachdem die Pflegerin bereits zum dritten
Male den Versuch gemacht hatte, die Halbtodte wieder zum
Bewußtsein zu bringen, schlug sie einen Mom nt die großen
nußbraunen Augen auf. Sie sah um sich, dann senkten
sich wieder die langen Wimpern und ein Frösteln durch-
zitterte sie.
„Mein Kind? wo ist mein Kind?" murmelte sie
hörbar.
Schnell war die Pflegerin an ihrer Seite, aber kein
Zug veränderte sich in dem rothen Antlitze derselben.
„Sie sollten nicht darnach fragen, gnädige Frau,"
lautete die Antwort, und obgleich die Person sich hierbei
anstrenite, einen weicheren Ton in ihre Stimme zu legen,
so gelang ihr dies doch nicht vollständig.
Die Kranke schloß mit einem schweren Seufzer die
Augen und lag dann wieder regungslos und wachsbleich da
Wie eine Todte, während es um die Lippen der Wärterin
fast wie Hohn zuckte.
„Wenn sie zum Leben erwacht — pah, ich denke, sie
wird nicht viel Mühe machen," murmelte sie. „Ein kleiner
Stoß kann das schwache Licht ausblasen und so wird es
auch wohl geschehen. Ich möchte indessen dem Herrn Rei-
mersheim einmal in die Karten sehen können, gewiß ließe
sich aus dieser Angelegenheit ein gutes Stück Geld ziehen,
ich will wenigstens den Versuch machen."
Wenige Stunden nach der Geburt oes Kindes erschien
der Fremde, welcher die Dame hierher geleitet, um sich nach
ihrem Befinden zu erkundigen.

Der Arzt zuckte die Achseln.
„Ihre Nichte ist sehr schwach," sagte er, „ich halte
einen Transport nicht für räthlich. Meiner Ansicht näch
dürfte es das Beste sein, sie vorläufig hier zu lasten."
„Sie mögen Recht haben und ich habe auch so gedacht.
Ich schätze mich glücklich, in der kurzen Zeit, welche mir
blieb, noch ein so gutes Logis bekommen zu haben. Nicht
wahr. Sie meinen, ich darf die Dame hier unbesorgt um
ihr Wohlbefinden wenigstens so lange lassen, bis Therese
sich wieder erholt hat und ich sie mit dem betrübenden Er-
eignisse bekannt machen kann?"
„Ich glaube unbedingt, Herr Reimershein," entgegnete
der junge Arzt, um sich blickend. „Die Räume sind aller-
dings nicht so comfortabel eingerichtet und der Mangel an
frischer Luft muß schmerzlich empfunden werden, allein ich
halte es bei der kaum überstandenen Nervenkrankheit Ihrer
Frau Gemahlin für durchaus nothwendig, daß ihr jede Auf-
regung erspart bleibt. Ueberdies befürchte ich, daß Ihre
Nichte ein längeres Verweilen in diesem Orte über sich er-
gehen lassen muß, sie wird sich nicht so leicht erholen.
„Und das Kind?"
Wie viel lag in dem Tone, in welchem diese Frage
gestellt wurde. Furcht, Hoffnung und Zorn, wer konnte
unterscheiden, was das Herz dieses Mannes bewegte, als er
diese Frage stellte?
(Fortsetzung folgt.)
 
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