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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 16 (8. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0063

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wöchentlich drei Mai:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.


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Bestellungen an.

AmLsverkündigungsötalt für den Wezirk Schwetzingen.
Kadilchc Hopfenreit u n g.

Prei?
vierteljährlich 45. k:
Inserate
die viergespaltene
Petitzerle oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeigen
3 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische ui bayerische Rheinpfalz.

Ho. N>.

Samstag, 8. Februar 1873.

VH. Jahrgang.

Für das „Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsburger Wochenblatt Gratis-Aufnahme.

Depeschen.
* Rom, 5. Febr. (H. B. R.) Der Senat hat
beute die Postkonventton mit Rußland nnd den Handels-
vertrag mit Portugal genehmigt.
* Madrid, 5. Febr. (H. B. R.) Die Nordbahl'
ist wiederhergestellt nnd betriebsfähig. — Zwei ganze Ab-
teilungen von Karlisten sind neuerdings in die Gewalt der
der königlichen Truppen gefallen. Die Herstellung der Ruhe
in der Provinz Navarra und in den baskischen Provinzen
ist in stetigem Zunehmen begriffen._
Politische NeSerftchii"
Nach den die Besteuerung der Schlußfcheine
betreffenden Gesetzentwürfen unterliegen einer Stempelabgabe
von 2^/2 Sgr; 1) alle Schlußnoten, Schlnßzettel,
überhaupt alle Schriftstücke über den Abschluß oder die Pro-
longation von Kauf-, Rückkauf- u. s. w. Geschäften, über
Werthpapiere, über Quantitäten vertretbarer Sachen und
Waaren jeder Art; 21 alle Rechnungen (Noten), Ver-
zeichnisse u. s. w. über gemachte Geschäfte in Bezug auf
Kauf u. s. w. von Werthpapieren; beide aber nur, wenn
das Geschäft oder Schriftstück einen Gegenstand von 50
Thlrn. oder mehr betrifft.
Lombarddarlehen im Betrage von 50 Thlrn.
oder mehr unterliegen einer Stempelabgabe von per
Mille jeder dargeliehenen Snmme. I n l ä nd i s ch e A c t i e n,
welche nach Erlaß des Gesetzes ausgegeben werden, unter-
liegen einer Stempelabgabe von ^2 pCl. des Werthes.
Endlich sind ausländische Aktien, Renten und
Schuldverschreibungen ausländischer Staaten, Korporationen,
Aktiengesellschaften, industrieller Unternehmungen und andere
für den Handelsverkehr bestimmte Schuldverschreibungen,
wenn sie innerhalb des Reichsgebietes ausgegeben oder wenn
eine Zahlung darauf geleistet werden soll, einer Stempel-
abgabe von chs vom Tausend unterworfen.
Ueber den nunmehr vollendeten Gesetzentwurf der O r-
ganisation der Deutschen Reichsarmee hört
die „D. R.-C." daß er sich im Großen und Ganzen an
diejenigen Bestimmungen anschließt, welche bisher in der
preußischen resp. deutschen Armee maßgebend waren. Ins-
besondere hat man in Betreff der Präsenzstärke und der

Dauer der Dienstzeit die bisherigen Verhältnisse beibehalten.
Was zunächst den zweiten Punkt, dieDauer der Dienst-
zeit, anlangt, so ist in dem neuen Gesetz eine Gesammt-
dienstzeit von 12 Jahren festgesetzt, von denen 3 Jahre auf
die active Dienstzeit, 4 Jahre auf das Reserve- und 5 Jahre
aut das Landmehrverhültniß zu rechnen sind. In Betreff
der Präsenzstärke, d. h. der Friedensstärke der Armee hört
die „D. R.-C.". daß das neue Gesetz dieselbe auf eine Höhe
von 401.659 Mann normirt, was bei einer Gesammtbe-
völkerung von 41 Millionen Deutschen, die sich nach der
Zählung des Jahres 1871 ergeben hat, einen Procentsatz
von 0,978 pCt. der Gesammtbevölkerung ausmachen dürfte.
Nicht uninteressant ist es, diesen Procentsatz in Vergleich zu
bringen mit den früher in Preußen bestandenen maßgeben-
den Verhältnissen. Im Jahre 1816 betrug die Präsenz-
stärke des Heeres in Preußen noch 1,25 pCt. der gestimm-
ten Bevölkerung, im Jahre 1861 ermäßigte sie sich bereits
auf 1,065 pCt. der Gesammtbevölkerung; im Jahre 1867
wurde die Präsenzstärke des Heeres für den Nord-
deutschen Bund von dem Norddeutschen Reichstage auf
1 pCt. der Gesammtbevölkerung normirt. Frank-
reich hat bei Einführung der allgemeinen Wehrpflicht eine
Gesammtdienstpflichr von zwanzig Jahren angenommen.
Es hat die Präsenzstärke seines Friedensheeres auf 428,000
Mann angenommen, während die Gesammtzahl seiner Ein-
wohner sich auf ca. 37 Millionen Menschen beläuft. Be-
merkenswerth ist also, daß während die französischen Bestim-
mungen eine Präsenzstärke von ca. 1,157 pCt. erfordern,
das neue deutsche Wehrgesetz nur eine Präsenzstärke von
0,978 pCt. der Gesammtbevölkerung in Aussicht nimmt.
Zu erwähnen dürfte hierbei noch sein, daß unter der Ge-
ssmmtsumme von 401,659 Mann, welche als Friedens-
Präsenzstärke des Heeres in Aussicht genommen sind, auch
das gesummte Unterofsiciercorps des deutschen Heeres mit
einbegriffen ist, welches sich bekanntlich nach dem Etat pro
1874 auf 53,000 Mann beläuft.
Der Entwurf einer Deutschen Strafprozeß-
Ordnung mit den Motiven und Anlagen zu den Motiven
ist jetzt der Oeffentlichkeit übergeben worden. Dem Entwurf
ist folgende Vorbemerkung vorangeschickt: „Der hiermit der
Oeffentlichkeit übergebene Entwurf einer Deutschen Straf-

Prozeß-Ordnung gehört zu jener Gruppe von Justizgesetzen,
deren Erlaß in Ausführung des Artikels 4 der Verfassung
deS Deutschen Reiches beabsichtigt wird. Er steht mit dem
bereits veröffentlichten Entwurf einer Deutschen Civilprozeß-
Ordnung, sowie dem noch ungedruckten Entwürfe eines Ge-
setzes, welches die Aufgabe hat, die zur Einführung der bei-
den Prozeß-Ordnungen erforderlichen Bestimmungen über
die Gerichts-Verfassung zu geben, im engsten und untrenn-
barem Zusammenhänge. — Dies ist auch der Grund, wes-
halb man in dem vorliegenden Entwurf eine Reihe von
Bestimmungen nicht findet, welche man sonst in Strafpro-
zeß-Ordnungen zu finden gewohnt ist. Dahin gehören bei-
spielsweise alle Schatzungen über die Einrichtung und Zu-
sammensetzung der Strafgerichte selbst, über die Gerichts-
sprache, die Oeffentlichkeit der Verhandlungen, die Aufrecht-
haltung der Ordnung in denselben, die Art der Abstimmung,
die Zuziehung von Dollmetschern, die zu gewährende Rechts-
hülfe und Anderes mehr. Es gehören ferner hierher die
gesetzlichen Vorschriften über die Staatsanwaltschaft und
ihre Stellung im Strafproceße, insbesondere sind auch alle
Vorschriften über die Mitwirkung des Laien-Elements in
den Strafgerichten, sein Verhältniß zu dem der rechtsgclehrten
Richter, und den dem ersteren zugewiesenen gleichen Antl' l
an der Urtheilsfindung in den Gesetzentwurf über .ne
Organisationsbestimmungen gewiesen, weil alle diese Fragen
an erster Stelle Frage der Gerichtsverfassung sind, mrd
man darum auch ihnen in jenem Gerichtsentwurf ihre Stelle
glaubte anweisen zu müssen."
Die Proceßverhandlungen gegen Marschall Baza ine
werden in kürzester Zeit beginnen. Es verlautet, daß die
Anklageacte gegen den Marschall am 15. d. M. unterzeich-
net sein werden. Bereits sollen demselben die zu seiner
Pricutirung nothwendigen Situationspläne übermittelt wor-
An sein.
Die zentralasiatische Frage hat schneller als
es Viele erwartet haben mögen, ein Ende gefunden. Wie
das „Journal de St. Petersbourg" meldet, sind die vor
drei Jahren begonnenen Unterhandlungen Rußlands und
Englands über die Feststellung der beiderseitigen Grenzen
in Asien und den daselbst innezuhaltenden nroäus vivsnäi
der beiden Staaten zum Abschluß und zu einem vollständig

IkuiUeton.
Georg
oder
Ein Opfer der Vorurtheile.
Deutsch von H. K. Kißling.
(Schluß.)
Verachtet von allen Denen, die ihn im Wohlstaude
gekannt, mit Mißtrauen wegen seines schlechten Benehmens
sogar von den schlechten Leuten betrachtet, in seinen eigenen
Augen verächtlich geworden, denn wir haben alle ein Ge-
wissen, dessen Stimme wir nicht zu entfliehen vermögen,
trieb er sich in jenen Straßen Londons herum; in welchen
die Liederlichkeit, der er nicht zu fliehen vermochte, sich breit
machte und verschleuderte so die letzten Reste seiner Existenz
durch eine Gleichartigkeit des Charakters oder durch eine Fü-
gung des Himmels, der sich an den Peinigern Georgs rä-
chen wollte, hatte auch Ralf Alles nach und nach seinem
Durste geopfert und war so in die tiefste Armuth gesunken.
Alle Zufluchtsörter des Lasters gleichfalls aufsuchend, hatte
er an einem solchen Orte Dorby's Bekanntschaft gemacht,
und als sie im Verlaufe des Gespräches auf Georg zu spre-
chen kamen, hatte der Eine sich als Vater, der Andere als
dessen Lehrmeister bekannt. Beide hatten von der ehren-
vollen Stellung sprechen hören, die ihm der Schiffscapitün
in der Welt verschafft, sie wußten auch, daß er Georg einen
fleckenlosen Namen hinterlassen, vermöge dessen er allen
Vorurtheilen, deren erstes Opfer er gewesen, zu trotzen im
Stande war. Georgs Triumph war für diese beiden Bur-
sche eine wahre Pein, doch trafen sie Anstalt aus demselben
Vortheil zu ziehen. Zu diesem Behufe schrieben sie ihm
einen Brief, worin sie vorgaben ihr Vermögen durch falsche
Spekulationen eiugebüßt zu haben, dabei erinnerte ihn der
Eine, als Vater, an die Opfer, die er ihm acht Jahre hin-
durch gebracht, der Andere als Lehrmeister an die dreijäh-
rige Lehrzeit, während welcher er ihm das Seilergewerbe

beigebracht, ohne auch nur einen Kreuzer von ihm bekom-
men zu haben.
Georg gab weder auf diesen Brief noch auf einen
zweiten, der von Drohungen und Gemeinheiten strotzte, irgend
welche Antwort. Unsere beiden Abenteuerer blieben aber
nicht dabei stehen, sie verbanden sich noch mit zwei weiteren
Burschen, denen sie falsche Schuldscheine ausstellten, um als
deren Schuldner zu erscheinen. Mit einer Frechheit ohne
gleichen begaben sie sich nun in Georg's Wohnung,
der ihnen, nachdem sie angeklopft, selbst die Thüre öffnete.
Gremm's Erbe errieth alsbald die Absicht des Besuches,
da er jedoch seines Rechtes sich bewußt war, so sah er einer
Erklärung mit unerschütterlicher Ruhe entgegen.
„Mein Herr," hob Ralf, einen hohen Ton anschlagend,
an. „Sie kennen mich ohne Zweifel?"
„Ja," versetzte Georg ruhig.
„In diesem Falle möchte ich Sie ersuchen, meiner Bitte
entsprechen zu wollen "
„Wenn ich Sie begriffen haben werde," versetzte Georg
abermals ruhig.
„Mein Herr," hegann nun Ralf's Gefährte aber etwas
weniger kühn, „ich bin Ihr Vater, obgleich Sie nicht mei-
nen Namen tragen, und nun, ohne daß ich es wollte, in's
Unglück gerathen und von Gläubigern verfolgt, bitte ich
Sie, sich daran zu erinnern, was ich Ihnen in besseren
Zeiten acht Jahre lang erwiesen."
In Georg's Augen entzündete sich nach und nach ein
Feuer und mehr und mehr kam der Unwille auf seinem
Gesichte zum Ausdruck, bis er endlich sein Schweigen, sich
zu Ralf wendend, brach.
„Mein Herr," ich wußte bis jetzt nicht, daß ein Hen-
ker berechtigt ist, den Lohn für die Qualen, welche er sein
Opfer hat erdulden lassen, von diesem zu beanspruchen, ein
Ungeheuer wie Sie mußte mich dies kennen lernen! Ent-
fernen Sie sich oder ich werde selbst von Ihrer Abscheu
erregenden Gegenwart mich zu befreien wissen."
Ralf, erschrocken über diese Worte, nahm doch eine
drohende Haltung an. Dorby hielt ihn in der Hoffnung

am Arme zurück, dieses scheinbar wohlwollende Dazwischen-
treten werde ihm von einigem Nutzen sein.
„Lassen Sie ihn, lassen Sie ihn," wandte sich Georg,
nachdem er wieder ruhiger geworden, an Dorby, denn auch
Sie haben Ihre volle Aufmerksamkeit nöthig, um meine
Worte zu fassen. Es wäre mir sehr angenehm. Sie Vater
nennen zu können, wenn Sie es wirklich wären, für mich
sind Sie indessen nur ein Fremder, mein Vater ist der-
jenige , welcher für meine Erziehung Sorge getragen und
mich nicht feige verlassen hat, mein Vater ist der, dessen
edle Gefühle ihn über kalte Vorurtheile gestellt, mein Vater
ist ferner derjenige, welcher sich nicht zu entehren fürchtete,
als er mir seinen Namen gab, mein Vater ist mit einem
Worte der Schiffscapitün Gremm. Geht ihr von Gott und
der Welt verpönten Menschen; ihr Hallunken wollt bei mir
ein Mitleiden erregen, das Ihr durch Euer Betragen schon
längst versiegen gemacht. Ich heiße „Gremm" und dieser
ehrenwerthe Name hat nichts gemein mit den Eurigen, und
wäre ich selbst ein Bastard, so wollte ich lieber diesen Vor-
wurf mir mein ganzes Lebenlang von der Gesellschaft ge-
fallen lassen, als genöthigt zu werden Einem von Ihnen
eine infamirende Legitimität einzuräumen.
Machen Sie, daß Sie fortkommen, denn Sie flößen
mir Eckel ein!
Bei diesen stark betonten Worten öffneten sich die bei-
den Flügel der Thüre. Gremm's Dienerschaft hatte die
Stimme ihres Herrn vernommen und sie befreite ihn ohne
große Mühe von den beiden Bittstellern und deren Gefährten.
Gremm blieb in der Folge mit Besuchen dieser Beiden
verschont, da Ralf sich nur noch vom Diebstahl nährte, und
einige Monate später deportirt worden war und Dorby,
um dem Elende und den bei Tag und Nacht sich bei ihm ein-
stellenden Gewissensbissen zu entgehen, sich entleibt hatte.
Glücklich Derjenige, welcher frei von den eitlen Vor-
urtheilen der Welt, nur die Stimme seines Gewissens und
die Aufrichtigkeit seiner Absichten zu seiner Richtschnur nimmt,
er erfreut sich unausgesetzt des Friedens des Herzens und
dieser Friede ist die Quelle alles Glückes.
 
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