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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 127 (28. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0509

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pvrUfikhr ch -',1 kr.

Dienstag, 28. Oktober 1873.

dio. 127

VII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haaserrsteirr L Wsgker, Rudokf Wosse und ch. L. Daube L Os,, sowie die SüSbeuLsHe Auusucen-G-rpesittsu

Erscheint
wöchentlich drei Deal;
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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die.viergespaltene
Pe'krfzM oder de. m
Raum 4 kt-,
G'armondzeile 5 kr.

lhwchingtr Dolitmitiall.
Aintsverkündigungsbtatt für den Wezirk Schwehingen.

von ch. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Proceß DaMne.
Versailles, 15. Oktober.
(Neunter Verhandlungstag.) Der erste Theil der Si-
tzung bietet nur wenig Jnieresse. Es handelt sich haupt-
sächlich um Fragen über die Verproviantirung und die Aus-
weisung von Fremden.
Um 2 Uhr 15 Minuten wird die Sitzung vertagt.
Um 3 Uhr 10 Minuten eröffnet der Präsident die Sitzung
aufs Neue.
Präs.: Vom 19.—25. August sind die Truppen in
der Umgebung von Metz geblieben. Was haben Sie ge-
Ihan, um mit Thionville und Perdun in Verkehr zu
treten?
Angekl.: Nichts.
Präs.: Konnten Sie nicht Ihre Reiterei zu Rekognos-
zirungen verwenden?
Angekl.: Sie waren zu geschwächt.
Der Angeklagte behauptet, daß er auch die Operation
des Feindes nicht stören konnte, weil er sich auf keine ent-
fernte Aktion einlassen konnte.
Der Präsident bemerkt dem Angeschuldigten, daß er
am 25. eine Marschordre für den darauffolgenden Tag er-
laßen habe.
Das gibt Bazaiue zu. Seine kampffähige Effektivkraft
gibt er aber im Gegensätze zur Behauptung des Präsidenten
nur auf 100,000 Mann an.
Am selben Tage (25.) bemerkte der Präsident weiter,
ist die Armee des Prinzen Friedrich Karl auf 200,000
Mann nut 600 Kationen angewachsen; aber der Angeklagte
mußte w ssen, daß erst ein geringer Theil der Verstärkun-
gen auf das rechte Ufer gelangt war. Welchen Plan haben
Sie unter diesen Umständen entworfen?
Angekl.: Ich wollte mit der größten Beschleunigung
nach St. Barbe und von da nach dem Norden marschiren.
Gefragt, warum er keine Schiffbrücke mitgenommen habe,
behauptet er, daß er die des Feindes zu benützen gedachte.
Gefragt, ob ihm die Generale Soleille und Coffinieres nicht
gerathen hätten, in Metz zu bleiben, antwortete er, was
Soleille anbelangt mit Nein. Coffinieres Ansicht hätte kei-
nen Einfluß auf ihn geübt. Den Kaiser hat er nicht be-
nachrichtigt, weil dieser vollständiger auf dem Laufenden
war.
Präs.: Wenn der Gedanke, in Metz zu bleiben, in
Ihrem Geiste feststand, warum haben Sie den Kaiser und
Mac Mahon davon nicht in Kenntniß gesetzt?
Der Angeklagte wiederholt, daß es zwischen ihm und
dem Kaiser von vornherein abgemacht gewesen war, daß er
sich in Metz zu verschanzen habe, wenn er nicht hinter die-
ser Festung Stellung nehmen könnte.
Das Verhör geht dann zu den auf die Verteidigung
von Metz bezüglichen Fragen über.

Präs.: Sie waren im Besitze von Nachrichten über
den Marsch des Feindes in der Richtung nach Pont-a-
Mousson und über eine Eisenbahn, welche derselbe dahin
baute. Haben Sie irgend etwas gethan, um die Errichtung
dieser Eisenbahn zu hindern?
Angekl.: Ich habe keine Nachrichten dieser Art erhal-
ten. Uebrigens zerstört man eine Eisenbahn nicht wie eine
Brücke. Der Feind hätte die beschädigten Theile bald wie-
der hergestellt.
Der Schriftführer verliest ein Aktenstück, aus welchem
die vom Marschall für den 26. August ertheilten Marsch-
ordres ersichtlich sind.
Präs.: Glauben Sie nicht, daß Sie in jenem Augen-
blicke über 150,000 Mann verfügen konnten?
Angekl.: Nein, wenn ich die Nicht-Streitbaren in An-
schlag brachte, standen uns nie mehr als 90,000 Mann
zur Disposition.
Präs.: Am selben Tage, dem 25. August, war die
200,000 Mann starke Armee des Prinzen Friedrich Karl
zum großen Theile auf dem linken Ufer in Massen aufge-
stellt; auf dem rechten Ufer hielt sie nur einige vereinzelte
Punkte besetzt. Was war angesichts dieser Situation Ihr '
Plan?
Angekl : Ich wollte bis St. Barbe Vordringen, um
mich von da nach Norden gegen Thionville zu wenden.
Präs.: Haben Sie die Rationirung angeordnet ?
Angekt : Ich habe sie für die Armee anbefohlen;
was den Platz betraf, so ging dieser den General Coffinie-
res an
Präs.: Haben Sie die unnützen Esser entfernen
lassen?
Angekl.: 25,000 Bauern hatten sich vor der Einschlie-
ßung nach Metz geflüchtet.
Präs.: Sie haben sich darauf beschränkt, Befehle zu
ertheilen und es nicht für nöthig gehalten, deren Ausfüh-
rung zu überwachen. Haben Sie daran gedacht, Vorkeh-
rungen zu treffen, damit die Lebensmittel- und Futtervor- j
räthe aus der Umgebung von Metz herein geschafft wür-
den ?
Angekl.: Vom 23. ab waren Befehle hiezu gegeben
worden.
Präs.: Haben Sie daran gedacht, die Zeit, welche
Ihnen die Handvoll Truppen in der Umgebung von Metz
ließen, zu nützen, nm die Proviantvorräthe des Platzes zu
vermehren?
Angekl.: Ich habe bereits geantwortet, daß ich mich
im Allgemeinen damit beschäftigt habe.
Die Sitzung wird auf 20 Minuten unterbrochen.
Um 2 Uhr 45 Minuten wird dieselbe wieder ausge-
nommen.
Präs.: Bevor ich fortfohre, muß ich Ihnen Artikel

244 der Militärvorschriften bezüglich der Festungen nrs Ge-
dachtniß rufen. Der Oberkommandant, in dessen Bezirk
ein Kriegs- oder in Belagerungszustand befindlicher Platz
liegt, hat über die Ausführung der von ihm ertheilten Be-
fehle zu wachen. Er ist nicht allein verpflichtet. Befehle zu
erlassen, sondern hat auch für deren Vollstreckung zu sorgen.
Ich bemerke dies nur im Allgemeinen. Was die Ziffern
betrifft, die Sie uns über Ihre Streitkräfte angeben, so
sprechen die Akten von einem Effektivstand von 124,981
Mann. Sie reden nur von 90,000 Mann, die Ziffer ist
also ein Bedeutendes niedriger für die Kämpfer des 26.
August.
Angekl.: Es gab Nichtstreitbare,, die ich in Betracht
ziehen mußte.
Präs.: Und doch war die Situation im Oktober eine
solche, daß 139,000 Mann als kampffähig aufgeführt er-
scheinen ?
Angekl.: Der Marschall gibt keine Antwort auf diese
Bemerkung,
Präs. : Wie und an welchem Tage haben Sie die
Kapitulation von Sedan erfahren? Ich spreche nur von
der militärischen Thatsache, nicht von den politischen
Folgen.
Angekl.: Am 2. September erfuhr ich durch den Arzt
Lefort von der Schlacht bei Beaumont, und nebenher von
der Schlacht bei Sedan; erst am 8. empfing ich nähere
Details über den letzteren Schlachttag.
Präs.: Sie ersahen daraus, daß Frankreich außerhalb
Metz nur mehr über 15 Infanterie- und 8 Kavallerie-Re-
gimenter verfügen konnte. Haben Sie nicht sohin bedacht,
daß Sie auf keine Hüfsarmee mehr rechnen oder zum min-
desten nicht auf ihr Erscheinen vor Ablauf eines längeren
Zeitraumes hoffen durften? Ihre seither kundgegebene
Meinung ging dahin, daß eine eingeschlossene Armee ihren
Durchbruch nur mit Hilfe einer von Außen kommenden
Verstärkung bewirken könne. Ich habe über diese Ansicht
nicht zu entscheiden. Der Gerichtshof wird dieselbe würdi-
gen. Aber glauben Sie nicht, daß dann die Anstrengungen
hätten verdoppelt werden sollen, um den Ring zu erweitern,
in dem Sie emgeschlossen waren, den Thätigkeitsrayon Ihrer
Armee wieder auszudehnen und auf die Approvisionirung
der Festung Metz bedacht zu sein? Welche Verfügungen
l aben Sie zu diesem Endzweck getroffen?
Angekl.: Die erste Hälfte des September war schlecht.
In der zweiten haben wir viele Anstrengungen gemacht.
Wir haben viele Ressourcen an uns gezogen. Man darf
nicht vergessen, daß wir viele Krank? in den Spitälern
liegen hatten; es gab für neu zuwachsende gar keinen Platz
mehr. In dieser Situation Kämpfe zu liefern war schwie-
rig und schien mir mit Rücksicht auf den moralischen Halt
des Heeres gefährlich.

Die Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
„Meine Mutter war entzückt über das Bild und eilte
voller Freude zu meinem Vater. Mit klopfendem Herzen
erwartete ich ihre Rückkehr, jetzt mußte es sich entscheiden,
ob ich ferner mit meinem Vater in Frieden leben würde
oder nicht, denn daß ich Maler werden mußte, stand bei
mir fest, mochte daraus entstehen, was wollte. Es dauerte
nicht lange, so kehrte meine Mutter weinend zurück — ich
war damals gerade achtzehn Jahre geworden — und beschwor
mich unter Thränen, mich nicht gegen den Vaier aufzu-
lehnen, der auf das Heftigste gegen mich erzürnt sei, weil
ich seinem Gebote zuwieder gehandelt habe. Ich versprach
es ihr.
„Leider sollte es anders kommen. Die harten Worte,
die ich Ihnen nicht wiederholen will, Franziska, womit ich
sogleich bei meinem Eintritt vom Vater empfangen wurde,
reizten meinen Zorn, und obgleich ich meinem Versprechen,
mich nickst gegen den Vater aufzulehnen, treu bleiben wollte
und die Lippen fest auf einander preßte, um zu schweigen,
hatte mein Vater mich doch bald Alles vergessen gemacht,
und ich schwor, nie etwas Anderes als ein Maler zu werden.

„Der Würfel war gefallen, Mein Vater sank bewußt-
los in seinen Stuhl zurück, und nicht die zärtlichsten Namen,
die liebevollsten Betheuerungeu vermochten ihn iu's Leben
zurückzurufen. Eine volle Viertelstunde, die mir zur Ewig-
keit wurde, Verging — o, nicht für alle Schätze der Welt
möchte ich sie wieder durchleben! — und erst dann schlug
er die Augen auf. Sein erster Blick siel auf mich, und
sogleich schloß er die Augen wieder.
„Fort, fort, aus meinen Augen, ungerathener Sohn!"
schrie er.
„Ich wagte nicht zu widerstreben, aus Furcht, der
Anfall möchte sich wiederholen, und eilte hinaus auf mein
kleines Zimmer. Erschöpft warf ich mich auch in einen
Stuhl, ich war betrübt — und doch auch froh, daß der
Anfall des Vaters ein vorübergehender gewesen und ich
nicht zum Vatermörder geworden war. Noch an demselben
Abend trat meine Mutter in mein Zimmer, weinend, mit
gerötheten Augen, und brachte mir ein Taschenbuch mit
Banknoten und den Bescheid meines Vaters, daß ich ihm
nicht wieder unter die Augen treten solle.
„Vergebens war mein Bitten — vergebens mein
Flehen! Der Vater hatte die Thür seines Zimmers ver-
schlossen und wollte sie dem einzigen Sohne nicht öffnen.
Ich demüthigle mich auf alle mögliche Weise — Alles
vergebens. Als drei Tage verflossen waren, ohne daß mein
Vater sich meiner erbarmte, da gab ich jede Hoffnung auf;
ich nahm Abschied von meiner Mutter, ließ den Vater grüßen
uns fuhr auf und davon.

„Seitdem sind sechs Jahre verflossen. Von meiner
Mutter erhalte ich nur bisweilen Briefe, der Vater will
nicht, daß sie mir schreibt; er selbst thut nicht, als wenn
er noch einen Sohn hat. Wie ich mich auch um Verzeihung
gebeten.— er läßt sie mir nicht zu Theil werden."
Böheim schwieg und starrte düster vor sich nieder,
während in Franziska's blauen Augen Helle Thränen funkelten.
„Armer Walter!" rief sie endlich aus. „Wie viel
haben Äw schon gelitten!"
Böheim lachte bitter auf, daß Franziska erschrocken
zurückbebte.
„Oh, Franziska, das neunen Sie leiden? Ich sage
Ihnen, es ist nur ein geringer Theil von dem, was ich
gelitten habe, es ist so wenig, trotzdem es im Stande ist,
allein einen Menschen zur Verzweiflung zu bringen. Hören
Sie weiter, Franziska."
„Ich reiste geradeswegs nach Rom, der ewigen Stadt,
dem Sitz der Künste, um hier Trost und VergesfinheU zu
suchen; hier hoffte ich sie zu finden. Und in der Thal,
als ich sie vor mir sah, die herrliche Stadt, deren Thürme
und Kuppeln im Glanze der Sonne funkelten, da wurde
es mir zum ersten Male leichter urn's Herz, ich.süZw neue
Kraft, neuen Lebensmuts) durch meine Adern strömen,
und die Gewißheit, daß ich einst als ein berühmter Maler
zu meinem Vater zurückkehren und seine vollkommene Ver-
zeihung erlangen würde, belebte mich, und mit den freudigsten
Gefühlen zog ich in Rom ein.
(Fortsetzung folgt.)
 
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