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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 103 (2. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0413

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viertetjährlich bl kr.
Inserate:
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ko. 103. Dienstag, 2. September 1873.

VII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasensterrr L Mogler, Rudolf Woffe und K. L. Aauöe «L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-Grpedition

von K. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Deutsches Reich.
Köln, 27. August. Es dürfte immerhin möglich sein,
daß sich die von den Zeitungen gebrachte Nachricht, der
Guß der großen Kaiserglocke für den Dom sei tota
mißlungen, nicht bewahrt; in der heute Abend abgehaltenen
Sitzung des Central-Dombau-Vorstaiides wurde die Mitthei-
lung gemacht, daß die bis jetzt angestellten Untersuchungen
auf das Gelingen des Gusses schließen lassen. Allerdings
sei in Folge der Gas-Explosion die Krone oer Glocke nicht
vollständig gefüllt; das sei indeß nicht wesentlich und könne
ausgeglichen werden, wenn es sich nach der Abnahme des
Mantels herausstelle, daß die eigentliche Glocke gelungen.
Das definitive Resultat läßt sich aber erst nach der völligen
Freilegung der Glocke mittheilen.
— In dem verflossenen Jahre sind in den alten preu-
ßischen Provinzen 16,474 Personen, darunter 55 Juden
15,455 Katholiken und 9611 Dissidenten, zur evangelischen
Religion übergetreten. Die meisten Uebertritte sind in der
Provinz Schlesien, in der Rheiuprooinz und m der Provinz
Brandenburg erfolgt.
Die Ausrüstung der Preußischen Cavaliere
wird in Zukunft noch mehrfache Ergänzungen erfahren.
So soll dieselbe nicht nur mit Dinamitpatronen, sondern
auch mit Schraubenbrechern und Schraubenschlüsseln zur
Abnahme und Zerstörung der Eisenbahnschienen versehen
werden und ferner Hebelbohrer und eiserne Klammern zum
ErUettern der Telegraphenstangen behufs Abnahme der Lei-
tungen erhalnn.
Nachträglich will man aus Chislehurst bestätigen hören,
daß am Tage nach der großen Napoleonschen Cour zwischen
der Kaiserin Eugenie und Herrn Rouher eine sehr
heftige Scene stattgefunden hat. Kaiserin Eugenie soll den
Ex-Vicekaiser so hart angefahren haben, daß derselbe da-
rüber förmlich geweint hat. Seinen Willen hat er aber
doch durchgesetzt, da er erlangt hat, daß in dem neuen
Bonapartistischen Manifest die Kaiserin völlig hinter ihrem
Sohne in den Schatten getreten ist.
Speier, 29. Aug. Heute kamen in unserer Stadt die ersten
Cholerafälle, 5 an der Zahl, vor; die Ursache der Einschleppung ist
noch nicht ermittelt worden.
Berlin, 29. Aug. Der Handelsminister und der Minister des
Innern verfügten gemeinsam, daß alle Auswanderungsagenten und
Werbcommissäre, welche den Besitz der deutschen Reichsangehöhrigkeit
nicht nachweisen, aus dem Lande zu verweisen sind.
Schwetzingen, 30. August. Wie die Cholera in
Deutschland mehr und mehr Platz greift und schon ziemlich
nahe gedrungen ist, geht aus nachstehendem Verzeichnisse
hervor, welches nnr solche Orte aufwcist, in denen diese
schreckliche Seuche mehr als vorübergehend aufgetreten ist
und noch herrscht; nämlich: Königsberg, Danzig, Posen,
Jnowrawclaw, Magdeburg, München, Würzburg, Kist in

Baiern, Ingolstadt und Dresden. In Magdeburg würhet
sie sehr stark und erkrankten daselbst am 23. d. 118 Civil-
und 12 Militärpersonen, während am nämlichen Tage 65
Civilisten und 8 Soldaten dieser furchtbaren Krankheit er-
lagen. Nimmt man nun in Betracht, daß bei den heutigen
V.rkehrsmiltelu in wenigen Stunden der Keim dieser Krank-
heit allüberall verpflanzt werden kann, so ist leider zu con-
statiren, daß die Gefahr auch , für uns schon sehr nahe
gerückt ist. Darum rathen wir wiederholt und dringendst
zur Vorsicht.
Ausland.
Bern. Ein Einsender der „Basl.-Nachr." hat an
der neuen schweiz. Goldmünze die interessante Entdeckung
gemacht, daß von den drei Punkten in der Mitte der
Kranzseite, deren Bedeutung man sich nicht erklären kann,
der oberste, der eine länglich ovale Form hat, durch die
Loupe betrachtet, deutlich einen männlichen Kopf erkennen
läßt, dessen Gesichtszüge mit denjenigen des jetzigen deut-
schen Kaisers^ vollkommene Ähnlichkeit haben. Die Redac-
tion der „Thurg- Ztg." bestätigt dieses, gestützt auf eigene
und anderer Personen genaueste Untersuchung. Sie hält
das für einen frechen Witz des Graveurs, der ein Deut-
scher ist, und meint, der Bundesrarh werde wissen, was er
zu thun habe.
Rsm, 24. August. Die italienischen Journale er-
zählen, daß die Umgebung von Kartagena von einer Bri-
tz and en band e unter Führung einer jungen
Frau unsicher gemacht wird. Sie ist erst 20 Jahre alt
und von großer S önheit. Ihr Name ist Marie die Wittwe
Pietro Mouiörs, eines Banditenhauptmannes, der in einem
Recontre mit den Gensd'armen getödtet wurde. Nach seinem
Tode nahm sie seinen Karabiner auf und schwor, ihn zu
rächen. Einige Zeit darauf verliebte sich ein junger Mann,
der Sohn eines wohlhabenden Pächters, in sie und trat in
ihre Bande, um ihr den Hof machen zu können, sie wies
indeß seine Anträge peremtorisch zurück, und aus Rache ver-
rieth er sie an die Obrigkeit. Sie wurde arreürt, vor Ge-
richt gestellt und zu dreißigjähriger Einsperrung verurtheilt.
Während sie ihre Strafe verbüßte, verliebte sich ein Gefangen-
wärter in sie; er begünstigte ihre Flucht und begleitete sie; er
wurde aber unverzüglich, nachdem sie ihre Bande wieder er-
reicht hatte, auf ihren Befehl erdolcht. Seitdem ist sie noch
weit furchtbarer geworden, da ihre Kühnheit und Thätig-
k«>it sich verdoppelte, und sie ist der Schrecken der Provinz
geworden. Sie brennt Pachthöfe nieder, schleppt das Vieh
fort und legt Zwangscontributionen auf. Der mindeste Un-
gehorsam gegen ihre Befehle wird mit dem Tode bestraft.
Ihre Bande ist sehr zahlreich und durch die Bauern aus
Furcht vor Rache, stets gut unterrichtet.
Madrid, 29. Aug. Die Cortesmajorität hielt verflossene Nacht

eine Parteiversammlung, worin ein Antrag betreffs Vertagung der
Cortessitzungen vom 1. September bis 3. November mit 94 gegen
14 Stimmen genehmigt und mit Einstimmigkeit eine Anzahl von
Anträgen angenommen wurde, wodurch das Cortesbureau in Ueber-
cinstimmung mit der Regierung die Cortes einzuberufen befugt, dem
gegenwärtigen Ministerium ein Vertrauensvotum ertheilt, dasselbe er-
mächtigt wird, in partiellen Cabinetskreisen nach eigener Entschließung
zu handeln sowie verpflichtet wird, Vergehen nach der Strenge zu
ahnden und die Armeedisciplin wiederherzustellen.
Neueste Köpfen Berichte.
Born Continent.
Hockenheim, 27. Aug. Ueber die Ernte und das
Geschäft kann Ihnen heute sagen, daß man bei uns in
dieser Woche vereinzelt mit der Pflücke begonnen, Anfang
der nächsten Woche wird jedoch allgemein damit vorge-
schritten. Das bis jetzt Eingeheimste ist meist nicht ganz
reife Waare, welche zu 36 -40—42 kr. per Pfd. bezahlt
wurde.
Altdorf, 27. August. Unsere Hopfen stehen sehr
schön in Dolden und voraussichtlich erhalten wir schöne
Waare. Man hat bereits angefangen, den Frühhopfen zu
pflücken und wird man Ende der Woche Kleinigkeiten kaufen
können. Mit dem Abnehmen der Späthopfen wird erst in
nächster Woche begonnen.
Neufelden, 26. Aug. Die Hopfenernte ist bei uns
bereits seit 8 Tagen im Gange und wurden im Laufe die-
ser Woche schon mehrere Centner trockene Waare zu fl. 80
ausgeboten; dieselbe fällt prachtvoll aus, sowohl in Farbe
als auch in Qualität. Bei der andauernden Hitze wird
unausgesetzt herabgenommen und kommen selbst unsere Spät-
hopfen bereits nächste Woche zur Pflücke. Nach Dafürhalten
und eingehenden Berichten erhalten wir eine gemäßigte halbe
Ernte, circa 8000 Centner; ohngefähr wie im Vorjahre.
Daß sandige trockene Lagen bei dieser Hitze sehr leiden und
weniger Hopfen erzeugen, ist natürlich; hingegen lassen
wieder schwere Lagen sehr üppigen und guten Ertrag er-
warten.
Nürnberg, 30. Aug. (Originalbericht v. C. Schmidt.)
Die Witterung blieb auch während dieser Woche für die
Ausbildung und Reife des Hopfens nur günstig. Mehrere
tüchtige Gewitter-Regen kamen noch rechtzeitig, um dem in
Folge der bis zum 27. d. M. bestandenen tropischen Hitze
drohenden Kupferbrand zu begegnen und wurde die Pflanze
dadurch wieder erfrischt und neu gestärkt, so daß nun anzu-
nehmen sein dürfte, sie habe nun Feuchtigkeit genug, um
die Dolden zur völligen Ausbildung kommen zu lassen.
Auf Grund dessen kann ich auch die in meinem letzten
Bericht vom 23. d. M. abgegebene Schätzung: von den
begünstigteren Ländern des Continents eine ^/s- und von

Sie Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
„Es ist ein schwächliches Kind, aber lebensfähig," ent-
gegnete der Arzt, „sorgsame Pflege vermag viel. Ich würde
rathen', das Kind der Mutter zu geben, vielleicht könnte da-
durch ein günstiges Resultat erzielt werden."
„Doctor, wc denken sie hin? Bewahre mich der
Himmel, daß ich das Leben dieses Würmchens leichtsinnig
aufs Spiel setze!" rief Herr Reimersheim mit dem Aus-
druck des höchsten Entsetzens aus. Sie kennen die fixe Idee
der Unglücklichen nicht. Sie würde im ersten Augenblick
das Kind vor unsern Augen umbringen."
Der junge Arzt schüttelte zweifelnd mit dem Kopfe,
doch wagte er offenbar keinen Widerspruch seinem reichen,
einflußreichen Gönner gegenüber. Er besaß keine weitrei-
chenden pecuniären Mittel, welche ihm eine Stellung in der
Welt verschaffen konnten, seine Praxis war nicht weitreichend,
sondern hatte ihm oftmals zu nicht kleinen Besorgnissen Ver-
anlassung gegeben. Wie hätte er es in diesem Falle wagen
mögen, seine Meinungen im Gegensätze zu denen seines
Gönners unumschränkt laut werden zu lassen?
Dieser beobachtete ihn scharf, dann fuhr er for!:

„Um keinen Preis, mein Bester, das Kind muß auf
jeden Fall erhalten bleiben. Ich möchte sie sogar dringend
bitten, die Leidende glauben zu machen, ihr Kind sei todt,
gerade dadurch verspreche ich mir den günstigsten Erfolg.
Nicht für sich, für ihr Kind ist sie besorgt. Hält
sie es für todt, so hat natürlich auch die fixe Idee ihr
Ende erreicht, daß es verfolgt werde und sie wird sich am
ersten beruhigen. Ich denke das Kind in geeignete Pflege
zu geben, damit es zu einem kräftigen, gesunden Knaben
sich entwickelt. Sieht Helene ihren Sohn dann später,
körperlich und geistig entwickelt, so muß sie nothwendig darin
den Beweis erblicken, daß alle ihre Befürchtungen grundlos
waren."
„Sie mögen Recht haben, Herr Reimersheim," sagte
der junge Arzt geschmeidig, „ich bin fest überzeugt, daß sie
in ihrer Handlungsweise keinen Fehltritt thun."
„Ich denke es nicht," lautete die zuversichtliche Ent-
gegnung. „Sie thun mir einen Gefallen, wenn sie sofort
damit beginnen, der jungen Mutter den Verlust ihres Kin-
des beizubringen. Die Maßregel mag grausam erscheinen,
allein es will mich bedünken, als wenn sie zum Heile führte."
„Es wird einen harten Kampf geben und möchte ich die
Leidende nicht gleich damit bekannt machen," warf der Arzt
ein.
„Je eher, desto besser. Die körperliche Schwäche hat
auch die geistigen Fähigkeiten noch mehr abgestumpft und
sie wird sich um so eher in das Unvermeidliche fügen. In-
dessen es soll nur der Rath eines Laien sein, mein lieber

Doctor, nichts weiter; ihnen, dem Sachverständigen muß
natürlich die Ausführung meiner Idee überlassen bleiben.
Thun sie, was sie für gut halten, nur möchte ich bitten,
auf alle Fälle meinen Wunsch nicht zu vergessen, Mutter
und Kind vollständig getrennt zu halten, ich habe auch die
Pflegerin mit meinem Plane bekannt gemacht und möglicher
Weise hat diese Person schon den ersten Schritt gethan, das
Ganze einzuleiten."
Während dies im Nebenzimmer verhandelt wurde, hatte
die Leidende zum ersten Male die Augen weit geöffnet und
blickte jetzt erstaunt und neugierig um sich. Dann zog eine
Wolke tiefen Nachdenkens über die hohe, klare Stirn des
jungen Wesens, als wolle sie sich besinnen, wie sie den ei-
gentlich hierher käme.
Plötzlich zuckte sie ängstlich zusammen, gewiß war die
Erinnerung in ihr wach geworden, das Gesicht wurde wenn
möglich noch bleicher.
„Wo ist mein Schwager — wo ist Herr Reimersheim?"
fragte sie kaum hörbar.
Ein spöttisches Lächeln umzuckle die dünnen, fest zu-
sammen gekniffenen Lippen der Wärterin.
„Wünschen sie ihn zu sprechen?"
„O gewiß, gewiß," entgegnete die Kranke zitternd.
Wo ist mein Kind?"
In tödtlicher Angst hingen die großen nußbraunen
Augen an dem Munde der Pflegerin.
(Fortsetzung folgt.)
 
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