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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 30 (13. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0119

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Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
nnd Boten nehme»
Bestellungen an.

KchwthilMr NolhmblM.

Amtsverkündigungsötatt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische H o p f e n; c i t u n g.

Preis
vierteljährlich 45 kr
Inserate
die viergespaltene
Petitzerle oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeigen
3 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

M. 3ü

Donnerstag, 13. März 1873.

VII. Jahrgang

Für Vas ^Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsbnrger <L Germersheimer Wochenblatt Gratis - Ausnahme

NpstollltNaNN dieses Blatt wer-
den bei sämmtlichen Postan-
stalten sowohl als bei den Landflostboten angenommen.
-__Die Expedition.
Depeschen.
* London, 17. März. (H. B. R.) Nach einer
Depesche der „Times" aus Berlin, verlangt der Kanzler
des deutschen Reiches vier Millionen Thaler zur Herstellung
strategischer Telegraphenlinien.
Nach einer weiteren Depesche des „Daily Telegraph"
aus Rom verbot die Polizei gelegentlich! der Feier von
Mazzini'H Todestage einer demokratischen Deputation den
Besuch seines Grabes. Das Militär wurde in die Kasernen
consignirt um Unordnungen vorzubeugen.
* London, 11. März. (H. B. R.) 1000 Metall-
arbeiter von Daw Aris sind gestern zu ihrer Arbeit zu-
___
Wotttischc Aeberstcht.
Unter den herkömmlichen Formalitäten fand am 12.
März, Nachmittags 1 Uhr, im weißen Saale des kgl.
Schlaffes zu Berlin die Eröffnung des deutschen
Reichstages statt, nachdem zuvor in der Schloßkapelle
und in der kathol. St. Ludwigskirche Gottesdienst stattae-
funden hatte.
In Berlin hat der wirkliche Geheime Ober-Regie-
rungsrath Wagener den Antrag gestellt, das Disciplinarver-
fahren gegen ihn einzuleiten.
Wagner ist zur Offensive übergegangen und hat
die gerichtliche Verfolgung mehrerer Berliner Blätter
wegen Verleumdung beantragt. Die Schonung, welche ihm
das Ministerium angedeihen läßt, macht den Mann unter-
nehmend.
Am verflossenen Montag fand im königlichen Residenz-
schlosse zu Dresden durch den König die feierliche Ver-
abschiedung des Landtages statt.
Nach langem Leiden verschied am Montag Abend um
fünf Uhr in Stuttgart die Königin-Mutter. Die er-
lauchte Dame, vierte Tochter des verstorbenen Herzogs Lud-
wig von Württemberg, erreichte ein Alter von 73 Jahren.
Nach den „Times" nehmen die im Augenblick in
Berlin stattfindenden Verhandlungen über die Räumungs-
frage einen sehr günstigen Verlauf, obwohl sich Deutschland
weigert, Belfort und dessen Umgebung vor gänzlicher Til-
gung der Kriegsschuld zu räumen.
Aus Pest theilt man mit, daß Deak bedeutend er-
krankt ist, dessen Krankheit in diesem entscheidenden Momente
für Ungarn in der That eine fatalistische Bedeutuag hat.
Außerdem wird von dort mitgetheilt, daß die ungarische
Ministerkrisis zum Ausbruch gekommen, indem Minister

' Tothe entlassen worden und der conservative Szapary zu
j seinem Nachfolger im Amte ernannt worden ist.
Nach Nachrichten aus Genna ist der König Ama-
! deus am verflossenen Samstag dort einaetroffen und am
! andern Morgen nach Turin abgereist, v»n wo er sich am
i Dienstag nach Florenz begeben wird.
Das „St. Petersburger Journal" veröffentlicht nnen
! kaiserlichen Ukas, der den Großfürst Thronfolger
, zum Ehren-Präsidenten der russischen Section der Wiener
! Ausstellung ernennt. —
Der Chef der Executive der spannischen Re-
' publik hat Madrid verlassen und sich nach Barcelona be-
! geben, um die dort in Folge Verbreitung falscher Gerüchte
! über die Unbeständigkeit der Republik entstandene Aufregung
zu dämpfen.
Man hofft es werde ihm gelingen, die Ruhe ohne
große Opfer wiederherzustellen. Die glückliche Beilegung
des Conflicts zwischen dem Cabinet und der Nationalver-
sammlung wurde allenthalben mit großer Befriedigung auf-
i genommen und so hofft man den», daß sich alle Parteien
um das Banner der Republik schaaren werden. !
Wie man aus Newyork berichtet, hat General
s Ciballos sich ter Stadt Tapic in Mexiko bemächtigt. —
i Auch soll die Proclämirung der Republik auf Portorico in-
i der größten Ruhe von Statten gegangen sein.
Von der Westküste Afrika'» erfährt man, daß
' die Ashantees die an dieser Küste gelegenen Städte mit !
! Krieg zu überziehen drohen, indem sie nämlich Holland
j das Recht nicht zuerkennen, die Provinz Elmma an England
abtreten zu können, und deßhalb Anstalt treffen das Terri-
torium zu Vertheidigen.
Vom Ausschuß des badischen Stadtetages.
(Fortsetzung)
VI. Die Verwaltung und Vertretung der Stadtge-
! meinde bleibt dem Gemeinderathe oder Bürgerausschuffe
i übertragen. Der letztere wählt sich einen Vorsteher und
i alljährlich eine Commission von 10 Mitgliedern, welche die i
von dem Gemeinderathe an den Bürgerausschuß gelangenden
§ Vorlagen und die vom Bürgerausschuß ausgehenden Anträge '
i bearbeitet und darüber dem Ausschüsse Bericht erstattet. Das
Nähere bestimmt die Geschäftsordnung. Dem Bürgeraus-
i schuß soll das Recht der Initiative innerhalb der Grenzen
! seiner gesetzlichen Zuständigkeit eingeräumt werden. Die
i von ihm ausgehenden Anträge müssen im Einzelnen be-
gründet und mit Vorschlägen in Betreff der Durchführung
! verknüpft sein. Zu jeder, durch den Vorsteher zu berufen-
den Versammlung desselben muß der Gemeinderaih oder
i dessen hiezu bestellten Kommissäre zugezogen und muß der- !
selbe jederzeit gehört werden. Zur Gültigkeit eines Ge-

meindebeschlusses ist die Uebereinstimmung des Gemeinde-
raths und Ausschusses in getrennter Abstimmung erforder-
lich. Kann ein solches Einverständniß in erster Abstimmung
nicht erreicht werden und auch in einer nach angemessener
Frist aufs neue anzuberaumenden wiederholten Berathung
des Gegenstandes nicht erzielt werden, so findet nach dieser
zweiten resultatlosen Abstimmung in der gleichen Sitzung
eine Durchzählung der Stimmen beider Kollegien statt.
Wird der Gemeinderath auch bei diesen beiden letzten Ab-
stimmungen überstimmt, so muß ihm der Rücktritt aus dem
Amte freigestellt sein, ohne daß die Bestimmungen des Z 17
der G.-O. Anwendung finden. VII. Das Kloffensystem
bei der Wahl des Bürgerausschusses ist zu beseitigen.
VIII. Die Organisation des Gemeinderaths bleibt aufrecht
erhalten. Ueber Vie an ihn gelangenden Anträge des Bür-
gerausschusses beschließt derselbe in gesonderter Sitzung. Die
Sitzungen beider Kollegien sind in der Regel öffentlich.
IX. Die Gemeinderäthe der Staotgemeinden sind von der
Verpflichtung zur Führung der Grund- und Unterpfands-
bücher zu befreien. Dieselbe ist von einer besonderen Be-
hörde unter Verantwortlichkeit des Staates zu übernehmen.
In gleicher Weise sind die Bürgermeister-Aemter von der
Gerichtsbarkeit zu entbinden. X. Ein Regulativ soll genau
diejenigen Geschäfte feststellen, welche die Gemeinderäthe,
bezw. der Bürgermeister auf Veranlassung der Staats- und
Militärbehörden künftig zu besorgen haben und welche Ko-
stenvergütungen hiefür zu leisten sind.
Art. I, II und III werden ohne Besprechung geneh-
migt. Art. IV. Es liegt, wie bereits berichtet, ein Gegen-
antrag des Bürgermeisters Stromeyer vor. Baden spricht
sich gegen letztern aus und schließt sich dem Anträge Mann-
heims an, also für Einwohnergemeinde, für das 25. Lebens-
jahr zur Wählbarkeit, für zweijährigen Aufenthalt in der
Gemeinde bezüglich jedes Deutschen, der in den Bürgeraus-
schuß wählbar ist, und für dreijährigen Aufenthalt und
badische Landesangehörigkeit hinsichtlich der Wählbarkeit in
den Gemeinderath, ebenso Pforzheim, welches sich besonders
gegen die Annahme des 21. Lebensjahres, wie Constanz
es vorgeschlagen, entschieden erklärt. Diesen Erklärungen
bezüglich des 21. Lebensjahres schließen sich jene von Hei-
delberg, Rastatt, Offenburg, Freiburg, Lörrach, Durlach,
Lahr und Karlsruhe an; Bruchsal dürfte nach Ansicht des
Bürgermeisters Heck vielleicht eher für das 21. Lebensjahr
stimmen, doch habe sich der Gemeinderath noch nicht aus-
gesprochen. Freiburg bemerkt, daß die Einwohnergemeinde
nur in größeren Städten eingeführt werden soll, nicht in
Landgemeinden und kleinen Städten, womit sich die Ver-
sammlung einverstanden erklärt. Freiburg möchte auch die
Ansicht der großh. Regierung bezüglich der vorliegenden
Frage kennen; Karlsruhe dagegen will die Ansicht der Re-
gierung nicht kennen, die Städte müßten vielmehr der Re-

K d e k i n e.

Novelle von Gottlieb Richter.
Der klarste Sonntagmorgen lag über dem Walde. Der Wind
wyr mit den Wolken weit weggezogen und hatte nur ein leichtes Lüst-
chen zurückgelafsen, das oben in den üppigen Wipfeln, sein loses
Spiel trieb, den ernsten Tannenbaum zu der lustigen Birke hinüber-
bog, daß sie sich erst küßten, dann erschreckt auseinander fuhren nnd
leise hinaushorchten in den wonnigen Morgen, nach den vollen Tönen
dH Drossel am Waldbach, nach dem jubilierenden Geschmetter der
Haidlerche drunten über der Waldwiese und nach den tausend anderen
Liedern, die den Sonnenmorgen durchflutheten wie ein Melodienmeer.
Oben im blauen Azur schwebte ein Falke stolz und leicht, ohne zucken-
den Flügelschlag., licht schillernd im Sonnenstrahle bei jeder Wendung.
— Weit und breit kein Feld, kein Haus, kein Dorf, nichts als Wald,
hügelauf, hügelab bis in die blaue Weite. Aber leise, leise wie ein
Morgentraum zitterten halbverklungene Glockentöne herüber und ver-
riethen, daß in irgend einem Waldthale ein Dörflein versteckt lie-
gen mußte.
Den schattigen Waldweg herauf stiegen zwei junge Männer lachend
und scherzend. In dem einen erkannte man an der farbigen Mütze,
die ihm kühn auf dem krausen, dunklen Lockenhaar saß, trotz der
grauen Joppe mit grünem Kragen sogleich den Studenten. Den an-
dern, etwas Heller und stärker als der erste, hätte der grüne Rock mit
HM Wappenknöpfen sogleich zum Forstmanne gestempelt, auch wenn
w nicht Hirschfänger und Jagdtasche an der Seite und das Doppel-
getprhr auf dem Rücken gehabt hätte.

„Schau Dich um, Don Karlos!* sagte der Studiosus, als sie
oben angekommen waren, „wenn Du noch einen Blick von der Hei-
, Math erhaschen willst. „Sieh, dort hinten schaut der Hainberg hervor,
- an dem unser altes, liebes Forsthaus liegt. — Wetter, was find wir
i heute Morgen schon eine Ecke getrabt!*
„Ja, ja/ erwiderte der Forstmann, legte die linke Hand, der
Sonne wegen über die Augen und wies mit der rechten in die Ferne,
„da ist das alte Revier, in dem ich so manchen glücklichen Schuß ge«
than, und dort finde ich auch die alte ihurmhohe Mooseiche, bei der
der Sechzehnender wechselt, dessen Geweih ich mir so gern noch erpirscht
hätte, aber ich mußte ja fort; — wer weiß, wann ich jetzt mal wie-
! derkommen kann!"
„Thue mir den einzigen Gefallen und werde nicht sentimental/
mahnte der lustige Begleiter, indem er sich aufs Moos warf, „überlaß
den Sechzehnender mir zum Ferienamiisement und thue jetzt Deine
haarige Vorrathskammer auf: ich fühle eine innere Leere in mir,
i und da die Natur einen Abscheu gegen jeden leeren Raum hegt, so
' müssen wir, als Freunde der Natur, diesem Uebelstände abhelfen.*
Karl setzte sich neben dem Freunde unter der Eiche nieder, klappte
die Jagdtasche auf und förderte zu Tage, was eine sorgsame Hand
eingepackt hatte. Als nun unter anderen Schätzen gar eine Flasche
mit goldigem Wcine zum Vorschein kam, die lustig in der Morgen-
sonne funkelte, da rief der. Student:
„Die Mama soll leben? — sie ist doch die beste Mutter unter
der Sonne! Schenk ein, Karl! wem soll der erste Becher gelten?*
„Deinen Eltern, Albin/ erwiderte Karl, „die auch mir liebe,
theure Eltern geworden sind, als ich ein verweistes Kind geworden,
- die keinen Unterschied gemacht haben zwischen Dir und mir, denen ich
alles zu danken habe-*

„Schon gut, schon gut/ unterbrach ihn Albin, „den Vers hast
Du mir schon oft vorgesungen. Es ist wahr, der Alte ist der herr-
lichste Mann und Mutter ist das beste Gemüth auf Gottes weiter
Erde, darum — — *
„Oberförster Bergheim foll leben!" rief Karl.
„Seine Gemahlin daneben!" der Student, und mit langem Zuge
leerten sie die Gläser.
„Und nun, wem der zweite Trank, Karl?"
„Hilf Himmel! denkst Du denn, Du bist auf der Kneipe, wo
das Trinken nach Z 11 des uralten höllischen Comments geht? Be-
denke doch —"
„Daß Du ein gründlicher Philister bist!* spottete der Bursch.
„Ach, was warst Du doch für ein gemüthliches Haus, als wir beiden
noch auf dem Gymnasium waren, ehe Du zurückkehrtest, Dich in diesen
grünen Rock stecktest, in dem Dich die Gänse noch anfressen werden,
ehe Du mit dem Schießprügel durch jenen Urwald zogest, finstere
Mordgedanken in der Seele gegen die armen Kreaturen. Sprich, hast
Du denn kein Herz auf der Welt, dem wir hier im lichten, grünen
Walde ein Hoch bringen können? keine stille, romantische Liebe — *
„Höre doch auf, toller Kerl!" unterbrach Karl lachend den Mu-
sensohn, der aufgesprungen war und mit den erhabensten Gesten seine
Rede hielt, „höre auf; hier, nimm diese Butterschnitte sammt Schinken
und beruhige Dich dabei; nachher trinken wir wieder."
„Er ist verloren, er ist crasser Philister!" murmelte der Corps-
bursche mit komisch-verzweifelter Miene und ließ sich nieder im Grase
zum Frühstück.
(Fortsetzung folgt.)
 
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