Ers'eint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
nnd Boten nehmen
Bestellungen an.
Ichwchmgcr WochrMsll.
Amtsverkündigungsökatt für den Aezirk Schwetzingen.
Dadilchr H o p f r n j c i t u n g.
Preis
LierteljährliK 45
Inserate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeigen
8 kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
So. 47. 'Dienstag 22. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das »Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserats stnben auch im „Philippsbnrger <L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
politische Ileberstcht.
Das von beiden Häusern des preußischen Land-
tages angenommene Gesetz wegen Gewährung von Hülfsmit-
teln für die durch die Sturmflut!) vom 13. November v.
I. Verunglückten an der Küste von Pommern und Schles-
wig-Holstein liegt jetzt dem Könige zur Unterzeichnung vor
und wird daher die Pudlicirung in den nächsten Tagen er-
wartet. Inzwischen ist bereits die Ausführungs-Instruction
in den Ministerien des Innern und der Finanzen vereinbart
worden, so daß der Absicht des Gesetzes unmittelbar nach
feinem Erlaß entsprochen werden kann. Die gewährten
Mittel erweisen sich als durchaus hinreichend.
Aus den Umgebungen des Reichskanzlers verlautet, wie
man der „Elb. Zig." mittbeilt, die bestimmte Absicht, eine
Herbststssion des deutschen Reichstags zu halten. Da man
nicht weiß, welche Veränderungen in der Phisiognomie der
Nationalvertretung die nächsten Neuwahlen hervorbringen
werden, so entspricht es staatsmännischer Voraussicht, mit
dem gegenwärtigen Reichstage noch zu erledigen, was mög-
lich ist.
Die Ernennung oes Herrn von Keudell, des bisheri-
gen Gesandten in Konstantinopel, zum Reichsgesand-
te n in Rom, und des preußischen Gesandten in Dresden
zum Reichsgesandten in Konstatinopel, wird nun in be-
stimmtester Weise bestätigt. Auch die Ernennung des Grafen
Solms für den Dresdener Posten scheint festzustehen. Be-
züglich der neuen Besetzung der Botschafter-Posten in Paris
und London wird es bei den neulich gemeldeten Bestimmun-
gen wohl sein Bewenden haben, wobei freilich zu bemerken,
daß die Ernennung des Grusen Manteuffel sür Paris eine
halb militärische, halb diplomatische Angelegenheit ist. Der
deuische Geschäftsiräger beim heiligen Stuhle, Premier-Lieu-
tenant Stumm, ist Gesandtschaftssecretär geworden und wird
in dieser Eigenschaft an Stelle des bereits zurückberufenen
Graf Andreas Bernstorff nach Washington versetzt werden.
Das Reichsmilitärgesetz, dieses gewaltige und schneidige
Instrument unserer nationalen Politik, welches die Reichs-
Regierung in die Lage setzt. 600,000 Mann Liniensoldaten
in wenigen Tagen auf den Kriegsschauplatz zu werfen und
hinter diese eine zweite Armee von fast gleicher Stärke inner-
halb weniger Wochen anfzustellen, ändert im Ganzen und
Großen wenig an den bestehenden militärischen Verhältnissen.
Die Friedenspräsenzstärke, die bisher 400,000 Mann in
runder Summe betrug, wird künftig auf 250—460,000
Mann erhöht werden, indem die Zahl der einjährigen Frei-
willigen, welche in der Friedensstärke nicht einbegriffen ist,
sich ungeführ aus 50,000 beläuft. Was sodann den Land-
sturm anlangt, der in den bisherigen großen Kriegen nicht
zur Verwendung gekommen ist und zur activen Thätigkeit
bei aus-brechendem Kriege herangezogen werden soll, so kön-
nen die denselben forw.irenden Truppenkörper ganz denselben
Gesetzen wie die Liuiensoidaten unterworfen werden.
Es wirb damit eine Macht hergestellt, welche ausreicht, j
i um das Auswachern irgend welcher socialistischen Putschen-
sucher un Keime zu ersticken, und überhaupt die Garantie
! gibt, daß die deutsche Regierung vollständig Herr der inneren
i Situation während des ganzen Krieges bleibt. Im Uebrigen
! ist noch hervorzuheben, daß die der activen Armee angehören-
> den Personen sich an politischen Wahlen und Vereinen nicht
i betheiligen dürfen.
Aus Paris schreibt man der Wiener „N. Fr. Presse
Ueber den Verlauf der Krankheit des Papstes sind
hier, entgegen den Versicherungen der Agenten des Vatikans,
die beunruhigendsten Gerüchte eingelaufen. Der Botschafter
> Frankreichs in Rom, Hr. de Corcelles, hat an Thiers Be-
i richte geschickt, welche jede Hoffnung ausschließen. Die Ver- j
. treter der andern Mächte dürften in ähnlichem Sinne an
i au ihre Höfe berichte! haben, und es ist wohl auch die
! Folge hievon, daß die verschiedenen Kabinette sich bereits
! zu einem vertraulichen Meinungsaustausch veranlaßt gesehen
' haben. Europa will nicht überrascht werden.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 16. April. Die „Badische Chronik"
schreibt: Für die Reise zur Wiener Welt-Ausstellung wer-
j den in erster Reihe die Retourbillett zu dienen haben, welche
! für diesen Zweck nach Verabredung der Bahnen zu ermäßig-
len Preisen, theils für Kurier- und Schnellzüge, theils für
i gewöhnliche Züge in allen Klaffen vom 1. Mai an zur
! Ausgabe gelangen. Eine vollständige Zusammenstellung
! aller Reisegelegenheiten und der Preise hiefür, der Statiynen
l nn der badischen Bahn, wo die Billett nach Wien genom-
j men werden können, der Dauerzeit der Billett, der Orte,
wo die Reise unterbrochen werden kann rc., wird nächstens
durch Schalttranschlag zur öffentlichen Kenutniß gebracht
werden
Für jetzt beschränken wir uns auf die Mittheilung, daß
auf deu Stationen Mannbeim, Heidelberg, Karlsruhe, Pforz-
heim, Baden, Offenburg, Freiburg, Baden und Schaffhausen
direkte Retourbillett mit 30tägiger Giltigkeit werden genom-
! men werden können, daß in dem Fahrpreis die Taxe für
! 50 Pfund Gepäck inbegriffen ist, daß insbesondere die Reise
l auf der Strecke München-Linz entweder über Salzburgoder
über Simbach gewählt werden kann, daß jedoch behufs der
! Visitation des Reisegepäcks an der österreichischen Grenze-
station, welcher der Eigentümer des Gepäcks persönlich an-
zumohnen bat, die einmal gewählte Reseroute bestimmt ein-
gehalten werden muß.
Für Arbeiter, Monteure u. s. w., welche in Begleitung
von Ausstellungsgegenständen oder zu deren Aufstellung im
Ausstellungsgebäudc vor dem 1. Mai nach Wien reisen,
ist die Reise mit Retourbilleten jetzt schon zugelassen; sie
müssen jedoch auf der bayerischen und der österreichischen
Bahnstrecke sich durch eilt Certifikal der Ausstellungskommis-
sion über ihren Reisezweck ausweisen können, um die billige
Beförderung zu erlangen. Gerade die Ausgabe dieser Bil-
lett mußte durch den Buchdruckerstrike in München, wo sie
hergestellt wurden, einen Aufenthalt von mehreren Tagen
erfahren.
Beispielsweise fügen wir noch einige Preisangaben der
Retourbillett nach Wien von den bedeutendsten badischen
Stationen hier bei.
Es kostet ein Billet nach Wien und zurück
von Mannheim über Würzburg
Schnellzug I. Cl. 72 fl. 50 kr., II. Cl. 53 fl. 3 kr.
gewöhnl. Zug II. Cl. 46 fl. 2 kr., III. Cl. 31 fl. 59 kr.
von Heidelberg über Würzburg
Schnellzug I. 71 fl. 29 kr., II. Cl. 52 fl. 4 kr. ge-
hn!. Zug II. Cl. 45 fl. 17 kr., III. Cl- 31 fl. 28 kr.
v-u Karlsruhe Schnellzug I. Cl. 70 fl. 35 kr., II. Cl. 51
28 kr.
wöhnl. Zug II. Cl. 43 fl. 41 kr., III. Cl. 30 fl. 33 kr.
: on Pforzheim Schnellzug I. 67 fl. 53 kr., II. Cl. 49 fl.
I kr.
gewöhnl. Zug 11. Cl. 41 fl. 58 kr., 111. Cl. 29 fl. 21 kr.
von Offenburg Schnellzug I. Cl. 76 fl. 52 kr., II. Cl. 56
fl. 1 kr.
gewöhnl. Zug 11. Cl. 47 fl. 34 kr., III. Cl. 33 fl. 22 kr.
von Freiburg Schnellzug I. Cl. 82 fl. 23 kr., II. Cl. 60
fl. 2 kr.
gewöhnl. Zug. II. Cl. 51 fl. 4 kr., 111. Cl. 35 fl. 54 kr.
München, 18. April. Professor Dr. Justus Frhr.
v. Liebig ist heute Nachmittag halb 6 Uhr verschieden.
München, 19. April. Prinz Leopold vonBaiern
und Erzherzogin Gisela werden Montag den 28. April
Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr im hiesigen Bahnhofe
eintreffen, und am Bahnhofe von dem Stadtcommandanten,
dem Polizeidirector u.A., in der Schützenstraße vom Magistrate,
in der k. Residenz vom Könige, der Königin-INutter, dann
den Prinzen und Prinzessinnen des kgl. Hauses begrüßt
werden. Cuirassiere werden das militärische Ehrengeleite
geben. Tags darauf wird im Palais Luitpold Vorstellung
des diplomatischen Corps, höherer Offiziere rc. stattfinden.
Die eigentlichen Festlichkeiten, deren Programm ehestens er-
wartet wird, werden am Mittwoch den 30. April beginnen
und am Sonntag den 4. Mai mit der auf Kosten der
Cabinetskaffe zu veranstaltenden Ausspeisung von 1000 Armen
schließen.
Ausland.
St. Petersburg, 18. April. Netschajeff,
besten Selbstmord in Ustjug neulich gemeldet wurde, ist nicht
der bekannte Verschwörer Netschajeff. Letzterer wird erst im
Laufe des Sommers, dem bestehenden Reglement gemäß,
nach Sibirien transportirt werden.
K d e k i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
«Fortsetzung.)
Der Schütz drüben wischte ruhig den Lauf seines Gewehres mit !
dem Nockärmel ab, schüttete Pulver ins Rohr und stieß eine neue Kugel !
auf die Ladung, dann schritt er langsam auf den Hirsch zu und begann <
ihn zu zerwirken. — !
.Jetzt ists Zeit, Herr Forstmeister!' sagte der alte seelenruhig, '
.gehen Sie, ich gehe mit bis zur Eiche, da bleibe ich stehen, den Finger '
am Drücker. Er soll ihnen kein Haar krümmen. Ehe er's Gewehr
an die Wange bekommt, ist er ein toder Mann!" i
Beide traten aus dem Dickicht heraus. Bei der Eiche blieb der
Alte stehen, frei offen, mit der Büchse im Anschläge. Der Forstmeister
hing sein Rohr über die Schulter und schritt langsam der Mitte der
Wiese zu, wo nichts ahnend Radaman den Hirsch ausweidete.
.Guten Morgen, Radaman!' sagte der Forstmeister ganz ge-
mächlich, als er ungehört bis auf zwanzig Schritt herangekommen war.
? er Mann sprang auf, wie von einer Natter gestochen und griff
nach seiner Büchse. -
„Laßt sie liegen, Radaman!" sagte Sanders ebenso ruhig, wre
vorhin, laßt sie liegen! es wäre Euer Tod. !
Radaman begriff sehr gut, was der Forstmeister damit sagen >
wollte, denn er hatte schon im ersten Aufschauen augenblicklich die !
deutliche Stellung des alten gefürchteten Jägers oben unter der Eiche
aufgefaßt.
„boüortk rvos mi!" fluchte er, warf die Büchse ins Gras und
stellte sich trostig verbissen neben den Hirsch.
Der Forstmeister schien sich um die Büchse im Grase gar nicht zu
kümmern, er kam ruhig bis an den Hirsch heran und besah die Wunde.
„Ihr seid ein Wunderkerl mit eurem Schießen!" sagte er über '
den Hirsch gebeugt, „ich hab lange nicht solchen Schuß gesehen. Ihr
müßt ein gutes Auge und eine famose Büchse haben. Zeigt doch mal
her das Rohr!"
Radaman schwieg trotzig und rührte sich nicht.
„Gebt doch mal her!" wiederholte der Forstmeister im freund-
schaftlichsten Tone, ich will sie ja nicht behalten, Ihr könnt sie gleich
wieder bekommen "
Der Russe sah den Deutschen mißtrauisch an, bequemte sich aber
doch, die Büchse aufzuheben und sie dem jungen Forstmeister zu reichen.
„Nun, das ist ein ganz rechtschaffenes Rohr, aber so excellent wie
ich dachte, ist sie doch nicht. Ein Schütz wie ihr müßte eine solche
Büchse haben wie diese hier."
Der Forstmeister reichte ihm seine.
Des Wilderers Augen funkelten vor Lust, als er das prächtige
Gewehr in der Hand hielt.
Ja, das ist ein herrliches Stück, damit schieß ich auf fünfzig Gänge
eine Kopeke zwischen den Fingern!"
„Ja Radaman! so kauft euch doch eine, sic kostet ja nich alle
Welt!" erwiderte Sanders.
„Nein, gnädiger Herr! das ist nichts für einen armen Kerl wie
ich," sagte der Russe ganz zutraulich, als ob er über die Büchse den
Hirsch vergessen hätte.
„Hört, Radaman ! Eine schöne Büchse möchtet ihr gern haben, uyld
auf die Jagd geht ihr auch gern ?"
„Ja, Herr, für mein Leben gern!"
„Nun könnt ihr leicht beides erreichen. Wißt ihr was? Ihr sollt
Wildmeister beim Grafen werden."
Wenn ein Blitzstrahl vor ihm niedergefahren wäre, er hätte nicht
zusammenschrecken können, wie bei des Forstmeisters Worten.
„Herr, Sie machen sich lustig über einen armen Teufel!" preßte
er endlich mühsam heraus und athmete rasch und tief.
„Bei meiner Seele, nein! Radaman!" sagte der Deutsche
ernst, „ihr seid ein guter Jäger, ein guter Schütz, und ich denke, ihr
werdet dem Grafen treu dienen, dann ist der dumme Hirsch hier und
alles andere vergeßen. Wollt ihr?"
„Herr, Herr, ich kanns nicht faßen!" rief der Ruße, stürzte vor
seinem Wohlthäter nieder und küßte den Saum seines Rockes.
Sanders kannte wohl die knechtische Gewohnheit der russischen
Leibeigenen, aber hier trat wirkliches Gefühl so ungestüm hervor, daß
es ihn bis in die tiefste Seele hinein ergriff.
.Nun kommt, Radaman! sagt, wen habt ihr im Dorfe?"
Ich, gnäd'ger Herr? Ich habe Niemanden."
„Gut, Wildmeister, geht gleich mit, ihr wohnt mit mir auf dem
Schloße."
Als sie miteinander die Wiese hinaufgingen, setzte der alte Daniel
sein Gewehr ab; er wußte, daß der wilde Radaman gezähmt war.
Der alte, verwetterte Jäger hatte aber doch ein gutes Herz; als sein
Herr mit dem neuen Schützling herankam, schüttelte er letzterem kräftig
die Hand und sagte :
„Nun, Radaman, ich hoffe daß wir unsere Rohre jetzt immer
nebeneinander Hinhalten und nicht gegeneinander."
Der Ruße nickte; es war, als ob die innere Erregung ihm den
Hals zugeschnürt. — Die Drei zogen hinauf aufs Schloß. Radaman
bekam sein Zimmer, seine Uniform und eine herrliche Büchse, und mit
dem neuen Aeußeren war er ein anderer Mensch geworden. Daniels
Gesicht wurde von Woche zu Woche freundlicher. Es ließ sich kein
Wildschütz mehr blicken, alles bebte vor seinem und Radamans Rohre
und seiner Knute.
Der wilde russische Winter brach herein, der Wald war menschen-
leer. Ungeheure Schneemasien wirbelten wochenlang nieder und über-
zogen alles weit und breit, Thal und Höhe Der Sturm zog sausend
vom Nord her durchs ebene Land und warf sich heulend auf die hem-
menden Wälder. Dunkele Wolkenmaßen ballte er zusammen und riß
sie in kleine flockige Fetzen. — Nach Wochen wards still, der Himmel
klar blau, die Strahlen der niedrigstehenden Sonne funkelten in Mil-
lionen Schneekrystallen, — der Sturm war todt gefroren, das Queck-
silber sank 24—25° unter Null.
(Fortsetzung folgt.)
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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die viergespaltene
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8 kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
So. 47. 'Dienstag 22. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das »Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserats stnben auch im „Philippsbnrger <L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
politische Ileberstcht.
Das von beiden Häusern des preußischen Land-
tages angenommene Gesetz wegen Gewährung von Hülfsmit-
teln für die durch die Sturmflut!) vom 13. November v.
I. Verunglückten an der Küste von Pommern und Schles-
wig-Holstein liegt jetzt dem Könige zur Unterzeichnung vor
und wird daher die Pudlicirung in den nächsten Tagen er-
wartet. Inzwischen ist bereits die Ausführungs-Instruction
in den Ministerien des Innern und der Finanzen vereinbart
worden, so daß der Absicht des Gesetzes unmittelbar nach
feinem Erlaß entsprochen werden kann. Die gewährten
Mittel erweisen sich als durchaus hinreichend.
Aus den Umgebungen des Reichskanzlers verlautet, wie
man der „Elb. Zig." mittbeilt, die bestimmte Absicht, eine
Herbststssion des deutschen Reichstags zu halten. Da man
nicht weiß, welche Veränderungen in der Phisiognomie der
Nationalvertretung die nächsten Neuwahlen hervorbringen
werden, so entspricht es staatsmännischer Voraussicht, mit
dem gegenwärtigen Reichstage noch zu erledigen, was mög-
lich ist.
Die Ernennung oes Herrn von Keudell, des bisheri-
gen Gesandten in Konstantinopel, zum Reichsgesand-
te n in Rom, und des preußischen Gesandten in Dresden
zum Reichsgesandten in Konstatinopel, wird nun in be-
stimmtester Weise bestätigt. Auch die Ernennung des Grafen
Solms für den Dresdener Posten scheint festzustehen. Be-
züglich der neuen Besetzung der Botschafter-Posten in Paris
und London wird es bei den neulich gemeldeten Bestimmun-
gen wohl sein Bewenden haben, wobei freilich zu bemerken,
daß die Ernennung des Grusen Manteuffel sür Paris eine
halb militärische, halb diplomatische Angelegenheit ist. Der
deuische Geschäftsiräger beim heiligen Stuhle, Premier-Lieu-
tenant Stumm, ist Gesandtschaftssecretär geworden und wird
in dieser Eigenschaft an Stelle des bereits zurückberufenen
Graf Andreas Bernstorff nach Washington versetzt werden.
Das Reichsmilitärgesetz, dieses gewaltige und schneidige
Instrument unserer nationalen Politik, welches die Reichs-
Regierung in die Lage setzt. 600,000 Mann Liniensoldaten
in wenigen Tagen auf den Kriegsschauplatz zu werfen und
hinter diese eine zweite Armee von fast gleicher Stärke inner-
halb weniger Wochen anfzustellen, ändert im Ganzen und
Großen wenig an den bestehenden militärischen Verhältnissen.
Die Friedenspräsenzstärke, die bisher 400,000 Mann in
runder Summe betrug, wird künftig auf 250—460,000
Mann erhöht werden, indem die Zahl der einjährigen Frei-
willigen, welche in der Friedensstärke nicht einbegriffen ist,
sich ungeführ aus 50,000 beläuft. Was sodann den Land-
sturm anlangt, der in den bisherigen großen Kriegen nicht
zur Verwendung gekommen ist und zur activen Thätigkeit
bei aus-brechendem Kriege herangezogen werden soll, so kön-
nen die denselben forw.irenden Truppenkörper ganz denselben
Gesetzen wie die Liuiensoidaten unterworfen werden.
Es wirb damit eine Macht hergestellt, welche ausreicht, j
i um das Auswachern irgend welcher socialistischen Putschen-
sucher un Keime zu ersticken, und überhaupt die Garantie
! gibt, daß die deutsche Regierung vollständig Herr der inneren
i Situation während des ganzen Krieges bleibt. Im Uebrigen
! ist noch hervorzuheben, daß die der activen Armee angehören-
> den Personen sich an politischen Wahlen und Vereinen nicht
i betheiligen dürfen.
Aus Paris schreibt man der Wiener „N. Fr. Presse
Ueber den Verlauf der Krankheit des Papstes sind
hier, entgegen den Versicherungen der Agenten des Vatikans,
die beunruhigendsten Gerüchte eingelaufen. Der Botschafter
> Frankreichs in Rom, Hr. de Corcelles, hat an Thiers Be-
i richte geschickt, welche jede Hoffnung ausschließen. Die Ver- j
. treter der andern Mächte dürften in ähnlichem Sinne an
i au ihre Höfe berichte! haben, und es ist wohl auch die
! Folge hievon, daß die verschiedenen Kabinette sich bereits
! zu einem vertraulichen Meinungsaustausch veranlaßt gesehen
' haben. Europa will nicht überrascht werden.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 16. April. Die „Badische Chronik"
schreibt: Für die Reise zur Wiener Welt-Ausstellung wer-
j den in erster Reihe die Retourbillett zu dienen haben, welche
! für diesen Zweck nach Verabredung der Bahnen zu ermäßig-
len Preisen, theils für Kurier- und Schnellzüge, theils für
i gewöhnliche Züge in allen Klaffen vom 1. Mai an zur
! Ausgabe gelangen. Eine vollständige Zusammenstellung
! aller Reisegelegenheiten und der Preise hiefür, der Statiynen
l nn der badischen Bahn, wo die Billett nach Wien genom-
j men werden können, der Dauerzeit der Billett, der Orte,
wo die Reise unterbrochen werden kann rc., wird nächstens
durch Schalttranschlag zur öffentlichen Kenutniß gebracht
werden
Für jetzt beschränken wir uns auf die Mittheilung, daß
auf deu Stationen Mannbeim, Heidelberg, Karlsruhe, Pforz-
heim, Baden, Offenburg, Freiburg, Baden und Schaffhausen
direkte Retourbillett mit 30tägiger Giltigkeit werden genom-
! men werden können, daß in dem Fahrpreis die Taxe für
! 50 Pfund Gepäck inbegriffen ist, daß insbesondere die Reise
l auf der Strecke München-Linz entweder über Salzburgoder
über Simbach gewählt werden kann, daß jedoch behufs der
! Visitation des Reisegepäcks an der österreichischen Grenze-
station, welcher der Eigentümer des Gepäcks persönlich an-
zumohnen bat, die einmal gewählte Reseroute bestimmt ein-
gehalten werden muß.
Für Arbeiter, Monteure u. s. w., welche in Begleitung
von Ausstellungsgegenständen oder zu deren Aufstellung im
Ausstellungsgebäudc vor dem 1. Mai nach Wien reisen,
ist die Reise mit Retourbilleten jetzt schon zugelassen; sie
müssen jedoch auf der bayerischen und der österreichischen
Bahnstrecke sich durch eilt Certifikal der Ausstellungskommis-
sion über ihren Reisezweck ausweisen können, um die billige
Beförderung zu erlangen. Gerade die Ausgabe dieser Bil-
lett mußte durch den Buchdruckerstrike in München, wo sie
hergestellt wurden, einen Aufenthalt von mehreren Tagen
erfahren.
Beispielsweise fügen wir noch einige Preisangaben der
Retourbillett nach Wien von den bedeutendsten badischen
Stationen hier bei.
Es kostet ein Billet nach Wien und zurück
von Mannheim über Würzburg
Schnellzug I. Cl. 72 fl. 50 kr., II. Cl. 53 fl. 3 kr.
gewöhnl. Zug II. Cl. 46 fl. 2 kr., III. Cl. 31 fl. 59 kr.
von Heidelberg über Würzburg
Schnellzug I. 71 fl. 29 kr., II. Cl. 52 fl. 4 kr. ge-
hn!. Zug II. Cl. 45 fl. 17 kr., III. Cl- 31 fl. 28 kr.
v-u Karlsruhe Schnellzug I. Cl. 70 fl. 35 kr., II. Cl. 51
28 kr.
wöhnl. Zug II. Cl. 43 fl. 41 kr., III. Cl. 30 fl. 33 kr.
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I kr.
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von Freiburg Schnellzug I. Cl. 82 fl. 23 kr., II. Cl. 60
fl. 2 kr.
gewöhnl. Zug. II. Cl. 51 fl. 4 kr., 111. Cl. 35 fl. 54 kr.
München, 18. April. Professor Dr. Justus Frhr.
v. Liebig ist heute Nachmittag halb 6 Uhr verschieden.
München, 19. April. Prinz Leopold vonBaiern
und Erzherzogin Gisela werden Montag den 28. April
Nachmittags zwischen 3 und 4 Uhr im hiesigen Bahnhofe
eintreffen, und am Bahnhofe von dem Stadtcommandanten,
dem Polizeidirector u.A., in der Schützenstraße vom Magistrate,
in der k. Residenz vom Könige, der Königin-INutter, dann
den Prinzen und Prinzessinnen des kgl. Hauses begrüßt
werden. Cuirassiere werden das militärische Ehrengeleite
geben. Tags darauf wird im Palais Luitpold Vorstellung
des diplomatischen Corps, höherer Offiziere rc. stattfinden.
Die eigentlichen Festlichkeiten, deren Programm ehestens er-
wartet wird, werden am Mittwoch den 30. April beginnen
und am Sonntag den 4. Mai mit der auf Kosten der
Cabinetskaffe zu veranstaltenden Ausspeisung von 1000 Armen
schließen.
Ausland.
St. Petersburg, 18. April. Netschajeff,
besten Selbstmord in Ustjug neulich gemeldet wurde, ist nicht
der bekannte Verschwörer Netschajeff. Letzterer wird erst im
Laufe des Sommers, dem bestehenden Reglement gemäß,
nach Sibirien transportirt werden.
K d e k i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
«Fortsetzung.)
Der Schütz drüben wischte ruhig den Lauf seines Gewehres mit !
dem Nockärmel ab, schüttete Pulver ins Rohr und stieß eine neue Kugel !
auf die Ladung, dann schritt er langsam auf den Hirsch zu und begann <
ihn zu zerwirken. — !
.Jetzt ists Zeit, Herr Forstmeister!' sagte der alte seelenruhig, '
.gehen Sie, ich gehe mit bis zur Eiche, da bleibe ich stehen, den Finger '
am Drücker. Er soll ihnen kein Haar krümmen. Ehe er's Gewehr
an die Wange bekommt, ist er ein toder Mann!" i
Beide traten aus dem Dickicht heraus. Bei der Eiche blieb der
Alte stehen, frei offen, mit der Büchse im Anschläge. Der Forstmeister
hing sein Rohr über die Schulter und schritt langsam der Mitte der
Wiese zu, wo nichts ahnend Radaman den Hirsch ausweidete.
.Guten Morgen, Radaman!' sagte der Forstmeister ganz ge-
mächlich, als er ungehört bis auf zwanzig Schritt herangekommen war.
? er Mann sprang auf, wie von einer Natter gestochen und griff
nach seiner Büchse. -
„Laßt sie liegen, Radaman!" sagte Sanders ebenso ruhig, wre
vorhin, laßt sie liegen! es wäre Euer Tod. !
Radaman begriff sehr gut, was der Forstmeister damit sagen >
wollte, denn er hatte schon im ersten Aufschauen augenblicklich die !
deutliche Stellung des alten gefürchteten Jägers oben unter der Eiche
aufgefaßt.
„boüortk rvos mi!" fluchte er, warf die Büchse ins Gras und
stellte sich trostig verbissen neben den Hirsch.
Der Forstmeister schien sich um die Büchse im Grase gar nicht zu
kümmern, er kam ruhig bis an den Hirsch heran und besah die Wunde.
„Ihr seid ein Wunderkerl mit eurem Schießen!" sagte er über '
den Hirsch gebeugt, „ich hab lange nicht solchen Schuß gesehen. Ihr
müßt ein gutes Auge und eine famose Büchse haben. Zeigt doch mal
her das Rohr!"
Radaman schwieg trotzig und rührte sich nicht.
„Gebt doch mal her!" wiederholte der Forstmeister im freund-
schaftlichsten Tone, ich will sie ja nicht behalten, Ihr könnt sie gleich
wieder bekommen "
Der Russe sah den Deutschen mißtrauisch an, bequemte sich aber
doch, die Büchse aufzuheben und sie dem jungen Forstmeister zu reichen.
„Nun, das ist ein ganz rechtschaffenes Rohr, aber so excellent wie
ich dachte, ist sie doch nicht. Ein Schütz wie ihr müßte eine solche
Büchse haben wie diese hier."
Der Forstmeister reichte ihm seine.
Des Wilderers Augen funkelten vor Lust, als er das prächtige
Gewehr in der Hand hielt.
Ja, das ist ein herrliches Stück, damit schieß ich auf fünfzig Gänge
eine Kopeke zwischen den Fingern!"
„Ja Radaman! so kauft euch doch eine, sic kostet ja nich alle
Welt!" erwiderte Sanders.
„Nein, gnädiger Herr! das ist nichts für einen armen Kerl wie
ich," sagte der Russe ganz zutraulich, als ob er über die Büchse den
Hirsch vergessen hätte.
„Hört, Radaman ! Eine schöne Büchse möchtet ihr gern haben, uyld
auf die Jagd geht ihr auch gern ?"
„Ja, Herr, für mein Leben gern!"
„Nun könnt ihr leicht beides erreichen. Wißt ihr was? Ihr sollt
Wildmeister beim Grafen werden."
Wenn ein Blitzstrahl vor ihm niedergefahren wäre, er hätte nicht
zusammenschrecken können, wie bei des Forstmeisters Worten.
„Herr, Sie machen sich lustig über einen armen Teufel!" preßte
er endlich mühsam heraus und athmete rasch und tief.
„Bei meiner Seele, nein! Radaman!" sagte der Deutsche
ernst, „ihr seid ein guter Jäger, ein guter Schütz, und ich denke, ihr
werdet dem Grafen treu dienen, dann ist der dumme Hirsch hier und
alles andere vergeßen. Wollt ihr?"
„Herr, Herr, ich kanns nicht faßen!" rief der Ruße, stürzte vor
seinem Wohlthäter nieder und küßte den Saum seines Rockes.
Sanders kannte wohl die knechtische Gewohnheit der russischen
Leibeigenen, aber hier trat wirkliches Gefühl so ungestüm hervor, daß
es ihn bis in die tiefste Seele hinein ergriff.
.Nun kommt, Radaman! sagt, wen habt ihr im Dorfe?"
Ich, gnäd'ger Herr? Ich habe Niemanden."
„Gut, Wildmeister, geht gleich mit, ihr wohnt mit mir auf dem
Schloße."
Als sie miteinander die Wiese hinaufgingen, setzte der alte Daniel
sein Gewehr ab; er wußte, daß der wilde Radaman gezähmt war.
Der alte, verwetterte Jäger hatte aber doch ein gutes Herz; als sein
Herr mit dem neuen Schützling herankam, schüttelte er letzterem kräftig
die Hand und sagte :
„Nun, Radaman, ich hoffe daß wir unsere Rohre jetzt immer
nebeneinander Hinhalten und nicht gegeneinander."
Der Ruße nickte; es war, als ob die innere Erregung ihm den
Hals zugeschnürt. — Die Drei zogen hinauf aufs Schloß. Radaman
bekam sein Zimmer, seine Uniform und eine herrliche Büchse, und mit
dem neuen Aeußeren war er ein anderer Mensch geworden. Daniels
Gesicht wurde von Woche zu Woche freundlicher. Es ließ sich kein
Wildschütz mehr blicken, alles bebte vor seinem und Radamans Rohre
und seiner Knute.
Der wilde russische Winter brach herein, der Wald war menschen-
leer. Ungeheure Schneemasien wirbelten wochenlang nieder und über-
zogen alles weit und breit, Thal und Höhe Der Sturm zog sausend
vom Nord her durchs ebene Land und warf sich heulend auf die hem-
menden Wälder. Dunkele Wolkenmaßen ballte er zusammen und riß
sie in kleine flockige Fetzen. — Nach Wochen wards still, der Himmel
klar blau, die Strahlen der niedrigstehenden Sonne funkelten in Mil-
lionen Schneekrystallen, — der Sturm war todt gefroren, das Queck-
silber sank 24—25° unter Null.
(Fortsetzung folgt.)