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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 2 (7. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0007

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Kchwchingtr WocheMäll.

Amtsverkündigungsölatt für den Wezirk Schwetzingen.
Badische Hopfen reitung.

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8 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Iso. 2.

Dienstag, 7. Januar 1873.

VH. Jahrgang.

Depeschen.
(H--B.-R.)
* Berlin, 6. Januar. Das „deutsche Wochenblatt"
theilt bezüglich der Beziehungen Englands und Rußlands
mit, daß in Betreff ihrer asiatischen Politik ein Plan in
Ausarbeitung begriffen sei, der den Einfluß beider Mächte
in den Provinzen, welche zwischen ihren gegenseitigen Be-
sitzungen liegen, in der Weise beschränke, daß jeder Conflict
unmöglich gemacht werde.
* Wien, 5. Januar. Graf Beust war bereif, dem
Duc de Gramont zu antworten. Er wollte zu diesem Be-
huf eine „I^ttrs ä uu arui" veröffentlichen. Selbstver-
ständlich mußte er vorher die Erlaubniß einholen. Aber
Se. Majestät erachtete es nicht für angemessen, daß in der
Sache österreichischer Seils das Wort ergriffen werde und
er äußerte gegen den Grafen Beust, daß er vor ihm, dem
Kaiser, keiner Rechtfertigung bedürfe.
* Wien, 5. Jan. Die Gerüchte, wonach Graf
Beust in Ungnade gefallen und seine Demission eingereicht
habe, entbehren jeder Begründung.
Man wird dem Duc Gramont durch Veröffentlichung
von Actenstücken antworten.
* Petersburg, 5. Jan. Der Großfürst-Thronfolger
hat sechs Stunden geschlafen. — Das Fieber war gegen
Morgen im Abnehmen begriffen. — Die allgemeine Lage
des erhabenen Kranken ist befriedigend.
* London, 5. Jan. Der „Globe" sagt, daß die
Regierung der geographischen Gesellschaft mitgetheilt, daß
sie dem von ihr bezüglich der Polar-Expedition gemachten
Vorschlag nicht zustimmeu könne.
In der Krankheit des Exkaisers Napoleon III. ist bis
jetzt keine Aenderung eingetreten.
politische Neöerstcht-
* Schwetzingen, 6. Januar
In der R e i ch s h a u p t st a d t hat die Ernennung
des Grafen von Roon zum Ministerpräsidenten große Sen-
sation erregt und will man im Abgeordnetenhanse/ sowie
dessen Sitzungen wieder begonnen, eine Kundgebung dessel-
ben zum neuen Ministerium zum Ausdruck bringen.
Gegen Schluß des allen Jahres hatte sich der Bun-
desrath unter Delbrücks Vorsitz versammelt und mit folgen-
den Gesetz-Entwürfen für Elsaß-Lothringen beschäftigt: I)
die Einführung des Reichsgesetzes über die Freizügigkeit
vom I. November 1867 und des Reichsgesetzes über die
Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsange-
hörigkeit vom I. Juni 1870, 2) die Reisegebühren der
Friedensrichter und Friedensgerichtsschreiber in Sachen der
freiwilligen Gerichtsbarkeit und in Civilrechtsstreitigkeiten,
3) die Gebühren der Aerzte uud Chemiker in Strafsachen
zur Berathung. — Officiöse versichern mit Bestimmtheit,
daß dem nächsten Reichstage nicht blos der Marine-Etat

kür 1874, sondern auch noch ein nachträglicher für 1873
vorgelegt werden soll, durch welchen die Mittel zur Fertig-
stellung der Marine-Etablissements in Wilhelmshafen gefor-
dert werden. — Wie man von gut unterrichteter Seite
mittheilt, wird in Rücksicht darauf, daß der preußische
Landtag bis in den März hinein zu thun hat, der deutsche
Reichstag vor Aprik, also vor dem Osterfeste nicht eröffnet
werden. - >
Bezüglich des Conflicts zwischen dem französischen Ge-
sandten beim italienischen Hofe Herrn Fournier
und dem französischen Botschafter beim Papste Herrn Bour-
going, ist die Entlassung, welche Letzterer cingereicht, ange-
nommen worden. Anlaß zum Conflicte gaben folgende
drei Forderungen, welche Fournier stellte: I) Uebertragung
des Protektorats über die frommen Anstalten französischen
Ursprungs, welches bis jetzt die Botschaft hatte, an die
Gesandtschaft; 2) Ernennung eines französischen Consuls
in Civita-Vecchia; 3) Stellung der französischen Fregatte,
welche sich vor Civita-Vecchia zur Verfügung der Botschaft
und des Papstes hält, unter die Befehle der Gesandtschaft.
Der Botschafter gab seine Entlastung nur deshalb, weil
der Conflict zu Gunsten des Gesandten geschlichtet wurde.
Bekanntlich ist im abgelaufenen Jahre der General-
Rath der Internationale nach New-Hork übersiedelt,
von wo aus er seine Welrregierung fortsetzt. So hat er
denn kürzlich wieder ein Rescript an dis europäischen Sectio-
neu gerichtet, woraus hervorgeht, daß die vielleicht etwas in's
Stocken gerathene Agitation wieder energischer betrieben
werden soll. Die europäischen Sektionen werden darin
aufgefordert, sofort Namen, Adressen, Beschäftigung, Alter
und sonstige Einzelheiten über solche Mitglieder einzureichen,
welche dazu geeignet sind, als A g i t a t i o n s a g e n t e n
für die Gesellschaft zu dum m. Die betreffenden Berichte
sind nach Newyork zu senden, doch soll behufs Bestätigung
der gemachten Ausgaben eine Abschrift gleichzeitig an Carl
Marx in London gehen. Englische Blätter ziehen daraus
den Schluß, daß Hr. Marx eigentlich nach wie vor der
Leiter der ganzen Bewegung sei und berichten ferner, daß
diese Agitations-Agenten gleichzeitig mit großer Willkür
aufzutreten pflegen. Namentlich werde in Frankreich dar-
über Klage geführt. Es würden dort ohne Weiteres nicht
allein einzelne Mitglieder ihrer Mitgliedschaft verlustig er-
klärt , sondern auch einzelne Zweige m d Sektionen ganz
aufgelöst, falls sich innerhalb derselben irgend welcher Wi-
derspruch kundgebe. Es herrschte daher denn auch eine ge-
wiffe Unzufriedenheit innerhalb der Mitglieder, welche sich
namentlich in den kürzlich zu Brüssel gefaßten Beschlüssen
des belgischen Bundes der Internationale kundgebe.
Wie man erfährt, haben Rußland und Eng-
land bezüglich ihrer gegenseitigen Lage in Central-Asien
auf diplomatischem Wege ihre Ansichten hierüber in freund-
schaftlicher Weise ausgetauscht.

Rußland hat seine Pläne der englischen Regierung
mitgetheilt, und den Capitain Wellesley Militärattache bei
der englischen Gesandtschaft in St Petersburg eingeladen,
der von Rußland in Afghanistan unternommenen Expedition
anzuwohnen.
Die Car list en in Spanien rühren sich wieder
und liegt über ihren neuesten Feldzug bereits ein Bulletin
! vor. Jnfant Alphons von Bourbon, Bruder von Don
Carlos befehligt dieselben. Zweifelsohne wird er auf dem
Felde der Ehre (?) sowenig Glück haben, wie seine Partei
seither auf dem der Politik. Die spanische Nation sah be-
reits ihren Bruder vor etlichen Monaten zu ihrer Genug-
thuung ein Fiasco nach dem andern erleiden und dürfte
! dieser neuen Jnscenirung des Bürgerkrieges mit noch we-
! Niger sympathischen Gesinnungen begegnen. Fast scheint
i es übrigens, als solle der Feldzug mit dem Aufgebot aller
! legitimistischen Streitkräfte begonnen werden, und als sei
! die in Frankreich mißglückte „Fusion" in Spanien bester
i gerathen. Wenigstens signalisirt die „Times" den bevor- '
stehenden Ausbruch einer alphonistischcn Bewegung. Wenn
hier nicht dem betreffenden Korrespondenten eine Namens-
i Verwechselung passirt ist, würbe es sich in der Thal um
! eine Cooperation der beiden Prätendenten handeln. Der-
! selbe Korrespondent versichert übrigens, daß die Regierung
! ihre Gegenmaßregeln treffe und daß die Bevölkerung von
i Madrid über diese neuen Ruhestörungen sehr entrüstet sei.
DaS Ministerium hat inzwischen eine neue Stärkung durch
I das einmüthige Vertrauensvotum einer am 30. v. M. zu
i Madrid abgehaltenen Parteiversammlung der Progreffisten
! empfangen, bei welcher die ausführlichen Darlegungen des
! Ministerpräsidenten Zorilla mit vieler Genugthuung aufge-
! nommen worden sind.
! Aus Cuba meldet der „New-Pork Herald," daß die
! Insurgenten 12000 Mann stark und durchaus nicht Wil-
lens sind, sich zu ergeben, ja das Blatt meint sogar, daß
wenn sie über Waffen verfügen könnten, sie 40,000 Mann
ins Feld zu stellen vermöchten. Sie seien zwar mit Mu-
nition hinlänglich versehen, aber hätten nur wenig Kanonen.
! Der Korrespondent des Herald meint der Kampf könne noch
' lange währen, wenn nicht auswärtige Mächte interoeniren.
In Per u ist gegen Schluß des alten Jahres der
i Congreß zu einer außerordentlichen Session zusammengetre-
ten, derselbe wird sich vorzugsweise mit Reformen in der
Verwaltung, Rechtspflege und dem Steuerwesen zu befassen
haben.
Nach Nachrichten aus La Plata wurde der ar-
gentinisch-brasilische Vertrag am 20. Nov. v. I. in Buenos
Ayres eröffnet. — Die argentinischen Journale beschäftigen
sich mit der bevorstehenden Präsidentenwahl. Einige locale
Ruhestörungen ausgenommen, herrscht in den La Plata
Staaten Ruhe.

Aus Wien.
In einem der fashionabelsten Hotels von Wien war
dieser Tage eine elegante Dame abgestiegen, zwar mit viel
Reisegepäck versehen, aber ohne Bedienung. nicht einmal
von einem Kammermädchen begleitet. Es lag etwas Ho-
heitsvolles, Achtungsgebietendes in dem Aeußern dieser Dame,
und wie der Hotelier aus dem Meldezettel ersah, kam sie
aus Frankreich. Sie hatte ein schönes Zimmer mit Aus-
sicht auf die Gaffe genommen und richtete sich so ein, als
ob sie beabsichtige, längere Zeit im Hotel zu verweilen. Den
größten Theil des Tages verbrachte sie mit Spaziergängen,
Abends ging sie fast immer in's Theater, hauptsächlich aber
besuchte sie die ersten Vorstellungen. Spähend blickte sie
da gewöhnlich auf das Publikum, als wollte sie durchaus
Jemanden ausfindig machen. Sie achtete fast gar nicht
auf den Gang des Stückes, sondern wandte ihre Aufmerk-
samkeit unablässig dem Auditorium zu. Manchmal über-
flog eine Helle Röthe ihr schönes Gesicht, als wäre sie durch
irgend eine Erscheinung überrascht worden, dann aber legte
sich leiser Mißmuth wie eine Wolke auf ihre Stirn. Es
dauerte-nicht allzu lange, so war diese Dame, die gewöhn-
lich allein in einer Loge saß, Gegenstand allgemeiner Auf-
merksamkeit von Seite der Wiener Geburts- und Finanz-
Aristokratie, und man bemühte sich allenthalben, über die
schöne Fremde irgend Etwas zu erfahren. Blumensträuße
und Billets wies sie zurück und ihr großes blaues Auge
blickte kalt selbst auf den glühendsten Bewunderer. Im
Hotel saß die seltsame Dame gewöhnlich an einem Tische,
wo sonst Niemand Platz genommen hatte. Auch hier mu-
sterte sie jeden Gast und jeden Ankömmling. Da sie die

Hausdienerschaft durch ansehnliche Geschenke, zu bewegen
gewußt, daß diese den Namen der rätselhaften Fremden
verschweige, so antworteten die Leute auf die Frage, wer
denn eigentlich die Dame fei, einfach: „Es ist die Fran-
zösin," mehr konnten oder wollten sie nicht sagen, u. alle
Nachforschungen wäre" unv blieben vergeblich. Eines Abends
trat in den Speisesaal des Hotels, just als die Französin
Platz genommen hatte, ein in der aristokratischen Welt sehr
wohlbekannter Lebemann, der auf die Französin sofort bei
seinem Eintritt einen tiefen Eindruck machte. Sie wurde
roth, unruhig, blickte ihn mit schwärmerischen, fast bittenden
Augen an, so daß der Lebemann, der dies wohl bemerkte
und sich dadurch sehr geschmeichelt fühlte, sofort nach einer
leisen Verbeugung an dem Tische der Dame Platz nahm.
Das Gespräch war bald im Gange, natürlich in französi-
scher Sprache. Erst allerlei Allgemeinheiten von dem Leben
in Wien, dann vom Wetter, vom Theater; endlich kam man
auch auf Paris zu sprechen. Unser Lebemann lobte dieses
über den grünen Klee, was ihm das Herz der Dame so
sehr gewann, daß er es wagen durfte, ihre wunderbaren
Augen bezaubernd, ihre schöne weiße Hand vollendet zu
finden und dem Gespräche überhaupt einen sehr lyrischen
Charakter zu verleihen. — Und merkwürdig , die sonst so
kalte Dame, die alle Annäherungen stolz zurückwies — sei-
nen Betheuerungen und Versicherungen gegenüber blieb sie
nicht kalt und fühllos, ja, sie warf ihm einen so hoffnungs-
erregenden, vielverheißenden Blick zu, daß er ... : doch
nein! Er hielt sich in respektvoller Mäßigung, und erging
sich nur dann in verzückten Gefühlsbezeugungen, als er die
Erlaubniß erhielt, am nächsten Tage in der Loge des
Stadttheaters die Französin besuchen zu dürfen. Hier

wurde das Paar vertraulich, und Madame.gestand
nach langem Widerstreben, daß sie in großer Geldklemme
sei und daß sie,' verfolgt von ihren Gläubigern, an 100,000
Francs benöthige, um sich aus ihrer Lage zu befreien.
Hierbei zog sie ein dunkles Fläschchen aus ihrem wogenden
Busen und in höchster Leidenschaft drohte sie, Gift zu neh-
men, wenn sie nicht baldigst aus ihrer bösen Situation
gerettet werde. O» ein trauriges Ende eines so schön an-
gefangenen Gedichtes! Indessen war unser Lebemann
durch die Leidenschaft der Dame nur noch verliebter gewor-
den, als er ohnedies schon war. Zwar thaien ihm 100,000
Francs sehr wehe; er hatte in letzter Zeit vnl auf der
Börse verloren und sie machten einen nicht unbeträchtlichen
Theil seiues Vermögens aus. Indessen versprach er der
Dame, er werde sehen, Alles für sic zu thun, und sie
lohnte ihm mit einem Händedruck, der mehr als alle Worte
sagte. Der Lebemann hatte das Geld nicht im Hause.
Er vertraute sich daher einem Freunde auf Discretion an
und dieser half. Leuchtenden Gesichts kam unser Held in's
Zimmer der Französin. Er reichte ihr sofort den Betrag,
den sie — plötzlich kalt nnd stolz geworden — zählte und
in ein Portefeuille steckte. Der Lebemann ergriff nun ganz
enthusiastisch die Hand seiner Schönen, sie aber zog die
Glocke . . , nnd gab dann dem Kavalier — einen Wech-
sel. „So, da haben Sie Ihren Wechsel. Sie sind vor
3 Jahren meinem Manne mit einem Betrage von 100,000
Francs durchgegangen, ja, mein Herr, und da wir erfahren
haben^ Sie seien in Wien, beschloß ich, Sie aufzusinden
und Sie dazu zu bringen, daß Sie Ihre Schuld bezahlen.
Den Wechsel haben Sie, wir sind quitt," u. dem Kellner, der
eingetreten war, sagte sie: Packen Sie meinen Koffer, ich reise ab.
 
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