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J. 2.
für Stadl
Donnerstag
Deutſcland. |
* Heidelberg, 2. Jan. Hinsichtlich des officiellen Berichts des
Generals v. Glünmer über das blutige Treffen bei Nuits ist die
unabhängige Preſſe vielfach durchaus nicht einverstanden über die
militäriſche Nothwendigkeit desselben. Der Bericht sagt zwar, die
Verluſte des Feindes seien „e n or m“ gewesen, aber er gibt auch
zu, daß die badiſchen Verluſte „ſe hr bedeuten d“ gewesen ſeien,
wie ja ohnehin ein Blick auf die endlose Verluſtliſte darthut. Nun
hätte man erwarten sollen, daß der Preis der gewonnenen Schlacht
auch im richtigen Verhältniß zu den ungeheuren Opfern gestanden
hätte; allein dies iſt auch nicht im Entferntesten der Fall; denn der
General sagt selbſt in seinem Bericht: „Es lag nicht in unserem
Interesſe, die gewonnenen Poſitionen in Nuits zu behalten,“ und
in Folge desſſen sſei man nach Dijon zurückgegangen. Aber noch
mehr; ſselbſt in Dijon iſt man aus ſtrategiſchen Gründen nicht ge-
blieben, sondern hat dieſe Stadt geräumt, worüber wir uns als Laien
in der Kriegskunst kein Urtheil anmaßen; wohl aber müſsſen wir ge-
stehen, daß wenn man die Vortheile bei Nuits nicht ausnußen und
die Position nicht behaupten konnte, ja sogar auch noch Dijon räu-
men mußte, die Nothwendigkeit eines so blutigen und opferreichen
z;then bei us unserem beſchränkten Unterthanenverſtand nicht
einleuchten will.
Mit unserer Ansicht hierüber stimmt u. A. auch die Köln. Volks-
zeitung vollkommen überein, indem sie ſagt:
„Nach unserer unmaßgeblichen Ansicht greift man eine über-
legende feindliche Position an, wenn man dieſelbe entweder für sich
selbſt verwenden und behaupten will, oder wenn man derselben be-
darf, um einen weitern Vormarſch zu ermöglichen, oder drittens,
wenn man wenigstens im Stande iſt, den daraus vertriebenen Geg-
ner nachdrücklich zu verfolgen. Eine dieser drei Bedingungen lag
nachweislich allen unsern seitherigen Angriffen auf befestigte Positio-
nen des Feindes zu Grunde, und die Sturmangriffe auf die Spicherer
Höhen, auf Gravelotte u. s. w. bis zum neuesten Angriff gegen die
Positionen Faidherbe's bei Pont Noyelles werden durch das eine
oder das andere dieſer drei Motive gerechtfertigt. Für den Angriff
auf Nuits dagegen fehlt jedes erkennbare Motiv. Das ſo ſchwer
und blutig eroberte Nuits wurde unſerſeits nicht behauptet, unsere
Streitkräfte rückten nicht vor, der geſchlagene Feind wurde nicht ver-
folgt. Welches war also das erlangte Resultat? Nur dies, daß
auf gegneriſcher Seite die Verluſte vermuthlich etwas stärker waren
als auf der unsern; denn die Franzoſen sollen 2000 Mann verloren
haben, während wir nicht ganz 1000 Mann einbüßten. Also ein
bloß tactiſcher Erfolg, kein ſtrategiſcher! Nun müssen wir aber offen
den 5. Januar
Inſseraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-
ß tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
und C'and. Vogler & G. L. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.
1871.
[ gefleen, daß uns 800 oder 1000 Mann deutſcher Truppen an fich
Üeber sind als 2000 Mann der Lyoner Marſch-Legionen, und daß,
wenn es bei uns gestanden wäre, wir unbedingt den Franzoſen ihre
2000 gelasſen hätten gegen unsere 1000. Das bloße Menſchen-
tödten als Zweck des Kampfes ſcheint uns eine veraltete Praxis zu
sein, mit welcher gründlich gebrochen zu haben gerade das haupt-
ſächlichſte und glänzendſte Verdienſt Moltkes iſt. In ihm erhebt sich
der Stratege durchaus über den Tactiker, und ſein feſtes, höchſtes
Ziel iſt immer, das durch ſirategiſche Mittel zu erreichen, was ältere
und weniger geiſtreiche Heerführer nur durch tactiſche Erfolge zu er-
zielen wußten. Dieser gänzliche Mangel an ſtrategiſcher Kunst und
Führung auf französiſcher Seite iſt es auch, was uns einen ſo raſchen
und volſtändigen Sieg über die gegneriſchen Streitkräfte verſchafst
hat, und unſere Meinung geht daher dahin, daß man dieſem be-
währten Moltke'ſchen Syſtem treu bleiben, und sich nun und nimmer
auf den bloß tactischen Standpunkt der französiſchen Kriegführung
herablaſſen sollte, auch wenn im Einzelnen noch so sichere und glän-
zende Reſultate winken.“
& Heidelberg, 2. Jan. Die Frankfurter Zeitung weiß nichts
Besſeres zu thun als zum Nenjahrsgruße eine wüthende Fanfaronade
gegen den Papſt und das Concil loszulassen. Wir begreifen das,
D von israelitiſchen Geldern genährt und von Federn des auser-
wählten Volkes bedient, muß sie ihren Freunden bisweilen etwas
Kaiholikenwüihiges zum Besten geven, damit man sieht, daß sie in
dieser Zeit der Verniſchungen der Gegenſäße noch koſcher geblieben
iſt, mag auch sonſt Herr Sonnemann einen Weihnachtsbaum geputt
und seinen Braten im schwimmenden Schweinefett mundgerechter ge-
macht haben. So ſsind dieſe Leute, die sich Demokraten nennen,
aber von Haus aus gar keine ſind: weil die Katholiken viel ſtärker
an Zahl sind, als die halbe Compagnie von Demokraten unter An-
führung von einem Bataillon Officieren und einem halben Hundert
Trommlern, so :nöchte man jenen zumuthen, daß ſie fortwährend
füc die Rothen die Kaſtanien aus dem Feuer holen und dazu noch
das Maul halten, wenn ihnen die Garibaldibewunderer zum neuen
Jahre die ſchamloſeſten Grobheiten an den Hals werfen. Die kath.
Volkspartei in Baden wird von dieser Sorte von Politikern freilich
nicht mehr gehätſchelt, weil sie die Rolle des Sancho Pansſa bei Don
Quixote Sonnemann vollſtändig verſchmäht hat. Dagegen werden
die Mitglieder der bayeriſch - patriotiſchen Fraction, der Abg. Jörg
an der Spitze, gar zärtlich geliebkoſt. Wir bitten dieſelben den
ſpeckjüdischen Neujahrsgruß nicht zu überſchauen, der auch sie nicht
unempfindlich laſſen kann, und einer Kameradſchaft den Rücken zu
kehren, die nur ſo lange die Sammetpfötchen zeigt, als es ihren
Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung.)
| „Ein wenig, war ihre Antwort. Mein Vormund hatte es gern, wenn ich
in der Dämmerungsstunde ihm ein Liedchen vorſang.“
, Frau Heider war nun ebenfalls aufgestanden und hatte sich dem Clavier
genähert. Kennst du das Lied von Mendelssohn:
„Es ist bestimmt in Gottes Rath,
Daß man vom Liebsten, was man hat,
Muf ſcheiden ?“
fragte sie. ; i ; j | U
hut (ict f ric cd Mun qu tmaurÞ t wen!
ſo lieblich wie ihr Aeußeres, und einem Vortrage, ſo einfach und ungekünſtelt
wie ihr ganzes Wesen, das alte, ſchöne Lied :
„Ein getreues Herz zu wissen,
Hat des höchſten Schatzes Preis ;
Der iſt selig zu begrüßen,
Der ein ſolches Kleinod weiß.
. Mir iſt wohl beim höchſten Schmerz,
Denn ich weiß ein treues Herz.
„Es genießt die höchſten Freuaedven
In des Andern Seligkeit ;
Hält für ſeine fremde Leiden,
_ Weicht nicht auch bei böſer Zeit.
Mir iſt wohl beim höchſten Schmerz,
Denn ich weiß ein treues Herz.
„Gunſt kehrt oft nach dem Glücke,
Geld und Ueberfluß zerstäubt.
Schönheit läßt uns bald zurücke
Ein getreues Herz nur bleibt.
Mir iſt wohl beim höchſten Schmerz,
Denn mir bleibt ein treues Herz !‘
Mutter und Sohn begegneten ſich in einem gerührten Blicke ; sie ließen
die Sängerin nicht fort vom Inſtrumente, sie mußte ein Liedchen nach dem
andern singen, Alles was sie im Gedächtniß hatte. Sie that es mit ſichtlicher
Freude, da sie aus den Augen ihrer Zuhörer das größte Vergnügen strahlen
sah. Leonhard war doppelt entzückt über die Sängerin und über das glück-
liche Lächeln seiner armen Mutter. Das Zeichen des Unmuths war ganz von
seiner Stirn verſchwunden, sein ſchönes Gesicht war verklärt von Heiterkeit
und Enthusiasmus.
Mit einem Male unterbrach sich Hermine mitten im Geſange mit dem Aus-
rufe : „Ach Anna, mein Herzchen, der Sandmann kommt, ſoll ich dich zu Bette
bringen ?!’ Das Kind gab ſich die größte Mühe, die schweren Augenüden
aufzuheben, aber es wollte nicht gelingen, sie fielen immer wieder zu und das
Köpfchen ſank immer wieder von Neuem in Herminens Schooß, an deren Seite
die Kleine niedergekniet war.
Leonhard’'s Gesicht verdüſterte sich, und die Mutter sagte: „Anna geht
immer allein zu Bette; du darfst sie nicht verwöhnen.! ~ Für Beide war die
Unterbrechung sichtlich unangenehm. ~ „O, heute, zum ersten Male ! bat Leh-
rerin und Schülerin zugleich. Anna muß mir ja noch zeigen, wo wir ſchla-
fen, ſeßte Hermine hinzu.
„Nun, so komm bald wieder, ſagte Frau Heider. Ich muß dies Liedchen
noch zu Ende hören. Oder biſt du müde, liebes Kind ?21 — Hermine versi-
cherte, daß sie nie müde werde, wenn sie am Clavier size, und ging mit der
Kleinen hinaus, die unterwegs durch die Bewegung und durch das Vergnü-
gen, von Herminen zu Bette gebracht zu werden, wieder munter wurde.
„Ach, ſagte das Kind zu Herminen, wenn Papa dich sieht, wie wird er
ſich wundern! Er meint auch, Liſelte wird's ihm wohl geſagt haben, alle
Gouvernanten wären alte, zimperliche, ſuperkluge Jungfern, gelb wie Perga-
ment und mager wie Holz.“
Hermine lachte herzlich über dieſe Schilderung und fragte : „Hat dein Papa
das gesagt, oder denkst du dir das nur ?“
„Nein, das hat er zu Mama gesagt. Er wollte nur zuerſt gar nicht zu-
geben, daß ich eine Gouvernante bekäme; o, er war ſo böſe, und Mama hat
ſo viel geweint ! Er sagte, ich ſolle bei Liſette kochen und wirthſchaften lernen,
das nüte was, aber der gelehrte Kram könne ihm geſtohlen werden. Ja, das
sagte er. Che er ſo eine ſteifleinene Perſon in's Haus nähme, sagte er, wolle
er mich lieber nach Paderborn zu den Nonnen in die Schule bringen. Ha! ha!
! eine steifleinene Perſon! Wie wird Papa sich wundern, tg! Y Gs
ommt !- (Fortſ. f.