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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0023

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

für Stad!



N Inseraten -Inhalt der Annoncen-Exhedi-
§ . t G Bs R C sn V
+ München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.



„Js. 6.

| Bestellungen auf den Pfälzer Boten für das mit dem
1. Jan. 1871 begonnene neue Quartal werden von allen Poſt-
anstalten und Landpoſtboten noch fortwährend angenommen.

* Wer ist consequent?

„Der Wahlkampf beginnt,“ ruft die Badiſche Correſpon-
denz pathetiſch aus und wenn er auch noch nicht begonnen, so hat
si e wenigstens ihre Angriffe auf die kath. Volkspartei wieder begon-
nen, und zwar in möglichſt erbärmlicher Art. Um ihre Leute zu
empfehlen und die etwas abgelagerte Waare beſſer an den Mann
zu bringen, preiſt sie die alten Offenburger Ladenhüter in ächt markt-
ſchreieriſcher Weite auf Kosten ihrer Gegner. Der kath Volkspartei
wird alſo von neuem der Krieg erklärt, indem man sie mit den
widersſinnigſten Vorwürfen überhäuft. Da werden die „Ultramon-
tanen" die bisherigen Feinde der Einigung Deutſchlands unter Preu-
ßens Führung genannt und ihren vorgeworfen, daß sie bisher Alles
gegen den norddeutſchen Bund in Bewegung gesetzt hätten, um die-
ſem Schaden zuzufügen. Gewiß, an worten wir, ganz richtig; wir
waren Preußens Feinde, so lange die Möglichkeit vorlag, daß ein
beſſeres Band der Einigung die deutſchen Stämme umſchlinge, als
der preußiſche Nordbund, ſo lange wir also hoffen durften, daß ein
wahrhaft föderatives Band g a n z Deuiſchland verbinde. Wir können
auch heute noch nicht so wenig wie vor dem Kriege uns mit der
preußiſchen Politik der Vergangenheit befreunden und das in Recht
umkehren, was uns ſtets als höchſtes Unrecht erſchienen iſt. Die
Politik, wie sie sich von 17401866 darſtelt, mögen Andkre lob-
preiſen, wir verwerfen sie heute noch und werden sie niemals zu
rechifertigen vermögen. Der Raub Schlesiens, das Hereinziehen der
Franzoſen gegen Desterreich, wodurch man dieses zu demſelben Ver-



. fahren verleitete, das ſchmähliche Imſtichlaſſen Deutſchlands durch

den Basler Frieden, der Mangel des Worthaltens gegcnüber den
Verſprechuungen, die man dem deuiſchen Volke beim Beginne der
Freiheitatrirege gemacht hatte, das Widerſtreben gegen alle die Ge-
meiuſamkeit umfaſſenden Vorſchtäge im Bundestage, wodurch diese
Behörde das unbchüifliche Werkzeug geworden iſt, über welches man
dann hintennach in Berlin sich beklagte, die Politik gegenüber den
Schleswig Holſteiniſchen Herzogthümern und endlich das Jahr 1866,
das wir nur nennen wollen, ohne weiter darauf einzugehen, um
kaum vernarbte Wunden nicht nochmals aufzureißen, – das alles
sind Dinge, über welche unſere Denkungswerise in einem Preußen
nachtheilgen Sinne vollkkommen die gleiche ſein und bleiben wird.
In ihrem Räsonnement fährt nun aber die Bad. Correſpondenz
dahin fort, daß ne zugibt, die Uuramontanen hätten ſich jetzt freilich

î Samſtag den 14. Januar



1871.



auf den Boden der Reichsverfaſſung gestellt und würden ſich nicht
gegen den Bestand des Reiches verſchwören; aber es frage sich hier,
ob diejenigen die besſeren Freunde des neuen Deutſchlands ſeien,
welche längst schon für den Nordbund geſchwärmt hätten, oder die-
jenigen, welche nach langen Kämpfen demſelben beiträten, eine Frage,
die natürlich zu Gunsten der Partei der Offenburger beantwortet
wird. Wir entgegnen darauf: Freunde des Nordbunds waren wir
freilich nie und würden heute noch seine erbitteriſten Feinde ſein,
wenn er weiter fortexiſtiren wollle, – wir sind die Parteigänger
Deutſch lan ds, und da die Form, die wir wunſchten, nicht mehr
zu ermöglichen iſt, nehmen wir mit Selbſtverläugnung die minder

gute an, die durch die jetzige Verſöhnungspolitik Preußens gegen

Oesterreich uns täglich besſſer gefällt und auch unſeren vollständigen
Frieden mik? Preußen zur Folge haben muß. Die Herren National-
liberalen aber, die der Bad. Correſpondenz ihren Geiſt einhauchen,
waren stets nur Patrioten in sehr beſchränktem Maße, nicht Deutſch-
land war es, das ihnen als Ganzes am Herzen lag, ſondern ledig-
lich Pre u ß en und wenn ſsie, tie hier geſchieht, ihre Anhänglich-
keit an den Norddeutschen Bund betonen, so haben ſsie voll-
ſtändig Recht ſowie auch darin, daß wir keine Freunde desſelben
hätten ſein wollen. Den Norddeu tſch e Bun d für Offenburg,
– das Reich für uns, so steht die Parthie, und wenn die Herren
ſich dagegen auflehnen, so schlagen wir sie gerade durch den Vor-
wurf, den sie uns machen wollen, wenn sie sagen: es sei eine In-
conſcquenz, daß während wir das Band des Norddeutſchen Bundes
ſiets zu straff befunden hätten, wir das Band des Reiches jetzt als
viel zu schlaff erachteten, im Gegensatz zu den Nationalliberalen, die
noch den letzen Reſt des eigenen Lebens der Einzelstaaten retten
wollien – natürlich nur zum Zweck der Gesetz macherei von Wolken-
kutuksheim. Wir fragen aber die Herren, ob es ein Widerſpruch
iſt, zu ſagen : die bisher von uns in ihrem reichen Sonderleben ge-
schütten Einzelſtaaten haben jetzt gar keine Lebensfähigkeit mehr in
sich, nachdem sie alles von Bedeutung an das Reich abgegeben haben,
wäre es also nicht viel beſſer und namentlich viel, viel wohlfeiler,
wenn man sie g anz im Reiche aufgehen ließe? Wir, meine Herren,
sind conſequent, denen Ihr Jnconſequenz vorgeworfen habt ; denn
wir sagen: Ant Caesar aut nihil d. h. zu Deutſch entweder Alles
für die Einzelſtaaten oder nichts. „Sint ut sunt aut non sint“,
sagte einmal der Jeſuitengeneral über seinen Orden im vorigen Jahr-
hundert d. h. auf die Einzelſtaaten angewendet: sie sollen entweder
bleiben wie sie sind in ihrer vollen Unabhängigkeit oder sie ſollen
aufhören zu sein. Hat der Herr Verfaſſer in der Bad. Correſpon-
denz Luſt, Froſchleichen zu galvanisiren, so mag er dieses thun und



Wer hat das gethan?
(Eine Heſchichte aus dem Lehen.)
(Fortſegung.)

„Na, guten Abend! I< bin auch froh darüber, entgegnete eine kräftige
Männerſtimme. Wie steht's? Haſt du deine Sachen in Ordnung, kteine Hexe ?
Wie geht's. der Kleinen ?“

z dann meine F au ? Stöhnt und klagt sie noch wie immer ?!
„Stöhnen und klagen? ! Gott bewahre! Sie singt und tanzt."
„Meine Frau ? !‘

„Ja, Ihre Frau. Seit die Gouvernante da ist, iſt die Krankheit und, die-
Trübſeligkent weg. Wenn die Kinder ihren Willen kriegen, wissen Sie wohl,.
dann weinen sie nicht.“

„Was iſt denn für eine Sorte von Frauenzimmer, die Gouvernante ?"

yJRa ! entgegncte sie mit ihrem ſc.ärfſtem Tone: ich ſage nichts, Sie wer: |

den sie ja ſelbſt ſehen. Ein Püppchen, wie von Zucker! Sie hätten. das Las-
mento hören ſollen an dem Abende, als sie ankam. Herr Leonhard hätte! dem
Heinrich beinahe den Kopf abgerissen, ſo zornig war er, daß die hohe Dame
nicht t einem Vierſpännert geholt war, statt mit dem Jagdwagen, wie Sie
befohlen hatten.“ ;
„So ? ! Ra, ich werde ihm zeigen, wer hier im. Hauſe. zu befehlen hat."
„. ollen Sie nach, Oben gchen ?“ [31
. nvNein, ich will erſt veſpern. Bring’ mir etwas in die Eßſtube. Was haſt
du Gutes ? Ich bin verteufelt hungrig und durstig,“

Hermine hörte nichts writer, denn die Sprechenden entfernten sich von der
Hausflur. Sie blieb noch: eine Weile zögernd. stehen. Herrn Heiders Ankunfſt-
und dieß.Geſpräch hatte sie ſo unangenehm berührt, daß sie ſich erſt ein: wenig
sammeln mußte,. um mit einem ruhigen Gesichte zu Frau Heider eintreten zu
können. Sie begriff Liſettens gehäſſs'ge Gesinnung gegen ſie nicht. Wäre sie eine
äitere, anſpruchsvollere Person geweſen, die vielléicht Neigung gezeigt hätte,

dev Haushälterin die Alleinherrſchaft streitig zu machen], so ließe ſich Liſettens|)
Unireundlichkeit erklären. Aber Hermine beſchränkte sich ja nur darauf, Anna |

zu unterrichten, und hatte noch nicht einmal gewagt., die Küche zu. betreten,
viel weniger ſich in Liſettens Geſchäfte zu miſchen. i
1



Sie hätte vielleicht noch lange vergebens über die Erklärung dieſes Räth-
sels gesonnen, wenn nicht die kleine Anna aus dem Zimmer gekommen wäre,
nm zu sehen, wo ihre liebe Hermine ſo lange bleibe.

Als Hermine ins Zimmer trat, fand sie Leonhard wie gewöhnlich neben
dem Sopha sitzen, auf welchem seine Mutter mehr lag als saß. Vor ihm lag
ein Buch. –~ „Ich bin heute pünktlicher als Sie, rief er ihr mit heiterem Tone
entgegen. Sie ſind gar nicht neugierig, ob Jane Cyre und Lord Rocheſter
sith heirathen werden." '

„„Was gibt es, Kind ? fiel Frau Heider auf ihre fieberhaft ängſtliche

| Weise ein; du biſt nicht wie sonst, ist dir etwas begegnet.! ~ Hermine wußte
| selbſt nicht, weßhalb sie ſo beklommen entgegnete :

Herr Heider iſt angekom-
men." – Mutter und Sohn fuhren empor, beide waren blaß geworden bei
der Nachricht. Leonhards Hand hatte unwillkürlich das Buch weit weggeſchoben,
als wenn er sagen wollte: „Nun iſt es vorbei mit dem Leſen !“

„Papa iſt angekommen? rief Anna; wo ist er denn ?“

„In. der Eßſtube mit Liſette", entgegnete ſie. – Leonhard zuckte bei dem
Worte „mit Liſetter zuſammen und sah ſie mit großen Augen an. Die Span-
nung in seinen Zügen verlor sich indeß, als sie hinzuſeßte: „Ich hörte
den Herrn Heider. sagen, Liſette möge ihm sein Veſperbrod in' die Eßſtube
bringen..’ it ; j

m. war fortgelaufen, um den Papa zu begrüßen. Frau Heider erhob
sich ebenfals und sagte mit unruhigem Blick und wechſelnder Farbe : „Jch will

inunter gehen.“ ;
h r q doch Mutter!! rief Leonhard mit faſt entrüſtetem Tone. Er wird
ja hierher kommen.“ §

Sie setzte ſich wieder, aber ſo, als ſei sie in jedem Augenblicke bereit auf-
znſpringen. Ihr Blick hing unverwandt an der Thür und ihr Athem ging hör-
bar bei der allgemeinen Stille, die im Z mmer herrſchte. Hermine hatte einige
Male versucht, den Bann des unbehaglichen Schweigens zu brechen; aber es
gelang nicht, ſie bekam nur einſilbige Antworten von Mutter und Sehn.
(Fortſeßung folgt.) '


 
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