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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0557

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Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienſtag, Donnerſtag
und Samſftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.

für Stadt





T a g e s b e r i < t.
Am Montag d. 27. d. –~ während noch versammeltem Reichs-

tage + wurde der Landtag der preußiſchen Monarchie von dem |

Könige mit einer umfangreichen Thronrede eröffnet, welche uns das
Programm der künftigen liberalen Regierungspolitik bezüglich auf
Kirche und Schule zu enthalten scheint, wovon die Zeitungen schon
längere Zeit gefprochen haben. Folgendes sind die betr. Stellen
der Thronrede, wie solche der Telegraph dem W. B. übermittelt
hat: „Gegenüber den Bewegungen , welche auf dem Gebiete der
Kirche stattgefunden haben, hält Meine Regierung daran fest, der
Staatsgewalt ihre volle Selbſtſtändigkeit in Bezug auf die Hand-
habung des Rechts und der bürgerlichen Ordnung zu wahren, und
zugleich neben der berechtigten Selbstſtändigkeit der Kirchen und
Religionsgeſel.ſchaften die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Ein-
zelnen zu ſchüßen. Behufs verfaſſungsmäßiger Durchführung dieser
Grundsätze werden Ihnen besondere Vorlagen zugehen, welche die
Eheſchliekung, die Regelung der Civilſtandsverhältniſſe und die
rechtlichen Wirkungen des Austritts aus der Kirche zum Gegenstande
haben. Einen Geſetzentwurf, betresfend die Aufbringung der Syno-
dalkoſten, empfehle ich Ihrer Aufmerkſamkeit um so mehr, als der
Staat der evangeliſchen Kirche noch immer die Ausführung des Art.
15 der Verfaſſungsurkunde, verbunden mit den dazu nöthigen Ein-
richtungen, schuldet, und dieses Geseß nur eine nothwendige Vor-
bedingung dazu iſt. Auf dem Gebiete des öffentlichen Unterrichts

wird die Verwendung sehr beträchtlicher Mittel in Anſpruch genom-

men, um viele bisher zurückgeſtelle Bedürfniſſe nunmehr zu befrie-
digen. Die von der Verfaſſungsurkunde geforderte Vorlage eines
allgemeinen Unierrichtsgeseßes wird auch in dieſer Session erneuert
werden, nachdem die bei den früheren Berathungen ſtattgehabten
Erwägungen und die Erfahrungen der letzten Jahre bei der Reviſion
des Entwurfs eingehende Berückſichtigung gefunden haben. Ein
Spezialgeſeß über die Beaufsichtigung der Schulen bezweckt die be-
tus Abhilfe eines als vorzugsweise dringend bezeichneten
edürfniſſes.“

~ Nach einem Berliner Telegramm vom 25. d. hat an dem
genannten Tage der Kaiſer den Fürſten Hohenlohe, die Minister v.
Pfretzſchner und v. Lutz, und bayr. Reichstagsmitglieder zur Tafel
geladen. Die Depeſche erwähnt nicht die Namen der bayer. Abge-
ordneten, denen dieſe Ehre zu Theil geworden iſt.

~ Das neue öſterreichiſche Miniſterium hat kein Programm
veröffentlicht, dagegen empfiehlt es sich in der Wiener Ztg. mit all-
gemeinen Redensarten, welche das Syſtem ausdrücken, nach welchem
das neuveſre Experiment im Sinne der Dezembriſten durchgefürt wer-



Donnerstag den 30. November



Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

i tionen von Rud. Mosse, Haasensteind
und Land 0 Vogler & G. L. Daube & Cie. in

Vküinchen, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.



den will. Den Staatsgrundgeseten soll auf allen Gebieten die ge-
bührende Achtung gesichert, ferner sollen die staatlichen Institutionen
dem wahren Geiſte der Verfaſſung gemäß fortgebildet werden, allen

o



Volksstämmen will man den gleichen unparteiischen Schut, die gleiche
liebevolle Pflege znwenden, die Verwaltung mit feſter Hand führen,
für die Hebung der materiellen Lage des Reiches sowie für die volks-
wirthschaftlichen Interreſſen wirksam ſorgen. Ein kaiſerliches Patent
vom 25. Nov. ſpricht die Auflöſung der Landtage von Oberöſterreich,
Krain, Bukowina, Mähren und Voralberg aus, ordnet sofortige
Neuwahlen an und beruft die neugewählten Landtage auf den 18.
December.

D Dem Ministerium ist ferner Profeſſor Unger als Minister
ohne Portefeuille zugetheilt. Der Reichsrath soll am 21. December
uſammentreten.
| ~ Graf Beuſt befindet sich auf der Reiſe nach London zur
Uebernahme des öſterreich-ungar. Geſandtenpoſtens daselbst.

~ Das italieniſche Parlament wurde in Rom, gleichzeitig
mit dem preußiſchen Landtage, ebenfalls am Montag 27., vom König-
Ehrenmann mit einer Thronrede eröffnet, auf welche wir zurück-
kommen werden.

~ Möglicherweise kann jeden Angenblick die Nachricht von der
Abreise des hl. Vaters aus Rom eintreffen. Da die Brutaliſirung
der Kirche, ihres Oberhauptes und der Katholiken des Erdkreiſes in
dieſen Tagen zu Rom ihren höchſten Gipfel erreicht, dünkt uns die-
ſes ſehr wahrscheinlich ~ um ſo mehr, weil man durch Jules Favre
weiß, daß Pius IX. die Absicht, Asyl in Frankreich zu nehmen,
schon vor einigen Monaten, und jüngst wieder, gegenüber den fran-
zöſiſchen Staatsmännern habe kundgeben laſſen. Eine Depeſche vom
27. d. aus Rom meldet: Wie die Zeitung „Fanfulla“ zu berichten
weiß, hat der hl. Vater in Folge der von ſämmtlichen hiesigen geiſt-
lichen Corporationen an ihn geſtelllen Bitte dem Vorhaben entſagt,
den Vatikan und die Stadt zu verlaſſen. Von der Correſp. Havas
wird die Richtigkeit des ersten Theils dieſer Angabe bestritten; das
Vorhaben exiſtirt aber unläugbar. Dieselbe „JFanfulla“ glaubt zu
wissen, daß die päpstlichen Bullen über die Regelung des Conclave
abgeändert worden seien, um die künftige Ernennung eines neuen
Papstes zu beschleunigen. Den Grund zu dieſer Maßregel ſoll die
Beſorgniß einer Cinmiſchung seitens der Mächte gegeben haben, welche
ein Ausjſchließungsrecht besitzen. :

~ Die letzte Meldung aus Brüſſel lautet, daß de Decker ein
Entlaſſungsgeſuch eingereicht habe, welches angenommen ſei.





j Bierzigtanſend Thalker.
ortſezung.
_ HBetreten antwortete die MajG u eur. Klärchen, dieſe Empfindlichkeit
iſt zu weit getrieben, ich habe Dich nicht im Verdachte gehabt, ich fragte Dich
nur, ob Du vielleicht von meiner guten Schwägerin ein Geſchenk erhalten ~"
erwiederte die Majorin.

yBrerzigtauſend Thaler,“ rief Klärchen bebend vor innerer Erregung,
„ein solches Geſchenk war mir in keinem Falle zugedacht, denn meine Tante
hat nie vergeſſen, wem ſie ihr Vermögen zu danken hatte. Ihre Frage, Frau
Majorin, ſchloß einen Verdacht in ſich und ich kann dieſelbe nicht vergeſſen.“

„Aber doch verzeihen, Klärchen ?“ f

_ nAuch das nicht, Frau Majorin, wenigstens nicht ſo, daß ich bei Ihnen
bleiben, oder etwas von Ihnen annehmen könnte. Ich werd. mich reisefertig
gt Ves uſr r zl hz rung w: let pr u crGch
as Zimmer.

_Die Majorin wandte ſich geärgert zu Arwied und sagte: „Das thörichte
Mädchen treibt die Empfindlichkeit zu weit, ich habe keinen Verdacht ausge-
ſprochen und mich wegen der ſehr natürlichen, vom Superintendent angeregten
Irage , meiner Ansicht nach, genug entſchuldigt. Mag Klärchen gehen, wohin
es ihr beliebt, ſie wird es nirgends beſſer haben, als bei mir. Doch müssen
wir ihr ein Kapital geben, denn das war der Wille der Seligen."

„Sie wird es nicht nehmen, jedenfalls nicht ſobald. Laſſen wir das
Mädchen jett nach dem eigenen Sinn hapzeln. ſie hat bei Gott nicht Unrecht
und ihr Benehmen ſcheint mir nicht tadelnswerth, ſondern achtbar. Klärchen
hot Charakter und vergißt nicht, was ſie ſich ſelbſt ſchuldig iſt.'

Noch an demſelben Tage- erhielt Klärchen einen Brief aus dem Orte, wo
ihre Mutter begraben war. Der Pfarrer ſchrieb ihr, daß er einen paſſenden
Plat für sie gesunden habe, bei der guten kränkelnden Gutsfrau, welche einer
Pflegerin, wie Klärchen, bedürfe und |ie herzlich wilkommeu heißen würde.
Die Waiſe war raſch entſchloſſen. Ohne ſich zu bedenken, theilte sie der Ma-
jorin mit, daß sie am nächſten Morgen um zehn Uhr mit der Poſt abreisen
würde, um von D. aus mit dem Schnellzuge nach Waldenau zu fahren.

Die Majorin sagte Klärchen einige freundliche Worte, wagte aber nicht,
dem Mädchen ein Geſchenk anzubieten, denn sie bemerkte, daß sich das Mädchen
noch immer ſehr beleidigt fühlte. . run Lag g

Als Klärchen mit schmerzlichen, bitteren Gefühlen das Haus verließ, in
dem sie drei friedliche Jahre verlebt hatte, um zuletzt die herbſte Kränkung
zu erfahren, ſeufzte sie tief auf. Thränen ſchimmerten in ihren Augen, aber
sie faßte sich, als Doktor Waldau auf sie zutra.. ; ;
vu GC! El gj. Lulu humans. He L5§ frtatrst?. !?
und Ihnen das letzte Lebewohl sagen bis auf Wiedersehen.

H ties wird vielleicht nie, wenigstens sobald nicht stattfinden, Herr
oktor.'G

„Geben Sie mir doch den Arm, wer kann in die Zukunft ſehen ? Jedenfalls
bitte ich um die Erlaubniß, mich Ihren Freund nennen zu dürfen, auch
müssen Sie mir versprechen, daß Sie, wenn Sie jemals eines th ätigen Freun-
des bedürfen, ſich an Niemanden andern wenden, als an mich."

„Ein junges Mädchen an einen jungen Mann? Das würde sich nicht
schicken, Herr Dokter, obgleich ich, ihrer Ansicht nach, zu gering bin, als daß
jemand glauben könnte, ich –"

„Thorheit, Fräulein, es isl mir niemals in den Sinn gekommen, Sie für
etwas anderes zu halten, als für eine junge achtungswerthe Dame, übrigens
werde ich bald verheirathet ſein und alſo können Sie mir, oder, wenn Sie
wollen, meiner Frau ſchreiben. Zürnen Sie nicht mir, wenn Sie wirklich
immer noch meiner Mutter grollen, welche beſtürmt vom Superintendent, eine,
ich gestehe es, kränkende Frage ohne Ueberlegung that Der beste Menſch kann
sich wohl einmal übereilen, mit der Zeit werden Sie das einſehen, alſo keinen
Groll gegen mich, liebes Klärchen.“

Arwied sprach dieſe Worte mit so vieler Jnnigkeit, daß Klärchen ihre
finstere Miene nicht festzuhalten vermochte. Erröthend blickte sie zu ihm auf
und hätte Miß Arabella den Blick geſehen, mit welchem ihr Verlobter in die-
sem Momente das Mädchen betrachtete, sie würde wohl eifersüchtige Regungen
empfunden haben. Vielleicht nicht ganz ohne Grund.

Der Poſtwagen stand schon angeſpannt vor der Thür des Poſthauſes,
Arwied half Klärchen einsteigen, drückte ihr herzlich die Hand, fühlte ihren
leiſen Gegendruck und rief ihr zu: „Viel Glück und auf Wiedersehen."

Dann ging er, langſam in Gedanken verſunken, nach dem Friedhofe, das
Grab seiner Tante zu beſuchen.

(Fortsetzung folgt.)


 
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