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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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Deutschland.

* Heidelberg, 9. Febr. So wäre alſo G ambet ta von der
Dictatur Frankreichs abgetreten und mit seinem Rücktritt gilt der
Abschluß des Friedens in kurzer Friſt für gesichert. Anstrengungen
rieſenhafter, aber auch wahnsinniger Art werden mit Gambetta's
Demission begraben, – sie haben Frankreich vollends dem Ruine
entgegengetrieben. Hätte man nach der Cataſtrophe von Sedan dem
ergrauten Staatsmann Thiers gefolgt, – Frankreich wäre so na-
menlos unglücklich nicht geworden, wie es jett der Fall iſt. Und
gleichwohl muß Gambetta als Charak ter unsere Achtung erhal-
ten. „Alls verloren, nur die Ehre nicht,“ kann er heute mit dem
gefeiertſten Ritter des alten Frankreichs ausrufen. Aber mit dem
Sturze Gambetta’'s kommt nicht blos der Friede, er iſt auch gleich-
bedeutend mit dem Ende der Republik; denn wie diese sich in Frank-
reich jeweils in Perſönlichkeiten verkörpert hat, so iſt dies auch dies-
mal wieder der Fall, wo die Republik eine Uhr darstellt, die von
Gambetta aufgezogen wird, ~ sie wird bald abgelaufen sein und
Gambetta hat den Uhrsſchlüssel verloren.

* Heidelberg, 9. Febr. Wenn die „Tauber“ an den „Eigen-
thümlichkeiten und Sondereinrichtungeu unseres Landes“ feſthalten
will, so begreifen wir das von dem nationalliberalen Standpunkte
aus, welchen das genannte Blatt einnimmmt ; dagegen wird das-
ſelbe es ebenso begreiflich finden, daß w ir von dem Standpuntte
der kath. Volkspartei aus durchaus kein Intereſſe an der Aufrecht-
haltung der genannten „Eigenthümlichkeiten“ haben können, die wir
seit Jahren mit Nachdruck bekämpfen. Vom ,Preußiſchwerden“ kanu
dabei gar keine Rede sein; denn gerade Diejenigen begünſtigen die
Alleinherrſchaft des Preußenthums, welcbe Preußen mit seiner er-
drückenden Machtfülle neben den nichtsbedeutenden Kleinſtaaten als
besonderen dominirenden Staat forterhalten wollen. Sind doch. die
kleinen Staaten dann nichts als Kometlenſchweife, die hin- und her-
gezogen werden am preußiſchen Staatskarren ganz nach Belieben.

Es iſt alſo nur Täuſchung, wenn man meint, die kleinſtaatliche Son-

derexiſtenz sei in der That noch eine solche, man nimmt da einfach
den Schein für das Wesen, was nicht Jedermanns, am wenigsten
unſere Liebhaberei iſt. Dagegen würde das völlige Aufhören aller
Kleinſtaaten zugleich auch das Ende des Preußenthums bedeuten,
und Germania einzig und allein würde in ihre Rechte eintreten.
Dabei wollen wir der „Tauber“ es überlassen, sich das Rechenexempel
ſelbſt zu lösen, wie viel billiger das Volk bei einer einzigen Staats-
maſchine davon käme, als bei mehr denn zwei Dutzend? Mag ſeine
„Eigenthümlichkeiten“ behalten wer Luſt hat, ~ wir haben keinen



Samstag den 11. Februar



Inseraten = Inhalt der Annoncen-Expedi-

i tionen von Rud. Mosse, Haasenstein d&
und Land o Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.





' cheinen, daß die früher vielberühmten cisoceaniſchen badiſchen Ein-

richtungen im großen deutschen Staatskörper künftig nur noch als
„Eigenthümlichkeiten“ ~ ein fataler Namen fortexistiren sollen!

+ Von der Bergſtraße. Die Nachricht von der Capitulation
von Paris hat auch in Dossenheim eine lebhafte Kundgebung her-
vorgerufen. Der Gemeinderath ließ auf den nahen Bergen am
Abend ein Freudenfeuer anzünden und die Böller über Berg und
Thal hinkrachen. Der kathol. Männer- und Geſangverein durchzog,
patriotiſche Lieder singend, die Straßen des Dorfes, das Bildniß des
deutſchen Kaiſers in seiner Mitte tragend. Nachher begab man ſich
in das Vereinslokal, um bei einem Glase Bier oder Wein einige
Stunden fröhlich zu verbringen und des welthiſtoriſchen Ereignisses
sich zu erfreuen. Nach den Katholiken hielt die protestantiſche Ge-
meinde mit ihrem Seelſorger und den Kirchengemeinderäthen an der
Spitze ihren Umzug, wo am Rathhauſe Pfarrer Plitt das Lied:
„Eine feſte Burg iſt unser Gott“ anstimmen ließ. Die Katholiken
hatten nicht ſobald den Zug ihrer protestantischen Mitbürger kommen
sehen, als sie diesen und ihrem Pfarrer ein lebhaftes Hoch ausbrach-
ten. Bei dieſer Gelegenheit fiel der Unterſchied zwischen der katho-
liſchen und der protestantiſchen Kundgebung nur dadurch auf, daß
die Feierlichkeit der Katholiken ein ausschließlich politi ſ< e s Ge-
präge trug, während Herr Plitt, wie das citirte Lied ſchon beweist,
der seinigen einen vorwiegend kirchlichen, und zwar confessionellen
Anstrich geben zu müssen glaubte. Hierin hat er sicherlich das Rich-
tige nicht getroffen, da die deutſchen Siege nicht blos den Protestan-
ten, sondern ebenſo gut den Katholiken gehören.

X. Hockenheim. Jüngst haben hier die Wahlen zum Gemeinde-
rath stattgefunden. Unter acht Gemeinderäthen, die zu wählen waren,
hatten die Katholiken im Verein mit einer Anzahl gutgesinnter prote-
ſtantiſcher Mitbürger entſprechend der confessionellen Parität je vier
Candidaten katholiſcher und evangeliſcher Confeſſion aufgestellt und
dieſem Programm gemäß sind denn auch die Wahlen ausgefallen.
Ehre dieſen wackern Bürgern Hockenheims, die durch solche Wahl ge-
zeigt haben, daß sie gewillt sind, die confessionelle Gleichberechtigung
auf dem Rathhaus einmal durchzuführen und in Zukunft zu hand-
haben! Wahrlich nur auf dem Wege der Nichtbevorzugung einer
der beſtehenden Confessionen, den diese braven Wähler eingeſchlagen
haben, kann die Himmelsgabe süßen Friedens und holder Eintracht
in Gemeinden und Staaten gedeihen! Schmachvoll aber haben bei dieser
Wahl diejenigen Proteſtanten, namentlich des obern Dorfes gehandelt,
welche mit dem Loſungs wort: „Herunter muß das katholiſche Lum-
penzeug vollends vom Rathhaus“"“, in der paritätiſchen Gemeinde
Hockenheim nicht weniger als acht proteſtantiſche Gemeinderäthe zum



Geschmack daran und es will uns ohnehin als sehr bezeichnend er-

Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortseyung.)

„Ich werde ſie nie verlassen, ſchluchzte Hermine. Aber ſprechen Sie nicht
ſo Mutter ; Sie gehen nicht von uns, von Ihren Kindern !“

Die Kranke lächelte reſignirt und sagte : „Du weißt es, daß ich gehe und
dir danke ich es, daß ich mit Ruhe scheiden kann. Du biſt mein guter Engel
gewesen, Hermine, du haſt meine letzten Tage zu den glücklichſten meines Le-
bens gemacht, du wirſt aue) der gute Engel meiner Kinder sein. Leonhard
wirſt du gewiß nicht verlaſſen, das weiß ich, nicht in Noth und Tod; . .. .
verlaſſe auch meine kleine Anna nicht. Nehmt das Kind zu Euch, wenn ihr
Eure eigene Heimath habt. Willst du mir das verſprechen ?“

_ Hermine konnte vor Thränen nicht ſprechen, sie küßte nur stumm die durch-
sichtige Hand der Kranken, die nach einer Pauſe von Neuem begann : „Wo ist
Leonhard ? Er bleibt so lange heute !“

„Er kommt, Mutter, er ist ſchon auf der Treppe.“

Die kranke Mutter grüßte den eben in das Zimmer tretenden Leonhard
mit den Augen und wandte sich alsdann wieder zu Hermine. „Ich kann dir
nicht vergelten, was du an mir gethan hast ; aber mein Sohn wird die Schuld
einer Mutter abtragen. ~ Leonhard, du wirſt nie vergessen, daß der Segen
einer Sterbenden auf ihr ruht. Gott ſchenke Euch alles Glück, Ihr geliebten
Kinder, das er mir verſagt hat! — Und nun fuhr sie ſchwächer fort, nun
singe mich auch dies Mal, das letzte Mal in Schlummer, liebe Hermine; laß
mich einschlafen unter Melodieen. Singe mir das Lied :

„Es ist bestimmt in Gottes Rath,
Daß man vom Liebsten, was man hat,
Muß ſcheiden :

Hermine drängte ihre Thränen zurück und ſang. Die Kranke, das Haupt
an die Bruſt ihres Sohnes gelegt, horchte mit vertlärtem Blicke, als hörte sie
Himmelsmelodieen. Sie athmete leiſer und immer leiſer und gerade als Her-
mine die Worte sang :

Veber allen Gipfeln iſt Ruh’,
In allen Wipfeln spürest Du

| Du mußt mich verabſcheuen !



Nicht einen Hauch.
Die Vöglein ſchweigen im Walde,
Warte nur, warte nur, balde
Ruhesſt Du auch,
da winkte ihr Leonhard, aufzuhören. Sie war zur ewigen Ruhe eingegangen.

Er hatte die Todte sanft in die Kissen zurückgelehnt und beugte sich vor,
ihr die gebrochenen Augen zu ſchließgen. Hermine stand an der andern Seite
des Sessels, mit Schaudern der Ehrfurcht das bleiche, ſanfte Antlitz betrachtend ;
da hörte man den polternden Tritt des Hausherrn auf der Treppe. Er öff-
nete die Zimmerthür weit auf und rief ſchon auf der Schwell?:: „Na, Frau
wie geht's ?!

Pts erhob das von Thränen überströmte Gesicht zu ihm empor und
winkte abwehrend. ,

Schläft sie ?" rief er mit gedämpfter Stimme und kam, so leiſe es ging,
einige Schritte näher.

Betroffen, daß er keine Antwort erhielt, beugte er den Kopf vor, um
das Gesicht ſeiner Frau zu sehen und plötzlich stieß er einen furchtbaren Schrei
aus und wurde aſchenbleich. Das Kind, das mit ihm hereingetreten war, ſah
ihn an und stürzte mit einem Jammergeſchrei, das im ganzen Haus wieder-
hallte, auf die Mutter zu. Einen Augenblick stand der von ſseinem Gewissen
geſchlagene Mann an allen Gliedern zitternd ; dann wandte er sich und stürzte
aus dem Zimmer. j

jg w nach, Leonhard, bat Hermine ängstlich, die vergebens das jam-
mernde Kind zu beschwichtigen ſuchte ; er thut sich ein Leid an!“ ;

Der junge Mann eilte hinaus. „Wo iſt mein Vater ?“ fragte er Heinrich,
der ihm auf der Treppe entgegenkam.

(„Ich weiß nicht, er lief an mir vorbei. Was iſt?
todt ?“ fragte der Bursche entgegen. f

Leonhard antwortete ihm nicht, er rannte die Treppen hinab zu dem
Zimmer des Vaters, das er haſtig aufriß.

„Geh' weg, ich kann dich nicht sehen! rief ihm Heider entgegen. Ich bin
ein Mörder! Ich bin ein elender verworfener Menſch! Ich habe sie getödtet !

Ich bin nicht werth, daß ich lebe !“
(Fortſetzung folgt.)

Ist unſere Madame
 
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