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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0493

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z-.

Fs.
SESIS

für Stadt



rs . '7§.7

T a g e s b e r i < t.

– In der Reichstagssitung vom 19. wurde von dem Abg.
Richter die bereis erwähnte von der Fortſchrittspartei ausgehende Jn-
terpellation bezüglich der Reſervemannſchaflen tc. eingebracht. In
derselben Sitzung wurde die Präsidentenwahl vorgenommen. Gewählt
mit 205 von 212 Stimmen der ſeitherige erſte Präſident Simſon ;
zum erſten Vice-Präſidenten Fürst Hohenlohe mit 197 von 213
Stimmen , zum zweiten Vicepräsidenten W eb er mit 150 von 196
Stimmen. – Es iſt ſomit das Präſidium beſezt mit denselben Per-
sonen wie in der vorigen Session. Das Stimmenverhäliniß zeigt,
daß das Haus noch immer ſchwach besetzt iſt. Anwesend nur etwa
ein Dutzend Abgeordneter über die zur Beſchlußfähigkeit erforderliche
Anzahl. In der Sißung vom folgenden Tage erwiederte der Re-
gierungsvertreter Herr Delbrück aus eine Interpellation des Abg.
Schulze-Delitzſch, betresfend die Stellung des Bundesrathes zum Reichs-
tagsbeſchluß vom 25. April d. J. über Bewilligung von Reiſekoſten
und Diäten an die Reichstagsabgeordneten : Der Bunndesrath habe
die Vorlage dem Aussſchuſſe für das Verfaſſungsweſen überwieſen
und sei nach erfolgter Berichterſtaitung der Geſeßentwurf einſtim-
mig abgelehnt worden. ~ Die wichtige Frage, ob Müller
ob Schulze künftig in den Restaurations-Räumen des Reichstages
herrſchen ſoll, iſt noch offen. Zwölf Bewerber machen sich die Chre
ſtreitig und bis jezt hat Präſident Simson noch keine Entſcheidung
getroſfen. Vorläufig steht das Restaurant noch unbenutzt = ein
ÜUnmſſtand, meint boshaft die „B. B.-Ztg.", welcher den mangelhaften
HBeſuch des Parlaments deutlich erklärt.
t — Vie verlautet, hat der erſte die Münzre fo rm betreffende
Eniwurf im Schooße des Bundesraths vielfache Anfechtungen er-
litten und soll jetzt der ſächsiſche Bevollmächtigte, Herr von Nostiz-
ruh mit ,der Ausarbeitung eines andern Entwurfs betraut
worden ſein.

— Der Köln. V. Ztg. wird per Telegramm aus Berlin vom
21. gemeldet: Ein Kirchenſturm wird in der gegenwärtigen Reichs-
tags - Sesſion nicht ausbleiben; doch wird derselbe nichl durch die
Initiative der Regierung oder des Parlamentes auf die Tagesord-
nung gelangen, ſondern durch offenbar beſtellte Petitioneu von außen.
Bereits iſt eine Petition um Vertreibung der Jeſuiten eingelaufen,
ähnlich wie vor zwei Jahren um Aufhebung der Klöſter petitionirt
tuts welchen Petitionen damals die bekannten Gneiſt'ſchen Anträge
olgten.

— Ueber die „freie Verſammlung evangeliſcher Männer“ in
Berlin, welche am 12. d. ſchlop, wird der A. P. H. aus. der
Reichshauptstadt geſchrieben : Die gewünschte „Einigung der deut-

Eine amerikaniſche Criminalgeſchichte.



(Fortsetzung.)

Stewart Mill fuhr in ſeiner Erzählung fort:

„Ale Widerrede war vergeblich, und Sie werden wissen, welches Zeugniß
Jene geſtern Abend abgegeben haben. Ich habe keine Hoſſnung und ich fühle,
es iſt um mich geſchehen, doch es iſt nicht ſo ſchwer für mich, zu sterben, wenn
ich weiß, daß meine Freunde, meine Eltern und vor Allem Ella Raymond
durch dieſe ſchändliche That nicht leiden, welche ihnen gleichwohl immer eiuen
Schandfleck hinterlaſſen wird."

„Kennen Sie Jules Pierre ?" fragte ich ihn, als er ausgeſprochen hatte.
ict yen jungen Südcaroliner? Ja ! Doch , warum sragen Sie nach

ieſem ?“

Ich that, als wenn ich ſeine Frage nicht hörte.

j Sahten Sie ihn am Morgen der That ?

"ta

„Er ging auf der Straße nach Norden, als ich in die Stadt kam. Ich
sprach mit ihm über den beabſichtigten Ausflug und fragte ihn, ob er jagen
wollte. Er antwortete bejahend. Im Laufe des Geſprächs bemerkte ich noch,
daß er des Oberrichters Raymond Büchſe hatte."

Weiter fragte ich ihn nicht und ich verabſchiedete mich, indem ich ihn er-
munterte, guten Muths zu bleiben, da ich ſehen wolle, was zu thun sei. I<
gab dem Schließer einen Wink und alsbald war die Thür wieder hinter dem
Gefangenen verriegelt.

Des Weges, den ich jett einſchtagen mußte, war ich mir nun bewußt.
ZU Hauſe angekommen ließ ich mir vom Oberrichter Raymond die Büchſe
zeigen, welche er Tags zuvor dem Jules Pierre geliehen hatte. Er gab ſie
mir kopſſchüttelnd und mochte mich wohl für einen ſchnurrigen Character
halten, denn er ſah mich fragend und theilnehmend an, als ich den Lauf und
die Kugel genau betrachtete.

„Du kennst meine Beweggründe, Onkel, sagte ich und gab ihm ſeine
Büchſe zurück. Darauf ging ich zum Criminalrichter, bei dem ich ſchon Tags
zuvor von meinem Onkel eingeführt worden war. Meine Bitte, mir doch die



V. Dienstag den 24. Oktober



Inseraten-Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und ſand. Vogler & G. IL. PNaube & Cios. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.




ſchen Landeskirchen,, iſt um so weniger auch nur um ein Haar weiter
vorwärts gebracht worden, als gerade in der vorletzten Sigung der
„Missionsinspector“ Wangemann, eine unſerer proteſtantiſchen Kir-
chenſäulen, ganz unerwartet mit der sehr ſchroff geſtellten Forderung
einer Trennung der Union hervortrat. Dies konnte den Herren
gar nicht behagen, die ja hier, als geborene Hoftheologen, auf aller-
höchſten Wunſch zuſammen gekommen waren, um als Erbe der
großen Jahre 1870 und 71 die Grundlagen zu einer neuen Reichs-
kirche zu legen. Das Präsidium fertigte deshalb auch dieſen Anirag
ohne Weiteres ab, nachdem der Antragsteller eine große Bewegung
in der Versammlung hervorgerufen. Ebenſo hat auch der „Domherr“
Kahnis (Leipzig) durch ſeinen Widerſtand gegen die von dem Refe-
renten vorgeſchlagene Kirchenvertretung des Reiches dazu beige-
tragen, daß sich alle hochfliegenden Reichskircheupläne in die beſchei-
nene Erklärung auflösten : „Die Verſammlung ſpricht den Wunſch
aus, daß Wege gefunden werden möchten, einen engern Zuſammen-
schluß der evangeliſchen Landeskirchen des deutſchen Reiches, unbe-
ſchadet ihrer confeſsionellen und territorialen Eigenthümlichkeit und
Selbſtändigkeit herbeizuführen ; die Mitglieder dieser Verſammlnng
wouen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Erreichung dieſes
Zieles befördern." Damit wären wir alſo vorläufig vor der gehofften



Reichskirche bewahrt. Diese evangeliſche Verſammlnng iſt auf den
perſönlichen Wunſch des Kaiſers entſtanden, um dnrch eine religiöse
Weihe und Einigung der proteſtantiſchen Kirchen dem paolitiſchen
Einheitswerke die Krone aufzuſegen. Der Graf von Moltke, der zur
allgemeinen Verwunderung sich unter den Einladenden befand, that
dies auf beſondern Wunſch und als Vertreter des Kaiſers. Doch
hat sich hier ſein Feldherrntalent Ösehr ſchlecht bewährt.

~ Die inneren Zuſtände der nunmehrigen deutschen Haupt-
und Reſidenzſtadt Berlin erwecken unaufhörlich Stimmen, welche
dieſelben als höchſt ſchlimm und beſorgnißerregend schildern. Unterm
11. d. wird deßfalls der Köln. V.-Z. neuerdings geſchrieben :

„Das sociale Elend iſt in der Reichshauptstadt in furcht-
barem Wachsthum begriffen. Die Stimmung in den arbeitenden
Klassen iſt gedrückt oder troßig, und Kenner unserer Zuſtände ſehen
mit wahrem Bangen dem Winter entgegen. „Berlin iſt groß, Berlin
iſt Weliſtadt, aber iſt Berlin auch glücklich ?“ fragt F. A. Held in
ſeiner eben erſchienene Brandſchrift: „Enthüllungen über Berliner
Schwindel“, die gar böſe Dinge aufdeckt. – „Seht Euch einmal,
ſagt er, all’ die verbitterten und vergrämten Gesichter an, die Euch
auf den Straßen begegnen, und dann geht erſt nach den armen
Vierteln in die Wohnungen, und ſeht Euch dort das Elend an. Ber-
lin wird Weliſtadt, sagen auch wir, aber leider, ſezen wir hinzu:



aus dem Körper John Rhodes hervorgezogene Kugel zu zeigen, wurde
gewährt. Cine Vergleichung dieser Kugel mit einer anderen welche ich mitge-
bracht hatte, ergab, daß beide daſſelbe Kaliber hatten und in Ciner Form gegossen
zu sein ſchienen. Ich war alſo auf der richtigen Fährte, den Unschuldigen
zu befreien und den Schuldigen der wohlverdienten gerechten Strafe zu über-
liefern.

f Zurückgekehrt, brauchte ich nur den Wunſch zu äußern, den Ort der Mord-
that beſuchen zu wollen, um meinen Onkel zum Mitgehen zu veranlassen.
Zwei muthige Roſſe brachten uns an Ort und Stelle. Mit ängſtlicher Genauig-
keit durchſuchte ich die Localität, entdeckte nicht das Geringste. welches einen
Anhalt für meinen Verdacht bot, und erſchöpft wandte ich mich endlich einem
tu: Bache, der einige Sthritte weiter den Weg durchkreuzte, zu, um zu
trinken.

Da ich nicht gleich eine paſſende Stelle, meinen Durſt zu löſchen, traf,
ging ich am Ufer entlang, bis dahin, wo ſich das klare Waſſer inmitten kleiner
TFelsblöcke, wie ein Waſſerfall en miniature hervordrängte. Indem ich mich
hier zum Trinken niederbückte, ſah ich im Waſſer einen glänzenden, blinkenden
Punkt. Es war eine Diamantnadel, wie sie amerikaniſche Damen häufig
zu tragen pflegen.

War dieß ein Sritt vorwärts zur Löſung des obwaltenden Geheimnisses ?
Ich unterſuchte die Stelle näher : Jußſpuren, klein, aber schon ziemlich verwa-
ſchen, waren am Ufer des Baches. Auf der Bank am Fuße des Baumwollen-
baumes war Moos losgeriſſen und weit umhergeworfen, und an einer Wurzel,
welche weit aus dem Boden herausſtand, entdeckte ich dunkle Flecken, welche bei
näherer Unterſuchung jich als Blutflecken erwieſen. Aus Allem ging hervor,
daß Tags vorher hier Jemand geweſen war. Wäre es möglich, daß dieß der
Baum war, hinter welchem Stewart Mill Jemand versteckt sah ?

Einige Wergreſte, ſowie eigenthümliche Abdrücke im Mooſe ließen mich bald
erkennen, daß hier die Büchſe, deren Kugel gestern den Tod gebracht hatte,
nicht allein geladen, jondern auch ausgewiſcht und gereinigt ward, der besseren
Vorsicht wegen. Was mich betraf, ſo war ich vollſtändig von der Unſchuld
Stewart Mills und der Schuld Jules Pierres überzeugt ; doch bis jezt war

gern





ye W keine völlige Evideuz vorhanden, welche das Gericht hätte überzeugen
ii (Fortsegzungäfolgt). |
 
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