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bei der Expedition von L. Sch weiß dahier gemacht werden.
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wir je ein Freiexemplar gewähren, werden ebenfalls von der Expe-
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dung derselben.
i sv ses zu dem äußerſt billigen Ansat von 2 kr. die 3spaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande
und über deſſen Grenzen hinaus gelesenen Blattes die beſte Verbrei-
tung. Die Expedition.
Deutschland.
* Heidelberg, 3. Apr. In dem Berichte über die Adreßdebatte
im Reichstage in der lezten Nummer unseres Blattes iſt vergeſſen
worden, der Redc des Abg. Völk Erwähnung zu thun; dies ſchadet
indeſſen nichts, da Herr Völk, wie wir aus den Referaten anderer
Blätter ersehen, sich lediglich in den gewöhnlichen Schlagwörtern ge-
gen die „Ultramontanen“ erging, wobei sein abgedroſchener Auch-
katholicismus in den Vordergrund geschoben wurde. Daß er neben-
bei den Abg. v. Savigny, der gar nicht gesprochen und ihn alſo
auch nicht entfernt dazu herausgefordert hatte, mit einem undelikaten
Vergleich mit seinem (Savigny's) Vater beleidigte, gereicht Herrn
Völk keineswegs zur Ehre und stellt ihn auf eine niedrigere Stufe,
als wir ihn zu finden erwartet hatten.
* Heidelberg, 3. April. „Keine Interventionspolitik!“ HMWer
hätte ein ſolches Feldgeschrei aus dem Munde der Nationalliberalen
erwartet, die vor lauter Teutonismus vor kurzem noch sogar die
chineſiſche Mauer in den norddeutſchen Bund aufgenommen hätten,
wenn ſie ihnen zur Hand gewesen wäre. Jetzt aber soll auf ein-
mal Deutſchland sein gewichtiges Wort in der politiſchen Welt nicht
anbringen dürfen, aus Angst, es könnte einmal dem Fürsten Bis-
marck einfallen, in Jtalien ein Wort zu Gunsten des ältesten Thrones
der Welt einzulegen! Eine starke Zumuthung in der That, um
welche sich die kraftvolle Reichsregierung nicht im mindesten kümmern
î_ Donnerstag den 6. April |
Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi
tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Cland. Vogler & G. IL. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart rc.
1871.
wird. Wir wundern uns aber, daß keinem der Redner von unſerer
Fraction es beigefallen iſt, die Nationalliberalen daran zu erinnern,
welches Geſchrei von ihnen ausgegangen ist und wie laut sie die
Intervention Bismarék's verlangten, als die Juden in Rumänien
verfolgt wurden , ganz abgesehen von der engliſchen Presse gleicher
Richtung, die ein ſchreckliches Jammergeschrei wegen der mißhandel-
ten Hebräer anstimmte, wobei jedoch ganz außer Berücksichtigung ge-
laſſen wurde, auf welch’ gründliche und verderbliche Art die Juden
die rumäniſche Bevölkerung ausgeſaugt haben. Also was man für
die Juden eines fremden Landes von der Reichsregierung verlangt,
~ Schuß in Bedrängniß, das betrachtet man als die Zu-
ſtändigkeit des deutschen Reiches überſchreitend, wenn es ſich um
das Oberhaupt eines im Reiche viele Millionen umfassenden Reli-
gionsbekenntnisses handelt! Werden die Katholiken, die in unserem
Oberlande den Freimaurern in die Schlinge gefallen sind, an die-
ſem Beiſpiele nicht zur Erkenntniß der wahren Sachlage kommen?
[] Von der Bergstraße. Wir lasen unlängſt im Bad. Beob.,
im 14. Wahlkreis sei bei Gelegenheit der Reichstagswahlen folgen-
des Stücklein geliefert worden: Zu G., Amts B., habe der Schul-
meister die Kinder in der Schule förmlich mit Herthzetteln bepackt
und sie veranlaßt , sie sollten dieſelben ihren Vätern nach Hauſe
bringen, natürlich, damit sie von Letzteren auf das Rathhaus getragen
würden. Ob der betreffende Schulmeister dafür von Amtswegen ge-
ſtraft oder gar noch belohnt worden iſt, haben wir bis jetzt nicht
in Erfahrung bringen können, so intereſſant es uns wäre, Näheres
darüber zu vernehmen, von wegen des „zweierlei Maaßes und Ge-
wichtes," das dem Hrn. Lindau s. Z. einen Prozeß an den Hals ge-
bracht und welches seitdem so ſprichwörtlich und populär geworden
iſt. Wir erinnern uns nämlich an einen Fall, der zur Zeit des
beginnenden Schulstreites irgendwo im Bauland gespielt, wo ein
Pfarrverweſer in der Schule Exemplare der Broſchüre: „Warnung
vor einer drohenden Gefahr“ an die Kinder in der Schule austheilte
und dafür ohne Gnade und Barmherzigkeit um 25 fl. gestraft wor-
den. Wenn nun das vielbekannte zweierlei Maß und Gewicht, das
in Baden so viel von sich reden macht, nur ein verläumderisſches
Gerede sein soll, so gehört entweder der liberale Schulmeister eben-
falls um 25 fl. gezwickt, oder jenem ultramontanen Pfarrverweser
D jett Pfarrer ~ seine bezahlten 25 fl. wieder herausgegeben ~ für
welchen Fall wir den Herrn auf der Rheinebene freundlichſt ersuchen,
seinen Strafzettel von damals im Pfälzer Boten zum Abdruck zu
bringen, damit man höhern Orts davon gefällige Notiz nehmen und
das suum cuigue practiciren kann.
Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben).
(Fortſetzung.)
nWeßhalb riefen Sie aber keine Hülfe herbei?“ fragte der Präsident.
Hermine war während der Erzählung leichenblaß geworden und hielt sich
kaum auf den Füßen ; sie sah den Präsidenten verwirrt an und sagte leise,
aber bei der Todesſstille im Saale doch bis in die fernſte Ecke vernehmlich :
„I< habe nicht daran gedacht, ich war so entſeßt. Ich war allein mit der
Todten in stiler, dunkler Nacht. I< muß mit den Locken an ihrem Kleide
hängen geblieben sein, denn später haben sich ja daran Haare von mir Vvorg e-
funden : aber ich glaubte, die Hand der Todten habe mich gepackt, ich riß mich
los und stürzte fort, ganz ohne Besinnung, ich weiß nicht, wie ich mein Zim-
mer erreicht habe, ich muß ohnmächtig geworden sein, sobald ich oben war,
denn ich fand mich ſpäter, als ich erwachte, auf der Erde liegen."
„Aber weßhalb haben Sie das nicht gleich gesagt ?“ fragte der Präsident
und Hilmers Augen, die den ihrigen begegneten, thaten dieſelbe Frage.
Hermine fuhr zuſammen und ihr Herz begann angſstvoll zu klopfen. Was
ſoll te sie ſagen ? Jedes Wort weiter könnte Leonhard verrathen.
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Sie ſah mit einem bittenden Kinderblick die Geschwornen an und zitterte
so, daß ihr der Präsident mitleidig sagte, „ſie möge ſich sſeßzen, er wolle sie
jeßt nicht mehr weiter fragen und erſt die Zeugen vernehmen."
„Muth, Fräulein ! flüsterte Hilmer ihr zu. Es wird Alles noch gut wer-
den. Weßhalb aber hatten Sie nicht so viel Vertrauen zu mir, weßhalb ſag-
ten Sie mir nicht, was Sie jetzt dem Präsidenten erzählen ?!
_ Siie konnte ihm nicht antworten, die ſtarke Gemüthsbewegung verursachte
ihr einen Schwindel, der ihr für einige Augenblicke das Bewußtsein raubte.
Als sie wieder im Stande war, zu bemerken, was um sie her vorging, sah sie
Herrn Heider vor den Schranken ſtehen. Sein Gesicht war sehr roth und trug
denselben harten und zornigen Ausdruck, mit dem er ihr zulett gegenüber ge-
ſtanden hatte. Eine viel längere Zeit, als genügt hatte, das Adenken an seine
Frau in ihm zu verlöſchen, hatte nicht hingereicht, ihn milder gegen Liſettens
vermeintliche Mörderin zu stimmen. Hermine sah es mit Schaudern und wie-
der zog ihr der Gedanke krampfhaft das Herz zuſammen, wie an jenem ſchreck-
lichen Morgen die Entdeckung, daß vielleicht in wenigen Augenblicken Vater
und Sohn sich als Todfeinde gegenüber stehen könnten.
Es ist eine bekannte Thatsache, daß viel eher aus Liebe als aus Gleich-
gültigkeit Haß entsteht. Herminens Liebreiz mußte auf Heider ſelbſt einen star-
ken Cindruck gemacht haben, sonst wäre wohl der Groll und die Wuth, die er
bei der Nachricht von ihrer Verlobung mit seinem Sohne empfand, nicht so
maßlos gewesen. Freilich kam hinzu, daß es Leonhard war, den Hermine ihm
vorgezogen hatte, Leonhard, den er gewohnt war, als seinen Gegner, als den
Beſchüter und Vertheidiger seiner Frau, als den Mitbewerber um die Regie-
rung und Verwaltung des Gutes anzuſehen, dessen geistige und moraliſche
Ueberlegenheit ihn peinigte, den er beinahe haßte, weil Leonhard das Recht
hatte, sich über des Vaters Betragen gegen die Kinder zu beklagen. Schwer-
lich würde er bei seinem Charakter sich je mit Hermine ausgeſöhnt haben; eher
durch die Ermordung Liſettens steigerte sich sein Haß gegen sie zu einem
furchtbaren Grade. Dieser Haß fand täglich Nahrung durch die eingetretene
_ Verödung seines Hauſes, die Leere, die er empfand, durch Leonhard's Benehs
men, der seinem Schmerz um Hermine nicht den geringſten Zwang anlegte und
ihre Unschuld unbekümmert um alle Zornausbrüche des Vaters mit der größ-
ten Leidenschaft vertheidigte. j
Das Zeugniß, welches Heider jetzt vor dem Schwurgerichte über Hermine
ablegte, trug das deutliche Gepräge der Rachſucht. Er ſchilderte ſie als die
ärgſte Heuchlerin und Intriguantin , die es gleich anfangs darauf abgelegt
habe, im Hauſe feſten Fuß zu fassen, Leonhard in ihr Net zu ziehen und vor
allen Dingen Lisette zu vertreiben.
„Schon am erſten Abend, sagte er, iſt ſie die Veranlassung zu einem Streite
zwischen meinem Sohne, Liſette und dem Bedienten Heinrich geweſen ! Nach
vierzehn Tagen, als ich von meiner Reiſe zurückkam, hatte sie sich bereits bei
Allen so eingeſchmeichelt, daß sie glaubte, es wagen zu dürfen, mir den Vor-
ſchlag zu machen, sie wolle einmal zur Abwechselung statt Liſette den Haushalt
übernehmen.
(Fortſezung folgt.)