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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0135

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.



j Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

N ; ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
u é .] a n . Vogler & G. IL. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.



M. 34. iôtag





Einladung zum Abonnement.
Auf das mit dem 1. April beginnende II. Quartal laden wir
ergebenſt ein und bitten unsere aus wärtigen Abonnenten , die
Erneuerung des Abonnement s noch vor Ablauf des
alten Quartals bei den betr. Poſtanſtallen oder Landpoſtboten
anzuzeigen, indem eine unterlaſſene Neubestellung immer als Abbe-
ſtelung angenommen wird.
HVÖeſtellungen für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach wollen
bei der Epedition von L. Sch weiß dahier gemacht werden.

Bestellungen in Paketen von mindeſtens 10 Exemplaren, wobei
wir je ein Freiexemplar gewähren, werden ebenfalls von der Cxpe-
titten ftgtpeussweunen, und erſuchen wir um rechtzeitige Anmel-
ung derſelben.

Inserate, zu dem äußerſt billigen Ansatz von 2 kr. die 3ſpaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande
und über deſſen Grenzen hinaus geleſenen Blattes die beſte Verbrei-
Die Expedition.

Deutſcl and. |
* Heidelberg, 20. März. Von unserm Berichterstatter über
die Boxberger Wahlvorgänge geht uns folgende Mittheilung zu:
Ohne die eigentliche Ursache seiner Entrüſtung näher zu bezeichnen,
hat Herr Oberamtmann Oſtner in der „Tauber“ eine Erklärung
abgegeben, deren verlezender Ton ebenso auffällt wie ihre Schwäche.
Der Ehre des Herrn Oſtner hätte es wahrlich kein Loch gemacht,
wenn er dem Pf. Boten hinſichtlich der Punkte, wodurch er ſeine
Perſon mit Unrecht angegriffen glaubt, eine Berichtigung hätte zu-
gehen laſſen, vorausgeſezt, daß eine solche überhaupt möglich iſt.
Statt deſſen poltert er in allgemeinen Ausdrücken, die nichts bewei-
ſen, als seinen Aerger. Indessen sind wir uns bewußt, in unſerm
Berichte Thatſachen mitgetheilt zn haben, denen wir noch manches
§zrjzhhet: Moment beifügen können und je nachdem noch beifügen
werden.
_ O Viesloch, 18. März. Heute beherbergen wir liebe Gäſte
in unſerm Städtchen: es ſind das die erſten aus Frankreich zurück-
kehrenden deutſchen Sieger, eine etwa 89-900 ſtarke Abtheilung der
thüringiſchen (Erfurter) Feſtungsartillerie (Landwehr), welche die Be-
lagerung von Straßburg und Belfort mitmachte. Der fsreundlichſte
und herzlichſte „Wilkomm“ wurde denselben von der Geſammtbe-
völkerung bereitet; denn es galt dieſe Ehre und Auszeichnung nicht
diesen braven Truppen allein, sondern in und mit diesen ſollte

tung.



Dienstag den 21. März

1871.





Herre unſere freudige Anerkennung und unser pflichtſchuldiger Dank
dargebracht werden. Die Straßen ſind festlich geſchmückt mit deut-
schen und badiſchen Fahnen; ſchon in weiter Ferne wurden diese
„deutschen Brüder“ mit Frendenſchüſſen begrüßt; die Feuerwehr mit
ihrer trefflichen Musik, und eine Abtheilung Reiter, mit den Chär-
pen der deutſchen Farben geſchmückt, zog an der Spitze der Beamten
und Bürger zur Bewillkommung entgegen und mit begeiſtertem
„„Hurrah““ zogen die fröhlichen Sieger durch den Triumphbo-
gen, deſſen eine Jnſchrift: „Willkommen! Jhr deutschen Sieger !“
und deſſen anderſeitige Inſchrift :

„Des Vaterlandes Dank und Ehr?

Dem ruhmgekrönten deutſchen Heer !“
heißt, in unsere gaſtlichen Mauern, überall mit jubelndem „Hoch !“
empfangen.

*i u geht der Marſch bis Heidelberg, woſelbſt sie am Mon-

tag einen Raſttag haben.

(Dieſelben Truppen sind heute Sonntag bei uns in Heidelberg
eingerückt, ebenſo freundlich bewillkommt wie in Wiesloch. D. R.)

.'. Aus dem Amtsbezirk Sinsheim, 17. März. Cin höchſt
merkwürdiges Aktenstück iſt uns dieser Tage zu Gesicht gekommen,
das unzweifelhaſt verdient, durch die Presſe auch in weitere Kreiſe
verbreitet zu werden. Auf eine geſchäftliche Anzeige hat nämlich der
Unterzeichnete Folgendes “laſct é pl ß j

„B eſchluß.

Dem Herrn Pfarrer W . . . .. wird hierauf erwiedert, daß
er ſich, wie bereits vorgeschrieben, des Ausdrucks Großherzo gli-
<er Notar zu bedienen habe, daher dieſes Schreiben zur Verbesse-
rung zurückgeht.

î Stlteinsfurth 16. März 1871.
Der Großh. Notar: Süß.“

Es ist gut, daß Datum und Jahreszahl genau dabei steht, ſonſt
hätte man’s nie glauben können, daß in unseren großen Tagen ſo
etivras überhaupt noch möglich ſei. Der nämliche Groß h. Notar
Süß – wir fügen seinen ganzen Titel genau bei, damit er nicht
etwa den Pfälzer Boten zur „Verbesserung“ zurückſchickt, wenn er
ihm zu Gesicht kommen sollte, ~ ſcheint ebenso begierig über seine
eigene Titulatur zu wachen, wie er splendid iſt in der Ertheilung
ganz neuer, von ihm ſelbſt sinnreich erdachter Titulaturen, wie er
denn vor einiger Zeit der katholiſchen Kirche auf seinem Geſchäfts-
zimmer den Titel eines „Sauſtalles“ beigelegt hat. Jm Uebrigen
nichts für ungut, Herr Gr o ß h. Notar Süß! |

/\ Gommersdorf, Amt Boxberg, 16. März. Die Gemeinde
Winzenhofen mit Heßlinghof mußte hier bei uns in Gommersdorf



und wollte dem ge sa m m ten siegreichen und ruhmgekrönten deutschen

Wer hat das gethan ?
(Eine Heſchichte aus dem Leben.)

(Fortſezung.)

„Ich kann es vielleicht bewirken, daß Sie von der Staatsanwaltſchaft
als Zeuge aufgefordert werden, dann kann Jhnen Niemand einen Vorwurf
machen, dann ſind Sie verpflichtet, zu ſagen, was Sie wissen.“ :
Heinrich drehte seinen Hut mit sehr unruhigem Gesicht. ~ Aber geht es
denn wirklich der Gouvernante an's Leben? fragte er.

ju er Staatsanwalt wird Todesſtrasfe beantragen, daran iſt nicht zu
zweifeln.-

„Ja, dann kann ich nicht anders, ſagte Heinrich mit einem ſchweren
1s ee 1z46 kann ich nicht auf mein Gewissen nehmen. Adieu, Herr Ju-
iz:Commiſsär !“

Er ging ſehr niedergeſchlagen und sichtlich beunruhigt fort."

Hilmer war, ehe er Hermine gesehen hatte, der Ansicht gewesen, daß sie
ſchuldig sei; die in den Akten ausgezeichneten Thatſachen ſprachen ſo ſehr gegen
ſie, Heider hatte ihr ein ſo ſchlechtes Zeugniß gegeben, sie hatte ſelbſt ſo we-
nig zu ihrer Rechtfertigung geſagt, daß er den Gedanken an eine Freiſprechung
von vorn herein aufgegeben und nur Hoffnung gehegt hatte, mildernde Um-
stände für die That aufzufinden und dadurch die ſchwerſte Strafe von der
jugendlichen Verbrecherin abzuwenden. Ihr Anblick machte ihn wankend in
dieser Ueberzeugung, so ſehr er auch gegen sie eingenommen war. Nicht ihre
Jugend, nicht ihre Schönheit machte dieſen Eindruck auf ihn; jung und ſchön hätte
auch eine Mörderin sein können. Es war die rührende Einfachheit und Kind-
lichkeit ihres Weſens, ihr offenes zutrauliches Auge, das Gepräge der Chrlich-
keit und Aufrichtigkeit, das auf ihrem jett ſo blassen, aber doppelt lieblichen
Gesichte lag. Es schien ihm unmöglich zu ſein, daß dieſes Kind eine ſchreck-
liche That des Hasses und der Rache hätte begehen können. Aber als er von
dieſer That zu sprechen begann, als er nach den näheren Umftänden forschte,
nach Anknüpfungspunkten für ſeine Vertheidigung, dawurde er wieder unsicher.

Sie wich seinen Blicken aus, sie gab ausweichende, einsilbige Antworten, sie |

konnte oder wollte nichts ſagen, was irgend Licht auf die Sache warf. Er
ging höchſt unbefriedigt von ihr, ganz verwirrt und mit dem Gedanken, ob er



ſich durch die reizende Außenſeite, einer frühreifen, verſchmitzten Verbrecherin
nicht habe bestechen lasſen. Ganz aber anders urtheilte er jezt nach der Mit-
theilung Heinrich's. Jetzt ſchien ihm Alles klar zu werden und das junge,
liebreiche Mädchen, das von ſo ſchwerem Unglück bedroht wurde , erregte ſein
tiefstes Interesse. Es war so, wie Leonhard vermuthete ; sie war durch ihre
schreckliche, hülfloſe Lage so niedergedrückt, so aller Spannkraft beraubt, daß
ſie willenlos Alles über sich ergehen ließ.

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ig drt gers) «y. dogte tr FU s< lr qU tr m tri
Verdacthte. Wenn es wahr iſt, was für ein ſchändlicher Menſch muß dieſer

Leonhard Heider sein ! Der feige Mörder eines Weibes, läßt er es zu, daß

ſeine Verlobte die Strafe für ſeine Gräuelthat leidet ! Seine vorgebliche Angſt
um sie, ſeine Bemühungen, sie zu sprechen, rühren wohl von der Besorgniß
her, ſie könne ihn verrathin. Ich werde Ales aufbieten, seine Schuld und
ihre Unschuld ans Licht zu bringen."

Hermine ſaß in der Nähe des vergitterten Fensters und nähte an einem
Kinderkleidchen für die Frau des Gefangenwärters. Sie echob den traurigen,
aber ruhigen Blick von ihrer Arbeit, als Hilmer eintrat, und stand auf, ihn
mit ihrem freundlichen, aber jetzt nicht mehr heitern Lächeln zu bewilikommen.

„Ich komme ſschon wieder, liebes Fräulein, ſagte er, weil ich Ihnen Wich-
tiges mitzutheilen habe. Hoffentlich werden Sie dießmal offener gegen mich
sein, wenn ich Ihnen ſage, daß ich den Grund Ihrer Zurückhaltung kenne
und vollkommen von Ihrer Unſchuld überzeugt bin.“

Sie hielt sich zitternd an dem Tiſche feſte. „Jch verſtehe Sie nicht, Herr
Juſtizcommiſssär', stammelte Hermine. j

„Lassen Sie uns Platz nehmen, laſſen Sie uns offen mit einander spre-
chen. Sie dürfen den Muth nicht verlieren, es wird noch Alles gut werden
für Sie. Nach dieſer bösen Zeit wird eine glückliche jür Sie kommen. Sor-
gen Sie nicht um einen Zufluchtsort; welche Familie würde nicht gerne Ihnen
ihren Kreis öffnen ? Ich bin überzeugt, daß meine Mutter Sie mit Freuden

aufnehmen wird."
( Fortſezung folgt.)


 
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