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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0597

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Grſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienftag, Donnerſtag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. uhne
Trägerlohn und Poſtaufsſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

F 150.

ng zum Abonnemenl.

für Stadt







[I



L

Finladung

Nach wenigen Tagen wird das ereignißreiche Jahr 1871 der
Vergangenheit angehören. Großes iſt in demſelben vollendet wor-
den: Die Sicherung des Vaterlandes gegen den äuſſeren Feind
durch die glorreicheu Siege der deutſchen Waffen, und die Neu-
ſchaffung von Kaiſer und Reich in Deutſchland.

Leider ist die im Kriege bethätigte Brüderlichkeit im neuen
deutſchen Reiche sofort wieder geſchwunden, um erhöhter Zwietracht
Plat zu machen. Der traurige Religionszwisil ging in förmliche
Glaubensverfolgung über; und es besteht demzufolge für jeden
glaubenstreuen Katholiken, der ſeine Kirche in Ehren hält, die
Pflicht, an dem Werke der Abwehr ſich nach Kräften zu betheiligen.

Eine Hauptwaffe bildet die Pre ſſe. Ueber deren Wichtig-
keit iſt Vieles geſprochen und geschrieben worden; man kann über
deren Wichtigkeit im Reinen sein; es erfordert da nur noch That
und Opferwilligkeit, während die Herausgeber und Redakteure die
Fahne voran tragen und den heißen Kampf mit den Gegnern aus-
fechten. :
Der „Pfälzer Bote“ hat seit seinem Beſtehen schon manchen
Sturm erlebt – er kennt kein Wanken oder Weichen ~ und wird
auch im kommenden Jahre mit ungebrochenem Muthe aus der fröh-
lichen Pfalz das freie Wort in die ihm zugeneigten Volkskreiſe tragen.

Indem wir die ſeitherigen Gönner des Pfälzer Boten einladen,
die Erneuerung des Abonnements für den bevorstehenden Quartal-
und Jahreswechſel baldthunlichſt vorzunehmen , hoffen wir zugleich
auch zahlreiche neue Freunde denſelben sich anreihen zu ſehen.

Da die Beſtellgebühren für Zeitungen vom 1. Januar an be-
deutend herabgeseßt werden, sowohl für Stadt wie Land, so kostet
unſer Blatt durch die Poſt bezogen, mit Poſstaufschlag, vom 1. Jan.
ab pro Quartal nur 49 Kreuzer.

Die Redaktion.

Badiſcher Landtag.

Die Niederlage des Ministeriums bezüglich des Art. 20 des
Einführungsgeſeßes zum deutſchen Reichsſtrafgeſeßbuche iſt wieder
ausgewettt; was wie folgt zuging : Die erſte Kammer hielt am 19.
Sitzung zur Berathung des vorbemerkten Einführungsgeſetes. Die-
ſelbe nahm den von der 2. Kammer gestrichenen Art. 20 in das
Gesetz wieder auf. Nun ging das Geſetz mit den Beſchlüſſen der
Herrenkammer abermals zur Berathung an die 2. Kammer, welche
am Mittwoch den 20. stattfand. Hier hatte inzwiſchen der Wind
umgeschlagen. Der Abg. S erger berichtete über die von der ersten
Kammer vorgenommenen Veränderungen und beantragte Beitritt.



Samstag den 23. December





Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

: tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. T. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.





D



Abg. Tritſcheller erklärte im Namen seiner politischen Freunde,
daß sie heute noch dieselben Ansichten haben, wie am letzten Sams-
tag, daß sie aber, um das Zuſtandekommen des Geseßes zu ermög-
lichen, dem Commiſsſsionsantrage zustimmen. :
Der Abg. Stiegler gab eine ähnliche Erklärung, hofft aber
auf ein Korrektiv gegen §. 20 von den geſez gebenden Faktoren des
Reiches. :
E Abg. v. Feder, Eller und Schulz ſtellen auch heute
wieder den Antrag auf Strich des Artikels.

Staatsminister Dr. Jolly erklärte Namens der großh. Regie- !

rung mit Entschiedenheit, daß dieſe das Geſey ohne Artikel 20 nicht
annehmen könne.

ue Abstimmung ergibt Wiederherſtellung des Art. 20 auch in
der von der 1. Kammer genehmigten Faſſung, und Annahme des
ganzen Gesezes mit allen gegen 12 Stimmen. (Dagegen ſtimm-
ten 8 anwesende Miiglieder der kath. Fraktion, die 3 demokratiſchen
Abgeordneten und der Abg. Lang von Karisruhe)

Die Kammer wurde hierauf bis zum 23. Jan. vertagt. Am
18. und 19. hat dieſelbe auch das Geſetz betr. die Ausgleichung der
Kriegslaſten erledigt. Die Ausgleichung der Kriegslasten ſoll erfol-
gen, weil von den Kriegslaſten die einzelnen Landestheile in ſehr
ungleichem Maße betroffen wurden, und weil ferner die Vergütungen
nach dem bestehenden Geſege bei weitem nicht den wirklich gemach-
ten Aufwand erreichen. Da der Krieg einen so günstigen Erfolg
hatte, ſoll aus der Staa tska ſſe für alle Leiſtungen ein Zuſchuß
zu der geſeßlichen Vergütung gewährt werden. Der Präſident des
Finanzministeriums erklärte vor der Kammer, die Staatskaſſe habe
z. Z. kein Geld zur Bestreitung der von der Kammer ausgehenden
Erhöhungen, es sei ungewiß, wann die Milliarden aus FrankreiGh}
kommen würden. Der Krieg habe Baden 16 Millionen gekoſtet,
davon sind aus der von Frankreich gezahlten Kriegsentschädigung be-
reits 13 Millionen an das Land erſtattet worden, die übrigen s Mil-
lionen seien aus eigenen Mitteln des Landes beſtritten worden und
um dieſe 3 Millionen wäre im Augenblicke der Betriebsfond gerin-
ger. Würde das Haus Erhöhungen beschließen, ſo müßte eine Kriegs-
umlage erhoben werden.

In der Regierungsvorlage sind als Vergütungen über die in
den bestehenden Gesetzen für Entschädigung von Kriegsleiſtungen ent-
haltenen Säße bestimmt: Art 1. 1. a. Ersſatß der Kosten des
Transports der Lieferungen in das Magazin, wenn letzteres
außerhalb des pflichtigen Amtsbezirks lag. b. Ersſat des Unterſchieds
zwischen den nach Maßgabe des §. 6 des Kriegsleiſtungsgeſetßes feſt-
geſtellten Vergütungsbeträgen und dem Preiſe, den die gelieferten



D er R u b ri ca t o r.
(Fortſetzung).



Schon etwa drei Monate saß der Rubrikenmaler in seinem Gefängniß,
und kein anderes Menschenantlitz hatte sich ſeinen Blicken gezeigt als das fin-
ſtere Gesicht ſeines Kerkermeiſters, eines gefühlloſen Menſchen, aus dem er nie-
mals ein Wort hatte herauslocken können, um zu erfahren, aus welchem Grunde
man ihn der Freiheit beraubt hatte. Er ſtellte sich hierüber tauſenderlei Ver-
muthungen auf, ohne zu wissen, an welcher er festhalten könnte. Wenn der
Fremde, desſen Flucht er begünſtigt hatte , die Ursache seiner Gefantgenſchaft
war, wie konnte man dann Margarethen in eine Angelegenheit verwickeln, an
der sie, ſelbſt indirect nicht den geringsten Antheil hatte? Woher jene Rufe
der Bevölkerung, die er noch immer zu vernehmen glaubte : Räuber ! Mörder!

Es war das ein Labyrinth, in welchem ſich die Einbildungskraft des jungen
Mannes verlor; und die Ungewißheit, die ihn beunruhigte, war für ihn viel-
leicht eine noch härtere Strafe als der kalte Raum, in welchem er halb nackt
auf ein wenig feuchtem Stroh lag.

Eines Morgens traten vier Männer herein und führten ihn mit sich hin-
weg in einen großen Saal, in welchem sich Richter und eine große Volksmenge
versammelt hatten. Beim Eintritt Henryot's ging ein Murmeln des Unvillens
durch die Rethen der Zuſchauer und vermehrte sich noch, als er beim Anblick
t geliehen.: Margarethe einen herzzerreißenden Schrei ausſtieß und auf
ie zueilen wollte.

_ Er mußte sich auf eine Bank setzen, die derjenigen, auf welcher Margarethe
ſich in Feſſeln befand, gegenüberstand. ;

Der Vorsitzende der Richter ſagte dann:

yHenryot Mahu, Ihr ſeid der Mörder des Peter von Maurepaz, zu ſei-
nen Lebzeiten Dienſtmann des Hauſes Sr. Maj. des Königs von Frankreich.
Ihr habt ihn verrätheriſch ermordet, indem Ihr ihm des Nachts in ſeinem
eigenen Hauſe auflauertet, und ihn auf die Straße gezogen mit Hilfe von Mar-

v garethe Beaumin, seiner Frau, welche Euch jenen Abend ein Rendezvous gege-

ben, zu dem Zwecke. besagten Maurepas zu ermorden. Die Juſtiz des Königs
hat, als sie den Leichnam aufheben ließ , nicht weit davon dieſeſe Mütze hier

gefunden; im Futter derselben war ein zuſammengerollter Pergamentſtreifen

verborgen, der folgende Worte enthält: „Dieſen Abend, Henryot, wenn die
Feierabendglocke ertönt, zum letzten Mal.! E€Er ist von Margarethen geſchrie:
ben; denn törichter Weiſe hat man ihr die Schreibkunſt gelehrt, welche sich
nur für die Mönche geziemt, um die heiligen Bücher zu leſen und zu verviel-
fältigen, und für Männer des Gesetzes, um daſelbe auszulegen. Henryot Mahu,
was habt Ihr zu erwiedern?"

Henryot, todtenbleich zuſammenbrechend unter der Laſt dieser ſchrecklichen
Anklage, bei welcher der Schein in ſo unſeliger Weiſe gegen ihn war, vermochte
nur mit heiſerer Stimme die Worte hervorzubringen : „Sie iſt unschuldig“

„Und Ihr, Margarethen Beaumin?"

Die junge Frau erhob ſich und ſagte : „Der Himm l iſt mein Zeuge, daß
ich unschuldig bin, und Henryot auch !‘ Rufe des Unwillens von allen Seiten
verhinderten sie, weiterzuſprechen. Sie ſetzte sich mit Ruhe wieder nieder. Hen-
ryot, der sich von ſeiner erſten Erſchütterung wieder erholt hatte, wollte jett
auseinandersſetzen, durch welche Reihe von Ereign1sſen er das Opfer eines ſo
täuſchenden Scheines geworden ſei; aber der Richter hörte ihm mit ungläubiger
Miene zu und die Zuſchauer wiederholten von allen Seiten: „Sie ſind schuldig !
Der so schändlich gemordete Peter von Maurepas muß gerächt werden !“

Der Richter erhob fich, um den Uttheilsſpruch vorzuleſen; derſelbe verur-
theilte Henryot Mahu und Margarethe Beaumin als Mörder und Ehebrecher,
„daß sie ſollen auf dreierlei Weise gerichtet werden, nämlich, sie ſolen bei
Trompetenſchall auf einer Hürde durch die ganze Stadt gezogen werden, von
Straße zu Straße, und dann vor das Haus der befagten Margarethe Beaumin
geführt; hier ſollen sie auf eine Leiter gebunden werden, ſo hoch, daß Jeder-
mann, Groß und Klein, sie ſehen könne. Wenn sie gebunden sind, wird man
ihnen die rechte und dann die linke Hand abhauen und ihnen die Zunge heraus-
reißen. Hierauf mird ihnen das Herz aus dem Leibe geriſſer und in das Feuer
geworfen werden ; wenn dann besagter Henryot Mahn und Margarethe Beaumin

in dieser Weiſe zugerichtet ſein werden, wird man ihnen die Köpfe abhauen

und sie werden in vier Theile zerriſſen in die vier Hauptstraßen der Stadt
Paris gesendet werden.'
; (Fortſezung folgt.)



~– In Schopfheim sollen auf einem zugefrorenen Weiher 32 Kinder beim
Schleifen eingebrochen und ſämmtlich ertrunken sein.
 
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