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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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Fl. 91.

für Stadt





Deutſc<lan d.

* Heidelberg, 5. Aug. Der Landesbase iſt es einmal wieder
paſſirt, daß man sie auf einer Lüge ertappt hat. Dieses edle Blatt
hat nämlich vor einigen Tagen die Mittheilung gebracht, Decan
Lender habe in der Conferenz mit dem Obersſchulrathe wegen Ein-
tritts der Geiſtlichen in den Ortsſchulrath den Schulen der neuen
Aera den Vorwurf sittlicher Verkommenheit gemacht, womit man
ihn tüchtig heimgeſchictt habe. Nun aber erhält die Landesbaſe
eine Berichtigung Lenders, über welche sie sehr echauffirt tobt, wor-
nach jener Vorwurf von Lender gar nicht gemacht worden iſt, son-
dern wornach dieser nur den Mangel an Erfolg des kath. Religions-
unterrichts in den Volksschulen der neuen Aera beklagte. Den wort-

getreuen Inhalt der Berichtigung bringl das Karlsruher Blatt nicht,

ſondern nur ein mageres thatſächliches Referat aus derſelben. „Da-
mit sind die Betrachtungen des Artikels in Nro. 176 hinfällig ge-
worden“, ſchließt die würdige Baſe, als ob es damit gedient wäre,
über Lügenberichte ſo ſtarker Art mit vollständigem Gleichmuth hin-
wegzugehen. Es war zwar gelogen, iſt etwa der Sinn, aber die
Lüge iſt jezt „hinfällig“ geworden und damit iſt alles in vortreff-
licher Ordnung. Die Base hat öfters ſchon Unglück gehabt mit
Decan Lender, der ihr ſcharf auf die Finger sieht, wenn sie die
Karten miſcht, – wir möchten ihr rathen, gerade mit dieſem Herrn
etwas vorsichtiger zu sein, wenn er denn doch einmal der bevorzugte
Gegenstand ihrer Erörterung bleiben ſoll.

* Heidelberg, 5. Auguſt. Die Badische Landeszeitung ist sehr
verſtimmiî – wir finden das begreiflih ~ über den Ausfall der
Ortsſchulrathswahl in Bruchſal; aber diesmal weniger gegen die
„Ultramontanen“ , weil sie es gewagt hadven zu siegen, als gegen

die eigene Partei, weil diese angeblich ihre Schuldigkeit nicht gethan

habe. Und gar unſer armer Freund Krauchgeier kommt sehr übel

dabei weg, weil ihm die politiſchen Sommerferien das Gehirn nicht
inſpirirt haben zu einer belehrenden Ansprache an die der Belehrung
doch ſo bedürftigen Wähler. Die gute Landeszeitung vergißt da-
bei nur, daß gerade die maßloſen Gehäſſigkeiten des Bruchsaler
Verkündigungsblattes gegen die katholiſche Kirche mehr als alles
Andere dazu beigetragen haben, den Katholiken in Stadt und Land
die Augen zu öffnen über das lettte Ziel, welches sich die Blätter
vom Schlage der Kraichgauer Zeitung geseßt haben ! Interessant
iſt uns aber das vielſagende Zugeſtändniß der Landeszeitung, daß
die früheren Niederlagen der Katholiken in Bruchſal „zum großen
Theil. ein Werk der Proteſtanten und Juden gewesen seien,“
alſo lediglich eine Beſtätigung deſſen was in unseren Blättern schon

* Vom Büthertiſch.

Reich iſt die Muſe unſeres Freundes B a u m st ar k, denn abermals sind
wir in der erfreulichen Lage unseren Leſern eine größere Arbeit desselben an-
zeigen zu können, die dem Freund der Geſchichte, der Literatur und der katho-
liſchen Kirche eine ſehr willkommene Erscheinung sein wird. „D on Franciso
de Queved o, ein ſpaniſches Lebensbild aus dem 17. Jahrhundert," er-
ſchienen in der Herder'ſchen Verlagshandlung in Freiburg, iſt der Titel dieses
höchſt interessanten Buches, welches dem Kenner ſpaniſchen Wesens Prof.
Alban Stolz gewidmet iſt. Die Schrift will, wie die Zueignungsworte an
Stolz beſagen, „den Geiſt und das Leben eines Spaniers zeigen, der bedeutend
war unter ſeinen Zeitgenoſſen und noch heute von seiner Nation verehrt wird.
Wie dieſen Mann die leitende, strafende und segnende Hand Gottes im Lauf
der Jahre mehr und mehr an ſich zog, wie er in Kunſt und Wissenschaft, im
staatlichen und religiösen Leben arbeitete und wirkte, das habe ich darzuſtellen
geſucht unter beständigem Hinweis auf die Lehren, welche gerade unsere
Zeit von ihm zu empfangen ſich nicht ſchämen dürfte.“

_ JIm Vorworte ſagt der Verfaſſer: „Hurückgetreten vom Schauplatz poli-
tiſcher Thätigkeit wegen innerer und äußerer Verhältnisse, deren Beſeitigung
vorerſt nicht in meiner Macht liegt, habe ich meine aktenfreien Stunden zu-
Hs ug m tte seuentutg cue her uur tr teggmÑret
Staatsmann Francisco de Quevedo. Es ſehien mir dieser Mann durch Geiſt
und Gelehrſamtkeit würdig, auch jezt noch unter den Erſten seiner Zeit ehren-
voll genannt zu werden. Sein wechselvolles und thatenreiches Leben fand ich
feſſelnd, ſo gut ein Roman es sein kann; und in ſeinen zahlreichen Werken
entdeckte ich neben Vielem, das mit dem 17. Jahrhundert begraben bleibt, auch
Vieles, das fortzuleben verdient.! Fesſelnd wie ein Roman, = in der That,
das iſt der richtige Ausdruck für die vorliegende literariſche Arbeit des Ver-
faſsers, die den Leſer um so lebhaſter zu fesſeln geeignet iſt, als wir hier eine
streng hiſtoriſche Arbeit vor uns haben, die an spannendem Interesse den

_ Roman weit überbietet, weil dieſer nur das Product einer willkürlichen Phantasie

des Dichters iſt, während die Geschichte ſelbſt hier ein reich verſchlungenes
Net menſchlicher Schickſale dem Schriftsteller an die Hand gibt, der die ver-



Dienstag den 8. Auguſt





Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

/ fionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & Gr. I:. Danube & Cis. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.

so oft behauptet, von den Gegnern aber niemals anerkannt wor-
iſt.

.. j Heidelberg, 6. Aug. Bei der vorgestrigen Wahl eines Ab-
geordneten der Universität in die I. Kammer hielt es der bisherige
Vertreter derſelben, Geh. Rath Bluntschli, vor der Wahlhandlung
für nothwendig des Breiteren auseinanderzuſeten, daß er nur dann
eine Wiederwahl annehmen werde, wenn er die Einstimmigkeit der
Wähler vorausſehe. Da sich inzwiſchen wegen verſchiedener Differen-
zen an der Universität d. h. allerlei Kirchthurmsinteresſen und Lap-
palien, mit denen wir unsere Leser nicht langweilen wollen, voraus-
ſehen laſſe, daß bei der Erbitterung der Streitenden eine große Par-
tei gegen ihn stimmen würde, so lehne er h
mäßig ob solcher Erklärung ergriffene Verſammlung wählte darauf
Herrn Hofrath Zeller mit 22 gegen 11 Stimmen zum Vertreter
der Universität. –+ Ueber die Döllingerverſammlung im Bayerischen
Hof dahier, die geſtern Sitzung hatte, weiß die Heidelberger Zeitung
bis jetzt nichts zu berichten, außer daß einige Theilnehmer“ zur
Gründung der Nationalkirche „bereits“ eingetroffen seien und daß
Döllinger und „andere hervorragende Persönlichkeiten“ noch erwar-
tet würden.

(©) Vom Eichelberg, 3. Aug. (Eine geschichtliche Er in-
ner ung.) Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts trieb Napoleon
den König von Sardinien, Carl Emmanuel IV. mit Waffſenge-
walt aus seinen Staaten, der entthronte geplünderte Fürst flüchtete
sich nach Rom, das heute die Aſche Karl Emmanuels in ſeinen
Mauern birgt. Etwas ſpäter, nach der Abdankung Karl Emmanuels
und der vollzogenen Annexion Piemonts an Frantreich wußte Vic-
tor Emmanuel I. keine andere Zuflucht zu finden, als eben dieſes
Rom, aus dem der König Ehren- Mann jetzt Pius IX. mit roher
Gewalt verdrängen will. Napoleon I. fand für gut, Pius VII.
seine weltlichen Besittthümer zu entreißen. Das iſt nun eben nichts
Neues, Unbekanutes. Aber das dürfte weniger bekannt ſein, daß
eine der Hauptbeſchwerden, welche der Cäsar gegen den römiſchen
Stuhl erhob, um sein Verfahren zu rechtfertigen , die war, daß der
Papſt piemontesiſche Umerthanen und deren Fürsten in Rom ein
Asyl gab, wiewohl gerade dieser Zug einer der eigenthümlichsten
und Angesichts der heutigen Verhältnisse einer der intereſſanteſten
jener Epiſode war. Der Cardinal Feſch verlangte im März 1806
von dem Staatsſecretär Cardinal Gonſalvi die Vertreibung der Sat-
dinier aus Rom. Man führte dazumal für die Nothwendigkeit der
Entfernung der flüchtigen Königsfamilie aus der ewigen Stadt Argu-
mente in's Feld, welche der Praxis in Florenz auf das Haar glei-
chen. „Der Kaiſer Napoleon“, sagte Feſch, „iſt das Schwert der

ssgiczeh: Fäden in ihrem Zuſammenhang meisterhaft nachzurceiſen und ſchließ-
ich zu löſen verſteht. f

§ “ aber tt perſönlichen Verhältnisse des Verfassers ſelbſt betrifft, die
er in seinem Vorworte andeutet, ſo möchten wir den dringenden Wunſch uns aus-
zuſprechen erlauben, daß das „vorerſt“ seiner politischen Zurückgezogenheit bald
zu beseitigen in seiner Macht liege, und zwar im Hinblick auf eine Zeitlage
wie die jetzige , wo in kirchlichen Gefahren, deren Umfang noch gar nicht erer
messen werden kann, Kräfte wie diejenigen des Herrn Verfassers nicht entbehrt
werden können.

Der spärlich zugemessene Raum ungſeres politiſchen Blattes gestattet uns
nicht, auf das Buch Baumſtarks näher einzugehen, ~ ein großer Leſerkreis
wird ihm jedenfalls gesichert ſein. ~

Ferner haben wir Erwähnung zu thun einer kleinen, aber höchſt gedanken-
reichen Schrift, welche ſoeben im Verlage von J. P. Bach em in Köln erſchie-
nen ist. Dieselbe führt den Titel: „Die Bevormundung der katholiſchen Kirche
durch die Staatsgewalt in den leßten hundert Jahren von Herm ann
Canning“. Niemand wird diese Schrift unbefriedigt aus der Hand legen,
die von ächt staatsmänniſchem Geiſte durchdrungen, uns das ſtaatliche Bevor-
mundungsſystem über die katholiſche Kirche in den verſchiedenen europäiſchen
Ländern vom rein politiſchen Standpunkte aus darlegt. Wir hoffen, daß diese
Arbeit, die schwierige Fragen in einfacher und leicht faßlicher Weiſe beleuchtet,
nicht blos am Niederrhein, wo sie jedenfalls ein großes Publikum haben wird,
sondern auch bei un3 in Baden starke Verbreitung finde, wozu ihr lehrreicher
Inhalt sie in so hervorragendem Maße berechtigt.



Karlsruhe, 4. Aug. Wir vernehmen, daß der wegen Unterſchlagung bei
der hiesigen Poſt im Betrag von über 16,000 fl. gerichtlich verfolgte flüchtige
Poſtgehülfe A l bert Hügl e von Nenzingen in Paris verhaftet worden iſt. ~
Wird dem bereits geſtelten Auslieferungsbegehren Seitens der franzöſiſchen
Regierung in Bälde entsprochen, so dürfte der Fall ſchon beim nächſten Schwur-
gericht (voraussichtlich im September v. J.) zur Verhandlung kommen. (Karlsr Z.)


 
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