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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0521

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

Js. 131.

T a g e s b e r i < t.

— Alte und neue Wiener ,„Preſſe“ melden, daß Graf Beuſt
ſeine Entlaſſung gegeben habe, ~ auf ihm unterbreiteten Wunſch.
Andraſſy soll ihn im Reichskanzleramte ersſezen, und Lonyay
ungariſcher Miniſterpräsident werden. Es hat hart gehalten, den
„Schreibkanzler“ aus dem Sattel zu heben. Wahrſcheinlich sind
bei dem letzten Intriguenspiel endlich die Stränge geriſſen. Das
Wiener „Vaterland“ erhält zur Geschichte des Sturzes des Miniſte-
riums Hohenwart „von competenter Seite“ einen nicht unintereſſan-
ten Beitrag über die Motive, welche den Grafen Andrasſy veran-
laßten, dem Reichskanzler zur Vernichtung des böhmischen Ausglei-
ches die Hand zu bieten. „Als der Kaiser aus Ungarn zurückkehrte,
ſtand noch Alles gut. Hohenwart hatte mit Andrassy conferirt und
dieser nach Berücksichtigung gewisser Bedenken erklärt, daß vom
ungariſchen Rechtsſtandpunkte nichts einzuwenden ſei. Nun ging der
Kaiser nach Jſchl. Beuſt gewann ~ den Grafen Lonyay. Dadurch
fürchtete Andrasſy seine Stelung gefährdet und nun überbot er ihn
in Einwendungen gegen Hohenwart's Action. Damit war der Um-
schwung entschieden und trat in ſolcher Weiſe ein, daß durch keiue
Conceſſion in Details mehr zu helfen war.“

— Nus Wien erfährt man, daß der Baron Kellersperg,
welcher vom Kaiser mit der Bildung eines neuen Minisleriums be-
auftragt iſt, zunächſt ein Programm ausarbeitete, das nun vom
Kaiser im Gangen u. im Einzelnen genehmigt sei, wonach jezt erſt
Baron Kellersperg auf den Mmiſter- Faug für die Cabinetsbildung
auszugehen in der Lage ſich befinde. In Prag wurde dem Land-

für Stadt







TE ~t:

tag das Antwortsresſkript des Kaiſers verlesen. Die Tſchechen ſollen
ſich zu dem Standpunkte bezüglich der Dezemberverfaſſung bequemen
und den Reichsrath beſchicken, deſſen beide Häuſer die Verfaſſungs-
iizugÑn in Beziehung auf staatsrechtliche Verhältnisse zu beſchließen
ätten.

~ Nach dem „Gaulois“ soll der deutſche Gesandte in Verſail-
les, Graf Arnim, dortſelbſt plauſibel machen, daß Frankreich künftig-
hin kein Intereſſe mehr haben könne, die Neutralität Luxemburgs
aufrecht zu erhalten – Deutſchland wolle sofort alle noch beſezten
franzöſiſche Departements räumen, wenn Frankreich mit Deutſchland
von dem Londoner Protokoll von 1867 zurücktrete.

~ Die Köln. V. -Z. v. 7. d. veröffentlicht eine gemeinſame
Erkläruug derjenigen Biſchöfe Preußens, in deren Diözeſen Jeſuiten
wirken. Wir werden dieſelbe im vollen Wortlaute nachtragen.

Die bayer. Kammern sollen in den erſten Tagen des De-
cember wieder einberufen werden.



Vierzigtauſend Thaler.

Fortſetzzung.

Die alte Dame faltete ttt t4! §1 de und sagte leiſe vor sich. hin:
„Todt! Auch todt, und Sophie war fünfzehn Jahre jünger als ich l“ lange
ſchwieg sie, die Hand vor die Augen gelegt, endlich wandte sie sich wieder an
Klärchen und sprach ernſt aber gütig : „Haſt Du noch Geſchwiſter und wie
lange iſt Dein Vater todt ?“

„Fünf Jahre, meine beiden älteren Geſchwiſster sind ſchon lange todt.“

„Deine Mutter that Recht, Dich an mich zu weiſen, lege ab, Du bleibſt
vor der Hand bei mir, und wenn Du Dich fleißig , fromm und gehorſam er-
weiſeſt, ſol es Dir in meinem Hauſe wohlergehen.“

„Ich danke, Frau Muhme, ich werde mich bestreben, Ihre Zufriedenheit

zu erwerben, uud möge Gott Ihnen alles reichlich vergelten, was Sie an mir
thun,“ sagte das Mädchen, allerdings im Dialect der Oberlauſitzer Bauern, aber
mit dem lieblichſten Organ.
_ Die alte Dame erwiederte nichts, aber ein Lächeln milderte das Strenge
in ihren Zügen, sie stand auf und zog die Glocke,, worauf eine nicht mehr
junge Dienerin eiutrat. „Führe Fräulein Hellmann in das blau Stübchen,
ſie wird es von jezt an bewohnen, und beſorge ein Frühſtück ſür das Fräu-
lein‘, gebot die Räthin der Dienerin.

Das Stubenmädchen riß die Augen auf, zuckte die Achſeln und murmelte
verdrießlich: „Es iſt gut, kommen Sie, Mamlell.“

; Die Räthin hatte von dem Benehmen des Stubenmädchens nicht die ge-
ringſte Notitz genommen; in sich verſunken ſaß sie wieder in ihrem Lehnstuhl.
Klärchen folgte dem Stubenmädchen, welches ihr unwillig ein hübſches kleines
Zimmer aufjchloß und mürriſch sagte: „Hier iſt das Himmer, Wasser können
Sie ſich aus der Küche holen und Brod liegt auch da, fals Sie Hunger haben.
Es ist über zehn Uhr und um Eins wird geſpeiſt, dann werden Sie ſchon Ihr
Mittageſſen bekommen, sals Sie dann noch da ſind.“ Nach diesen Worten
verließ das mürriſche ÿ?rauctiintter Klärchen, und tar die Thür hinter ſich zu.

_ Eine halbe Stunde später hatte sich die Dienerſchaft der Frau Räthin Sper-
ling in der ſogenannten Küchenstube, welche Chriſtiane bewohnte, verſammelt,
um eine große Berathung zu halten.



Donnerstag den 9. November





Inseraten-Inhalt der Annonecen-Expedi-

tHonen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. I:. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.

O

Professor Nippold als Parteigänger der
„Altkatholiken“.

+s Heidelberg, 7. Nov. Morgen Abend hat der hiesige Pro-
teſtantenverein wieder einen Vortrag angekündigt. Daß es ſich hie-
bei nochmals um Angelegenheiten der katholiſchen Kirche handelt,
iſt bei der bewährten Toleranz ſeiner Mitglieder, namentlich des
Präsidenten, Herrn Stadtpfarrer Schellenberg, nicht anders zu er-
warten. Es soll zur Erörterung kommen : „die altkatholiſche Kirche
des Erzbisthums Utrecht und ihre Bedeutung für die Bewegung in
Deutſchland.“

Wir müssen gestehen, es hat uns ungemein überraſcht, daß
Herr Nippold, der einige Zeit gänzlich verschollen war, diesmal als
Redner auftreten wird. Es iſt derselbe Nippold, der vor einigen
Jahren in der Harmonie seiner krankhaften Jeſuitenfurcht Luft machte,
wobei ein paar Dutzend Unrichtigkeiten mit unterliefen, wofür er
damals in Ihrem Blatte in gebührender Weise heimgeschickt wurde.
Wir können es uns nicht verſagen, über dieſen Herrn bei seinem
erneuerten Hervortreten einige Mittheilungen zu geben, die geeignet
sind, ihn bei den Leſern Ihres Blattes in das nöthige Licht zu ſtellen.

Herr Nippold stammt aus der niederrheiniſchen, vorwiegend ka-
tholiſchen Stadt Emmerich, wo sein proteſtantiſcher Vater seit einer
Reize von Jahren mehrere ſtädtiſche Aemter verwaltet, deren Ertrag
ihm eine wohlauskömmliche Exiſtenz sichert. Dieſe tolerante Behand-
lung hat ſeinen Sohn nicht abgehalten, sich gegen die Katholiken sei-
ner Vaterſtadt die gröblichſten Verunglimpfungen zu Schulden kom-
men zu laſſen. In einer Broſchüre aus dem Jahre 1869 : „Ein
Biſchofsbrief vom Concil und eine deulſche Antwort“ ſtellt er die
Behauptung anf, daß in Emmerich alle bürgerlichen Verhältnisse
dadurch vergiftet, ja theilweiſe zerſtört wurden, daß seit zwanzig
Jahren, zumal seit dem Amtsantritte eines modern jeſuitiſch geſchul-
ten Pfarrers, die sittliche Einwirkung der Kirche auf das Volksleben
zurückgestellt wurde gegenüber der äußern Vermehrung, der innern
Fanatiſirung der Confeſſionsgenoſſen; daß ſeine Vaterstadt von all’
den Vereinen umspannt und regiert werde, in denen der heutige
Jeſuitismus so erfinderiſch ſei. Doch das sind noch Kleinigkeiten.
Er bezüchtigt den genannten Pfarrer unsittlicher Wühlereien; will
aus Sittlichkeitsgründen das Wort nicht aussprechen, womit das
dortſselbſt gegründete Gymnasialconvikt bezeichnet worden wäre; er-
klärt von seinen ehemaligen Mitſchülern am dortigen Gymnasium,
welche sich der kathol. Theologie widmen wollten, daß sie unsittliche
Menſchen gewesen seien; spricht von ſchändlichen Unsittlichkeiten bei
Gelegenheit von religiösen Uebungen der Katholiken u. s. f. In

„Ich bin bereits dreißig Jahre im Hauſe“, ſprach Lorenz, der Kutſcher
und Kammerdiener in einer Perſon war, zwölf Jahre habe ich dem ſeligen
Herrn Rath gedient, achtzehn Jahre der Frau Räthin, treu und pünktlich ~."

„Was die Frau Räthin auch nicht in Abrede stellen werden," ſchaltete die
Köchin ein.

sio Kutscher machte geſchmeichelt eine Art von Verbeugnng gegen Chri-
stiane und fuhr fort: „Wir bekommen alle drei guten Lohn, haben nicht über-
trieben vie! Arbeit, leben friedlich znſammen, zu was ſoll also eine vierte, oben-
drein ganz junge Perſon im Hauſe ? Doch nur um Hannchen zu verdrängen,
welche bereits îchon ſechzehn Jahre hier dient. Kann eins geſchehen, iſt auch
das z !zt möglich, vielleicht kommt bald ein neuer Kutſcher, neue Pferde
und so fort.“

„Das wohl nicht, Herr Lorenz; auch wurde das Mädchen von der Frau
Räthin „Fräulein“ titulirt. Mir ward befohlen , ihr ein Frühſtück zu bringen,
gh. wird sie wohl eine Art Geſellſchafterin vorſtelen sollen ," entgegnete

annchen.

„Gleichviel, Kinder,“ ließ die Köchin sich vernehmen, „Neuerungen taugen
nichts, wir sind ohne die fremde Mamſell ausgekommen, und wollen keine
Aufpasserin und Poſtenträgerin unter uns haben. Ich kaufe ein, was auf den
Tiſch kommt , ſo gut und billig als möglich, und brauche keine Oberaufſeherin
über die Küche und Speiſekammer.“

„Ich sorge für Ordnung in den Zimmern, für die Wäſche, sehe alſo auch
nicht ein, was die Mamfell soll“, rief entrüſtet Hannchen.

nIch thue ebenfalls meine Schuldigkeit, kümmere mich sogar in freien
Stunden um den Garten," sagte der Kutſcher, „alſo‘ ~ er vollendete den
Satz richt, er meinte genug geſagt zu haben.“

„Wir müſsen zuſammenhalten, noch kürzlich ſagte einer, der den alten
Herrn fpielte, dem der junge nicht gehorchen wollte: „Seid einig, einig ! Das
habe ich im Theater gehört, alſo wir müssen einig ſein," äußerte Hannchen.

„Ganz recht, Hannchen, wir gehen, ſo denk ich, alle drei zur Frau Räthin,
stellen ihr vor, daß wir, ihre treue Diener, uns gekränkt fühlen“ — hier be-
gann Christiane zu ſchluchzen ~ „und lassen der Frau Räthin die Wahl zwi-
ſchen uns und der neuen Mamſell.“

(Fortsetzung folgt.)
 
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