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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0433

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_ nur 21! In Wolfach ist's schlecht für uns gegangen.



erſcheint wöchentlich 23 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-GSeb. 2 kr. d. H.

für Stadt



Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

D , d tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
un an d Vogler & G. IL. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.





F2. 109.



* Wahlnachrichten.

In Tauberbiſchof s h eim haben, wie vorauszuſehen war,
die Lieberalen gesiegt ; ehenſo in Lau da mit einer Mehrheit von
nur 12 Stimmen, ihr erster Sieg dort, was uns übrigens nicht wundert,
da man den dortigen kathol. Verein hat zu Grunde gehen lassen.
Dagegen hat in Königheim, Diſtelhauſen, Werbach,
Werbachhauſen, Königshofen, Marbach, Pülfringen,
Beckstein die katholiſche Volkspartei geſieg. Soeben wird uns
dasſelbe auch von Hochh au ſen berichte. In G ötßi ngen und
Rinſchheim siegten die Unſrigen mit eminenter Mehrheit. Jn
Di enstadt Sieg der katholiſchen Volkspartei. Jn Walldürn
glänzender Sieg der Katholiken; die Gegner konnten nur einige
Stimmen auf die Beine bringen; ebenſo in Ripp b e rg. In O ster-
bur ken ſsiegten die Liberalen. Jn Heide lb er g algemeine Flauheit,
im zweiten Diſtrikt erschienen nur 19 Wähler. Fn Mannghe e.im siegten
im erſten Wahlbezirk die Nationalliberalen gegen die Demokraten. In
Spech bach Wahl gut. In Ketsch Sieg der Katholiken; ebenſo in
Brühl, wo 4 Katholiken gegen 1 Liberalen durchgingen. Jn Wi esloo ch
ſiegten die Liberalen mit unbedeutender Mehrheit. In Nugßtloch
wurden 6 Katholiken und 6 Liberale gewählt, indem in dem einen
Distrikt die Katholiken, in dem andern die Protestanten vollständig
siegten. In St. Leon, Rauenberg und Rothenberg haben
die Katholiken gesiegt; in Roth ~ und das verdient allen kathol.
Gemeinden des Landes zum Muster vorgeführt zu werden – waren
die Katholiken einſtimmig. Jn Horrenb erg-Balzfeld iſt der
Sieg auch ein glänzender. Jn St. Ilg en wurde ein Liberaler
und ein Katholik gewählt. In Karlsruhe bleibt die Wahlbethei-
ligung fortwährend am flaueſten: im zweiten Wahldiſtrikt kamen
noch weniger Wähler als im erſten, nämlich von 240 Berechtigten
al
Sch wa rz ach“, ſchreibt die Landeszeitung, „großer Sieg der ut
montanen; auch Lender ist gewählt.“ Natürlich hat die Landesbase
von ihrem liebſten Freunde auch beſondere Notiz nehmen müssen.
Rieg el: glänzender Sieg der kath. Volkspartei ; evenſo in Ulm
bei Oberkirch und in Hasl ach und Th i e rg arte n. In Rado l f-
ze ll Sieg der Liberalen. So weit bis jetzt unsere Nachrichten.



Deutſclaud.

* Heidelberg, 16. Sept. Aus der Landeszeitung erſehen wir
die erſten Mittheilungen über die Wahlen. Da wird von hier ge-
klagt, daß keine Wahlbewegung in der Stadt bemerkbar ſei und daß
die nationalliberale Partei gar keine Wahlverſammlung angeordnet
habe. Wozu, fragen wir? Die hiesige Bürgerschaft iſt längst an
„ſtrammes Regiment“ gewöhnt, und es genügte alſo, was die Lan-
deszeitung tadelt, daß man ſo nebenbei eine Anzahl Leute als Wahl-
männer im Straßenanzeiger in Vorſchlag brachte, um ihre Wahl als

Das BYBlumenmädcheu.

Eine amerikaniſche Geschichte.

Die Sonne warf ihre ersten Strahlen über den Horizont. Ihre goldene
Scheibe ſelbſt war noch nicht sichtbar, doch war ihr Herannahen bemerklich an
allen den ſchönen, Newyork umgebenden Scenerieen. Die leichten, über Whee-
hawken ſchwebenden Wolken leuchteten in reiner Purpurpracht, hin und wieder
von rojigen Goldſtreifen durchfurcht. Das Waſſer des Hudson bewegte sich im
Kampfe der Fluth mit einer leichten entgegeng ſetßten Briſe, und im Gekräuſel
der Wellen brach sich das friſche Morgenroth in tauſend farbigen Lichtstrahlen.
Long Jsland lag noch im Schatten ſeiner Hügel und der über seine niedrigen
Ufer ausgebreitete Nebel wurde noch von keinem Sonnenſtrahl erhellt, ſo daß
Bäume, Häuſer und Maſtſpißen vor dem Auge des Beſchauers dalagen wie
das unklare Bild einer Camera obſcura. .

Tiefe Stille lagerte über der allgewaltigen Weltstadt, nur hin und wieder
unterbrochen oder vielmehr auffallender gemacht durch das Rasseln der Markt-
karren auf ihrem Wege von den verſchiedenen Fähren n-ch den Marktplätzen,
oder von dem halbunterdrüctten Rauſchen eines Rieſendampfers, befrachtet mit
noch ſchlafenden Pasagieren.

An den Werften entstand bald reges Leben. Grocer, Karrenführer und
Gemüſehändler drängten sich,an die Dampfboote, die am Wasser gelegenen Märkte
jetuu hr Tagesgeſchäft, und bald bot das Ganze ein Bild des geſchäftig-

en Treibens.

Der an diesem Morgen zuerst belebte Markt war der an der Julton Street
gelegene. Mit dem anbrechenden Morgen fülten sich ſeine geräumigen Hallen
mit den materiellen Bedürſniſſen einer großen Bevölkerung, und es häuften
sich auf die noch vor Kurzem leeren Stände ganze Wagenladungen von Gemüſe,
Ileiſch, Früchte, Geflüg el, abwechſelnd mit Töpfen köſtlicher Treibhauspflanzen ;
gleichzeitig öffneten ſich die kleinen Buden , in denen man heißen Kaffee und

Wurzzelbier, ſowie friſche Auſtern und warmes Gebäck verkaufte.

Dienstag den 19. September





1871.









ſelbſtverſtändlich durchzuſezen. Was die Landeszeitung aber gegen-
über Heidelberg nur auf's Schonendſte berührt, das tadelt sie maſſiv
an ihren Gesinnungsgenoſſen in Bruchſal; da wird ſchon mit einer
ganz anderen Glocke geläutet. Da leser. wir eine Stelle, die uns
ſehr amüſirt hat, weil wir daraus den ganzen Terrorismus natio-
nalliberaler Cliquen in Stadt und Dorf bestätigt finden und alles
das was wir ſo oft darüber geſagt haben, in einem so ausgesſpro-
chenen gegnerischen Parteiblatte gerechtfertigt ſehen; es heißt nämlich
dort: „Es scheint in Bruchſal Regel geworden zu sein, daß 20 oder
50 Perſonen sich nach einer privaten Vereinbarung zuſammenfinden,
Besprechungen halten und dann das Ergebniß derſeiben den Bewoh-
nern kund thun. So iſt es bei den Kreismännerwahlen geſchehen
und so geschieht es heute. Wir sollten es faſt für nöthig halten,
den hiesigen Parteiführern klar zu machen, was eine Versammlung
iu unserem heutigen politiſchen Sinn heißt. Oder glauben vielleicht
dieſe Herren, daß dem gewöhnlichen Bürger nicht das Recht zur
Theilnahme zuſtehe, oder fürchten sie Opposition? Gestehen sie aber
Allen ein Recht zur Betheiligung zu, ſo müssen sie auch Allen die
Möglichkeit geben, sich Kenntniß von der Abhaltung einer Verſamm-
lung zu verſchaffen, und dazu haben wir die Preſſe. Unser heutiges
Volk iſt politiſch reif genug, um sich Niemand aufoctroyiren zu lassen,
und dieſes Verfahren ſchlägt die nationalliberale Partei dieses Mal
ein.“ Herzlichen Dank für ein ſolches ehrliches Geſtändniß, aus
welchem hervorgeht, daß es ſelbſt bei der Landeszeitung zu dämmern
beginnt, welch unwürdiges Spiel die Nationalliberalen mit dem
Volke treiben. Da kann ja die Landeszeitung ihr famoſes Wort
vom „Stimmvieh“ in der eigenen Partei prächtig zur Anwendung
bringen. – Jn Karlsruhe haben im ersten Bezirk von 235 Wahl-
berechtigten nur 27 gewählt! So groß iſt die politiſche Abſpannung
dort! – Aber nun gar ein Schmerzensſchrei in der nämlichen Landes-
baſe aus Ueberlingen, der in unſerer Presſe nicht unverhallt vorüber-
gehen sollte! Es wird entſetlich geklagt, daß das Volk am libera-
len Karren nicht mehr ziehen wolle.. Und warum ? ,„Da Jagt der
Bauer ganz einfach“, und das ſteht wörtlich in der Landesbaſse:
„aha ~ jett kommen die Herren, jett solen wir wieder ins Ge-
ſchirr fallen ; wir wissen aber gut, daß man den Beamten ihre
Gehalte erhöhen will, nicht damit dieselben richtig für die viele
mühevolle Arbeit bezahlt werden (denn die Bauern sind der Ansicht,
daß sich viele Beamte und ihre Hülfsarbeiter über Arbeitsmangel
zu beklagen hätten), sondern damit sie besſſer leben können.“ Ja, und
da haben die Bauern ganz recht, wenn sie so reden; den wenn man
dem Volke fortwährend nur Laſten aufbürdet, wie es freilich die Ver-
hältnisse mit sich bringen, so können sie nicht begreifen, wie man den
Beamten andrerseits immer mehr zulegen soll, und obendrein noch,
wenn viele Verwaltungsbeamte sich nicht gerade zu überarbeiten
brauchen. Die Bauern haben deßhalb vollkommen recht, wenn ſsie
keine Beamtenkammer wollen, wo die Büreaukraten zuerſt nur an sich und

Nach und nach bildeten sich aus dieſem Chaos Scenen, ſchön in ihrer Gigen-
thümlichkeit, wie sie der denkende Menſch und der Künſtler zu sehen liebt. Die
Buden der Metzger, noch vor Kurzem ein Geſtell von unſauberem Gebälk, ent-
hielten jezt ganze Reihen friſcher, zierlich ausgelegter Fleiſchſtücke, von denen
einige mit grünem Laub und friſchen Gartenblumen geschmückt waren. An
jedem Stande sah man die ſtattliche Figur des Verkäufers in reinlicher Kleidung,
mit ſchneeweißer Schürze und sauberem Hemd. Auf den von Geſundheit strah-
lenden Gesichtern drückte sich gleichzeitig Behäbigkeit, Selbstbewußtsein und
Geschäftigkeit aus, und das Ganze bot ein Bild der Fülle und des Wohl-
standes.

Die Frucht- und Gemüſeſtände waren jetzt mit ihrem friſchen, noch thauigen
Inhalte beladen. Jede ausgeſtellte Pflanze blühte noch in ihrer eigenthümlichen

Farbenfriſche , und das Ganze war oft mit auffalendem Geſchmacke hinſichtlinena

der Farbenstelung geordnet, ein Geſchmack, welchen die Verkäufer oft un-
bewußt in dem Streben entwickeln, ihrer Waare ein möglichſt einladendes
Aeußere zu verleihen.

Auf einen dieser Gemüſeſtände müssen wir die Aufmerkſamkeit unſerer
Leſer ganz besonders richten. Dieser lange, für das Geschäft des Tages geord-
nete Tiſch war wie ein lebendiges Fruchtbild. Saftige, rothwangige Radies-
chen, hervorlugend aus einem ſchwellenden Buſch zartgrüner Blätter , contra-
stirten mit jungen Zwiebeln und runden Rübchen, taum größer als ein Hüh-
nerei und faſt eben ſo weiß. Neben eben friſch und duftend dem Gartenbeete
entnommenen Salatköpfen mit gekräuſelten, grünlich - goldenen Blättern zeigen
ſich Waſsſerkreſſe und dunkelgrüner Spinat, vom Thau beperlt, und glühend-
rothe, in grünen Rebenblätter gebettete Ecdbeeren in der ganzen Fülle ihrer
ersten Friſche. Bouquets von Roſen , Hyacinthen, Veilchen und anderen duf-
tenden Blumen miſchten ihren Wohlgeruch und den Reichthum ihres glühenden
Colorits mit den gröberen Kindern des Erdbodens, unter die ſie hier sinnig
gemiſcht waren. Das Ganze bot ein des Beſchauens würdiges Bild. Neben
dem Tiſche sſaß die alte Verkäuferin bequem in einem Korbſtuhle und er-
 
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