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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0051

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Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Jnſ.-Geb. 2 kr. d. H.

für Stadt
R. 13.

Einladung zum Abonnement.

Mir haben unlängst darauf aufmerksam gemacht, von welcher
Wichtigkeit es iſt, die kath. Preſſe noch möglichſt massenhaft vor den
Reichstagswahlen unter dem kath. Volke zu verbreiten. Es ist nicht
nöthig, zur weiteren Auseinanderſeßzung der hohen Bedeutung dieses
Vorſchlages Angesichts der großartigen Rüſtungen und Vorbereitun-
gen unserer Gegner auch nur noch ein weiteres Wort beizufügen.
Mir erſuchen daher unsere Freunde, für zahlreiche Abonnements auf
den Pfälzer Boten für den 1. künftigen Monats wirken zu wollen.
Alle Poſtanſtalten und Postboten nehmen Bestellungen für die näch-
sten Monate Februar und März an.

Heidelberg, 22. Jan. 1871.

Die Redaction des Pfälzer Boten.

y . Deutschland.

* Heidelberg, 28. Jan. 119 den kommenden Reichstagswahlen
machen wir ganz besonders darauf aufmerkſam, daß die materiellen
Intereſſen in Berlin eine nicht minder große Rolle spielen werden, als
im ehemaligen Zollparlamente, so daß bei den vielfach sehr verschie-
denen Intereſſen Süddeutschlands und Norddeutschlands nur Candi-
daten berücksichtigt werden ſollten, die entſchloſſen sind, größere La-
ſten als wir sie bereits tragen, mit Nachdruck abzuwehren. Bauern
des bad. Unterlandes ! Bedenkt, daß die nationalliberalen Abgeordne-
ten des Landes sich nicht gegen die Tabakssteuer gewehrt haben, wie
ſie denn überhaupt niemals gegen irgend eine Steuer auftraten. Ihr
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hingen, Dahmen und Bisſſing gestimmt und zum Theil auch gespro-
chen haben; Ihr wißt aber vielleicht noch nicht, daß man den Ta-
baksbau noch mehr erſchweren will, ſei es durch noch eine höhere
Steuer, wie man früher ſchon beabsichtigte, oder durch Einführung
des Tahaksmonopols, was das Wahrſcheinlichſte iſt. Der Abg. v.
Klei ſt-Retßow hat es mit dürren Worten im preußiſchen Her-
renhauſe geſagt, wenn der Krieg zu Ende sei, brauche das Reich
viele Einnahmen, die man am beſten dadurch erhalten könne, daß
man indirekte Steuern erhebe, die auf Verbrauchsgegenſtände ge-
legt werden, weil man da gar nicht merke, daß man etwas zahle.
Dazu gehörten alle Lurusgegenstände, wobei der Redner besonders
hervorhob : „Der Tabak iſt ein solches vortreffliches Objekt der Be-
ſteueruug und das Tabaksmonopol deßhalb wohl für uns unver-
meidlich.“ Seht Ihr, Ihr Bauern, wo's hinaus will? Die baye-
riſche und die badiſche Pfalz, die am meisten Tabak bauen, sollen





Dienstag den 31. Januar



In seraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
und Land. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.







land trifft, a ll ein decken, – wählt Ihr also Leute, wie Ihr ſie
früher gewählt habt, so werden diese wieder wie das lette Mal mit
Ja stimmen, wenn Euch die Schraube abermals angelegt wird.
Wohl wissen wir, daß das Reich vielfache Bedürfniſſe haben wird,
weil dort der eigentliche Schwerpunkt der Regierung liegen muß
und nicht mehr in den Einzelſtaaten; deßhalb brauchen wir auch
Abgeordnete in den Einzelstaaten wie im Reichstage, die den ernsten
Villen haben, die kleinstaatlichen Regierungen immer mehr zuverein-
fachen und eine Menge Dinge wegzuſchaffen, die früher noch einen
gewissen Sinn hatten, jetzt aber nur noch eine leere Spielerei sind.
Dies Alles überleget wohl, Mitbürger in Stadt und Land, wenn
die Wahlen kommen. Wir wissen wohl, wie jetzt ſeit practiſcher
Durchführung der Tabakssteuer anf dem Lande draußen räſonirt
wird, und zwar in den Ortſchaften am meisten, wo man für Can-
didaten geſtimmt hat, die Ja und Amen zu dieser Steuer ſagten.
Dieſes Geſchimpfe ist jezt zu spät, die Tabakssteuer wie sie iſt,
wird nie mehr herunter gebracht werden; aber jetzt handelt es sich
um etwas Anderes, Ihr Bauern, –~ gebt Acht, daß man Euch den
Tabak nicht noch so hoch hinaufsſchraubt, daß die jetzige Steuer eine Klei-
nigkeit dagegen ist und Jhr fortan überhaupt gar keinen Tabak mehr
bauen könnt. Habt Acht und handelt v or her, + nachher iſt's zu
spät, wie das Sprichwort ſagt :
„Vor gethan und nach gedacht,
Hat Manchem ſchon ſchwer Leid gebracht !"

* Heidelberg, 28. Jan. Die bayeriſchen Staatsangehörigen
ſollten nach Erlaß des Ministeriums des Innern von den Gemeinde-
behörden in ein besonderes Verzeichniß eingetragen werden. Da
nunmehr aber der Vertrag über Herstellung des deutſchen Reiches
auch von der bayeriſchen Volksvertretung genehmigt worden iſt, ſo
fällt dieser miniſterielle Erlaß weg und die in Baden ansässigen
bayeriſchen Staatsangehörigen werden jetzt in die allgemeine Wähler-
liſte eingetragen, was wir hiermit unseren Gesinnungsgenossen mit-
theilen und wofür wir zugleich die kathol. Preſſe um Weiterverbrei-
tung ZU ert. 28. Jan. Die Landesbaſe ſizt einmal wieder
mit ihrer Gesponsin, der Tochter Ammons aus Conſtanz, im Lügen-
käſtlein. Beide ehrsamen Jungfern haben nämlich unlängst geschrie-
ben, der Pfarrer Led er l e von Beuren a. A. habe die Chriſten-
lehrpflichtigen gefragt, wer geſcheidter sei, ein Pfarrer oder ein
Lehrer, und dann diese Frage ſelbſt dahin beantwortet, ein Pfarrer
sei sechsmal gescheidter wie ein Lehrer, weil er auch ebensoviel länger
ſtudirt habe als ein solcher. Daß das Geſchichtchen verlogen war,
haben wir uns gleich gedacht und freuten uns daher schon zum



alſo den Ausfall in der Reichskaſſe, der das ganze übrige Deutsch-
ett Wer hat das gethan?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortiegung.)

Die kranke Frau im anderen Zimmer richtete sich auf und ſah mit einem
Blicke, der sich immer freudiger erhellte, in die vom Lichte und noch mehr von
der Liebe verklärten Gesichter der beiden jungen Len.

HFrau Heider hatte sich am anderen Morgen so weit erholt, um das Bett
verlaſſen zu können ; sie blieb aber oben und kam nicht zum Kaffee herunter,
den alle Hausbewohner sonst gemeinſchaftlich in der E ſtube einzunehmen pflegten.
Heider war ziemlich einsilbig, aber nicht unfreundlich ; er ſchien ſich seines Be-
nehmens vom vorigen Abende zu schämen, davon zeugte sein Bemühen Her-
minens Blicken auszuweichen. Nach dem Befinden seiner Frau fragte er nicht,
aber der Arzt, der im Laufe des Vormittags erschien, erzählte, daß Herr Hei-
der ihn gestern auf dem Bahnhofe getroffen und ihn gebeten habe, heute ein-
mal herüberzukommen. wc ft tZss
Herr Spahn hat Recht, dachte Hermine, er iſt von Herzen gutmüthig,
aber Lisette het ihn auf, und das Bewußtsein ſeines Mangels an Bildung iſt
ihm seiner Frau und seinem Sohne gegenüber peinlich, deßhalb sei er so grob
gegen ſie. Man muß ſich hüten, dieſe wunde Stelle zu berühren, dann wird
sich's ganz gut mit ihm verkehren laſſen. f > ,

_ hu Herminens großer Freude wurde Herr Heider gebeten, in dem Himmer
seiner Frau nicht zu rauchen. Da er gewohnt war, die Pfeife von Morgen
bis zum Abend nicht aus dem Munde zu lassen, ſo ließ sich vermuthen, daß
er ein ſeltener Gaſt bei der Kranken sein werde, wenn er zwiſchen ihr und der
Pfeife wählen mußte. In der That erſchien er auch immer nur auf kurze
Zeit im Wohnzimmer, polternd und brauſend wie ein Wirbelwind, Fenster und
Thüren aufreißend und über die Holzverſchwendung seiner Frau brummend und
klagend, wobei er niemals unterließ, über die Albernheit des Arztes zu ſchelten,
der nicht einſehe, daß Tabaksrauch ſehr geſund, und namentlich einer Perſon,
die stets verdorbene Stubenluft athme, ſehr zuträglich je. .
“ „Wenn du dir keine Bewegung machſt, und wenn du dir nicht ordentlich
den Wind um die Ohren gehen läßt, war sein steter Refrain so ruinirſt du
dich ganz und gar. Aber das ſage ich dir, wenn du keine Vernunft annehmen

wilist, ſo mußt du auch den Schaden tragen. Glaube nur nicht, daß ich dich
künftiges Jahr wieder ins Bad reiſen laſse, ich habe keine Luſt, mein Geld
auf die Straße zu werfen."

Dieſe Beſuche wurden aber mit jedem Tag kürzer und ſeltener, und zu-
leßt kam er nur noch kurz vor Tiſche herauf, um der Kranken zu wiederholen,
daß es ihr viel zuträglicher sein werde , wenn sie ins gemeinſchaftliche Eßzim-
mer herabkomme, um Sauerkraut, Erbſen und derartige nahrhafte Speisen zu
eſſen, als wenn sie hier oben an einem Löffelchen Suppe oder einem Stückchen
Geflügel nippe, die ihr keine Kräfte geben könnten und Liſette nur Mühe und
unnüte Arbeit machten. f : §

Hermine fehlte nie zu dieſer Zeit im Wohnzimmer, ſowie sie stets dafür
sorgte, daß Leonhard dort nicht mit seinem Vater zuſammentraf, und da sie
mit ihrem freundlichen Gesicht nnd ihrer fröhlichen Laune sich immer wie ein
Schild vor die kranke Frau ſtellte, ſo ging ſelbſt dieſe unangenehmſte Stunde
des Tages vorüber. Das Benehmen des Hausherrn gegen sie war freilich we-
der fein noch höflich, aber zeigte doch von großem, immer zunehmendem Wohl-
gefallen an ihr. Er nahm sie gegen Liſettens hämiſche Ausfälle in Schutz und
ergötte sich sichtlich an ihrer unbefangenen Fröhlichkeit, zum großen Aerger der
Haushälterin. Sie wich, theils weil es in ihrem Naturell lag, theils weil sie
ihn, aus Rücksicht auf Leonhard und Frau Heider, in guter Laune zu erhal-
ten bemüht war, der Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, niemals aus, und er-
wies ihm gern kleine Geſälligkciten, wie sie das Familienleben mit sich bringt.
_ So war ſie eines Tages allein mit ihm in der Eßſtube. Sie hatte ihm
Kaffee eingeſchenkt und reichte ihm eine Taſſe mit einem Scherze. ~ „Sehen
Ft. der Zucker guckt oben heraus, ſagte ſie, D was ſind Sie für ein sü-
er Herr !‘

_ ynUuUnd du biſt ein ſchönes Mädchen !“ entgegnete er, sie mit einem Ruck an
ße) fz und war im Begriff, seine breiten Lippen auf ihren kindlichen
und zu drücken. ? et

Dész Mädchen war einen Augenblick wie erstarrt, dann stieß sie ihn mit
voller Y. c chern zurück und stand hoch aufgerichtet, mit funkelnden Augen
vor ihm. & „Herr ! rief ſie, wie können Sie eine Dame, die unter ihrem Schutze
ſteht, so beleidigen ! Wenn Jhre Frau nicht krank wäre, ſo würde ich augen-



blicklich Ihr Haus verlaſſen.“
(Foutſeßung folgt.)
 
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