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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0239

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und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Ins.-Geb. 2 kr. d. B.

für Htadt



Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-



tionen von Rud. AMlosse, Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. L. Danube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.





„s. 60. Donnerstag



n Reichstag.

haben wir Baumſtark's Schrift : „Der
en der katholiſchen Kirche“
sen und daraus mit
ſſer auf ſchriftſtelleriſchem Gebiete
o großer Begeiſterung er-
durch die reiche Fülle seines Geiſtes nüglich
t, die wir unseren Freunden
Verfasser die all:
stages. beſpricht die Adreß-

* Reinhold Baumſtark

Mit großem Jnteresſe
erſte deutſche Reichstag und die Interess
(Herder'ſche Verlagshandlung in Freiburg) gele
Freude entnommen, daß der Verfaſſ
fortfahren wird, der
griffen, auch künftig
In der vorliegenden Schrif
fehlen können, ſchildert der

Sache, die er mit s

nicht warm genug emp
gemeine Gestalt des ersten deutſchen Reich
debatte am 30. März sowie die Verhandlungen vom l1., 3. und 4.
¡te, gehl daun zu dem Verhältniß der Reichs-
deiten Fragen über und theilt seine Ansicht
der gefaßten Beſchlüſse mit. Was die
g zu den Katholiken betrifft, ſo ſtimmt

April über die Grundrech
regierung zu den verhan
über die praktiſchen Folgen
Stellung der Reichsregierun
der Verfaſſer volllommen mit den von uns im Pf
derholt schon hierübe

„Bei den großen Deba
haben die Vertreter der deutſ

älzer Boten wie-
r entwickelten Ansichten überein, wenn er ſagt:
tten am 30. März, am 1., 3. u. 4. April
chen Reichsregierung beharrlich ge-
Die Katholiken können mit diesem Umstand in
is die Reichsregierung einerseits mit keinem
Worte den Auſchauungen der Majorität über die römiſche Frage
eits dem Verlangen nach Gewährung eines gemein-
für die katholische Kirche im ganzen Reich
ebenfalls mit keinem Worte entgegengetreten iſt. Dies ist ſchon Et-
was; und dieſes Etwas gewinnt an Bedeutung, wenn man erwägt,
daß der Reichskanzler in einem, wie es scheint, sehr erregten Mo-
mente, nämlich den polniſchen Abgeordneten gegenüber, ausdrücklich
anerkannt hat, daß die Vertretung aller Intereſſen der kath. Kirche
im Reichstag ihre vollſte Berechtigung habe. Uebrigens machen wir
uns keinerlei Jluſionen über diesen Punkt ; die Reichsregierung wird,
davon sind wir fest überzeugt, die Katholiken darnach behandeln,
wie dieſelben im öffentlichen Leben als geſchloſſene und
bedeutungsvolle Macht aufzutreten verſtehen; es hängt mit
anderen Worten zum weitaus größten Theil von den Katholiken
ſelbſt ab, welches Verhältniß der Reichsregierung zu den Interessen
ihrer Kirche ſich in Zukunft bilden und befestigen wird.“ Es hängt
von den Katholiken selbſt ab, wie sie behandelt werden, ~ ein vor-
treffliches Wort des Verfassers , dem er in einem Schlußabſchnitte
über die Zukunft der katholischen Intireſſen im deutſchen Reich eine
praktische Verwerthung dahin gibt, daß er die Nothwendigkeit eines
festeren Aneinanderschließens acer Gleichgesinnten im deutſchen Reiche
in folgenden Punkten der Centrumsfraction ans Herz legt :

schwiegen.
wohl zufrieden sein, a

beigetreten, anderſ
samen Rechtszuſtandes



„JI. Die Parteiorganiſation. Dieſelbe muß sich, wenn
bis zu den nächsten Reichstagswahlen irgend etwas Erhebliches ge-
leiſtet werden soll, ſchon von jezt an unter der Leitung eines Cen-
tralausſchuſſes wie ein Net mit unzähligen Maſchen über das ganze
deutſche Reich erstrecken ; ohne eine solche Organiſation sind alle noch
so verdienſtlichen Bemühungen schließlich in der Regel erfolglos.
Nicht minder wichtig ist

2. Die Selbſstbe steuerung der Partei. Die kaiholiſche
Partei zählt in Deutſchland Gottlob so viele Mitglieder, daß man
in dieſer Beziehung etwas recht Stattliches erreichen kann, ohne dem
Einzelnen irgend wehe zu thun. Die Reichen aber mögen bedenken,
daß es sich für sie und für uns Alle um die heiligsten Güter des
irdiſchen und ewigen Lebens handelt. Jn Baden iſt es leider nicht
gelungen , diesen Punkt in eine befriedigende Ordnung zu bringen ;
und darin, daß es nicht gelungen iſt, finden wir, außer den allge-
meinen politischen Verhältniſſen, die Haupturſache der Wahlnieder-
lage unserer Partei. Ohne Geld ist nun einmal auf dieſer Welt
Nichts zu erreichen.

3. Ein Collectivſchritt des d eutſchen Epiſkt opat s
bei der Reichsregierung und bei dem deutschen Kaiser ſollie unſeres
Erachtens vorbereitet werden. Es iſt im Reichstag so ziemlich von
allen Seiten anerkannt worden, daß die Beziehungen zwiſchen Staat
und Kirche einer reichsgeſetlichen Regelung bedürfen. Dieß kann
gar nicht ausbleiben, sſelbſt wenn man von der naturnothwendigen
Bewegung nach dem Einheitsſtaate hin gänzlich absieht. Es ist wirk-
lich zu unvernünftig, daß eine und dieselbe chriſtliche Kirche in
mehreren Ländern eines und desselben Reiches in den allerverſchie-
densten Rechtszuſtänden leben soll, ein solcher Zuſtand läßt ſich auf
die Dauer unmöglich erhalten. Man hat nun die Beseitigung des-
selben hinausgeſchoben bis zu dem vielbeſprochenen „weite ren
Ausbau“ der Reichsverfaſſung. Dieſer Ausbau wird und muß
kommen; wenn er nicht bestehen soll in einfacher Herübernahme der
preußiſchen Verfaſſungsbestimmungen, sondern in einem beſonderen
ausführlichen Reichsgeſet, ſo iſt es von der allergrößten Wichtigkeit,
daß unsere hochwürdigſten Biſchöfe als die einzig legitimen Vertreter
der katholiſchen Kirche Deutschlands vom jetzigen Augenblicke an
nicht mehr aufhören, mit den Bedürfniſſen und Rechtsforderungen
der Kirche unablässig und unermüdlich anzuklopfen an den Thoren
der deutschen Reichsregierung. Für große geiſtige Mächte hat die
deutsche Reichsregierung Sinn und Verständniß; und der deutſche
hf s! in seiner einnüthigen Geſammtheit ist eine große geistige

acht.“



Der dem Schaffot Entflohene.

(Novelle von Pr. J. F.)

(Fortsetzung.)

Mit diesen Worten entfernte er sich und ließ Herrn Dupre in tiefen Ge-
danken. Er dachte sich alle möglichen Fälle und kam am Ende sogar auf die
Idee einer geheimen Neigung zu Mariannen, da, wie er bemerkte, es ſich diese
besonders angelegen ſein ließ, den einſilbigen , wortkargen Mann öfters zum
Reden zu bringen, was ihr aber nie recht gelingen wollte.

Jett kam Karl mit den Worten zurück: „Da bin ich Vater! was be-

Herr Dupre nahm ſeinen Sohn bei der Hand und führte ihn auf eine Raſen-
bank, die unter einer stattlichen Linde stand. Sie setzten ſich und Herr Dupre
begann ernst und feierli

„Lieber Karl! In dem Drange meiner vielen wichtigen Geschäfte vergaß
ich, daß Deine Zurückkunft und Dein längerer hiesiger Aufenthalt wichtige
Folgen haben können. Du bist zum jungen Manne geworden, Dein Verhält-
niß zu den beiden Mädchen war zuerst ein kindliches und wurde im Laufe der
Jahre ein freundſchaftliches. Von der Freundſchaft zur Liebe iſt oft nur ein
Schritt. Ich will, meiner Gewohnheit gemäß , gerade zum Ziele gehen ;
sage nun wahr und offen, liesſt Du eines des beiden Mädchen und

War die Frage des Vaters kurz und deutlich, so war die Antwort des
Sohnes eben ſo bündig und offen.
„Ja, mein Vater, ich liebe Clementinen.'“
„Karl ! iſt es wahr ?“
nUnd ich werde von ihr wieder geliebt. Mit Ungeduld erwartete ich
meine Zurückkunft, um Ihnen das Geheimniß meines Herzens mittheilen zu

Karl ſah in seinem Entzücken, ſich dem Vater eröffnet zu haben, nicht,
wie deſſen Auge Mißbilligung ausſprach und fuhr mit Feuer fort: „Da ich
nicht im Geringsten zweiseln konnte, meine guten Eltern würden hocherfreut
sein, ein Mädchen von mir erwähit zu ſehen, das sie wie eine Tochter lieben
und als ſolche behandeln, so dachte ich nie daran, eine Flamme zu löſchen, die



schon seit der früheſten Jugend als Funke in meinem Herzen glühte und war-
tete nur den Zeitpunkt ab, bis Clementine ein Alter erreicht haben würde,
um ein solches Verhältniß erwägen zu können."

„Clementine kann nie die Deine werden,“ erwiderte Herr Dupre mit jener
Autorität, die Karl kannte und von der er wußte, daß sie keinen Widerſpruch
erträgt. „Da Du aber so aufrichtig biſt, ſo will ich Dir keine Vorwürfe
machen und Dir offen meine Gründe erklären. Es iſt wahr, Clementine ver-
einiget alle Gigenſchaften in sich, die sie mir als Schwiegertochter wünſchens-
werth machen können; allein ihr Schickſal hängt nicht von ihr ab. Du weißt,
daß dieſe Waiſe und ihr bedeutendes Vermögen, mir als ein Heiligthum an-
vertraut sind. Die Ehre verbietet es Dir, darnach zu trachten, wenn nicht
ihr Onkel sie Dir durch einen feierlichen Act abtreten will.“

„Ihr Vater ſchien doch unſere beiden Familien vereinigen zu wollen.
Immer glaubte ich , Clementine für mich bestimmt, und ich kann unmöglich
glauben, daß Baron Wahthlberg die Rechte eines Onkels ſo ausdehnen werde,
seine Nichte und mich unglücklich zu machen."

„Und ich wiederhole Dir, daß Clementinens Onkel allein das Recht hat,
über ihre Hand zu verfügen; ich aber, als ihr Vormund ſelbſt den geringsien
Schein vermeiden muß, als ob ich bei ihrer Wahl irgend einen Einfluß aus-
geübt hätte. Kennſt Du Baron Wahlberg, um über ihn und seine Plane ein
Urtheil fällen zu wollen? Ich ſah ihn nur am Todtbette von Clementinens
Vater, als dieſer mir seine Tochter übergab, bis ſein Bruder von Amerika
zurückkehren würde ; allein es genügte mir, in dieſem Bruder einen mißtrauiſchen,
argwöhniſchen Menſchen zu erkennen, was ſich dann in den Briefen bewährte,
die ich von ihm aus Amerika erhielt. Wolltest Du ihn glauben machen, vaß
Usus RerÖ;thum Dich nicht bewogen habe, Dich um ihre Liebe und ihre

and zu bewerben ?“

„Ihren Reichthum ?“’ erwiderte Karl mit Leidenſchaft, „ich verzichte auf
ihr ganzes Vermögen. Wir lieben uns und Niemand soll vermögend
ſein, dieſe Liebe zu trennen. Das haben wir uns gegenseitig geſchworen."

„Ein Schwur !“ fiel ihm Dupre hestig in die Rede. „Wie konntest Du
von tiner mir anvertrauten Waiſen einen Schwur annehmen ? Willſi Du die
Schande Deines Vaters ?‘

„Vater ! ich kann ohne Clementine nicht leben.“

(Fortſezung folgt.)
 
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