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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0293

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. + Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Gehb. 2 kr. d. B.

Js. 74.

für Stant_



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Einladung zum Abonnement.

Auf das mit dem 1. Juli beginnende III. Quartal laden wir
ergebenſt ein und bitten unſere auswärtigen Abonnenten, die Er-
neuerung des Abonnements noch vor Ablauf des alten
Quartals bei den betr. Poſtanſtalten oder Landpoſtboten anzuzeigen,
indem eine unterlaſſene Neubeſtelung immer als Abbestellung ange-
nommen wird. f

Beſtellungen für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach wollen
bei der Expedition von L. Schwei ß dahier gemacht werden.

Bestellungen in Paketen von mindeſtens 10 Eremplaren, wobei
wir je ein Freiexemplar gewähren, werden ebenfalls von der Erpe-
dition entgegengenommen, und ersuchen wir um rechtzeitige Anmel-
dung derselben.

Inſerate, zu dem äußerst billigen Ansatz von 2 kr. die 3sſpaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unseres irn ganzen Lande und
über deſſen Grenzen hinaus geleſenen Blattes die beste Verbreitung.
Die Expedition.

Das Urtheil der Welt.

Keinem Beobachter der Ereigniſſe wird entgangen sein, wie viele
bedeutende Perſönlichkeiten, welche einige Zeit hindurch
von Allen als Größen erſten Ranges angeſtaunt wurden, deren
Name in jedem Munde war, während der letzten fünfundzwanzig
Jahre in den Verſenkungen der Bühne vers c< w unden ſind, auf
der sich die Weltgeſchichte abſpiell. Da sind in der vordern Reihe
Victor Emanuel und seine Minister, die nun allen Ruhmes entledigt
nur noch bemitleidet oder vergeſſen werden können. Neben ihnen
ſtehen Garibaldi und seine Helden , die nachdem sie einst zu fabel-
haften, wunderbaren Menſchen hinaufgeſchwindelt worden waren,
nunmehr als elende, feige Banditen daſtehen, deren Hauptſtärke im
Zungenfechte besteht.

Wie viele hoch gefeiertt Staatsmänner und Generale allein
ſchon in Deſterreich seit 1848 sich überlebt haben, iſt gar nicht zu
beſchreiben. Die Schmerling, Plener, Giskra, Herbſt, Benedek u.
s. w. wandeln als unheimliche Schatten unter den Lebenden einher ;
dieselben, von welchen die öffentliche Meinung, soweit sie von der
liberalen Preſſe besorgt wird, die Umgestaltung der Welt oder min-
destens eines guten Stückes derselben tauſendmal angekündigt hatte.

Viel schlimmer steht es noch mit den Göten des zweiten Kaiſer-
reichs. Napoleon III. obenan, der lange Zeit von einer gewissen
Presſe für die Mensch gewordene Vorſehung Europas angesehen wurde,
iſt jezt allenthalben als gewissenloſer elender Taſchenſpieler entlarvt
und gebührend verachtet. Er, der Dank dem liberal - freimaureriſchen






Donnerstag den 29. Juni



Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

ß tionen von Rud. Mosse, Haasensteind
und Ü and. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.





unuchenthum faſt das Schickſal Europas in Händen hatte und alle
Fürsten, besonders den Papſt, mit seinen zudringlichen allweiſen
Rathſchlägen behelligte, hat sich zulett selber nicht zu helfen gewußt
und ließ sich nach Sedan und dann nach England treiben.

Seine „berühmten Staatsmänner“ leben als Flüchtlinge im
Ausland, nachdem sie im entſcheidenden Augenblick ſich als faſt
unzurechnungsfähige Klopffechter erwiesen. Seine Soldaten und
Generäle, deren Thaten von der ganzen Welt bewundert wurden

| und dieſelbe in steter Furcht hielten, haben die ſchwerſten Nieder-

lagen erlitten, welche die Neuzeit kennt; sie mußten froy ſein, nach
langer Gefangenſchaft waffen - und ruhmlos ihre Heimath wieder
zu ſehen.

Von andern Ländern zu geſchweigen. Wie viel noch vor Kurzem
hochgefeierte große Männer sind nicht auch bei uns abgethan. wor-
den! Von Staatsmännern und ähalichen Persönlichkeiten ganz ab-
geſehen, ſind eine hübſche Menge von Weltverbesſerern, Volksbeglückern,
Arbeiter - Erlöſern u. s. w. als zu leicht besunden worden und der
gebührenden Vergessenheit anheim gefallen. Was iſt aus ſo vielen
unſerer Worthelden geworden, deren Reden lange Zeit alle Köpfe
in den bekannten geſinnungstüchtigen Taumel verſezt ? Alle sind
verſchwunden, todt und begraben; sie gehen nur noch als vergeſſene
Geſpenſter unter uns um. Man will sich sogar nicht einmal der
Bewunderung mehr erinnern, die man ihnen not vor kurzer Zeit
ſo freigebig zolte. Wohin wir auch blicken, überall werden wir
durch gefallene Größen an die HVkrichtigkeit des Urt1heils der Welt,
an die Vergänglichkeit des bloß irdiſchen Ruhmes unangenehm erin-
nert. Die moderne Welt mahnt gar zu ſehr an den Kirchhof.

Um so wohlthuender und erhebender iſt deshalb die hehre
Gestalt des Einzigen, deſſen Ruhm und Anſehen tro
aller Gegenbemühungen während derſelben Zeit nur g e wach sen
s in d. Was ist nicht alles ins Werk gesetzt worden, haben nicht
die Liberalen und Geheimbündler und ſselbſt viele mächtige Regie-
rungen das Uumögliche verſucht, um den Papſt Pius IX. geistig und
leiblich zu vernichten, ihm seine Gewalt, seine Rechte, seine Stellung
zu nehmen, ihn (wenn es möglich wäre) von seinen Grundſäten
abzubringen? Haben nicht die herrſchenden Klassen, die sog. gebil-
h! Welt, ihm seit fünfundzwanzig Jahren den Untergang ge-
chworen ?

Und trotz alldem! Zwar iſt es gelungen, das geistige Oberhaupt
der Weltkirche seines Besites zu berauben, ihn zum Gefangenen in
seinem eigenen Hauſe zu machen, aber trogdem ſteht er mächtiger,
einflußreicher und ruhmvoller da, als jemals. Das Concii und die

Jubelfeier von 1868 und 1871 haben es bewiesen, daß die von



Der dem Stchaffot Entflohene.

(Novelle von Pr. J. F.)

(Fortſetzung.)

Auf Aler Gesicht war Erstaunen und Entsehen zu lesen.

„Fahren Sie fort,“ ſprach Dupre mit einer beiſpielloſen Ruhe.

„Können Sie etwas von dem Geſagten in Abrede stellen?" fragte der Richter.

„Auch nicht einen Punkt“, sagte Dupre.

„Ales dieses, fuhr Murville fort, könnte mich nicht bestimmen, gegen einen
anerkannt redlichen und geachteten Mann, wie Sie sind, auch nur den leiſeſten
Verdacht zu hegen; allein dieſes Portefeulle mit dem Gelde, haben Sie es nicht
dem Baron übergeben ?"

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„Und in dem Augenblicke, wo man Sie mit einer Piſtole in der Hand bei
tt Ruten traf, fand ſich dasselbe Portefeuille mit dem Gelde in Ihrer

aſche.'"

„Ft das wahr !“ rief Madame Dupre mit Entsetzen.

„Ja!“ antwortete Dupre ruhig und gelaſſen.

„Ein Pistol war ausgeſchoſſen, das andere war noch geladen und beide
wurden von den herbeigeeilten Waldhütern für die Ihrigen erkannt ; sind sie es ?“

„Sie sind die meinigen."

„Sie gestehen alſo', fragte Murville mit zitternder, leiſer Stimme.

Wa ſprang Karl mit drohendem Geberde hervor. „Sollten Sie es wagen“,
rief er wüthend, „meinen Vater eines ſolchen Verbrechens anzuklagen !“

_ uI< klage ihn nicht an“, erwiderte Murville ſmezzlih. „Gott sieht
mein Herz und weiß es, daß dieſes Sie ſsür unſchuldig hält ; allein die Um-
stände zeugen doch alle gegen Sie. Sprechen Sie, lieber Freund, sagen Sie
nur Etwas zu Ihrer Entſchuldigung ; geben Sie mir nur einen Fingerzeig,
auf wen ſonst der Verdacht fallen könnte.“

„Mein theurer Freund, mein lieber Gatte!“ bat Madame Dupre mit auf-
gehobenen Händen.- :

„Vater, lieber Vater l’ riefen die beiden Mädchen laut weinend.

„Gott sieht mein Herz“’, ſagte Dupre, „weiter kann ich nichts sagen.

„Welch' ein furchtbares Geheimniß“, ſagte Madame Dupre leiſe für ſich hin.



Karl rang die Hände, ſchlug ſich vor die Stirne und war rathlos.

Sidney stand unbeweglich in sich gekehrt und fuhr nur dann und wann
wie aus einem Traume auf. Todesblässe bedeckte ſein Gesicht, ſein Auge hing
an den Boden geheftet und nur von Zeit zu Zeit ſprachen ſein Mund und
seine zuſamengezogenen Lippen, ſowie das Knirschen mit den Zähnen, den Schmerz
aus, welchen ihm ſeine Wunde verursachte. Unwillkürlich fuhr er oft mit der
Hand nach der Bruſt, um den Schmerz zu beſchwichtigen. Alle waren zu ſehr
mit dem theuren, geliebten Familienvater beschäftigt, als daß sie auch nur an
Sidney gedacht hätten; allein Simon , der ihn nicht aus dem Auge verlor
und jede ſeiner Bewegungen beobachtete, dem entging nichts.

Murville gab einer der Wachen einen Wink und dieſe brachte einen Mantel.
„Hatten Sie diesen Mantel an," fragte er Dupre, „als Sie ergriffen

wurden ?!

Freudig sprang Karl vor und rief: „„Nein, der Mantel gehört mir !“

„Ihnen ?" fragte Murville bedeutungsvoll ; Dupre aber ſah mit einem
Seufzer zum Himmel, indem er nun seinen Sohn für verloren glaubte.

Karl sagte jettt, daß er auf die nächſte Poſt gehen wollte, um von dort
nach Paris zu reiſen. Als er durch den Wald kam, habe er zwei Schüsse ge-
hört und fit ſchneller zu Hülfe eilen zu können, habe er ſeinen Mantel von
ich geworfen.

„Ich kann es bezeugen“, sagte Simon, indem er vortrat; „aber Herr Ge-
richtshalter !" fuhr er fort, indem er auf Sidney deutete, der sich eben, um
ſeinen Schmerz zu verbergen, umgewendet hatte.

„Laßt Eueren Herrn ſprechen“, unterbrach ihn Murville. „Dupre, wie iſt
dieser Mantel in Ihre Hände gekommen ?"

„Ich fand ihn.“

„Ich muß Ihnen noch einen andern Umſtand mittheilen !“ sagte Murville.
„Herr Baron von Walberg nannte außer Ihnen Niemanden in dieſer Gegend.
Nun wisſſen Sie, er hegte einen Verdacht, der ihn fürchten machte, und deß-
hat schrieb er ſchon früher an mich, ehe er die deponirte Summe von Ihnen
verlangte.“

"Vicht möglich“

„Erlauben Sie, mein Herr !“ bat Simon dringend.

(Fortsetzung folgt.)
 
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