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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0043

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
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F2. 11.

für Stadt







Deutſsclan d. ;
* Heidelberg, 24. Jan. Es thut noth, daß man Meister
Victor Emanuel etwas näher auf die Finger sieht, da uns dieser
Ehrenmann alle möglichen Dinge im Schilde zu führen ſcheint, bei
denen Deutſchland keineswegs eine ſtumme Zuſchauerrolle wird spie-
len dürfen. Es wird fortwährend in der preußiſchen Presse versichert,
es könne Deutſchland ganz gleichgültig sein, welche Regierungsform
die Franzoſen nach beendetem Kriege annehmen würden; für uns
komme es nur darauf an, daß sie Elſaß und Lothringen herausgähen
und die Kriegskoſten bezahlten. Wir haben im Allgemeinen dagegen
nichts einzuwenden ; allein so völlig einerlei kann es doch nicht sein,
wie die künftige Gestaltung in Paris sein wird. Napoleon, der jetzt
der für Deutſchland am wenigsten Gefährliche sein würde, iſt abge-
nutzt, dem Fluch wie dem Hohne gleichmäßig verfallen, die ältere
Linie der Bourbons hat keine Aussicht, weil die Franzoſen der Legi-
timität nicht hold sind und der Schatten Ludwigs XVI. anklagend
zwiſchen dem Throne und der nicht ſühnungsbereiten Nation ſteht;
die jüngere Linie, die Orleans, haben zwar einige Aussicht, aber sie
ſind eine vertriebene, vielfach mit Schuld beladene Rage, die nur
dem Geldproßenthum annehmbar der Nation im großen Ganzen
nimmer genehm ſein wird. Die Republik vollends hat wenig Aus-
ſicht auf Beſtand; sie iſt unmöglich bei den allzu lebhaften romani-
ſchen Völkern überhaupt, wie eben erſt die Spanier und früher die Fran-
zoſen ſselbſt wiederholt bewieſen haben. Da lauert nun Victor Ema-
nuel auf die Beute, wenn die Franzoſen, wie die Spanier es ge-
than, betteln gehen nach einem König, um auch für sie einen Prin-
zen aus ſeinem Hauſe in Bereitſchaft zu halten, sobald sie dieſes
Einfuhrartikels zollfrei bedürftig sind. Schon jeßt wird der Name
des italieniſchen Prinzen Thomas genannt, ~– die geheimen Gesell-
ſchaften flüſtern ihn bereits und das hat seine Bedeutung. Dann
wäre Victor Emanuel, wenn diese Absicht gelänge, das Haupt der
romaniſchen Staaten, ~ die engste Allianz Frankreichs, Italiens
und des bald durch Portugal vergrößerten Spaniens wäre hergestellt,
die ihre Spitze einzig und allein nur gegen das verhaßte Deutſch-
land kehren würde. Napoleon wollte auch nicht einmal einen ent-
fernten Verwandten des preußiſchen Königshauſes auf dem ſpaniſchen
Throne geſtatten, ~ hoffen wir, daß das deutſche Reich keinen italie-
niſchen Prinzen auf dem franzöſiſchen Throne dulden wird, der in
der angedeuteten Verbindung eine ſtehende Drohung für Deutſch-
land sein müßte. Brauchen die Franzoſen einen Fürsten, woran
wir unſererſeits nicht zweiſeln, ſo mögen sie ihn aus ihrer eigenen
Mitte nehmen, es ſei denn daß sie den deutſchen Ueberfluß an Prin-
zen gütigſt berücksichtigen wollten, in welchem Falle sie darauf rech-

Wer hat das gethan?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortſezung.)

Leonhard's Augen füllten sich mit ſchweren Thränen. – „Meine Mutter
hat die Auszehrung, flüſterte er müheſam. Unser Arzt hat es mir eingestan-
den, daß keine Rettung für sie iſt. Wenn sie ſehr geſchont würde, meinte er,
namentlich vor Verdruß und Aufregung bewahrt, so wäre. es möglich, daß sie
sich wieder erholte, ſonst ſchwerlich. Sie war im Bade vergangenen Sommer ;
es hatte ihr ſehr wohl gethan, ich hatte große Hoffnung – aber unter solchen
Verhältniſſen — Sie sehen es ja, sie geht dabei zu Grunde.“

„Und Ihr Vater ? fragte Hermine leiſe. Weiß er es ?-

. „Er glaubt es nicht; Sie haben es ja gehört. Die hectiſche Röthe ihres
Gesichts und den fieberhaften Glanz ihrer Augen hält er für Zeichen der Ge-
sundheit, Sie haben es ja gehört. Er will nicht wissen, daß ſie ſtirbt, sonst
müßte er ſich ja gestehen, daß er sie gemordet hat."“

Sie konnte nicht antworten, denn Anna trat ein, zugleich mit Heinrich,
der den Thee brachte und guf ihre Frage berichtete, daß Herr Heider nach dem
Bahnhof geritten sei und zum Nachtessen nicht wieder kommen werde.

Das Kind war müde und verlangte bald zu Bette gebracht zu werden.
Leonhard und Hermine blieben für den Reſt des Abends allein. Sie hatten
ihve Stühle dicht neben einander gerückt, um sprechen zu können, ohne daß die
Kranke im Nebenzimmer, bessen Thür nur angelehnt war, geſtört wurde.

Das Licht der Lampe fiel hell auf die ſchönen Gesichtern der beiden jun-.
gen Leute, die schon ſo früh die Schattenseite des Lebens kennen gelernt ha-
ben. Aber so unähnlich ihr Schickſal war, so unähnlich war der Eindruck, den
ihre Charaktere und ihre Züge durch dasselbe erhalten hatten. Leonhards Kopf
mit dem dunkeln Haar und Auge, dem bittern energiſchen Zuge. um. die. ſchma-
len Lippen erinnerte an eine düstere gewitterdrohende Nacht ; Herminens weis.
ßes, von den blonden Locken halb verſchleiertes Gesicht mit dunkelbraunen Au-
gen und den weichen, runden Umrissen, war wie milder, beruhigender Mond-
sche in. Sie hatte die. Hand mit der Näharbeit ſinken lassen, um ihn anzu-
sehen, als er mit. leidenſchaftlichen Worten eine Schilderung seines vergange-
nen Lebens nnter der Herrſchaft eines so tyrannischen und unvernünftigen Va-
ters machte. Mehr als einmal füllten ſich ihre Augen mit Thränen.



_ Donnerstag den 26. Januar





Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

) d ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
un é an 6 Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.





nen dürften, daß Deutſchland mit größter Bereitwilligkeit ihren Wün-
ſchen entsprechen würde.

* Heidelberg, 23. Jan. In der norddeutſchen Bundesverfaſ-
sung fehlen bekanntlich die Garantien, welche den chriſtlichen Kirchen
in der preußiſchen Verfaſſung gewährleistet ſinnd. Nun war aber
der norddeutſche Bnnd nur eine sehr unvollkommene Schöpfung mit
offenbar proviſoriſchem Charakter, –~ das deutſche Reich iſt etwas
ganz Anderes, das sich nicht blos um Soldaten, Poſt und Tele-
graphen, sondern zugleich, wie wir ja auch aus der Proclamation
des Kaiſers erſehen, um die geistigen, folglich auch religiöſen Inte-
reſſen zu kümmern hat. Es müssen also in dieſer Beziehung allge-
meine Gesetesbeſtimmungen feſtgeſtelltt werden, welche für das Reich
im Großen und Ganzen Geltung haben, sowie den Einzelstaaten gegen-
über, sobald in einzelnen derselben die aufgeſtelten Grundsätze der
Religionsfreiheit verleßt werden. Das Reich muß in allen Dingen
oberſte Appellationsinſtanz werden, damit man auch wisse, was das
Wort des Dichters bedeute :

„Und ein Kaiser iſt wieder auf Erden,“ ~

um so mehr also in demjenigen, was jedem Einzelnen das Höchſte
und Theuerſte iſt, – in seiner religiösen Ueberzeugung. Hat irgend
ein einzelner Staat sich eine Vergewaltigung an letzterer zu Schul-
den kommen lassen, ſo muß dann Jedem der Weg zum Kaiser offen
ſtehen, dem Einzelnen wie den Corporationen. Aus diesem Grunde
müſſen und werden wir unablässig dahin zu streben haben , daß die
Bestimmungen der preußiſchen Verfaſſung, die beſten in Deutſchland
über kirchliche Freiheit, in dem deutſchen Reiche Bürgerrecht erhal-
ten. Die bezüglichen Artikel jener Verfaſſung lauten aber :

„Art. 12. Die Freiheit des religiöſen Bekenntnisses, der Vereinigung zu
Religions-Gesellſchaften (Art. 31 und 32) und der gemeinsamen häuslichen und
Mt q ſrelglcuelruugrs tr geuteet Mh gu tee Uuuectku
Den hut und ſtaatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung
tf. ji Ficligions GrſelWatten, sowie die geistlichen Geſellſchaften,
tee hug sds haben, können dieſe Rechte nur durch besondere

„Art. 14. Die chriſtl. Religion wird bei denjenigen Einrichtungen des
Staats, welche mit der Religionsübung im Zusammenhange ſtehen, unbe-

schadet der im Art. 12 gewährleiſteten Religionsfreiheit, zum Grunde gelegt.

„Art. 15. Die evangeliſche und die römiſch- katholische Kirche, sowie jede
andere Religionsgeſellſchaft, ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten ſelbſt-
ständig und bleibt im Besit, und Genuß der für ihre Cultus- Unterrichts-
und Wollthätigkeitszwecke beſtimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds.

„Art. 16. Der Verkehr der Religions-Gesellſchaften mit ihren Oberen ist

unbehindert. Die Bekanntmachung kirchlicher Anordnungen ist nur denjenigen

Beſchränkungeu unterworfen, welchen alle übrigen Veröffentlichungen unterliegen.

„Sprechen Sie nicht mehr davon, flüſterte sie, die Erinnerung daran muß
Ihnen ſchrecklich sein. Das Gefühl erlittenen Unrechtes stumpft ſich nie ab :
wenn man daran denkt, erlebt man es von Neuem. Mir thut das Herz weh.
Sprechen Sie nicht mehr davon, es ist ja vergangen.“

„Aber meine Zukunft wird eben ſo sein, entgegnete er, eben ſo elend we.

die Vergangenheit.“

„Nein, das wird sie nicht, sagte sie raſch. Sie haben nur die Gegenwart
zu ertragen, um Ihrer Mutter willen; die Zukunft liegt in Ihrer eigenen Hand.
Im allergünstigſten Falle kann es ihnen mcht ſchlimmer ergehen, als ſo Man-
chem, der ohne Connexionen seinen Weg in der Welt machen muß. Wenn Sie
verzagen wollen, ein Mann von JIhren Kenntnissen, was soll denn ein armes,
elternloſes Mädchen wie ich sagen ?"

Er richtete sich ſchnell auf ; sein düsterer Blick erhellte sich, als er dem
ihrigen begegnete. „Sie haben Recht! rief er; ich muß mich ſchämen, muthlos
zu ſein, wenn Sie . . ."

Er vollendete nicht, aber sein Auge ruhte mit so eigenthümlichem Aus-
drucke auf ihr, daß sie erröthend den Kopf abwandte und mit heiterer Stimme
fortfuhr : „Aber lassen Sie uns jettt nur an die Gegenwart, an Ihre arme
Mutter denken, lassen Sie uns Alles aufbieten, ihr Aufregung und. Verdruß
zu erſparen. Verſprechen Sie mir, daß Sie allem Streite mit Ihrem Vater
aus dem Wege gehen wollen. Ich weiß, daß es Ihnen entſeglich schwer fallen
muß, stillzuſchweigen, wo alles Recht und alle Vernunft auf Jhrer Seite ist. ;
aber es gilt das Leben Ihrer Mutter . . . wenigstens = ſetzte sie mit fallen-
der Stimme hinzu + die Ruhe und den Frieden ihrer lezten Tage.
bif „Hermine ! rief Frau Heiders ſchwache Stimme aus dem Nebenzimmer ;
iſt du allein ?“

z junge Mädchen eilte zu ihr und entgegnete:
auch hier.'

„Sonst Niemand ?“ fragte die Kranke mit unruhigem Blicke.“

„Nein, Herr Heider iſt nach dem Bahnhof.“

Das Gesicht der Kranken erhellte sich; sie richtete sich im Bette empor und
ſagte lebhaft : „Dann bleibt noch ein Stündchen bei mir; ſchlafen kann ich ja

doch nicht.“
(Fortſetzung folgt.)

„Herr Leonhard iſt
 
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