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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0151

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„§. 38.



Einladung zum Abonnement.

Auf das mit dem 1. April beginnende Il. Quartal laden wir
ergebenſt ein und bitten unsere aus wärt ige n Abonnenten, die
Erneuerung des Abonnements noch vor Ablauf des
alten Quartals bei den betr. Poſtanſtallen oder Landpoſtboten
anzuzeigen, indem eine unterlaſſene Neubestellung immer als Abbe-
ſtellung angenommen wird.

Bestelungen für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach wollen
bei der Erpedition von L. Sch weiß dahier gemacht werden.

Beſtellungen in Paketen von mindestens 10 Exemplaren, wobei
wir je ein Freiexremplar gewähren, werden ebenfalls von der Exrpe-
dition entgegengenommen, und erſuchen wir um rechtzeitige Anmel-
dung derſelben.

tue zu dem äußerſt billigen Ansatz von 2 kr. die 3ſpaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande
und über desſen Grenzen hinaus geleſenen Blattes die beſte Verbrei-
Die Exrpeditian.

Telegramm des Pfälzer Boten.

Berlin, 29. März. Die k .tholiſche Centrumsfraction beſchloß

auf Antrag Reichenspergers, die preußiſchen Verfaſſungsparagraphen
für die zu treffenden Preßbeſtimmungen zu verlangen.

* Heidelberg, 28. Fu gehen uns interessante
Mittheilungen zu, für die wir zwar, was die hohe Politik in der
römiſchen Frage betrifft, nicht einſtehen können , die aber aus guter

tung.











Quelle ſtammen, wobei wir jedoch bemerken, daß unser Herr Special-.

correſpondent denselben ferne ſteht. Darnach ist es Thatſache, daß
die nationalliberale Partei von Bismarck aufgegeben sei, worüber
wir uns im Hinblick auf den Mohren, der ſeine Schuldigkeit gethan,
nicht wundern. Roggenbach , Hohenlohe, Bernuth, Patow , Marg.
Barth und Streich [und Völk ?] bilden eine neue Fraction, die der
„nationalen Vereinigung“, weil sie die Vergangenheit der National-
liberalen nicht auf sich nehmen , wohl aber die geſtörte Verbindung
mit Bismarck für ſich wiederherſtelen wollen. Es iſt dies einfach
die „Fraction der Miniſter und ſolcher die es werden wollen,“ eine
Bezeichnung, die hier gang und gäbe iſt. Ueber ihre Stellung zur
Kirche wollen dieſelben, wie es heißt, einen Paragraphen in ihre
Statuten aufnehmen, der etwa dahin lautet: „Wir erstreben die
Freiheit der Kirche, jedoch mit gleichzeitiger Abgränzung des kirch-
lichen und staatlichen Gebietes durch Specialgeſeze." Das iſt nun
allerdings etwas confus und deutet folglich auf Roggenbach, aber
immerhin sieht man doch ein wenig guten Willen durchſchimmern



für Stadt §

Donnerstag den 30. März



In seraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-
tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart e.

1871.









im Gegenſat zu den verbiſſenen Nationalliberalen und Fortſchrittlern.

Unsere Partei ~+ die Fraction des Centrums genannt -
hat sich constituirt. Bis jetzt sind 61 Mitglieder beigetreien, etwa
8-10 Unentſchloſſene werden faſt alle noch kommen. Die Abgeord-
neten der katholiſchen Partei aus Bayern sind alle bereits unserer
Fraction beigetreten, indem sie ihren altbayeriſchen Particularismus
vor der Thüre des Parlaments-Saales gelaſſen haben. Die preußi-
ſchen Provinzen haben der Fraction sehr tüchtige, meiſtens jüngere
Kräfte zugeschickt, und es iſt ein weit traulicheres Leben in der Frac-
tion, als es im Zollparlamente in der ſüddeutſchen Fraction vor-

anden war.

. Was die römiſche Frage betrifft, ſo hat Bismarck dem Papſte
erklären laſſen, daß er deſſen Abreiſe von Rom in erſter Reih: nicht
gerne ſehen würde, wenn aber eine solche vom hl. Vater als noth-
wendig erachtet werden ſollte, ſtehe ihn Fulda zur Verfügung.
Eine Sommation an Jtalien iſt vorbereitet und Preußen rechnete
dabei auf die Unterſtitung und den Anſchluß Frantreichs und Dester-
reichs. Durch die Revolution in ersterem Lande iſt die Sache v or-
er ſt verſchoben. Bismarck hat sich indeſſen entſchieden dahin aus-
geſprochen, daß der Papſt, um seine Functionen ausüben zu können,
souverän sein müsse. Es ist dies auch ganz begreiflich von einem
Stuatsmanne wie Bismarck, der die kath. Angelegenheiten Deutſch-
lands offenbar lieber mit einem S o uv erän als mit einem unter
dem Druck einer fremden Regierung stehenden gesangen gehaltenen
Oberhauple der katholiſchen Kirche verhandeln will. ~

Der Abg. Schra ps wird eine Interpellation wegen Freilas-
ſung des auf der Festung befindlichen Abg. Bebel einbringen, die
wohl allseitig unterſtüßt werden wird; es heißt aber außerdem, daß
derselbe roth-demokratiſche Abgeordnete eine weitere Anfrage an den
Reichskanzler richten wolle, wie es ſich mit der Abtretung des Krei-
ſes Weiſſenburg an Bayern verhalte. Es sollen nämlich vor dem
Kriege Abmachungen zwiſchen Preußen und Bayern ſtattgefunden

haben, wornach Bayern eine Verbindung ſeiner Pfalz mit ſeinen al-

ten Provinzen hätte erhalten sollen, ein Projett, das man nun habe
fallen lassen müssen, wofür Bayern die erwähnte Entſchädigung im
Elſaß gewährt werden solle. Wenn wirklich derartige Abmachungen
ſtattgehabt hätten, ſo könnten wir daraus ersehen, wie über die Köpfe
der Kleinstaaten hinweg die Entscheidungen getroffen werden, ~ für
Viele ein Gegenſtand tiefen Verdruſſes, für Andere der hohen Freude
als ein glückücher Anfang eines glücklichen Endes! ~

Allgemeines Aufsehen hat es erregt, daß bei. der Vorstellung
der Reichstagsmitglieder im Schloſſe der Kaiſer den Biſchof Frhrn.
von Ketteler in hervorragender Weise auszuzeichnen geruhte.



Wer hat das gethan ?
(Eine Heſchichte aus dem Leben.)
: (Fortſsezung.) ;

Die Berührung des Tuches belebte ihren Muth wieder. Es rief ihr in's
Bewußtſein, daß Niemand ihren Geliebten verrathen konnte, als sie und er
ſelbſt, und daß es noch möglich war, ihn zu retten, wenn es ihr gelang, ſich
kttit Z retten. Sie trocknete nun ihre Thränen und raffte alle Kraft zu-

„Wenn ich die Geistesgegenwart verliere, dachte sie, dann iſt Leonhard's
Verderben ganz gewiß, JIch darf jetzt nicht ſchwach sein.“ j
_ Dieser Gedanke hielt sie aufrecht, als sie in den von einer zahlloſen
Menſchenmenge überfüllten Gerichtſaal trat. Sie ging mit niedergesſchlagenen
Augen durch bieſe Menge, unter der Keiner, wie sie glaubte, Keiner war, der

sie kannte, der Antheil nahm an ihrem Wohl und Wehe. Da hörte ſie plöt-

lich ihren Namen von einer bekannten Stimme aussprechen; sie blickte auf und
in das gutherzige Gesicht des Herrn Spahn.

. Es war der Verlassenen, als wenn ihr ein Lichtstrahl in dunkler Nacht
aufging ; sie lächelte ihn dankbar an. Es war ihr ein Trost, daß noch ein
Mensch im Saale war, der Intereſſe an ihr nahm und faſt regte ſich etwas
wie Hoffnung in ihrer Seele.

_ Als sie sich auf der Bank der Angeklagten, Allen sichtbar, niederließ, ging
ein Murmeln des Mitleids und der Verwunderung durch den Zuſchauerraum.
So hatte man sich eine Mörderin nicht gedacht; aus diesem todtenblassen Kin-
dergesicht ſprach keine Gewissensangſt, nur tiefer geduldiger Kummer. Hermine
hatte nur einen Blick in den Saal geworfen, nach der Zeugenbanktk, sie hatte
Leonhard gesehen und die kleine Anna, die verwirrt und ängstlich umhersah.
Das Herz wollte der armen Hermine brechen, als sie das Kind erblickte. Was
sollte das Kind hier ? Sollte es gegen sie oder gegen den Bruder Zeugniß
ablegen ? Wie blaß Leonhard ausjah, wie entſeglich blaß ! „D, mein
Gott ! betete sie angstvoll, gib mir Kraft und Besonnenheit, daß ich ihn nicht
verrathe, daß ich ihn vor Tod und Verderben rette.“

Die Stimme des Präſidenten, der sich mit der Erklärung zu Hermine

wandte, daß mit der Verhandlung und Aburtheilung der gegen sie erhobenen |



Klage begonnen werden ſollte, ſchreckte ſie auf. Sie antwortet auf seine Frage,
„Ob sie Gründe habe, die Ausſetzung des Verfahrens zu beantragen“, mit einem
kaum hörbaren: „Nein !“ und hörte mit niedergeſchlagenen Augen regungs-
los zu, ſo lange die Bildung des Schwurgerichts und die Beeidigung der Ge-
ſchwornen währte. Als die Zeugenliſte verleſen wurde, zuckte sie zuſammen,
blickte aber nicht eher auf, als bis die Zeugen den. Saal verlassen hatten. Da
war es ihr, als würde eine drückende Laſt von ihr genommen. Während die
Anklage, die sie bereits kannte, verleſen wurde, richtete sich ihre ſchlanke
Gestalt immer entschlossener auf, ihre Züge verloren die Schlafsheit; sie hatte
alle Kraft zuſammengenommen und wiederholte sich, worauf es ankam und
was sie zu thun hatte. Gerade das Entſetzliche, die Größe der Gefahr, ſstählte
ihren Muth. Sie ſah es klar, wenn sie verurtheilt wurde, war Leonhard ver-
loren, denn dann würde er sich ohne allen Zweifel als den Thäter angeben.
Sie mußte Alles aufbieten, sich zu rechtsertigen, sich aber zugleich vor jedem
Worte hüten, das den Verdacht auf ihn lenken konnte.

Jetzt wandte sich der Präsident an sie mit der Frage : „Angeklagte, Sie
hören, wessen Sie beſchuldigt werden. Was haben Sie darauf zu antworten ?
Sind Sie ſchuldig oder nicht ſchuldig ?“

_ Sie zögerte noch einen Augenblick, dann sagte sie mit ihrer ſüßen, weichen
Stuuur, indem sie ihn wie ein Kind mit ihren blauen, treuen Augen anſah :
„Unſchuldig !“

»Dieſes „Unſchuldig“ zuckte wie ein electriſcher Schlag durch die Zuhörer ;
ein solcher Ausdruck der Wahrheit lag darin, daß der Vertheidiger sich schnell
nach ihr umwandte und der Präsident eine Weile mit seinem Verhöre inne-
hielt. Der Cindruck wurde noch ſtärter, als sie auf die Frage nach ihrem Al-
ter und nach ihren Familienverhältnissen antwortete : „sie sei neunzehn Jahre,
und ihre Eltern seien beide todt.n Es waren in dieſem Augenblicke gewiß
Wenige im Saal, die es für möglich hielten, daß sie eines Mordes schuldig
sein könne.

Hermine bemerkte dieſe freundliche Stimmung und ihr Muth hob sich.
Sie wurde aufgefordert, die Geſchichte ihres Lebens, ehe sie nach Menzingen
gekommen war, zu erzählen; sie that es auf ihre anmuthige einfache Weiſe
und jedes Wort , das sie ſagte, machte die Herzen ihrer Richter und der zu-
ſchauenden Menge weicher.

(Fortsesuns folgt.)
 
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