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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0453

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erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Donnerftag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. JInſ.-Geb. 2 kr. d. H.



für Stadt

C

Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
und Land. ursts
. VMürchen, Frankfurt u. Stuttgart re.



Js. 114.



{T

Einladung zum Abonnement.

Auf das mit dem 1. October beginnende IV. Quartal laden
wir ergebenſt ein und bitten unsere au s wärtigen Abonnenten,
die Erneuerung des Abonnements noch vor Ablauf
des alten Quartals bei den betr. Poſtanstalten oder Landpoſt-
boten anzuzeigen, indem eine unterlaſſene Neubestelung immer als
Abbestellung angenommen wird.

Bestelungen für Heidelberg, Neuenheim und Schlierbach wollen
bei der Expedition von L. S < we i ß dahier gemacht werden.

Inserate, zu dem äußerst billigen Ansatz von 2 kr. die 3ſpaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unſeres im ganzen Lande
und über deſſen Grenzen hinaus gelesenen Blattes die beſte Verbreitung.

; Die Expedition.



Hrn. von Lutz zur Erwägung.

So lange die Welt ſteht und wo immer Religionen die Basis
des Privat- und ſtaatlichen Lebens bilden, wird dem „Vaterland“
geſchrieben, fehlte es niemals an Widersprüchen und Sonderbildungen,
welche den ſubjectiven Inhalt an Beleg innerer Lebensfähigkeit über
den objectiven Gehalt zu seßen bemüht waren. Subject und Dbject
laufen je nach Zeit und Umständen bald ineinander, bald auseinan-
der, aber eine vollſtändige Entfremoung kann nur vorübergehend sein,
weil sich vor dem gänzlichen Zerfall Alles in der Alles enthaltenden
Allmacht wieder begegnen muß.

Was unſere gegenwärtige Zeit betrifft, sahen und sehen wir
im Chriſtenthum Secten in Menge auftauchen, welche aus den Ueber-
lieferungen und Satzungen der Kirche den Inhalt ihres Glaubens
ſchöpfen und die sich um dieselbe als Kernpunkt wie die Sterne um
die Sonne bewegen, bis sie wieder verſchwinden oder in dieſelbe wie-
der zurückkehren. Jn iliancher Hinsicht können ſolche Absonderungen
ſogar belebend und kräftigend auf die Allgemeinheit wirken ; der Kör-
per wird even wieder geſünder , wenn giftige Krankheitsstoffe aus
ihm ausſcheiden.

Wo aber weltlich politiſche Tendenzen sich des Sectenwesens
bemeiſtern, wo der weltliche Arm sich ungeschickt in religiöſe Fragen
miſcht, da iſt das immer vom Uebel, da ſteigert sich der Unglaube
und der Abfall von der kirchlichen und den ſtaatlichen Autoritäten!
Der Rebellion gegen die Kirche folgt immer die Revolutionirung
auf staatlichem Gebiete oder läuft bereits neben ihr her. Es iſt eine
unbeſtrittene Thatsache, daß die revolutionären Gewalten auf dem
Continent auch gegen die Kirche rebellirt haben. Die Untergrabung
und Vernichtung der katholiſchen Einheit Deutschlands hat den Keim

Das Blumenmädchen.
Eine amerikaniſche Geschichte.
(Fortſetzung.)

. Auf dem Tiſche ſtand an jenem Abende eine weißgeſcheuerte hölzerne Schüssel.
Sie enthielt den ganzen Vorrath an Lebensmitteln, den die Bewohner dieser
Wohnung besaßen. Ein ſchon benagter Schinkenknochen war von einer ſchnee-

weißen, oft ausgebesserten Serviette bedeckt.
In der einen Ecke des Zimmers beſand ſich auf dem ungedielten Fuß-
boden ein Strohlager. Es war nur eine armſelige Lagerstätte, doch wie sorg-
fältig und reinlich wurde ſie gehalten! Die sauberen Betttücher waren von
weißem, feingewebtem Linnen; als Decke dienté' eite ſelbſtgemachte Steppdecke
von geblümtem Kattun ~ ktine Arbeit, worin die Hausfrauen der älteren
Schule ihren Stolz ſuchten, und man sah an der Sorgfalt, mit welcher sie
erhalten war, wie werthvoll dieſe Decke den Besitzern ſein mußte. Die ganze
Ginrichtung des Zimmers zeugte von der größten Armuth in ihrer anständigsten
Form. Ordnung, Elend und Reinlichkeit waren so mit einander verbunden,
daß des Beſchauers Herz mit mitleidiger Theilnahme erfüllt wurde,
Zwei alte Leute, ein Mann und eine Frau, saßen vor dem Kamine zu-
ſammengekauert. z '
Dem freundlichen Morgen war ein kalter unangenehmer Regen gefolgt,
der den ganzen Nachmittag angehalten, und dieß vermehrte die feuchtkalte Tem-
peratur des Zimmers. Die beiden Alten hatten ſich lange ſtumm angeblickt
und die einzigen im gFimmer vernehmbaren Laute waren die ſchweren gegen
das kleine Jenſter ſchlagenden Regentropfen. Ein tiefer Seufzer des Mannes
bewog die Frau, das peinliche Schweigen zu brechen. .
„Wahrlich,“ sagte ſie mit einem erzwungenen Lächeln, welches ihren Kum-
mer nur noch mehr bemerkbar machte, „wir versündigen uns mit unserer Un-
zufriedenheit. Vir hatten ſchon einmal heule ein ſchönes Essen, und jetzt murren
wir ſchon wieder. Frances, das arme Kind, wird kalt und naß nach Hauſe
kommen. Vir müssen uns bemühen, nicht ſo ſehr hungerig auszuſehen, wenn
| [- Niücgcgäggitt unſer Anblick würde ſonſt ihrem guten Herzen Kummer
_ nus dachte gerade an sie,“ antwortete der alte Mann, „ja sie muß kalt
ſein und naß und elend genug, doch das Alles ist noch nichts gegen den

Samſtag den 30. September



1871.







s



zur Vernichtung auch der politiſchen Einheit Deutschlands gelegt
und war der Ausgangspunkt der Revolutionen, welche Deutſchland
ſeit 300 Jahren erſchüttert haben. |

So wird jetzt auch wieder unter dem Vorwand q,nationaler
Bedürfnisse“ ein „Vernichtungskrieg“ gegen die Kirche geführt. Eine
besondere Erſcheinung dabei iſt es, daß bereits verſchiedene Regierungen
unter dem Drucke revolutionärer Anschläge mitarbeiten. Dem gegen-

über iſt die Behauptung gerechtfertigt, daß es sich in diesem Kampfe.

ſchon nicht mehr um bloß religiöſe Ziele und Absichten handelt, son-
dern um einen Umſturz alles Bestehenden in Kirche und Staat, mag
man dies offen oder verblümt zugestehen oder die eigentlichen End-
ziele noch mit dem heuchleriſchen Vorgeben eine „Nationalkirche“
anzuſtreben, bemänteln und verdecken wollen. |
Staatskirchen in einer Zeit schaffen wollen, in welcher das
Staatskirchenthum in vollständigem Verfall begriffen iſt und wo jede
Voraussetzung religiöſer Absichten fehlt, iſt eine Thorheit, die Nie-
mand zur Beruhigung dienen tann. Man wird in der Bewegung,
die heute so viel Staub aufwirbelt, unmöglich etwas Anderes er-
blicken können, als die Abſsicht, alle Autoritäten in die Hände der
Massen zu bringen. Damit aber iſt der Revolution auf allen Ge-
bieten das weiteſte Thor geöffnet. Niemand, der unsere Zeit und
die Mächte unserer Zeit kennt und prüft, wird glauben, daß es
einem Sterblichen, ja nicht einmal, daß es den Göttern der ,deut-
ſchen Wissenschaft“ gelingen werde, der Strömung, ist sie einmal
ſchranken- und zügellos in Fluß gekommen, Halt zu gebieten.

Somit bedeutet die Sectirer-Bewegung, welche sich vor unsern
Augen breit macht, einfach Umsturz aller legalen Verfassungszuſtände
und der ſocialen Ordnung. f

Dem monarchiſchen Europa droht der Verfall, die allgemeine
Auflöſung, ohne die Aussicht, etwa irgend eine republikaniſche Ver-
faſſung auf die vorhandenen Elemente stüten zu können. Folglich
bedeutet das Ende und der Erfolg dieſer „Bewegung“, wenn sie die
gewünſchte Dimensionen annähme, die An ar < i e. Aus den Trüm-
mern einer glaubensleeren Kirchengemeinſchaft, auf der „Wissenschaft-
lichkeit“ als Religion baut man keine Dome. Weder die Engel der
JIrvingianer, noch die Erzengel der ,„deutſchen Wisſenſchaft“ werden
je auch nur eine Feldkapelle fertig bringen, geschweige denn Tempel,
wie sie nur aus dem katholiſchen Bewußtsein entstanden sind. Sollte
die katholiſche Vergangenheit Deutſchlands dümmer gewesen ſein, als
man sich jezt in unserer Zeit der „Aufklärung“ gebärdet ?

Wo bleibl aber ~ fragen wir + der Verstand der Regierungs-
gewalten, daß sie sich, mithelfend und ſchiebend sogar, in Dinge miſchen,
welche ihren eigenen Untergang herbeiführen müſſen ? – Das Sec-

Schmerz der Öse: Ach, ſie hatte sich he ute Morgen so große Hoff-
nungen gemacht.“
p jun. d nee wet vun, Uu uo! asset! vu e

„Nein, nein,“ erwiderte der alte Mann bestimmt; „hätte das Kind etwas
verdient, dann wäre es längſt wieder zurückgekehrt ; sie fürchtet ſich, unver-
richteter Sache heimzukehren.“

Der Alte fuhr mit der Hand über seine feuchten Augen. Dann warf er
ein Paar Holzſpäne auf die Kohlen des Herdes ; das schnell auflodernde Licht
erleuchtete für den Augenblick die armſelige Wohnung und gab den beiden blei-
chen über dasselbe gebeugten Gesichtern ein wahrhaft todtenähnliches Ansehen.

Die Geſichter des alten Paares waren, mager und von tiefen Furchen
durchzogen, Bilder des nagenden Hungers. Dennoch lag in denselben nichts
Widerliches, da der Ausdruck des Clends durch Sanſtmuth, Geduld und
Zärtlichkeit gemildert war.

Bei dem Auflodern der Flammen warf der Mann einen langen Blick auf
seine alte Frau, und der Ausdruck des Leidens auf dem Antltlitze seiner sonſt
f zu Fetestetsttin erſchütterte ihn dermaßen, daß er sich ſeufzend
abwenden mußte.

„Du leideſt ſchrecklich !“ sagte er. „Du fühlst den Hunger mehr als ſonſt
. . . . und ich habe nichts, Deinen Hunger zu stillen !“

.it ut stutte zu ihm auf und verſuchte zu lächeln; allein dieses Lächeln
war herzzerreißend.

us iſt ſonderbar,“ sagte sie, ‘doch es scheint fast, daß das Essen diesen
Morgen meinen Hunger vermehrt hat. Geht's auch Dir ſo, Ben? Ich muß
fortwährend daran denten. Das Plätſchern des Regens klingt meinem Ohre
wie das Aufbrauſen des kochenden Kaffee's auf dem Herde; die Holzſpäne dort
in der Ecke verwandeln sich vor meinen Augen in Brod und könnten mich ver-
leiten, hineinzubeißen.“

Ein schmerzlicher Seufzer entrang sich der Bruſt des Alten, und ein Paar
ſchwere Thränen rollten ihm über die Wangen.

„Wir wollen den Knochen nochmals verſuchen," sagte er nach kurzer Pauſe,
„es finden ſich vielleicht noch ein Paar Häppchen daran.

(Fortsetzung folgt).
 
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