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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0501

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. Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienftag, Donnerftag



für Stadt

und Samftag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. HB.

Fs. 126.

.... . ..



T a g e s b e r i < t.

~ Nach den neuesten Nachrichten aus Wien ist das „eigenſte“
Ministerinm Hohenwart gestürzt, und das Ausgleichswerk gescheitert.
Graf Beuſt, unterſtüßt vom ungarischen Miniſterpräsidenten und den
beiden anderen Reichsminiſtern Kuhn und Lonyay, triumphirt , und
mit ihm für den Augenblick die Fraktion der deutſch-liberalen Ver-
faſſungspartei, welche wir im Pfefferlande wohlaufgehoben erachten
würden. Beuſt und Andraſſy hatten dem von Hohenwart - Schäffle
und den Tſchechenführern aufgestellten kaiſerl. Antwortsrescripte auf
die böhmiſche Landtagsadresse einen anderen abgeänderten Entwurf
gegenübergeſtellt, den, wie es ſcheint, der Kaiser protegirte, ~ Hohen-
wart und die Tschechenführer gingen aber auf die verlangte Umar-
beitung ihres Reſcriptentwurfes nicht ein, und als der Kaiſer dieſes
nochmals befahl, reichte Hohenwart ſeine Entlaſſung ein, deren An-
nahme sicher zu erwarten sei, wie die Blätter angeben. Ein defini-
tiver, formeller Ausspruch des Kaisers liegt heute noch nicht vor. ~

— Der Reichstag erklärte die Wahl des Freiherrn von L o è
für Moers-Rees einstimmig für ungiltig. Jn der Reichstagsſitzung
vom Dienstag 25. erklärte St. 1.7. Delbrück in Folge Interpella-
tion, die Vertheilung der den Reſerviſten und Landwehrleuten zuge-
wieſenen Unterstützung betr., es sei das Sache der Bundesregierungen
unter welche die bewilligten 4 Millionen Thaler vorſchußweise ver-
theilt worden. Sollte das nicht ausreichen, ſo müßten die Mittel
zur weiteren Befriedigung vom Einzelſtaate ſelbſt ausgebracht werden.

Auf Anfrage des Abg. Völk und Gen. wird von der Regie-
rungsbank erklärt, der Bundesrath babe dem Gesetzentwurf betr. die
Aufhebung der Cautionspflicht und der Entziehung der Befugniß
zum Preßgewerbebetriebe nicht zugeſtimmt. Es sei ein Preßgeſetent-
wurf ausgearbeitet, der in der Frühjahrsſeſſion des Reichstages zur
Vorlage kommen werde. Zur Convention mit Frankreich vom 12.
gibt Fürſt Bismarck Erläuterungeu über die Thunlichkeit und beider-
ſeitige Vortheilhaftigkeit der an Frantreich gemachten Zugeständnisse.
Die Grenzregulirung betr. sagte der Reichskanzler, Frantreich habe
noch einige Ortſchaften an der Lnxemburger Grenze in Anspruch ge-
nommen; deutſcher Seils ſei dieses aber abgeſchlagen worden. Der
Reichstag nahm die Vorlage hierauf in erſter und zweiter Leſung
an. Ferner angenommen das Geſet betr. die Heimzahlung der An-
leihe vom 21. Juli 1870, und genehmigt die Controle des Etats
für 1871 ſowie das Poſttargeſesg ~ in s Lesung.

~ Gegen den Reichskriegsſchag wurde von Löwe u. A. geltend
gemacht, daß in wirthschaftlichem Betrachte dem Volke jährlich 2/2
Mill. Thaler Zinsen entzogen würden. Der Abg. Greil sprach ſich
im gleichen Sinne aus; auch er halte es volkswirthſchaftlich ſsür ei-

Eine amerikaniſche Criminalgeſchichte.





(Fortſeyung.)

Zu meinem größten Bedauern brach er das Geſpräch ab. Cine halbe
Stunde darauf empfahl er sich, nicht ohne mich beim Wort zu nehmen, daf
ich ihn nach Green Hallow begleiten werde.

Der Tag der öffentlichen Gerichtsverſammlung kam heran und ich war be-
reit, mein freiwilliges Amt zu übernehmen; das Haus war von Menſchen über-
füllt, welche alle den Gefangenen ſehen wollten und als dieſer endlich herein-
geführt wurde, konnte man wahrnehmen, daß vielleicht Niemand außer mir
daran dachte, daß er unſchuldig war. Er war blaß, doch ſeine Haltung fest.
Auf die übliche Frage, ob er sich für ſchuldig erkenne, stand er auf, ſah den
Ortsrichter Raymond mit seinen großen, ſchwarzen Augen an und ſagte in
feierlichem Tone, der ſelbſt Raymond zu bewegen ſchien :

„Nicht ſchuldig ! ſo wahr mir Gott helfe !/

Darauf nahm er ſeinen Plat wieder ein. Sein Auge ſchweifte im Ge-
richtsſasale umher. Faſt jedes Gesicht war ihm bekannt, doch ſchien er zu mer-
ken, daß wenig Sympathie für ihn vorhanden war. Nachdem die Geschworenen
auf ihre Pflicht hingewieſen und einige allgemeine Jragen diskutirt waren, be-
gann das Yeugenverhör. Ich ſaß an der Seite von CUis Harrington und unſer
Vertheidigungsplan war verabredet.

Sodald die Heugen ihre Ausſagen gemacht hatten, entließ sie Harrington
einfach ohne irgend etwas zu fragen. Das Crſtaunen, über eine solche Art
und Weiſe zu vertheidigen war groß und als der Abend herankam, ohne daß
der Advokat auch nur eine Frage an die Zeugen gethan hatte, wurden die ver-
ſchiedenartigſten Vermuthungen laut. ;

Keiner war jedoch mehr erſtaunt als Ortsrichter Raymond. Er hielt es
für ausgemacht, daß wir den Gefangenen der Gnade des Gerichtshofs über-
lassen wollten, ohne etwas gegen die volle Evidenz der Thatsachen vorzu-
bringen. Selbſt der Angeklagte ſchien trog meiner ihm gegeben Zusicherung,
daß Ales gut ablaufen würde , die Hoffnung zu verlieren und sich für einen
aufgegebenen Mann zu halten. w

Am nächsten Montag begann die Verhandlung in derſelben Weiſe. Har-
rington war etwas blaß und angegrifsen, doch verharrte er noch immer im



Samstag den 28.

C — E E —





Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & Gt. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rec.

1871.



Oktober







nen Mißgriff, wenn man eine Summe von 40 Mili. Thaler eine
Reihe von Jahren hindurch unfruchtbar in den Kaſſen niederlegt.
Redner kann sich nicht denken, daß wir schon in zwei oder drei Jah-
ren den Kriegsſchaß zu einem neuen Krieg brauchen würden; es iſt
ja namentlich in der Thronrede, betont, daß das Deutſche Reich
nach allen Seiten freundſchaftliche Beziehungen unterhalte; er ſehe
keinen Grund ein, warum eine Aenderung in der nächsten Zeit ein-
treten sol. Unter diesen Vorausſezungen müßten also die vierzig

Mill. eine ziemliche Reihe von Jahren nutzlos im Kaſten liegen.

— Unter den Polen der Provinz Poſen cirkulirt eine Peti-
tion an das Abgeordnetenhaus der preußiſchen Monarchie, sich be-
ziehend auf die Angelegenheit der polniſchen Sprache in Weſtpreu-
ßen, nnd ausgehend vom Verein zur Förderung der moraliſchen
Interesſſen der polnischen Bevölkerung, an deſſen Spitze der Land-
tags-Abgeordnete von Lystowski und Dr. Rakowicz, Redakteur der
„Gaz. Torunskä“ stehen. In dieser Petition wird eingänglich ge-
ſagt: „Hundert Jahre ſind verfloſſen, seitdem Wesipreußen von
der polniſchen Krone und der polniſch - nationalen Geſammtheit los-
geriſſen wurde. Hundert Jahre hindurch hat die preußiſche Regie-
rung alle Mittel angewendet, um die polniſche Bevölkerung dieser
Provinz zu germaniſiren, und nach hundert Jahren iſt deſſenungeach-
tet die Hälfte der Bevölkerung dieſer Provinz der polniſchen Natio-
nalität treu geblieben und erhebt heute ihre Stimme, um Achtuug
vor ihrer Nationalität und die staatsrechtliche Anerkennung ihrer pol-
niſchen Sprache zu verlangen.“

Die Kreuzzeitung bestätigt, daß das Unt errichtsgeſet im
Kultusministerium von Neuem bearbeitet werde, doch ſei die Vor-
lage deſſelben auf dem nächſten Landtage noch unwahrscheinlich.

H Der hochw. Biſchof von Regensburg wurde, wie man aus
Kötz ing mittheilt, von dem königl. Landgericht freigeſprochen,
und der Chrenkränkungs-Kläger, Bürgermeister Kollmayer, den Con-
zipient Berchtold von München als Anwalt vertrat, in alle Kosten
verfällt.

~ Aus Fürth bei Nürnberg wird in der A. P. Z. vom 22.
d. M. mitgetheilt: „Heute tagen hier die Mitglieder der Großloge
Bayreuth und der bayeriſchen Töchterlogen und Freimaurerkränzchen.
Bluntſchli, das Haupt der badiſchen Logen, ward erwartet. Auf
den Bahnhöfen zu Fürth und Nürnberg wurden die „Brüder“ von
Comité-Mitgliedern, erkenubar am blauen Band am Knopfloch, be-
grüßt. Hanpiberathungsgegenstand iſt wohl das neue Freimaurer-
project: die Gründung eines „d eutſchen Großlogenbund es“
unter dem Protectorat des deutſchen Kaiſers.

Stillschweigen. Es waren nur noch zwei Zeugen zu vernehmen. Der Krimi-
nal - Anwalt glaubte indessen ſchon hinreichend überzeugt zu ſein und wendete
sich daher an den Ortsrichter Raymond mit den Worten :

„Die Evidenz der Thatſachen iſt überwältigend und die Vertheidigung er-
kennt durch ihr Stillſchweigen dieſelben an. Es wäre nutzlos noch weitere Zeu-
gen zu vernehmen, da man nur Zeit damit verliert : ich stelle es daher an-
heim, das Urtheil zu fällen."

yDen nächſten Zeugen“ ! rief Harrington, „für mich iſt die Sache noch
feht Zgrtlaute Zeugen kam und ſagte in derselben Art aus, als alle ſeine
Vorgänger. Nur einer war noch zu vernehmen : Jules Pierre. Dieser erſchien
und nahm mit Gleichmuth seinen Plat auf der Zeugenbank. Der Anwalt
legte ihm mehrere Fragen vor, welche zur Genüge beantwortet wurden und ſagte
tze können gehen, Jules Pierre.“

„Halt, ich habe noch einige Fragen an den Zeugen !“ rief Harrington.

Ich glaubte zu bemerken, daß Jules Pierre erblaßte. Die Muskeln ſeines
Gefehtet zuckten ein wenig, als er zu Harrington ſagte:

"Ist hie: Ihr Wohnort, Jules Pierre ?“

s.. iſt Ihr Gewerbe oder Ihre Beschäftigung ?‘

„Ich bin ein Gentleman."

isst Sie den verſftorbenen John Rhodes ?!!

"Rennen Sie den Gefangenen Stewart Mill ?"

"Yam sahen Sie diesen zuletzt."

„Vor der Mordthat ?"

!!.
"Drei Tage vorher, wenn ich nicht irre."

(Schluß folgt.)
 
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