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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0389

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erscheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerſtag fü r §tad t Ö

und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

Fs. 98.





* Zur Gasteiner Conferenz.

Alle Welt zerbricht sich den Kopf darüber, worin eigentlich der
Hauptzweck der Gaſteiner Verhandlungen beſtehen ſoll ? Die rumä-
nische Angelegenheit, hieß es gleich Anfangs, weil es klar sei, daß
hier die Intereſſen Preußens und Deutſchlands gegenüber den ruſ-
ſiſchen gemeinſame ſeien. Indesſen wird jett ausdrücklich in Abrede
geſtellt, daß dieſe Frage die erſte Rolle in den Berathungen ſpiele.

Die enttäuſchte Welt verfällt sofort auf andere Muthmaßungen: es

ſei die nordſchleswig'sche Frage , die rechtlich ohne Desterreichs Zu-
ſtimmung nicht gelöſt werden könne und die nunmehr auf Wunſch
Bismarcks definitiv von der diplomatiſchen Tagesordnung abgeſett
werden ſolle. Wir zweifeln nun nicht, daß in Gaſtein auch von
Nordſchleswig die Rede sein wird, allein nie und nimmermehr glau-
ben wir, daß wegen dieſer fatt i ſch längst entſchiedenen Sache, die
obendrein für Oesterreich auch nicht das mindeste fernere Interesse
mehr bietet, die beiden Reichskanzler mit dem vollen Apparat ihrer
diplomatischen Kanzleien eine ſo großes Aufsehen erregende Verhand-
lung in vorderster Linie pflegen sollten. Die nordſchleswig’ſche Frage
könnte mit einer einzigen Depesche, mit einem einzigen Federſtr ich
aus der Welt geschafft werden und wir zweifeln auch nicht, daß auf

eine freundliche Anfrage des deutſchen Reichskanzlers in dieſem Be- | s

“©! E sofortige bereitwillige Entgegenkommen des Grafen B euſt
olgt wäre.

_ Alber die kirchlichen Dinge? Nun ja, es mag ſein, daß auch
über dieſe zwiſchen den Staatsmännern einige Worte getauſcht wer-
den, indeſſen auch darin kann nicht der Hauptzweck der Berathung
ruhen, weil hier die Intereſſen beider Reiche gänzlich entgegengesette
ſind. Wie könnte Desterreich ſich dazu hergeben, eine deut ch e N a-
tionalkir <e dem Fürſten Bismarck gründen zu helfen, die zu
Gunsten Preußens, wic Jeder auf den ersten Blick ſieht, eine stehende
Gefahr für den Bestand Desterreichs hervorrufen müßte ! Eine Kirche,
in der nicht mehr der Papſt, sondern Bismarck mit dem decorativen
Bundesrathsapparat das Regiment führte, in der nicht mehr der
allgemeine Weltcharakter, sondern der eirer beſtimmten Nationalität
vorwiegen würde, ſchaffen zu helfen, wäre für einen öſterreichiſchen
Reichskanzler weiter nichts als die Unterzeichnung des Todesurtheils
ſeines eigenen Landes, von seiner eigenen Abbankung ganz abgeſehen.
Mögen alſo auch noch ſo viele beiderseitige Neigungen vorhanden
ſein, die büreaukratiſch nicht zu regiſtrirende kath. Kirche die Wucht
der Staatsgewalt fühlen zu laſſen, ~ zu einer deutſchen National-
kirche aber wird und kann Desterreich die Hand nicht bieten. Aber
ſelbſt wenn sein Reichskanzler solche Anwandlungen haben ſollte,



Donnerstag den 24. August





Inſeraten- Inhalt der Annoncen-Expedi-

1:9 ; ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
I!. c an o Vogler & G. I.. Daube & Cis. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.









] was wir indeſſen für rein unmöglich halten, sicher wäre jedenfalls so
viel, daß der öſterreichiſche Kaiſer niemals ein ſolches Abkommen

und zwar einmal nicht weil es ſeinen bekannten Nei-
l ik im Jnnerſten zuwider wäre, und dann,
der Liſte der regierenden Fürſten aus-

unterzeichnen würde,
gungen a ls Katho
weil er damit sich ſelbſt aus
streichen würde.

Was bleibt alſo noch übrig als wichtigſter Verhandlungsgegen-
ſtand für die beiden Kanzler? Ein gem einſames Defenſiv-
bünd n iß zur Aufrechthaltung des Friedens Europas.
Wer wollte zweifeln, daß dies das ſchönſte Angebinde wäre, das der
friedensbedürftigen Menſchheit geſchenkt werden könnte; allein wir
glauben nicht daran. Wir glauben nicht, ſo lange der jetzige ruſ-
ſiſche Kaiſer lebt, an die Möglichkeit einer rusſiſch-französiſchen Allianz,
deren Vorhandenſein allerdings mit einer Gegenallianz Deſterreichs
und Preußens beantwortet werden würde. Wir glauben nicht an.
den offenen Verzicht Preußens auf die ruſſiſche Freundschaft, die die
Vorbedingung zur österreichiſchen Allianz sein müßte. Wir glauben
nichl an den rückhaltloſen Verzicht Preußens auf die deutſch - öſter-
reichiſchen Provinzen. Wir glauben vor allem aber aicht an den
Willen und die Möglichkeit Seitens Preußens , Deſterreich für Ge-
währung der Allianz irgend etwas Greifbares bieten zu wollen oder
u können. Wo aber in aller Welt wird ein Staatsmann eine Allianz
abſchließen, bei der auch nirgends ein reeller Vortheil für das Land
erfindlich wäre, zu deſſen politiſcher Leitung man ihm das Steuer-
ruder in die Hand gegeben hat!

Etwas aber wird bei den Gaſteiner Verhandlungen sicher her-
auskommen: die künftige einheitliche Leitung in der.
Politik Deſsterre i ch s. Es ist eine bekannte Thatſache, daß der
cisleithaniſche Minisſterpräsident Graf Hohenwarth mit dem Reichskanz-
ler Beuſt im offenſten Zerwürfniß lebt; es iſt bekannt, daß er die
wichtigsten Staatsakte mit Zuſtimmung des Kaisers vollzogen hat,
die dem Reichskanzler aus der Zeitung erſt bekannt geworden sind.
Daß es ſo nicht weiter fortgehen kann, liegt auf der Hand. Hohen-
warth oder Beuſt, iſt die Frage, die nicht erſt seit geſtern im Vor-
dergrunde der öſterreichiſchen Staatsleitung ſteht. Das Bedenkliche
für Beuſt liegt dabei in den beiden Thatsachen , daß dieſer in der
äuß er en Politik keine Erfolge aufzuweiſen hat, während Hohen-
warth ſolche in der inneren Leitung entſchieden beanspruchen kann.
Hohenwarth will nichts wiſſen von der preußiſchen Allianz, die Deſter-
reich gegen Dänemark schon einmal bitter hat büßen müssen; Beuſt
ſcheint dieſelbe zu ſuchen, nicht gewarnt durch die Erfahrungen des
Grafen Rechberg. So wird unter allen Umsländen, mag in Gastein
etwas zuwege kommen oder nicht, Hohenwarth oder Beuſt das Feld



Edle Rache.
(Alte und Neue Welt.)

jortſeßgung.
Susanna war ein uhu gta q achtzehn Jahren, heiter, sorg-

. los, munter wie der ewige Frühling. In ihrem klaren Auge ſpiegelte ſich ihr

reines Herz ab, und die friſchen Wangen erinnerten an eine aufblühende Roſe.
Sie war ſchön, das ſagten Alle, nicht nur ihr Vater ; und sie war ein braves
und gutes Kind, mit dem jeder gern verkehrte. Glücklicherweiſe hatte sie nichts
von dem finstern Charakter ihres Vaters geerbt ; ſie war das völlige Gegentheil
deſſelben , geſellg, fröhlich, und wie sie auf der einen Seite durch ihr freund-
liches Wesen die Herzen zu gewinnen wußte, verstand sie es mit echt weiblichem
Takte , sich den Launen ihres Vaters anzubequemen und ihn heiter zu stimmen ;
~ deßhalb war er ihr ſo unſagbar zugethan.

. Es war eine Luſt, das Mädchen mit leicht beſchwingten Füßen über die
Cisbahn dahingleiten zu ſehen, sie ſchien kaum den Boden zu berühren, ſo
gewandt und ſchnell flog sie dahin. Und wenn ſie an dem Oberinſpector ,
den ſie „Dheim“ nannte , vorbeiſchoß und ihren Vater nicht in der Nähe wußte ,
dann nictte und grüßte sie freundlich und warf ihm einen wehmüthigen Blick
zu, als wolle ſie ſagen, daß ſie den Groll ihres Vaters nicht theile , aber kei-
nen Annäherungsverſuch wagen dürfe, es ſei ihr verboten.

; Der Inſpector Sturm hatte das obere Ende der Bahn erreicht und ruhte
ein wenig aus. Suſanna ſchoß heran und umtkreisſte ihn einige Male.

bg wir einen Wetilauf halten , Oheim ?“ flüſterte sie , einen Bogen

„Es gilt, Suschen ; folge mir l-

qs Pts s: Us mein Vater nichts gewahrt."

Und (U qs. . nV zigay Saße flog der Inspector dahin, bald weit
ausholend , bald kerzengerade und pfeilſchnel von dannen ſchießend. Ihm
folgte das Mädchen , ſchnellfüßig wie eine Antilope. Staunend folgten die
Blicke der Menge dem gewandtesten Paare; lächelnd wettete man, wer den

zs t“tvuitsgtit users Immer ſchneller flogen die Kämpfer dahin , es war



Fast hatte Suſanna ihren Onkel erreicht, als ſie plötlich ihren Vater er-
blickte, der ruhigen Schrittes ihr entgegenkam. Sie lenkte ab, um keinen Ver-
dacht zu erregen, nahm aber in der Verwirrung und auch wohl getrieben von
der Wucht des Laufes den Bogen zu groß und setzte mit einem wilden Sprunge
über den Rand des Saumes hinweg anf eine große Eisſcholle, die an dem
festen Eiſe entlang trieb. Ein Schrei des Entſetßens durchzitterte die Luft.

Langsam trieb die Scholle, von dem Sprunge in Bewegung geſezt , von
dem Saume ab und eine breite Kluft entstand, in welcher sich die klaren Waſ-
ser des Stromes plätschernd. wälzten ; die Scholle aber wankte und ſchwankte
unter den Füßen des Mädchens. Bestürzt eilte Alles herbei ; rathlos folgten
die Blicke der treibenden Scholle. Bleichen Antlitzes und zitternd ſah der Va-
ter die furchtbare Gefahr , in der ſein einziges Kind ſchwebte. Der Schrecken
verſagte ihm die Sprache; ein unartikulirter Schrei zitterte auf ſeinen Lippen ;
flehend Uuetlte er die Arme aus , wie wenn er ſein Kind zu ſich hätte herüber-
ziehen wollen.

Hes „Verſuchen Sie es die Spalte zu überſpringen," ließ sich eine Stimme hören.

„Es geht nicht, bleiben Sie !“ hieß es von allen Seiten.

„Können wir hier venn gar nicht retten?" fragte ein junger , kräftiger
Mann, die Entfernung mit den Blicken mesſsend.

„Das Waßſer iſt tief ," ſagte ein Anderer ; es wäre tollkühn; die einzige
J!atuutett iſt die , daß die Scholle wieder antreiben ſolte. –~ Das arme

ind !"

„Und wenn die Scholle bricht , sinkt das Mädchen ins Wasser ! . . .
u ttt lu eme. t um z qs tl ts fer ungtutliche

. 1t . .

Rathlos blickte Ciner den Andern an. Jeder hätte ja gerne geholfen, wenn
er gekonnt . . .; man Jollte meinen , die junge Dame so mit Händen greifen
zu können , und doch war die ſchmale Kluft ein unüberwindliches Hinderniß.
Auch wußte man ja , daß der Rand des Saumes die Laſt nicht tragen und
brechen werde. Die Größe der Gefahr war augenscheinlich. Die tückiſche
Scholle, welche sich immer in gleicher Entfernung von dem festen Eiſe hielt
und durch die Reibung an anderen Schollen abbrötkelte, triev langſam strom-
abwärts ; sie konnte berſten, oder was noch mehr zu fürchten war, in das
eigentliche Jahrwaſſer gerathen Ut; [ es keine Rettung mehr.

(Schluß folgt.) ;
 
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