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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0337

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für Stadt

Dienstag

Deutſcland.

* Heidelberg, 24. Juli. Wir erfahren soeben die wichtige
Nachricht, daß der Reichskanzler Graf Beust ſeine Entlaſſung ein-
gereicht und erhaiten hat.

* Heidelberg, 21. Juli. Bekanntlich iſt ein Conflict zwiſchen dem
Bischof von Ermland und dem preußiſchen Ministerium ausgebrochen,
weil leßteres den Dr. Wollmann als Religionslehrer am Brauns-
berger Gymnasium gegen den Biſchof ſchütt, welcher Wollmann
durch Widerstand gegen das Unfehlbarkeitsdogma den Gehorſam auf-
geſagt hat. Der betr. Miniſterialerlaß erhebt die ſeltſame Präten-
ſion, dem kath. Biſchof begreiflich machen zu wollen, was katholisch
sei und was uicht; nach demſelben iſt Dr. Wollmann katholiſch und
der Biſchof Häretiker! Papſt, Concil und Biſchöfe müſſen ſich von
den preußiſchen Miniſterium für Unterricht, Cultus und Medicinal-
angelegenheiten das Weſen des Katholicismus erklären laſſen; der
Bapſt iſt nicht mehr uufehlbar in katholiſchen Glaubenssäßen, son-
dern der jeweilige preußiſche Cultusminiſter, deſſen Unfehlbarkeit um
so unbestreitbarer ſich darſtelt, als er im Besitze der Gewalt iſt
und dieſer auch den entſprechenden Nachdruck zu geben versteht !
Wie die Dinge unter ſolchen Umständen liegen und wie es mit der
Entſcheidung des preußiſchen Cultusminiſters beſchaffen iſt, darüber
belehri uns am besten ein ausgezeichneter Aufsatz der Köln. Volks-
zeitung in ihrem gestrigen zweiten Ulatte, dem wir folgende Stellen
entuehmen:

„Wir wollen nur auf das formelle Princip hinweiſea, welches
das Ministerium in vorliegendem Erlaß zur Anwendung zu bringen
verſucht, das Priucip nämlich, daß das Ministerium für die
Katholiken in Preußen das höch ſte Glaubens tri b unal ſein
ſolle, und der beſchränkte Unterthanenverſtand der Biſchöfe sich dabei
beruhigen müſſe, wenn der Minister erklärt, ein Lehrer, und ſomit

eine Lehre, sei katholisch. Die „Schlesiſche Volksztg.“ hat bereits
nachgewieſen, wie sehr ein solcher Anspruch mit den eiuſchlägigen
gesetzlichen Bestimmungen des Allgem. Preuß. Landrechtes in Wider-
spruch steht. Wir wollen die Beweisführung nicht wiederholen, da
schon der Art. 15 der Verfaſſungsurkunde die Selbſtiſtändigkeit auch
der katholiſchen Kirche in Ordnung ihrer Angelegenheiten, zu denen
doch die Glaubenslehren an erster Stelle gehören, und damit die



JIncompetenz der Staatsregierung hinsichtlich dieſer Angelegenheiten

und somit namentlich hinsichtlich deſſen, was den Glauben der kath.
Bürger betrifft, zu einer der Grundlagen unseces Staatsweſens ge-
macht hat. ;

Spräche aber auch die preußiſche Geſeßgebung nicht ſo deutlich,
und exiſtirte der Art. 15 der Verfaſſung gar nicht, so müßte die
Aufstellung eines solchen Grundsatzes in der Mitte des 19. Jahr-
hunderts ~ unter allen den Strömungen , welche den Staat vom
Gebiete des Gewissens ausgesſchloſſen sehen wollen, in einem Staate
mit gemischter Bevölkerung, wo aber das Cultusminiſsterium ſtets in
den Händen eines Protestanten ruht ~ als eine Thatsache erſchei-
nen, welche die Aufmerkſamkeit der Katholiken und deren ernste Be-
fürchtuugen wach zu rufen nur zu wohl geeignet iſt.

Neben diesen seinen Grundsatz ſtellt das Ministerium einen zwei-
ten: es entſcheidet nicht bloß, Dr. Wollmann ſei rechtgläubiger Ka-
tholik, sondern bestimmt auch, der katholische Charakter des Brauns-
berger Gymnasiums sei kein Hinderniß für den Staat, Katholiken
von der Art des Dr. Wollmann an demſelben anzuſtellen. Als Grund
wird angegeben, das kath. Gymnasium zu Braunsberg sei vor dem
18. Juli 1870 gegründet, und darum sei man für dieses Gymna-
ſium noch katholisch genug, wenn man auch die an dieſem Tage
definirten Glaubenslehren und damit das ganze katholiſche Glaubens-
princip der Unfehlbarkeit des kirchlichen Lehramtes leugne. Man
ſieht, es iſt das ein Grundsatz von großer Bedeutung , mit Hülfe
deſſelben kann man an katholiſchen Anstalten, welche vor dem Con-
cil von Trient gegründet wurden, „Katholiken“ anstellen, welche die
Glaubenslehren leugnen, die den Jrrlehrern des 16. Jahrhunderts
gegenüber zu Trient entschieden wurden. Solcher „Katholiken“ gibt
es bekanntlich noch manche; nur werden sie gewöhnlich anders ge-
nannt; und da man für die im 16. und 17. Jahrhundert gestifteten
katholischen Anstalten die Janſeniſten zur Hand hat, so könnte man
mit den Grundsätzen jenes Miniſterial-Erlaſſes den Art. 15 der Ver-
faſungs-Urkunde, nach welchem ,die römiſch - katholiſche Kirche im
Besitz und Genuß der für ihre Cultus -, Unterrichts - und Wohl-
thätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds bleibt“,





den 25. Juli

f

auf eine Weiſe beobachten, durch welche die bekannte Parität des
preußiſchen Staates auf dem Gebiete des höhern Unterrichilsweſens
noch weit in Schatten gestellt würde. Mit dieſem Grundſatze bliebe,
troß der Verfaſſungs-Urkunde und ihrer feierlich garantirten Rechte,
der römiſch:-katholiſchen Kirche wenig übrig. Freilich, bisher hatte
man jene Bestimmung des Art. 15 der Verfaſſungs-Urkunde anders
verſtanden. Denn es iſt aus den „Erläuterungen“ des Cultusmini-
ſters von Ladenberg vom 15. Dec. 1848 bekannt, daß dieſe Bestim-
mung gerade deßhalb aufgenommen worden war, — „um eine weit
verbreitete Beſorgniß zu befeitigen,“ und in der Erwägung, ,daß
es nicht zuläſſig sei, durch Verweigerung derſelben einen Anlaß zu
dauernder Unzufriedenheit gerade in dem Ungenblicke zu ſchaffen, in
welchem der Friede und die gedeihliche Entwickelung des Volkes ge-
ſichert werden soll." f

Ein dritter Grundſat, von großer Tragweite, welcher jenem
Miniſterialerlaß zu Grunde liegt, findet sich in den Worten ausge-
ſprochen, daß die Entziehung der missio canonica für den Staat
nur dann von Bedeutung sein könne, wenn für dieſe Maßregel
Gründe nachgewiesen würden, welche auch der Staat als zureichend
anerkenne. Nach den Grundsätzen der kath. Kirche iſt zur Ertheilung
des Religions - Unterrichtes eine tirchliche Bevollmächtigung erfor-
derlich, und die preußiſche Staatsregierung hat dieses auch aner-
kannt, indem sie in der ihrerseits den katholiſchen Religionsleh-
rern übergebenen Anſtellungsurkunde dieſelben ausdrücklich daran
erinnert, die erforderliche missio canonica von dem betreffenden
Biſchofe sich zu verſchaffen. Das Ministerium betrachtet nun in
jenem Erlaß vom 29. Juni nicht nur die Zurücknahme jener
missio canonica durch den competenten kirchlichen Oberen als
eine Maßregel, welche vom Gutbefinden des jedesmaligen Miniſters
abhänge, sondern es hält ſich auch für berechtigt, den Mangel die-
ser missio canonica zu erſezen und also seinerseits die Vollmacht
zur Ertheilung des römiſch:katholiſchen Religions-Unterrichrs zu er-
theilen. Gleichzeitig versucht das Ministerium, die katholischen Schü-
ler durch Drohung sofortiger Entlaſſung vom Gymnasium zu zwin-
gen, von dem von ihm beauftragten, von der Kirche zurückgewiesenen
Hsligundleuer den Unterricht in den Glaubenswahrheiten zu em-
pfangen. ;
Ian sieht, es iſt Conſequenz in der Sache: zuerſt entſcheidet
das preußiſche Ministerium, was Lehre der römiſch-katholiſchen Kirche
iſt; ſodann ertheilt «s die Sendung, um diese, von einem proteſtan-
tiſchen Minister als römiſch-katholiſch patentirte Lehre zu verkündigen;

wem das nicht gefällt, der kann seine Kinder ohne Gymnasial-Untee

richt aufwachſen laſſen. Die Gewiſssensfreiheit der Katholiken wird,
wie der Miniſterial-Erlaß erklärt, dadurch geſchützt, daß „eine gesetz.
liche Nöthigung zum Besuche des Gymnasiums zu Braunsberg über-
haupt nicht beſteht.“

Die katholikenfeindliche Preſſe hat in dieser letztern Bemerkung
des Miniſterial - Erlaſſes einen „köstlichen Humor“ erkennen wollen.
Wir glauben, daß jeder besonnene Mann anders hierüber urtheilen
wird. Also das ſoll die Stellung der Katholiken in Preußen ſein :
daß es in der Hand des Miniſters steht, ob sie ihre Bildung nicht
anders als mit Aufgeben ihres Glaubens erwerben können ? Sind
die Gymnasien in Preußen + von den ſpecifiſch katholiſchen Stif-
tungen ganz abgesehen – etwa nur mit dem Gelde der Proteſtan-
ten und des kleinen Häufleins von Protest - Katholiken unterhalten,
daß man für die Mitglieder der römiſch-katholiſchen Kirche beliebig
deren Beſuch unmöglich machen könnte ? Hat das Ministerium in
Preußen das Recht, die Staatsanſtalten nur für einen Theil des
Volkes einzurichten, und vielen Millionen Katholiken es factisſch un-
möglich zu machen, dieselben zu besuchen ? Sind wir Katholiken
Heloten, die man von einem beliebigen Theile der Güter, welche
der Staat dem Volke vermittelt, nach Willkür ausſchließen kann?

Sind die feierlich verbrieften Rechte freier Religionsübung für un.

hinfällig geworden, und sollen wir uns, wie die Christen zur Zeit
Julians des Apoſtaten, mit der Freiheit, ohne höhere Bildung blei-
ben zu dürfen begnügen?“

* Heidelberg, 22. Juli.
bisher ein geſcheidter Mann, ist, wie wir unſeren Lesern zu großem
Bedauern mittheilen müssen, leider närriſs < geworden; Beweis
dafür sind folgende Sätze, welche er in einer Denkschrift — das
D enken iſt ihm freilich abhanden gekommen ~ zum Besten gibt

Der Profeſſor Sch ulte in Prag,

und die wir zur Erheiterung ob des höheren Blödsinnes mittheilen.
 
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