Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0179

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Erſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d: H.

JU2. 45.

für Stadt








Deutsſ<lan d.
* Heidelberg, 17. April. Aus Rom erfährt man, daß das
große Gelage der „Freidenker“ am Charfreitag wirklich stattgefunden
hat und dak bei demſelben ein Crucifix auf der Tafel stand, welches
von den Rednern fortwährend verhöhnt und inſultirt wurde. —
Aus Paris wird gemeldet, daß die Commune das Gesetz gegeben hat,
es ſollen die Beiſchläferinnen der Nationalgardiſten Anspruch auf
Wittwenpension erhalten. – Wir fragen : wie lange noch werden
Angesichts ſolcher Dinge die Regierungen sich auf feindlichen Fuß
zur Kirche ſtellen, statt m i t dieser die Cultur der gefährdeten menſch-
lichen GeqJellſchaft zu retten ?
* Heidelberg, 14. April. Es iſt uns folgende Zuſchriſt zu-
angen :
gang „Der Aufforderung im Pfälzer Boten Nr. 41 „[C] Von der
Bergsiraße“ folgend, lege ich hier den Strafzettel zum Abdrucke bei.
Die Druckſchrift, um die es ſich handelte, war die Warnung ! Ich
appellirte nach Mannheim, so daß es mit den Kosten nochmals 11 fl.
20 kr. machte. & 36 fl. 20 kr. Es iſt nur von wegen des
zweierlei Maßes und Gewichtes. Honau, Amts Kork. E. St ark,
Pfarrverweſer.
Der Strafzettel lautet wegen Verbreitung von Druckſchriften
und die Quittung iſt von Acciſor Knecht in Oberſchefflenz ausgestellt.
X Bruchsal , 14. April. Der ſchwäbiſche Reichstagsabgeordnete
Römer hat im Reichstag zu Berlin die Behauptung aufgestellt, daß
es sich gegenwärtig um den Gegensat zwischen d eutſ ch und römiſſch
handle. Diese Unterscheidung, haben wir ſchon längst in den prote-
ſtantenvereinlichen Blättern und Reden gelesen, wo ja überhaupt
gegen die Katholiken die gröbſten Schmähungen vom Stapel laufen.
Setzen wir statt r ömiſ < das Wörtchen kath oliſch, ſo haben
wir die richtige Bedeutung des Schlagwortes, deſſen ſich der National-
liberalismus jetzt auf allen Flanken bedient und wonach im neuen
deutschen Reich die Katholiken als ein undeutſches Element angesehen,
geächtet und der unaufhörlichen Bedrückung preisgegeben werden.
Daß die Kraichgauer Heitung sich zum genannten ausgegebenen
Schlagworte ebenfalls bekennt, verſteht sich von ſelbſt, denn wo iſt
je einmal gegen die Katholiken eine nationalliberale Unart ausgeübt
worden, die von ihr – der Kr. Ztg. ~ nicht auf's freudigste be-
grüßt worden wäre ? Da nun leider zwiſchen dentſch und katholisch
ein Gegenſaß dargethan werden will, so drängt sich uns eine Frage
auf, die wir wegen eines örtlichen Umstandes hier zur Sprache
bringen wollen. Von Bruchsal sind z e h n Soldaten ein Opfer des



Dienstag den 18. April

Bote:

Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.

letzten Krieges geworden uud sämmtliche zehn Soldaten waren
kat h o li <. Wie haben wir nun den Tod dieser Zehn aufzufaſsen ?
Sind sie als d eutsche Krieger mit Gut und Blut eingestanden ?
Oder aber müssen sie, eben weil sie katholisch waren, als undeut-
s < e s Kanonenfutter angesehen werden ? Nach nationaliberaler
Unterſcheidnng zwischen deutsch und katholisch, der auch die Kraich-
gauer Zeitung beipflichtet, iſt die lettere Auffassung allein noch zu-
läſſig und wir haben ſomit einen Fanatismus vor uns, der jedes
Grab eines kathol. Soldaten beſudelt. So weit kommt man, wo
der blinde Haß die Feder führt, wie es bei der Kraichgauer-Zeitung
der Fall iſt, die darum auch keinen Anstand genommen, den Artikel
der Badiſchen Correſpondenz nachzudrucken , in welchem die kathol.
Partei im Reichstag als „unberechtigt“ hingestellt iſt. Natürlich,
wer dem gemeinen Liberalismus nicht zu Willen ist, hat keine Be-
rechtigung zu exiſtiren. Diese allerneueſte Reichsfreiheit ſchießt stark
in die Aehren und wir werden noch arge Erfahruugen machen können,
bis die liberale Tyrannei mit ihren Plänen am Ziele angekommen
sein wird. ~

Bretten, 7. April. „Ja, am Nationalitätsſchwindel
ist er [Napoleon] gefallen, und ich wünſche nicht, daß das deutſche Reich
irgend welchen Stoß gewinnen könnte, wenn es dieſe Politik wieder
aufnimmt,“ sagte Windthorſt in der Adreßdebatte am 30. März,
die Intervention zu Gunsten der Souveränität des Papſtes berührend.
Wären wir als Berufene des Reichstages dort gewesen, wir hätten
uns erlaubt, den nationalliberalen O h ' s ! und Oho' s! noch Fol-
gendes entgegenzurufen :

Ihr wollt Etwas mit der Vaterlandsliebe, das wiſſen wir;
Ihr bedürft eines Cultus ; ihr ſucht den Einzelvölkern, nicht bloß
germanischer Abſtammung , sondern noch über die Grenzen Germa-
nias hinaus die Hauptſache zu entfremden, das poſitive Chriſtenthum,
was die Völker noch dem Kerne nach bewahrt haben, ihr müßt nun
ihnen einen Gegenſtand hinhalten, bei dem ſie glauben mögen, ſsie
begeisterten sich, während sie sich fanatiſirten. Euer Nationalenthu-
ſiasmus iſt feindſelig gerichtet gegen das allgemeine Chriſtenthum und
seine rückſichtsloſe Bruderliebe ; ihr habt die alten Nationalgottheiten
wieder heraufbeſchworen, ihr treibt mit eueren Nationen ſelber Götzen-
dienſt, wie dort, wo die Göttin Roma Gegenstand der Anbetung
war, und das alte Heidenthum seine abſolute Staatsidee auf
seinen eigenen Altären ſelbſt verehrte. So ist dieſer Nationalfana-
iismus weſsentlich gottlos, und dieſe Gottlosigkeit iſt einer der Gründe,
warum man ihn wi ll. Er iſt aber auch feindselig gerichtet wider



Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortſeyung.)

_ Und dann war es ja möglich, daß sie dieſen Sieg überwand , daß die
Glasticität der Jugend ihr half, das entſetzliche Erlebniß zu vergessen. Sie
war ja faſt noch ein Kind, ihr Leben begann ja erst. Glücklich derjenige, dem
es vergönnt war, die ſchreckliche Vergangenheit aus ihrem Gedächtnisse zu
löſchen und in einem neuen, glücklicheren Leben ihr Gefährte und ihr Beſchützer
u ſein !

z) Mit diesen Empfindungen und Hoffnungen Hilmer's harmonirte Leonhard
Heiders Erscheinen und Auftreten nicht im Mindesten. Als er den Saal durch-
schritt bis an die Gerichtsſchranken, war sein Gang weniger elaſtiſch, ſeine Hal-
tung nicht ganz ſo aufrecht und entſchieden wie ſonst; aber ſeine edle Gestalt
und sein ſchönes Gesicht hatten vielleicht noch einen Reiz mehr gewonnen durch
die tiefe, aber männliche Trauer, die über sie gebreitet war. Es lag nichts
Scheues, nicht Wildes in dem Blicke ſeines ſchwarzen Auges, dessen Feuer durch
den Kummer nur gemäßigt, nicht verlöſht war. Sein blaſſes Gesicht trug
auch nicht den Ausdruck der Angst und Verwirrung, es trug im Gegentheil,
bei allem Schmerz, den Ausdruck ruhiger, entſchloſssener Zuversicht.

So sieht kein Mörder aus! war der allgemeine Gedanke. Und ſelbſt
Hilmer dachte, als er ſah, wie sich Herminens und Leonhards Augen begegne-
ten und sich zu gleicher Zeit mit Thränen füllten: Entweder ſind sie Beide
schuldig oder Keines von Beiden.

„Wie iſt Ihr Name ?“ fragte der Präſident.

„Leonhard Heider."

„Wie alt sind Sie?“

„Vierundzwanzig Jahre.“

„Sind Sie mit der Angeklagten verwandt, verſchwägert, verfeindet oder
befreundet ?! :

„Sie iſt meine Verlobte.

„Wissen Sie, daß Sie gesetzlich nicht verpflichtet ſind, Zeugniß gegen Ihre
Verlobte abzulegen ?"

„Ja, das weiß ich, bitte aber troßdem, mich zum Zeugniß zuzulassen.“

Hei der letrren Frage des Präſidenten hatte sich Hermine mit einem Hoff-
nungsſtrahl in ihrem Blicke haſtig vorgebeugt ; aber im nächſten Augenblick,
noch ehe Leonhard antwortete, ſank sie muthlos wieder zurück. Was half es



auch, wenn er ſchwieg, der Verdacht gegen ihn war einmal wach geworden ;
es war ja Ales verloren.
cut h Ft Ni Hu t Less Feutſv.tt yer setogtr y

„Von einer gegenseitigen Feindſchaft weiß ich Nichts, war Leonhard's
Antwort: sie war durchaus einseitig. Ich habe von meiner Braut nie ein
Wort gehört, nie eine Miene oder einen Blick gesehen, die als feindlich gegen
die Ermordete hätte bezeichnet werden können. Meine Braut hat auf alle
Kränkungen und Beleidigungen, denen sie von Seite der Liſette Fiſcher aus-
geſezt war, nie anders als freundlich und verſöhnlich geantwortet. Mein
Zeugniß könnte parteiiſch erſcheinen, aber es sind ja genug von unſeren Haus-
genoſſen hier verſammelt, die bestätigen können, daß es nie ein ſanfteres, duld-
ſameres Weſen gegeben hat, als meine Braut, daß sie des Hasses ganz un-
fähig iſt. Wenn es nur je einen Menſchen gegeben hat, der Chrifti Gebot :
„Liebet eure Feinde, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, ſo euch
verfolgen !‘ buchstäblich befolgt hat, ſo iſt es ganz gewiß meine Braut.

Der Präsident wandte ſich jezt mit der Frage an Leonhard : „Was wiſ-
ſen Sie von dem Umſtande, daß die Angeklagte auf Veranlassung der Ermor-
deten von Ihrem Valer die Weiſung erhielt, am andern Tag das Haus zu
verlaſſen ?"

Uu das bleiche Gesicht des jungen Mannes flog eine ſchnelle Röthe, als
er ſo an jenen unglücklichen Tag erinnert wurde; er sagte mit unsicherer, von
gewaltſam bekämpfter Aufregung zeugender Stimme : „Hermine, meine Verlobte,
theilte mir dieſe unglaubliche und unerhörte Weiſung ſelbſt mit und sette hinzu,
daß Liſette meinem Vater geſagt habe, daß wir uns liebten. Ich war zu ſehr
empört und erſchrocken über dieſe Behandlung einer Dame, für welche ich die
größte Hochachtung hege, der wir Alle den größten Dank schulden, die meine
Mutter in ihrer Todesſtunde als ihren und ihrer Kinder guten Engel gesegnet
hatte, als daß ich mich jeut noch aller Einzelheiten erinnern könnte. Aber ich
bin fest überzeugt, daß nur die ſchändlichſten Verleumdungen einer verſchmitz-
ten Intriguantin meinen Vater dahin bringen konnten, daß er für einen Augen-
blick vergaß , was er einer ſo achtungswerthen Dame ſchuldig war. Jch bin
fest überzeugt, daß er am nächſten Morgen schon seinen Jrrthum eingesehen
und wieder gut gemacht hätte, wenn nicht das ſchreckliche, noch immer dunkle
Ereigniß eingetreten wäre.“ ~ Unwillkürlich wandte er in dieſem Augenblicke
den Kopf und ſah ſeinen Vater an, der ſcheu ſeinem Blick auswich.

(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen