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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0349

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rſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Lrägerlohn und Poſtaufſchlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. HB.

„Äê. 88.

für Stadt



Rede des Bischofs v. Orleans, Msgr. Dupanloup,

in der französischen National-Berſammlung.

Ich bin glücklich, indem ich dieſe Tribüne besteige, dem Herrn
Conſeils-Präſidenten meine Achtung bezeugen zu können. Ohne ihm
zu folgen in allen Regionen der Politik, wo er ſo feſten Sthrittes
wandelt, freue ich mich, ihm meinen Dank auszuſprechen für so
viel gute und treffliche Worte zu Gunsten einer Sache, die ewig meinem
Herzen 1heuer sein wird. J bin dafür erfreut unb bewegt zugleich;
denn ich erinnere mich, bereits vor zwanzig Jahren in einem an-
dern Kreis und unter einer andern Republik, aus demselben Munde
die gleichen Wünſche für die gleiche Sache vernommen zu haben;
und dieſe seltene Treue, iroß der Schmerzen der Gegenwart und
der Befürchtungen für die Zukunſt, hat — ich sage dies mit auf-
richtigem Herzen – allen Anspruch auf meine Anertennung. Zu
der Zeit, die ich meine, sprach Herr Thiers allein, und mehrere
von Denen , die ihn heute unterstützen, theilten damals nicht seine
Gesinnung. Warum ſollte es mir nicht erlaubt sein, das Vertrauen
zu hegen, daß inmitten der Wirren dieser Zeit unſere Unglücksfälle
ſie mehr oder minter einanter genähert haben? Jh möchte daraus
die Hoffnung ſchöpfen, daß die Sache der Religion und der Geſell-
schaſt heute beſſer verſtanden wird.

Nach der Rede des Herrn Thiers hätte ich eigentlich ſchweigen
können, allein ich würde fürchten, mir selbſt untreu zu werden,
wenn ich nicht das Wort nähme zur Unterstüzung der Petition der

Bischöfe, hier, wo es sich um eine Sache handelt, der ich mein Le-

ben geweiht habe, und deren Gerechtigkeit ſo klar ist, daß mich nichts
in meiner Ueberzeugung erſchüttern könnte. (Sehr gut! Sehr gut !)
Wenn ich mich nicht an Sie wendete, ſo würde ich auch von dem
abweichen, was in einer langen Kampfbahn die unveränderte Re:
gel meines Lebens war. Auch in den ſchwierigſten Tagen, in den
bedrängteſten Verhältnissen habe ich an meinem Lande nicht gezwei-
felt; ich habe es stets hoch genug geachtet, um mich direct an das-
ſelbe zu wenden, ohne jemals an die Gewalt, an die Ungerechtigkeit
oder die Gunst zu appelliren. (Beifall).

Ich trete daher, nach dem von dem Conſseils-Präsidenten ange-

zeigten Maße (Sehr gut !), den Petitionen meiner geehrten Collegen

bei, in den von ihnen gebrauchten Ausdrücken; denn es sind die
der Weisheit, um nicht zu ſagen, der chriſtlichen Politik. Und ich
empfehle in disſem Sinne der Aſſemblee, der nationalen Souveraine-
tät, dem franzöſiſchen Gewissen, der öffentlichen Ehre die gerechteſte,
die höchſte Sache, die stets auch die verlasſenſte gewesen ist. (Beifall).

Nach den Worten, die wir vernommen haben, verdient nur

Das Neujahrblasen.
Von T e odor Dr o b i l ch.

(Schluß.)

Nach Verlauf von 5 Minuten rückte die kleine Capelle leiſe wie Feentritt
beim Magazinverwalter ein , der soeben erſt ſeinen Leichnam aus den Federn
gewunden hatte. Leonore, ſeine Nichte, ein unverheirathetes Dämchen, welches
bereits das Cap Vierzig passirt], gratulirte ihm mit einem Kuß zum neuen
Jahr, und da ſie somit in die Nähe der Naſe kam, ſo konnte man hier getroſt
ausrufen: „Leonore fuhr um's Morgenroth,“ denn der in der vergangenen
F eU;ltetuegt hinabgeſentte Burgunder hatte aus Geſäligkeit heute recht hübſch
aufpolirt.

Hiährend dieſer Zärtlichkeit jauchzte plöglich im Vorsaal ein Klarinetten-
ſc<hnabel. – Muſik ! Muſik! die Stadtpfeif er. -- Große Pauſe. Da, auf ein-
mal geht es im Viervierteltakt los: „Wo kommen die rothen Nasen her."

Der Magazinverwalter rafste seine ſchlapprigen Unterbeinkleider empor
und suite nach dem braunen Spanier, um damit hinauszufahren und Dop-
pelgriffe in gleicher Taktart auf Stadtpfeifers Schattenseite zu machen.

Sein guter Engel, sowie ſeine Nichte hielten ihn aber zurück und er besann
sich eines Bissern.

~ Das iſt ein Schabernack ! ein Possſenſpiel, rief er mit glührothem Ge-
sicht. ~ O, ich weiß, wo Barthel den Moſt holt, hier iſt weiter Niemand im
Spiel, als der Herr Einnehmer am Oberthore, der manchmal durch die Finger
guckt. Ich weiß, die leßte Kornlieferung ~ 0, ich weiß Alles. Aber hinterm
Berg wohnen auch noch Leute. Warte, wie Du mir, ſo ich Dir. Geh, Lorchen,
hole ein paar JFlaſchen Wein, die Leute draußen werden frieren.

Jett öffnete er die Thür und begrüßte höchſt freundlich den Principal,
welcher eher eine Hinausſchung mit obligater Hundebegleitung erwartet hatte,

_ als ſolchen Empfang.

' Zuugtt Kommen Sie herein, Herr Capellmeisſter! Herein in die warme
ube. ;

~ Capellmeister ? das ist sine ſüße Brere in den Sprenkel. Na ! ich bin

neugierig, was sich hier jſängt.

~ Späschen, Späschen, Herr Capellmeiſter! Späschen von wegen hier,



Dienstag den 1. Auguſt



Inseraten-Inhalt der Annoncen-Expedie

tionen von Rud. Zſosse, Haasenstein&
und Land. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.





St m

Ein Redner noch Gehör ~ die Geschichte, deren erſte Sätze der
Chef der Executivgewalt geſchrieben hat und deren legte und ſchreck-
lichſte Bewegungen jede menſchliche Stimme übertönen. Der raſche
Lauf der Zeit führt uns zum Jahrgedächtniß jener traurigen Tage,
wo ein Minister mit allzu leichtem Herzen, der Diener eines Herrn
mit allzuleichtem Gewissen, im selben Moment und mit derselben
Hand Deutſchland provocirt und Rom verlaſſen hat. Zehn Jahre
zuvor war die Unabhängigkeit des Papstes durch unſere eigenen Siege
erſchüttert, durch unsere Schwäche preisgegeben worden ; sie wurde
vollends vernichtet durch unſere Niederlagen, wobei
Italien die Stunde abgelauert hat, um ſich tapfer auf die Beute
zu stürzen. (Sehr gut!) Vor wenigen Tagen liefen wir Gefahr,
wenn die Klugheit des Herrn Thiers nicht vorgebeugl hätte, zwei
französiſche Bolſchafter einander gegenüber zu sehen, von beiden
Ufern der Tiber aus sich betrachtend, den einen im Vatican bei dem
erlauchten Greiſe, der gefangen und beraubt iſt, den andern im
Quirinal bei dem König - Ehrenmann, beide demgemäß nicht mehr
Repräsentanten Frankreichs, sondern jener zioeiſeitigen Politik der
alten Regierung. Und da die päpstliche Souverainetät das erſte
Opfer der Niederlagen und der Fehler des kaiserlichen Frankreichs
war, so iſt nichts gerechter, als daß die französischen Biſchöfe von
dieſem an das von den Schmerzen der Kirche beſſer unterrichtete
Frankreich appelliren. Das iſt ein natürlicher Schritt, der für uns
eben so ruhmvoll iſt. Denn von lange her iſt es eine Gewohnheit
in Europa, wenn die Gerechtigkeit zu viel leidet, daß man sich an
Frankreich wendet. Beklagen Sie sich nicht darüber, noch einige Her-
zen zu begegnen, in denen dieſes Vertrauen unser Unglück überlebt.
(Sehr gut! Sehr gut!)

Als Frankreich in der Noth war, hat man sich wenig an daſ-
ſelbe gekehrt. Trog einer berühmten Reiſe und troy der Bemühungen,
bei denen man, was auch kommen mag, die patriotiſche Hingebung
nie vergeſſen wird (Beifall), sind die großen Herzen der Souveraine
eiskalt geblieben, außer das des Papſtes, welcher in ſciner Bedrängs-
niß noch Hülfsmittel gefunden hat für unſere Vewundete, und in
ſeiner Seele theilnehmende Worte für unſer Unglück. Er hat ſeine
Stimme erhoben, um eine unwürdige Verlezung unſeres Gebietes
zu verhindern. Und Frankreich, das er nicht verlaſsſen hat am Tage
ſeiner ſchrecklichſten Noth, wird stets die edelmüthige und hülfreiche
;;: sein; sie wird den nicht verlaſſen, der nie an ihr ver-
zweifelt hat. : ;

Was verlangen die Biſchöfe? Ich will es ſagen, und ich habe
nur drei Worte zu erwidern an drei Gegner, die nicht zu verachten
ſind bei der Strömung der Zeit : die Verläumdung, die Entmuthi-
gung und die Undankbarkeit.

dem rothen Näschen. Na! ein Gläschen in Ehren kann Niemand verwehren.
Angestoßen! Prosit Neujahr !

Sie trinken. Ein Glas, vielleicht auch zwei oder drei. Der Magazinver-
walter nahm es mit den Zahlen nicht ſo genau.

~ Hier guter Freund ! eine Liebe ist die andere werth. Siecken Sie dies
Thälerſchen ein und grüßen Sie mir Jhre Frau.

~– Besten Dank, mein guter Herr Magazinverwalter.

~ Wo geht's denn nun hin?

~ Zum Herrn Einnehmer.

~ Na ! da dürfen Sie aber keir luſtiges Stückchen blasen.

~ VBewahre der Himmel! je toller, je besser! ich müßte den Herrn Ein-
nehmer nicht kennen.

~ Capellmeiſterchen ! stet einmal einen Pflock zurü>k. Gerade weil er
etwas Heiteres liebt, wie Ihr sagt, sol er ein recht duſes Stück bekommen.
Thut es mir zu Liebe und spielt ihm das Lied : „Ueb’ immer Treu und Red-
lichkeit, bis an Dein kühles Grab.“ Blaſt dies vor ſeiner Thür, es kommt
mir wahrhaſtig nicht auf einen Species an und wenn es geſchehen, Ihr ſsolt
noch eine Tonne Weißbier in's Haus bekommen.

~ In fünf Minuten können Sie das Verlangte hören. Adieu.

Huſch, war der Stadtpfeifer hinaus. Ach! er war die Güte und Sanft-
muth gegen seine Leute ſelbſt, ja, ſogar der Lehrburſche, der zweimal Pl statt
Vis gegriffen, blieb von der ſonst unfehlbaren Duſel verschont. ~ Ah! jauchzte
der Glückliche, es heißt immer ; die Kunst geht nach Brod, diesmal führt ſie
aber noch Kartosfeln und Weißbier im Gefolge.

Beim Einnehmer wurde pünktlich das beſtellte Lied geblaſen, eine Melodie,
wo jeder Ton wie ein Tropfen Blauſäure auf den herniedertröpfte, dem es galt.
Doch, auch er zahlte und –~ nobel. ~ Freude, daß einmal Jedem ſein Lied
geblaſen wurde, zahlte dann mancher Bürger beim Umgang des Stadtpfeifers
mehr als je. Kurzum, es war eine Leſe, wie noch nie, ale Säckel waren ge-
füut, und freudig blickte der Stadtpfeifer empor, denn bei ihm hing im wah-
ren Sinn des Wortes der Himmel voller Geigen.



das undankbare.
 
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