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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0341

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rscheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerstag fü r Hk adt

und Samſtag. + Preiz : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. B.





Die Katholikenhete in der Kraichgauer Zeitung.

x Bruchsal, 23. Juli. Wir stehen vor einem alten Thema,
das jetzt aber ganz beſonders wieder auf der Tagesordnung iſt.
Seitdem man von Nortdeutſchland her den fünfzehn Millionen Ka-
tholiken des neuen Reiczes mit der unverwüſtlichen liberalen Ausge-
laſſenheit zu Gemüthe führt, was man unter der modernen Gewiſ-
ſensfreiheit versieht und ſeitdem die größten und erſten Zeitungen der
Kaiſerſtadt Berlin der katholischen Kirche Kriegserklärung auf Kriegs-
erklärung zuſchicken , befleißt sich auch die Kraichgauer Zeitung deſ-
ſelben Tones und gießt beinahe in jeder Nummer zahlloſe Schmä-
hungen gegen die ihrer Kirche treu gebliebenen Katholiken aus. Nur
derjenige, welcher in voiter Auflehnung gegen die Kirche sich befin-
det, iſt der Mann des Lobes. Es iſt in der That merkwürdig, in
welchen Ansichten, Widerſprüchen und Ungeheuerlichkeiten dieser wüſte
Haß sich bewegt. Mit einem Leichtsinn, der alle Grenzen überſteigt,
wird zur Empörung gegen die kirchliche Autorität getrommelt und
die liberale Verlogenheit und Heuchelei setzt ſich in der frechſten
Weise auf den Thron, verkündend : Jch bin die Wahrheit! Die Num-
mer 170 der Kr. Ztg. vom 22. d. M. belehrt uns in ihrem Rund-
ſchauartikel, „daß diejenige katholische Kirche, welche von den Staats-
verfaſſungen als rechtmäßig bestehend anerkannt und mit dem Schutze
der Staatsgeſezgebung verſehen iſt, am 18. Juli v. J. in Acht er-
klärt iſt.“ Das iſt deutlich geſprochen, nur müſſen wir das Datum
der Achtierklärung als falsch bezeichnen, weil dieſe nicht erſt ſeit dem
18. Juli v. J., sondern seit jenem Tage datirt, an welchem das
liberale Volk von Jeruſalem ſchrie: „An's Kreuz mit ihm !“ Diese
erſte Achterklärung iſt ununterbrochen im Fluß geblieben, nur hat das
liberale Volk von Zeit zu Zeit die Formel derſelben geändert, die
bald lautete: „Zu den Löwen mit den Chriſten“ oder „Rottei aus
die Nichtswürdige“, oder „Rom muß fallen“, oder „Schlagt ihn
todt, den Hund, er ist ein Jeſuit“ ec.

Der Rundſchauartikel der Kr. Ztg. beschuldigt die Biſchöfe
„heuchleriſcher Lügen“, so diese ſich beklagen, daß der Staat sie ver-
folge, beigeſezt wird noch, daß man an ihnen ſolche „heuchleriſche
Lügen“ von lange her gewohnt ſei. Also die katholiſchen Biſchöfe
ſind von lange her ,heuchleriſche Lügner“ ! Es verſteht ſich von

ſelbſt, daß die Kr. Ztg. für diese maßloſe Beschimpfung keine Spur |

eines Beweises bringe; die Behauptung steht gedruckt da und damit
fertig. Wenn also zum Beispiel der Biſchofs von Ermland sich be-
klagt, daß durch den preußiſchen Ministerial- Erlaß vom 29. Juni
1871 die kathol. Schüler des Gymnasiums zu Braunsberg durch
Drohung ſofortiger Entlaſſung gezwungen werden, bei einem von
der kirchlichen Behörde excommunicirten Priester den Religionsunter-

Das Neujahrblaſen.sn

Von T h eo dor Dr o b i s ch.

Sylveſter war hinabgeſunken in das Meer der Ewigkeit, man stand am
Taufstein des neuen Jahres und der Stadtmuſikus einer Provinzialstadt setzte
sich mit ſeinen Gehülfen in Bewegung, um den Leuten in der Stadt etwas
zu blaſen, um seine Gratulation in Tönen anzubringen, damit von Seiten
det ture uus ein galvanisirender Händedruck mit unterlegten Neugroſchen-

atten geſchehe.

Die Kälte war grimmig, dem Hornisſten froren bald die Finger an die
Krummbogen und an der Stürze der Clarinette hing ein Eiszäpfchen. Der
Stadtmusikus war heute auch nicht bei besonderer Laune, denn die Einnahme
des vergangenen Jahres war nicht von der Art, um deßhalb Loblieder anzu-
stimmen. Obendrein hatte der edle hochweiſe Rath der Stadt ihm für das
ſeit Jahren übliche Thurmblaſen 25 Thaler abgezwackt, indem die Herren Stadt-
verordneten in die Sache hinein gestörlt. |

Das Vogelſchießen kurz nach Pfingsten hatte auch wenig abgeworfen, denn
der Vogelkönig war diesmal ein armer Bürſstenbinder und Scheibenkönig ein
Schuhmacher, Männer, die, wie es hieß , nichts einzubrocken hatten und mit
denen ſonach wenig Sache gemacht wurde, was Jedermann an der ſpärlichen
Illumination sehen konnte , wo an dieſem Abende alle hundert Schritte ein
Lämpchen fslackerte. Hochzeiten mit ganzer Brautmesse hatten gar nicht ſtatt-
gefunden und im Caſino hatte man wegen Erhöhung der Kornpreiſe und des
Rüböls bis jetzt nur einen Ball abgehalten. ;

Kurzum , unser Stadtmusikus wünschte die ganze Musſik zum Geier, zu-
j! jegt jede Dorfschenke ein vollſtimmiges Orchester zur Tanzmuſik ha-

en will. i

In der Stadt hatte man vollends die Anſprüche hoch hinaufgeſchravbt.
Wo früher ſieben Mann ausreichten, da ſollen jeßt wenigstens zwanzig sitzen
und die allerneueſten Sachen für eine Totalſumme von einem Thaler zwölf
bis sechzehn Groſchen herunterraſseln. |

Die armen Lehrburſchen, welche die Hinken und Posaunen handhatbten,
hatten vor Froſt und Kälte blaue Gesichter wie die Paviane. Selbige harrten

*) Neues Kreuzer-Magazin.



Donnerstag den 27. Juli







Inſeraten-Inhalt der Annoncen-Expedi-

Fonen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und sand . Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.







"5:1.

Es;





richt zu hören, ſo
„heuchleriſcher Lügner“, |
unerhörten Vorgehens ganz und
daß es noch ſtrammer eingreife.

Der Rundſchauartikel bringt weiter folgenden sehr bezeichnenden

das Ministerium dagegen ist trotz dieſes
gar gerechtfertigt, ja man hofft,

Satz: „Die katholiſche Religion und das vaticaniſche Concil ſnn..

einander gerade so ähnlich, wie ein Stück Holz einem Stücke Eisen.
Wenn man darum gegen das vaticaniſche Concil und deſſen Vertre-
ter vorgeht, ſo geht man nicht gegen die kath. Religion vor. Man
darf nichl müde werden, diesen Unterſchied zu betonen, da er täglich
von den Ultramontanen verwischt wird, da täglich dem Volke vor-
gelocen wird, man wolle den Katholiken, der katholiſchen Religion
etwas anhaben.“ So die Kr. Ztg.

Dieser Sat treibt die Frechheit und Unverſchämtheit auf die
höchſte Spitze, iſt der allerunredlichſte Verſuch, die Katholiken zu
übertölpeln, daß sie ja der liberalen Kirchenſtürmerei getroſt und
ruhig zuſehen mögen. Aber die Erbärmlictkeit einer solchen Zu-
muthung iſt denn doch allzugroß und lautet, wie wenn man sagen
wollte: Jhr Katholiken habt unlängst erlebt, daß dem Papſt der
Reſt des Kirchenſtaates ſammt Rom geraubt ivurde und daß jett
das Oberhaupt euerer Kirche wie ein Gefangener in Rom weilt, wo
er tagtäglich von einem rohen Gesindel aufs ärgſte geſchmäht wird;
glaubt aber ja nicht, daß man dadurch euerer Religion zu nahe
tritt! Jyhr Katholiken werdet gegenwärtig aufgefordert, eueren recht-
mäßigen Oberen, dem Papſt und den Biſchöfen, den Gehorſam auf-
zukünden und denjenigen anzuhängen, welche in offener Rebellion ge-
gen ihre Kirche ſich befinden; seid übrigens ganz unbeſorgt darob,
als könnte dadurch euere Religion in Gefahr kommen! Jhr Katho-
liken erlebt das seltene Schauſpiel, daß von Staatsregierungen und
protestantiſchen Ministern excommunicirte Prieſter in Schuß genom-
men und vielleicht demnächst euere Biſchöfe auf die Feſtungen abge-
führt werden, erſchrect hierüber gar nicht; denn euere katholische
Religion kommt dabei gar nicht in Spiel. Wir wollen inne halten
und nur sagen : ein Tölpel erſter Claſſe iſt, wer bei gegenwärtiger
liberaler Tobſucht nicht einsieht, daß es sich um die Vernichtung
der katholiſchen Kirche und somit auch der kathol. Religion handelt.

Endlich noch ein Satz aus dem fraglichen Rundſchauartikel der
Kr. Ztg.; er heißt: „Wenn ſogar in einem hervorragenden biſchöf-
lichen Blatte davon gesprochen wird, daß man eine Katholikenhetze
veranstalte, ſo iſt das wiederum ſchamlos gelogen.“ — Hört! Hört !
Wenn wir zurückdenken und nur dasjenige uns vergegenwärtigen,
was seit 1866 bis heute gegen die Katholiken von liberaler Seite
gedruckt und geſagt wurde, wenn wir uns an die Verläumdungen

geduldig aus, denn wenn der Umgang in der Stadt vollendet, dann hielten
sie auf den Dörfern Nachleſe und der Bauer hört es gern, wenn ihm so recht
mit dem Messing etwas „fürgemacht" wird.

Der Stadtmusikus dachte bei sich, für all diese Calamitäten willst du dich
doch ein wenig rächen ; man kann auch durch Töne Malicen ſagen. Er hielt
Wort und sein Neujahrblaſen war faſt weiter Nichts als eine in Noten geſette
Sathyre. ]

y."t . Herrn Bürgermeister mußte natürlich zu allererst Musik und Neu-
jahrsgruß in die Ohren geträufelt werden. Er war es, der beſonders mit auf
Verkürzung des Stadtpfeifer - Honorars eingegangen, dafür mußte er einen
Hieb bekommen und das einen derben, denn dem Herrn Consul war die Ge-
lehrſamkeit gerade nicht mit dem Löffel zugemessen worden.

Was ſpielen wir dem auf ? Der musikalische Rabener ſchaffte Rath und
ohne alle Umstände wurde die Arie aus Lortzing's „Czaar und Zimmermann“:
„O , ich bin klug und weiſe" mit Holz - und Blech - Inſtrumenten angestimmt.
Magnificenz fühlte den Stich und drückte dem Manne der Töne, anstatt des
früher zum Opfer gebrachten Guldens nur zehn Neugroſchen in die erstarrte

Rechte.

Der Bürgermeister hatte auch eine Tochter , die ſich bis jetzt vergebens
nach einem Bräutigam umgeſchaut und in der Harmonie einmal während der

Polonaiſe die Worte geäußert : das Orchester ſpiele wie Schaafknechte. Ein

junger Accessiſt, der bei dieſem Tanze gleichſam Frohndienste verrichten mußte,
damit Bürgermeisters Louise nicht ſitzen blieb, hatte dies dem Stadtmusſikus .
gesteckt und der Schaaftnecht mußte ausgewetzt werden.

Wodurch ? Die muſikaliſche Runde stellte ſich jezt vor der Zimmerthür
des Fräuleins auf und ſpielte : „Schier dreißig Jahre biſt du alt !“ welche
Malice mit zwei Neugroſchen honorirt wurde und den Befehl mit sich brachte,
nun aufzuhören, indem Jungfer Louischen Kopſſchmerzen hätte.

Stadtpfeifer Sehrohr blickte aber tiefer. — Jett ging der Marſch zum
Stadtrichter , desſen Frau Gemahlin nie zu Hauſe war, wenn ein Armer um
ein Almoſen bat. Diese mußte einen Choral bekommen. Aber gleich nachher
wurde das Lied darauf gesetzt: „Du biſt der beſte Bruder auch nicht !‘ —
Dies galt dem Stadtrichter, der beſonders viel auf dem Kerbholze hatte.

(Schluß folgt.)
 
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