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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0265

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R 67.

+> Die deutschen zticzalhlechettteachikes; Uh
ihre Aussichten.
].

In einem uralten Buch ſteht zu leſen, ein gewisser Baukünſtler
habe sich einmal drei gewaltige Verstöße gegen sein edles Handwerk
zu Schulden kommen lassen: er habe ein Wirthshaus in eine ſchauer-
liche Wildniß statt an die frequente Landstraße, eine Mühle auf eine
ſchwerzugängliche Berghöhe statt an das Wasser im lieblichen Thal
gebaut und einen Garten auf harten und schattigen Felsgrund ſtatt
auf guten und sonnigen Boden angelegt. Von seinen Zeitgenossen
sei derselbe ein vir stultus oder närriſcher Kauz geheißen worden.
. Mit weit größerem Recht verdienen unsere modernen Nationalkirchen-
baumeister die Bezeichnung „närrische Käuze." Nur Narren können
auf den Einfall kommen an Stelle der großen Welttirche ~ der
katholischen –~ ein Landeskirchenthum von Schlagbäumen uud Gränz-
pfählen umrahmt, – sehen zu wollen. Den gewaltigen Rieſenbau
der katholischen Kirche werden putzige Zwerglein niemals zertrümmern.
Schon Viele haben es verſucht, und sind daran zu Schanden gewor-
den. In frühern Zeiten waren Febronius und Genossen , später
Weſsſenberg und Ronge, in neuester Zeit der Weckbäck und Auchbäck
und die famose Janusbruderſchaft damit beschäftigt – wie jämmer-
lich alle dieſe Versuche ausgefaißlen, iſt bekannt. Nichtsdestoweniger
kommen unsere liberalen Altkatholiken immer wieder von Neuem da-
rauf zurück. Aus welchen Gründen? Die Gelegenheit iſt günſtig,
meinen sie, und die Zeitverhältniſſe könnten ihnen die Ausführung
ihres Lieblingsplanes erleichtern. Zwei Ursachen ermuthigen unsere
deutſchen Nationalkirchenbaumeiſter bei ihrem Unternehmen. Die
prettsur Lage res tU post t Heugtkateuus
ſie Capital schlagen. Ob ihre Pläne gelingen werden ? Wir zweif-
len stark daran, wenn wir den beiden erwähnten Thatſachen andere
Thatſachen entgegenſtellen.

Die Lage des Papſies iſt allerdings nicht roſig und kann ſich
möglicher Weiſe noch verſchlimmern. Allein gerade das Unglück
des hl. Vaters hat die wahren Kinder der Kirche um ſo feſter an
ihn gekettet. Die kath. Völker besizen zu viel Liebe und Edelmuth,
als daß sie ihren gemeinſamen Vater in der Bedrängniß verlassen
ſollten. Beweis dafür sind die vielen Deputationen, welche gegen-
wärtig aus aller Herren Länder: aus Deutſchland, Deſterreich, Bel-
gien, Holland, England, Frankreich, Spanien und den beiden Amerika,
ja sogar aus Asien und Afrika nach Rom kommen, ~ Deputationen,
die nicht blos papierne Adreſſen, sondern thatſächliche Beweise ihrer

Der dem Schaffot Entflohene.

(Novelle von Pr. I. F.)

ortſezung.

Der Baron übersah es nicht s U !! ernſterem Tone ſsettte er hinzu:
„Ich hoffe doch nicht, daß ſich irgend ein Hinderniß entgegenſtellen wird.“

„„Ich wüßte keines“, antwortete Dupre mit aller Reſignation, indem er mit
einem schmerzlichen Blicke Karl und Clementinen betrachtete. „Hier iſt das mir
anvertraute Depoſitum und hier die Früchte, die es getragen. Wollte Gott, ich
könnte Ihnen das was ihr Bruder unserer Freundſchaft und Liebe anvertraute,
mit eben so leichtem Herzen wiedergeben.'

Darauf nahm Madame Dupre das Wort.

„Iſt es denn wahr, Herr Baron, daß Sie uns auch unſere Tochter so ſchnell
éntreißen wollen ? Darauf waren wir nicht gefaßt und dieſer Schlag trifft uns
Um so härter, da er ſo unerwartet kömmt. Sie sehen in unſer aller Augen Thrä-
nen. Wollten Sie uns denn nicht wenigstens so viel Zeit gewähren, um uns
auf eine ſo ſchmerzliche Trennung vorzubereiten?,,

Obwohl der Baron alle dieſe Aeußerungen mit innerem Vergnügen hörte,
so antwortete er darauf doch nur mit einem kurzen Kalten : “Wir werden sehen.“

Frau Dupre fühlte ſich durch dieſe Kälte ſehr gekränkt; daher sagte ſie eben
ſo kurz und mit einer Stimme, die den inneren Kampf nur zu deutlich ausſprach :
"Thun Sie, Herr Baron, was Sie fſür gut finden. Ich werde sogleich Alles be-
ſorgen, was zur Abreiſe des Fräuleins nothwendig ist.“ j
. Clementine weinte in den Armen der guten Frau, die ſie nicht anders als
ihre Mutter anſah. Herr Dupre zog ſeinen Sohn bei Seite. „Karl!“ sagte er,
„Du ſahſt und hörtest es, daß Herr von Walberg an meiner Redlichkeit zweifeln
konnte ; ich befehle Dir als Vater, Dich Clementinen nicht mehr zu nähern.“

er Sohn schwieg. Herr Dupre und seine Frau, der Baron, Clementine und
imon lraten in das Haus, Sidney folgte ihnen heimlich; denn ſein Plan
war gefaßt, den Baron nicht mehr aus den Augen zu laſſen.

Karl seiner Seits war fest entſchloſſen, Clementinen zu folgen, wohin der
Onkel ſie auch führen möge, und sie mit Gefahr seines Lebens jedem Andern
ſtreitig zu machen. Er wußte nun, daß sie nach Paris ſollte. Um zu wissen, wo
sie in dieſer großen Stadt wohnen würde, mußte er sie wie ihr Schatten beglei-

für Stadt



Dienstag den 13. Juni



Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

' ) D tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
un Can . Yz! & C. L. Danbe & Cie. in

nchen, Frankfurt u. Stuttgart rc.

1871.





Zuneigung ~ Liebesgaben aller Art für den beraubten Dulder im
Vatican mitbringen. Beweis für die Anhänglichkeit der Katholiken
an den Papſt sind die Opfer, welche die Kinder der Kirche ihrem
gemeinſamen Vater in unserer so steuerreichen Zeit noch freiwillig
spenden, wovon die Kirchen- und Anzeigeblätter aller Diöceſen des
Erdkreiſes den vollgültigſten Beweis liefern. An einen Abfall die-
ſer Katholiken von Rom und den eventuellen Eintritt in eine Natio-
nalkirche kann für jetzt nicht gedacht werden. Die Protestanten ver-
spüren zur Zeit auch noch keine Luſt, die Juden sind zu wenig,
wenn sie auch wollten, selbſt das religiöſe Auskehricht unter den
verſchiedenen Coufeſſionen unternimmt keinen ernſtlichen Schritt. Wo
soll die Nationalkirche alſo herkommen ? Vorerst spuckt sie nur in
den verrückten Köpfen unserer Alikatholike. ~ im Uebrigen hat es
gute Ruh, der Weckbäck sei mit ihr !

Eine deuiſche Nationalkirche wird niemals aus freier Entſchließung
des deutſchen Volkes hervorgehen. Für eine Territorialkirche hat der
Menſch keine Pietät, Ehrfurcht und Liebe; nur Nationalstolz und
Fürſtenrecht halten sie aufrecht! Eine Kirche, die nicht auf eigenen
Füßen stehen kann, sondern von den Gewaltigen dieser Welt gehal-
ten werden muß, wird vom Volk verachtet. Eine Nationalkirche
könnte höchſtens durch Zwang und Gewalt zu Stande kommen, wie
die engliſche Staatskirche unter Heinrich VIII. und der jungfräu-
lichen und keuſchen Eliſabeth, wie die ſcandinaviſchen Landeskirchen
unter Guſtav Waſa und Guſtav Adolpf , oder die proteſtantiſchen
Landeskirchen überhaupt zur Zeit der Reformation und das polniſche
Schisma unter dem hl. Czjar.. t

Wer soll dieſe Gewalt in Deutschland ausüben ? Die kleinen
Fürsten haben ja keine Macht mehr und der Kaiser wird sich davor
wohl hüten; weiß er doch aus der Regierungszeit ſeines höchstseligen
Vaters, des Königs Friedrich Wilhelm III., welche Aufregung in
ganz Europa entstand, als sich derselbe nur mit dem Einen Clemens
Uuguſst, Erzbiſchof von Köln, zu sehr engagirt hatte. Heut zu Tage
gibt es aber viele Clemens Auguste in Deutſchland und diese Alle
ſammt ihrem Anhang zu überwältigen, dürſte ſelbſt für einen Kaiſer
ein schweres Stück Arbeit sein. Aber auch angenommen, irgend ein
Monarch wollte die zwangsweiſe Einführung einer Nationalkirche ver-
suchen, wo bliebe in diesem Fall die Gewissens -, Glaubens - und
Religionsfreiheit, für welche unſere Altkatholiken so gewaltig schwär-
men? Elinfältige Frage das! Wie der ungeheuerliche Uranus seine
Kinder auffrißt und manch unnatürliche Rabenmutter ihre eigenen
Säuglinge verläugnet, so würden unſere liberalen Altkatholiken ihre
seitherigen Grundſätße über Gewissens -, Glaubens - und Religions-
freiheit sicher verläugnen , so sich Jemand finden würde , der ihrer

ten. Mit Ungeduld erwartete er daher Simons Wiedererſcheinen. Auf dieſen
alten, treuen Diener konnte er sich verlaſſen; mit ihm wolte er ſich besprechen;
denn er wußte wohl, er würde Alles gerne thun, was zu seinem und Clemen-
tines Glücke beitragen könne.

Endlich kam der Alte, kopfschüttelnd und mit den deutlichſten Zeichen der
Unzufriedenheit. Karl theilte ihm ſeinen Plan mit und befahl ihm, einen Wa-
gen auf der Poſt zu bestellen. Von Post zu Poſt wollte er ſie begleiten und
auf der letzten Station ein Reitpferd nehmen, damit er sie in Paris nicht aus
den Augen verliere und ihre Wohnung wisſe. Der Alte verſprach zu gehorchen.

Während dem hatte Herr Dupre dem Baron die Rechnungen vorgelegt
und das Geld eingehändigt mit dem Bedeuten, daß bis morgen Früh Alles
zur Abreise bereit ſein würde. Da der Baron vorgab, daß er dieſen Abend
noch mit dem Maire ſpechen müſſe, ſo bot ihm Herr Dupre ſich ſelber oder
einen ſeiner Diener zum Begleiten an, da es nicht räthlich ſei, allein zur Abend-
zeit, bei einbrecheneder Nacht, den Wald zu paſſiren, besonders da er eie ſo bedeu-
tende Summe bei sich trage. Der Baron ſah es ein und Dupre wollte einen
Diener rufen. Da ergriff der Baron plötzlich Dupres Hand und sagten.

„Ich finde es doch besser, die ſe Summe in den Händen eines ſo achtbaren
Mannes zu laſſen, wie ich Sie gefunden habe ; aber nicht mehr, wie bisher
als Depositum, sondern als Mitgift Ihrer Tochter, für welche Sie meine Nichte
doch ansehen."

u L ee und Sidney ſahen bei dieſen Worten einander erſtaunt an
und glaubten falſch gehört zu haben. | ;

„Ich kann es mir leicht denken, fuhr der Baron fort, daß Ihnen mein bis-
heriges Benehmen nicht die günstigste Jdee von mir eingeflößt haben wird, viel-
leicht werden Sie mich entſchuldigen, wenn ich ſage, daß ich bisher als redlicher
und rechtſchaffener Mann gelebt habe, auf jedem Schritte aber nur auf Egois-
mus, Liſt und Betrug gestoßen bin. Daher iſt es mein fester Grundſatß gewor-
den, nicht eher Jemanden Treue und am wenigsten Freundſchaft zu ſchenken, bis
ich nicht unumſtößliche Beweiſe erhalten habe, daß er dieſelben verdiene. Mit
diesem Grundſatze betrat ich auch Ihr Haus und es war eine ernste und
heiligste Pflicht, zu erfahren , wie es um meine Nichte stünde, was sie Ihnen,
und was Jhre Familie meiner Nichte ſei. j

(Fortſeßzung folgt.)
 
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