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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0345

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rſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samstag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poftaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

„l. S87.

Einladung zum Abonnement.
Für die Monate Auguſt und September bitten wir um weiteres
Abonnement zum Preiſe von 28 kr.

Im Hinblick auf die bevorstehenden Kammerwahlen, heſonders
aber wegen der großen Kämpfe, die gerade jetzt die katholische Kirche
auf's Aeußerſte bedrohen, bitten wir um ſtets wachſende Verbreitung
unſeres Blattes in weiteren Kreiſen des Volkes , damit dieſes ein
richtiges und unverfälſchtes Bild von der Lage der Dinge erhalte,
auf deren Darstellung wir allen Fleiß und Eifer verwenden werden.

Zugleich bitten wir um zahlreiche Erndteberichte aus allen
Theilen des Landes. .

Heidelberg, 21. Juli



z



Ut. th des Pfälzer Boten.

















* Wie wird gewählt?

Bekanntlich hat unſer Wahlgesetz in Verbindung mit der Ver-
faſſung wesentliche Aenverungen erfahren und auch die Wahlbezirke
für die zweite Kammer sind andere geworden. Da nunmehr in kur-
zem die Wahlmännerwahlen heranrücken, so wird es am Platze ſein,
den badiſchen Bürgern zu ihrer beſſeren Orientirung über die Wahlen,
wie ſie ſich künftig äußerlich werden zu geſtallten haben, Einiges in
das Gedächtniß zurückzurufen.

Vor allem bemerken wir, daß diesmahl nicht da oder dort im
Lande einzelne Ergänzungswahlen stattfinden, sondern daß die Volks-
vertretung voll ſt än di g neu gewählt wird, so daß also die Wahlen
das ganze Land umfassen. Ferner müſſen wir vorausſchicken, daß
die Beſtimmung des §. 38 der Verfaſſung, wornach die Abgeordneten
auf 8 Jahre gewählt waren, und zwar in der Art, daß die Kammer
alle zwei Jahre zu einem Viertel erneuert wurde, aufgehoben iſt und an
deſſen Stelle die Bestimmung tritt, daß die Abgeordneten nur noch
auf 4 Jahre gewählt und alle zwei Jahre zur Hälfte erneuert wer-
den. Wenn wir nun auch gewünſcht hätten, daß alle 4 Jahre eine
Totalerneuerung ſtaitfinde, ſo iſt doch auch ſchon mit dieser Aenderung
eine Beſſerung herbeigeführt, da durch die übermäßig lange Zeit
des Wahlmandats die Abgeordneten früher gleichſam mit ihren grünen
Bänken verwachſen zu sein ſchienen.

Die weſentlichſten Aenderungen in der Wahlordnung aber, in-
sofern ſie für die Urwähler von Wichtigkeit und Interesſſe ſind, faſſen
ſich dahin zuſammen:

Die Bezirke sür die Wahl der Abgeordneten zur II. Kammer
werden zum Vollzug der Wahl der Wahlmänner in Wahldiſtrikte
eingetheilt. In jedem Wahldiſtrikte wird auf je 200 Einwohner ein

Sanmſtag den 29. Juli



welche in die Liſten aufgenommen



Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

N Ü; D Fionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
un ' an 2 Vogler & G. I.. Danube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

T Isi.










Wahlmann ernannt, so daß alſo die Wahlcollegien jetzt weit größer
an Zahl werden. Gemeinden von mindestens 200 Seelen bilden
je einen Wahldiſtrikt. Kleinere Gemeinden, Colonien und Hofgüter
werden mit einer benachbarten Gemeinde zu einem Wahldiſtrikte
vereinigt.

(t enen. welche mehr als 8 Wahlmänner zu wählen haben,
werden nach der Einwohnerzahl in zwei oder mehrere Wahldiſtrikte
eingetheilt, ſo daß in jedem Distrikte mindeſtens 4 und höchstens 8
Wahlmänner zu wählen ſind.

In keinem Wahlbezirke
gewählt werden.

In jedem Wahldiſtrikte sind Liſten anzulegen, in welche die zum
Wählen Berechtigten eingetragen werden. Diese Liſten sind ſpätestens
4 Wochen vor dem zur Wahl bestimmten Tage zu Jedermanns
Einsicht anfzulegen und iſt dies zuvor unter Hinweiſung auf die
Einſprachefriſt öffentlich bekannt zu machen. Einsprachen gegen die
Liſten sind binnen 8 Tagen nach Beginn der Auslegung bei der Be-
hörde, welche die Bekanntmachung erlaſſen hat, anzubringen und
innerhalb der nächſten 14 Tage durch den Gemeinderath, in ſtrei-
tigen Fällen durch den Bezirksrath, zu erledigen.

Nur Diejenigen sind zur shetluese an der Wahl berechtigt,

ind. ; j :

Die Wahlhandlung , welcher die Einladung der Wahlberechtig-
ten mindestens zwei Tage vorausgehen muß , sowie die Ermittlung
des Wahlergebniſſes sind öffentlich und geſchehen vor verſammelter
Wahlcommission.

Das Wahlrecht wird in Person durch verdeckte in eine Wahl-
urne niederzulegende Stimmzettel ohne Unterſchrift ausgeübt. Die
Stimmzettel müſſen von weißem Papier und dürfen mit keinem
äußeren Kennzeichen verſehen sein. Sie ſind außerhalb des Wahl-
lokals mit dem Namen der Wahlmänner, welchen der Wähler ſeine
Stimme geben wil, handſchriftlich oder im Wege der Vervielfäl-
tigung zu versehen. : | Yu:

Ueber die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahlzettel beſchließt.
die Wahlcommission nach Stimmenmehrheit, vorbehaltlich der dem
Bezirksrathe im Falle einer Anfechtung des ganzen Wahlaktes mit
Ausſchluſſe des Recurſes zuſtehenden Eniſcheidung. Die ungültigen
Stimmzettel sind dem Wahlprototoll beizufügen , die gültig befunde-
nen von der Wahlcommiſſion so lange versiegelt aufzubewahren, bis
die Abgeordnetenwahl durch die Kammer für gültig erklärt iſt.

Vor allem aber thut es noth, das Verzeichniß der Wahlbezirke
den Wahlberechtigten vorzulegen, damit Jeder weiß, wohin er gehört ;
dasselbe gestaltet sich folgendermaßen : ,

sollen weniger als 48 Wahlmänner



Das Neujahrblaſen.*

Von Theodor Dr obi ſch.
(Fortſetzung.)

Der gestrenge Herr machte gute Miene zum bösen Spiele und ließ dem
Herrn Stadtmuſikus ein Glas mit Wein verabreichen , der gerade auch nicht
auf dem Vesuv gewachſen war. Der Herr Stadtrichter war Homöopath und
dachte: Gleiches mit Gleichem.

Von hieraus stiefelte die Capelle zum Amtsactuar, der gar zu gern bei |

der Flaſche ſaß und nie den Termin verſäumte, wenn irgend ein Wirth
in der Stadt oder in der Umgegend ſeinen Wein aufthat. Womit wurde die-
dieser jet bewirthet? ~ D du Schalk von Musikus ! Die Tonkunstwerkstätte
ließ das Liedchen vom Stapel : „Ich und mein Fläſchchen sind immer beiſammen."
Der Amisactuar horchte auf und dachte für sich, das hat gewiß einer
teuer Feitts bestellt, sicherlich der Amtmann Auguſtin, mit dem es bald Mat-
äi am letten. ;
Er ließ den Stadtmusikus herein kommen, empfing denselben wider Er-
warten ganz freunlich und — drückte ihm einen Thaler in die Hand. — Jett.
y! §ttee! rief der Amtsactuar, noch Cins, Sie müssen mir einen Gefal-
en thun.
~ Zehn für Ginen !
_ Maren Sie ſchon beim Rentamtmann ?
~ Rein l! Wir wollen ſoeben hingehen.
— Süperb! Was werden Sie dort ſpielen lassen ?
~ Dies ~+ Herr Actuar! weiß ich ich + wahrhaftig noch nicht.
[z tt Stadtpfeiferchen ! nehmen Sie hier dieſe zwei Thaler und ~ thun Sie
hit dt hu spielen Sie vor seiner Thür das Lied: „O du lieber Auguſtin ,
es iſt hin !‘
~ Mit dem größten Vergnügen. Wie Sie befehlen.
— Befehlen? ~ Pſt! kein Menſch darf erfahren, daß ich dahinterſtecke.
Alſo Stillſchweigen.

— Stumm, wie das Grab ! + eine Generalpauſe in der Gimpelstimme. ~ | F

Die Diener des Apoll verfügten sich zum Rentamtmann, der das neue
Jahr gerade nicht mit roſiger Laune begrüßt hatte. – Wer ſchildert ſeine
Verwunderung, als auf einmal das Lied an ſein Ohr ſchlug : „O du lieber



Augustin, Alles iſt hin !“ ~ Stadtpfeifer, dieser Gedanke kam nicht aus deiner
bockledernen Seele ! Fürwahr, hier steckt Jemand dahinter und dies kann
Niemand anders sein, als der Magazinverwalter, der da thront auf dem Schlosse
und zu welchem man beim Anblick seiner Naſe mit Schiller ausrufen kann :
„Sei mir gegrüßt, Berg, mit dem röthlich strahlenden Gipfel !“

Guten Morgen, Herr Muſikdirektor ! Alles Gute und Schöne zum

neuen Jahr. Haben da mein Lieblingsstück geblaſen, so iſt's recht, mit Freuden
soll man in's neue Jahr ireten.
— Muſikdirektor ? dachte der Stadtpfeifer, dahinter steckt auch Etwas.
~ Richtig, nachdem der Rentamtmann wider alles Erwarten für das Morgen-
ſtändchen einen Thaler und acht Groschen geſpendet, nahm er den Herrn der
Töne t sut!: und ſprach höchst vertraulich : „Muſikdirektorchen ! erzeigt mir
einen Gefallen ?“

~ Wos iſt's, Herr Rentamtmann ?

~ Waren Sie ſchon beim Magazinverwalter ?

~ Nicht doch, bin jedoch auf dem Wege. s z

~ Wenn Sie mir den Gefallen thun wollen, ich verlange es nicht um-
Ut if hlsſen Sie mit Ihren Leuten das Stückchen : „Wo kommen die rothen

aſen her ?" .

~ Ich, mit meinen Leuten ?

~ Erfüllen Sie meinen Wunſch.

~ Nicht um eine halbe Million.

~ Ich spende drei Thaler und einen Scheffel Kartoffeln

~ Drei Thaler und . . . ich blaſe. ;

~ Wirklich ? »

~ Ein Mann, ein Wort.

J ~ Hier sind drei Thaler , die Kartoffeln kommen heute Abend in

r Haus.

h Gt „DO du dreimal glücklicher Musikant !“ lispelte der entzückte Stadtpfeifer,
als er an der Spitze seines Chores das Haus verließ. „Herrlich! herrlich !
die kleinen Körner deiner Malice sind wider Erwarten auf ein ganz anderes
eld gefallen und wahrhaftig , kein steiniger Boden , denn sie tragen ſchon
harte Thaler und Kartoffeln.“

(Schluß folgt.)
 
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