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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0263

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„J¿. 66. |

für Stadt











die Katholikenhetze Rofgr t itesuer Zeitung.

(© Bretten,, Ende Mai.*) Die gemeinen Ausfälle des Bruch-
ſaler Amtsverkündigers gegen Mitglieder von kathol. Vereinen wur-
den von Ihrem verdienten Correſpondenten unter „die Katholiken-
hetze in der Kraichg. Ztg.“ in entſprechender Weise abgefertiget, nur
dünkt uns, daß die Antwort auf ſolche maßloſe Herausforderung zu
gelinde und schonend gewesen sei. Gehört nicht eine grandioſe Un-
gezogenheit dazu, mit der nun niedergetretenen rothen Canaille in
Paris Mitglieder von kath. Vereinen auf gleiche Linie ſtellen zu wol-
len, indem das amtliche Verkündigungsblatt zu schreiben die Stirne
hat : „daß zu den Parteigängern und Vorfechtern der Internationale
und Commune so häufig solche Gewerbsgehülfen gehören, welche
Mitglieder von Geſellenvereinen oder anderen kath.
Vereinen sin d.“ Nein, Herr Rodrian und Conſ., in den kathol.
Vereinen wird etwas ganz Anderes gelehrt, als sich etwa der ge-
meine Liberalismus darunter einbilden mag. Der Arbeiter wird
nicht aufgehettt gegen den Arbeitgeber oder Capitaliſten, sondern es
wird demselben sein Loos nach den Grundsätzen des Chriſtenthums
begreiflich gemacht und demgemäß erleichtert. Was ſoll ſchließlich
all das liberale Gefaſel von Geseßen und Verordnungen zum Beſten
der arbeitenden Volksklasſe, wenn in den liberalen Werkstätten
und Blättern der Glaube in dem Herzen der Arbeiter planmäßig
unterdrückt und die Hoffnung auf himnliſche Güter mit der Wurzel
herausgeriſſen wird, was ſollen all die an sich lobenswerthen nam-
haften Ausgaben des Staates für Bilbung und gute Erziehung der
Jugend, wenn ſchon die Kinder in jene Pflanzſchulen der Gottlosig-
keit und des modernen Heidenthums verſeßzt und an ihre Maſchine
gleichſam angeschimedet werden, damit die Geier der Verführung
das jugendliche Herz zerfleiſchen? In den kath. Vereinen gilt als
Loſungswort : das göttliche Geſey muß die Grundlage des menſch-
lichen sein, ansonst es fruchtlos bleiben wird; denn wenn der Herr
das Haus nicht baut, bauen die Bauleute umſonſt. Wenn die von

Gott ge ſetzte Obrigkeit für die gewisſenhafste Beobachtung nament-
lich des dritten göttlichen Gebotes nicht Sorge trägt, wird und
muß zuletzt mit dem göttlichen auch das menſchliche Geſey verhöhnt
und ungeſcheut übertreten werden, uud weder die ſtehenden Heere,
noch die alles übecwachende Polizei, noch die ſchreckenerregenden Ge-
fängniſſe vermögen die Verwilderten zu bändigen, immer wieder

werden sie das Haupt erheben und zuletzt ihre Herre n ſammt

ihren mit dem Schweiße und Seelenheile der Armen errungenen
Schätzen verſchlingen, wie sich zum Erſchrecken ſo vieler Gottloſen
das Pariſer Bild aufgerollt hat.

In den kathol. Vereinen, Hr. Rodrian und Conſ., wird den
Arbeitern gesagt, daß der eigentliche Lohn und der Schweiß sür
des Lebens Laſt und Hitze über den Sternen in ewige Freude ver-
wandelt werde, es wird in dieſen Vereinen noch etwas von Gott
und der Ewigkeit geſprochen : Dinge, welche aus den liberalen
Werkstätten als abergläubiſche Sachen einer finsteren Zeit verbaunt
ſind. Jahr aus, Jahr ein wird in ſolchen Werkstätten und Bläitern
des modernen Heidenthums Religion und Moral lächerlich gemacht,
wenn nun aber die Frucht zu reifen beginnt und die ſo Belehrien
den reichen Fabritherren oder sonstigen Capitaliſten an die Börſe
greifen, und wenn ſsie nicht freiwillig theilen wollen, gar das Meſſer
an den Hals ſetzen, nicht wahr, dann hat die Kirche wieder eine
erhabene Miſsion, die Verdorbenen und Irrgeführten zu belehren,
um die eigentlichen Verführer vor dem Untergang zu retten? Wohl,
die Kirche und mit ihr die kathol. Vereine thun es. Der Sclave
beugt nur darum seinen Nacken unter das ſchwere Joch der Knecht:
ſchaſt, weil er von der Kirche belehrt wird und ſelbſt glaubt und
hofît, daß der Tod endlich allen Unterschied des Standes aufheben
und ihn wahrhaft frei machen werde, und daß auch ihn ein beſſeres
Loos in der Ewigkeit erwarte. Sagt nun diesen Armen und Ge-
knechteten: euer Glaube und eure Hoffnung iſt Täuſchung und Wahn;
ſagt ihnen : es gibt keine Eatſchädigung, keine Ausgleichung, keine
Vergeltung in einer anderen Welt ; ſagt ihnen : es gibt keine Gerech-
tigkeit über der Welt, es gibt nur einen irdiſchen Himmel, an welchem
ihr zufällig keinen Antheil habet : so werden sie nach dem Grund
ihrer Zurückiezung, ihrer Verkürzung und Benachtheiligung fragen,

*) Durch Stoffanhäufung verſpätet. D. R.





Samstag den 10. Juni









und da es hiefür keinen hinreichenden vernünftigen Grund gibt,
ſo werden sie das Sclavenjoch zerbrechen, nach dem Schwerte greifen
und furchtbare Rache nehmen an denjenigen, die bisher unbefugter
Weiſe das Jhrige beſaßen, die ſie von den Genüſſen dieses irdiſchen
Himmels ferne hielten und ungerechter Weiſe sie beherrſcht und unter-
drückt haben. Ja, wenn der Mensch nur Ein Leben, dieſes irdiſche zu
genießen hat, wie im liberalen Evangelium zu lesen ist, dann iſt
er der thörichtſte Thor, wenn er dieſes Eine Leven sich nicht ſo
angenehm als möglich macht! Wenn der Menſch nur einen irdiſch en
Himmel zu hoffen hat, dann schlägt er mit Recht Jeden nieder, der ihm
den Genuß dieſes Himmels verkümmern will. Wenn es mit derEwigkeit,
mit einer Gerechtigkeit über der Welt nichts iſt, wenn es keinen
Himmel und keine Hölle, keinen Gott und keinen Teufel gibt, was al-
les miteinander steht und fällt, dann gibt's auch keine Macht „von Got-
tes Gnaden“, und die Commune mit ihrem blutigen Treiben kommt
zur Herrſchaft. Wir fragen nun, wenn solcher schrecklichen Ausge-
burt von Gottlosigkeit die Kirche in ihren kirchlichen Vereinen ent-
gegentritt, iſt es da nicht eine empörende Verläumdung eines Blat-
tes, den Mitgliedern ſolcher edlen Vereine vorbemerkte Bestrebun-
gen unterzuſchieben?









Deutſchl and.

* Heidelberg, 8. Juni. Dem Bernehmen nach wird General
v. Werder das Commando über die badiſchen Truppen erhalten,
mm. unterstellt ſind. General v. Beyer
soll wegen leidender Gesundheit in den Ruhestand treten.

§ Heidelberg, 7. Juni. Mit dem Vorschlag Ihres Blattes,
man möge bei Blatternepidemien das Impfgeſchäft der Amtsärzte
von Staalswegen honoriren, ſind wir vollkommen einverstanden,
möchten denselben aber noch dahin erweitern, daß in Fällen, in denen
der Amtsarzt hiefür nicht ausreicht, auch anderen Aerzten in gleicher
Weise dieses staatliche Honorar gewährt wird. Zu der Vortrefflich-
keit Ihres Vorſchlags will ich ein ſchlagendes Beiſpiel liefern. Vor
längerer Zeit graſſirten die Blattern in Rieg el bei Freiburg in
furchtbarer Weiſe. Der ausgezeichnete Profeſſor der Medicin
Baumgärtner unterbreitete damals denſelben Vorſchlag, welchen
Sie im Pfälzer Boten gemacht haben, der Kreisregierung des
Oberrheines und nach ſofortiger Genehmigung durch dieſelbe erloſch
die Epidemie vollſtändig nach kaum drei Wochen. Es iſt hohe
Zeit, daß in hiesiger Stadt die Blatternkranken in die Barracken vor
dem Thor gebracht werden. Alle Welt war entrüſiet darüber, die
Blatternkranken inmitten der Stadt gegenüber dem so frequenten
Gerichtsgebäude und in nächster Nähe der Bürgerſchule und des
Lyceums zu wisſen, ganz abgesehen davon, daß der Raum zur Auf-
nahme der Patienten viel zu klein war, so daß eine Menge Kranken
in den Privathäuſern belaſſen werden mußte, wodurch die Ansteckung
erſt recht überhand uahm.

x Bruchſal, 6. Juni. Jm hiesigen Sterbkassenverein ſcheinen
erhebliche Uneinigkeiten ausgebrochen zu ſein. Wir leſen hierüber
in der Kraichgauer Zeitung sehr derbe Andentungen. So hat z. B.
die Commission eine Generalverſammlung anberaumt und als Zweck
derſelben bezeichnet: „Berichterſtattung wegen boshafter Verweigerung
der Rechnungen-Herausgabe von Seiten des ehemaligen Vorstandes,
und Neuwahl ſolider Vorsteher.“ Wer diese Einladung las, konnte
wohl voraussehen, das die betreffenden Vorſstandsmitglieder eine Ver-
nehmlaſsſung abgeben werden, die nun auch wirklich erfolgt iſt, dahin
lautend, daß gegen die Urheber der Einladung bei Gericht Klage
erhoben werde. Es bleibt ſomit abzuwarten, wie dieſe Streitangelegen-
heit sich abwickeln wird. Es würde vielleicht am räthlichſten sein,
wenn im Vergleichswege die paſſende Ruhe dem Sterbverein zurück-
gegeben werden könnte, denn Zank, Hader und Procesſe lauten in
einem Sterbverein ganz sonderbarlich. zus

x Bruchſal, 7. Juni. Die Fürſorge der Siaatspolizei um
Alles, was lebt und schwebt auf Erden, iſt eine bekannte Thatsache
und demnach iſt uns nicht gar sehr aufgefallen, daß die Großh. Be-
zirksämter auf Veranlaſſung des Großh. Obermedicinalrathes ihr
Augenmerk auf dic „Kleid er läuſ e“ richten, womit einzelne Manu-
ſchasſten der badiſchen Division bei ihrer Rückkehr aus Frankreich
behaftet sein sollen. Eine Bekanntmachung im Amtsverkündigungs-
blatt empfiehlt als ſsicherſtes Mittel zur Vertilgung der Läuſe, daß



der damit Behaftete ein Bad erhalte, worin er sich mit Schmierſeife
abzureiben hat, während ſeine Kleider in einem ſteinernen Ofen in
 
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