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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0457

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und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
zrägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

für Stadt





Inseraten -JInhalt der Annoncen-Expedi-
und Ü and tionen von Rud. Mosse, t“zsen sts
' vor.? H h Ysaue EC! r6.



FI2. 115.



T a g e s b e r i ch t.

~ Die Centrumsfraktion des Reichstages hat einen erfreulichen
Zuwachs erhalten. Es wurde in M.-Gladbach der Canbidat der
Centrumspartei, Legationsrath von Kehler, mit 2100 Stimmen
gegen den Candidaten der Liberalen, Kaul er, mit 600 und der
Sozialdemokraten, Me nd e, mit 300 Stimmen gewählt.

~ Eine Pariſer Correſpondenz der „Krzztg.“ versichert, daß
die Unterhandlungen über die elſäſſiſch - lothringiſche Zollconvention
noch auf dem alten Punkt ständen.

~ Die für Berlin auf 1. October angekündigte Revolution
aus Anlaß der Wohnungsnoth ſcheint gleich jener in Rom auf 20.
September wegen eingetretener Hindernisse nicht ausbrechen zu können.

~ Nach officiöſeon Mittheilungen werden der Kaiser und die
Kaiserin erſt mehrere Tage nach dem bevorstehenden Umzugstermine
nach Berlin zurückkehren.

Der Pariſer „Temps“ brachte einen Auszug aus der Cirkular-
depeſche des Grafen Benſt über die Zuſammenkünfte in Gastein und
Salzburg. Es ſei in der Depeſche von Beuſt die Hoffnung aus-
gedrückt, daß die verständigen französiſchen Parteien alle hoffnungs-
loſen Rachegedanken aufgeben werden. Von Wien aus wird ſofort
die Mittheilung des Temps als apogryph bezeichnet. Uebrigens iſt
der franzöſiſche Botſchafter am Wiener Hofe, von Banneville, in
„Privatangelegenheiten“ in Versailles eingetroffen.

Der gegenwärtige Stand der Qrdnung in Frankreich ſoll be-
deutend beunruhigt werden durch bonapartiſtiſche und communiſtiſche
Umtriebe. Es wird da Hr. Thiers Gelegenheit erhalten können,
fett Grundſatz der Unbarmherzigkeit gegen die Unordnung walten
zu laſſen.

Der König Amadio I. von Spanien hat seine Rundreise durch

die Provinzen beendigt und iſt in der Hauptstadt wieder angekommen.

Aus Freude hierüber soll ein Dekret erſcheinen, welches Abzüge an
den Gehalten der Beamten und Geiſtlichen verfügt. Von der pro-
tſutiſtes Propoganda in Spanien iſt es ſchon längere Zeit ganz

~ In OÖObſterreich ſcheint das Gefecht zwiſchen der Verfaſſungs-
partei und dem Ministerium Hohenwart zu stehen. Die Unerſchüt-
terlichkeit des letzteren hat der Krifis die Spitze abgebrochen.

~ Zu Prag wurde am 26. Sept. die constituirende Versamm-
lrng des katholiſch-politiſchen Vereines von Cardinal Fürſt Schwar-
zenberg mit einer Ansprache eröffnet. Der Verein zählt 1152 Mit-
glieder, darunter 624 Deutſche, 528 Czechen.

Die Adreßkommission des bö h mi ſchen Landtags hat den
Grafen Leo Thun zum Berichterstatter gewählt. Ueber die Staats-

Das Blumenmädchen.
Eine amerikanische Geſchichte.
(Fortsetzung.)

aue rg Me de cru nat etret qu ver cogente vel rer
ge ſſen haben, denſelben ganz rein zu ſchaben !“
Und raſch brachte ſie die Holzſchüſſel vom Tiſche.
_ Der Mann nahm sie ihr aus der Hand und ſettte sich damit an den Ka-
min. Er war bald eifrig mit dem Abſchaben des Knochens beschäftigt.
uSieh her, Alte,“ ſagte er, als ein Paar kümmerliche Biſſen auf die
Schüſſel fielen, „es geht weit besser, als ich glaubte, Dieß, eine Brodrinde
und ein Trunk friſchen Wassers werden ſchon ausreichen."
„Nein, nein!“ rief sie, sich entſchloſſen abwendend, „wir haben Frances
vergeſſen ; sie hat dieſcen Morgen kaum einen Mund voll genossen.“
§ LU n qt: t BY thru recent:
zu geben , als ob wir den ganzen Tag gegessen hliten "Sie wird “t Jul.!
Mund ooll davon annehmen, wenn sie ~ wenn," ~ hier fiel ihr Blick wieder
auf den kleinen Haufen Fleiſchſchnitel. Der thieriſche Trieb der Selbsterhaltung
machte, daß ſie ihren ſoeben gefaßten heroiſchen Entſchluß vergaß ; ihre Hand
ſtreckt e sich über die Schüſſel aus und ergriff krampfhaft die Schnitzel, von
denen sie gierig die Hälſte verſchlang ; doch plötlich ging eine Veränderung in
tt! zsq ſuuitt vor, es überzog Üb mit brennendem Roth ~ mit der
hielten, fahren, und tu Ufo dr ru tal tu welue le
Gatten gerichtet rief ſie: j
D , Benjamin, verzeihe mir ! Ich konnte mich nicht beherrschen. Nimm
es fort, ach, nimm es fort, Du ſiehſt, wie ſchwach mich der Hunger macht.“
Und mit den Händen ihr Gesicht bedeckend, fing sie an, bitterlich zu weinen.
„Nimm es !“ ſagte er, ihr die Schüſſel auf den Schooß ſchiebend.
] „Nein, nein! Du haſt ſo viel Hunger wie ich. Nimm es doch, mir ist
jetßt viel, viel besser 1“ :
Des Mannes Finger zitterten einen Augenblick über der Schüſſel ~ er

Dienstag den 3. Oktober





1871.



rechtsfrage wird Graf Clam-Martiniy, über das Nationalitätenge-
ſez Dr. Rieger und über die neue Wahlordnung Dr. Heithammer
referiren.

| Ein dem Miniſter Hohenwart ergebenes Journal beklagt, daß
troß der Gaſtein- Salzburger Freundſchoft nach wie vor und in
gleicher Zahl preußiſche Agenden das öſterreichiſche Land
unsicher machten. Der ungariſche Reichstag hat sich vertagt auf
4 Wochen.

d: Regierung des türkiſchen Sultans gibt ein in heutiger
Zeit seltenes Beiſpiel honetter Haltung gegenüber den kath. Christen,
ihrer Kirche und ihrem Oberhaupte.

Das neue Ministerium hat dem päpstlichen Legaten Msgr.
Franch i in einer amtlichen Note mitgetheilt, daß die Regierung
die bestehenden Verträge, welche die Fre iheit und die Una h-
hängig keit der verſchiedenen Religionsgesellſchaften im türkiſchen
Reiche in der Führung ihrer religiöſen Angelegenheiten verbürgeu,
genau beobachten werde. Weit hinten in der Türkei hat eben der
moderne Staat des gemeinen Liberalismus ſeine Segnungen noch
nicht entfalten können. Die armeniſch-kathol. Frage, uuf welche sich

die Miſſion des Mſgr. Francchi bezog, wird in der Note ls.

elöst erklärt.

( Die sogenannte Friedens - und Freiheits-Liga hat in den lezten
Septembertagen ihren 5. Congreß abgehalten, wobei es ſtürmiſch
herging, da der Geiſt der Commune um die Herrſchaft rang. Es
hat dieſer Congreß daſſelbe Schicksal, wie der der sogenannten Alt-
katholiken ~ ein Programm, das sich den verwegenen Geistern gegen-
über nicht einhalten läßt. Die Sache endete mit Ruhestörung, wo-
bei Fenster eingeworfen wurden.

~ Vielen Staub hat der vom 2224, in München ſstattge-
habte Congreß der sogenannten ,„Alikatholiken“ aufgewirbelt, aber
auch nur dieses ; denn weiter wird bei der mit „verzehrendem“ Eklat
in das Werk geſettten Sache nichts herauskommen. Der „Neuprote-
ſtanten- Congreß“ iſt vorüber, es kann der Protestantentag, deſſen
Zwillingsbruder, (in Darmstadt) beginnen. Wir meinen, es wäre
klüger geweſen für die Herren „Altkatholiken“’, sofort ihre Aktion in
den Protestantenverein zu verlegen, ohne den Umweg über München.
Die krummen Wege taugen nicht viel; wer den geraden Weg geht,
ſagt die Schrift, geht sicher. Den Herren wäre auch ſehr zu rathen
gewesen, vor ihrer Pilgerfahrt nach München zur Gebärung der
Nationalkirche sich erst bei dem kat h oliſ chen Volke etwas ernſt-
licher umzusehen, denn ohne das Volk läßt sich ja doch die National-
kirche uicht ſchaſfen, es müßte denn mit dem Corporalſtock geschehen,
an den, oder etwas dergleichen, zu appelliren, es an der Luſt bei

litt noch mehr als sie vom Hunger ; doch er hatte mehr Kraft, der Verſuchung

zu widerstehen, und schob die Schüssel wieder in ihren Schooß.

êtpu “k U sagte er; „iß! ich kann warten, und Gott wird ſchon für das
ind ſorgen !“

Doch die Frau wehrle ihm ab und sagte mit ſchwacher Stimme :

„Nein, nem, ich darf nicht !“ j

Ihr Gatte jetzte nun die Schüſſel wieder auf den Tiſch. Sie folgte ihr
gierig mit den Augen, erhob sich ein wenig und ſank dann mit einem hy steri-
ſchen Lachen in den Stuhl zurück. ;

„Die Erdbeeren, Benjamin, denke Dir nur, daß, wenn Frances die Erd-
beeren nicht verkaufen kann, -~ sie wird sie essen – alle, alle ~ welches Lab-
sal wird das für sie ſein ! Und ich leide ſo sehr ! Gib mir die Schüſſel wieder,
Benjamin; was wird sie sich daraus machen ?" ;

Der Alte reichte ihr die Schüssel wieder, heldenmüthig den eigenen Hunger
unterdrückend. Wohl dachte er daran, daß die Erdbeeren nicht dem Kinde
gehörten, und daß es sie nicht essen dürfe; doch er hatte nicht das Herz, es
der Allen in Erinnerung zu bringen. Diese hatte sich bei dem Gedanken, daß
Frances keinen Hunger haben werde, beruhigt, vergaß über ihrem eigenen
Hunger für einen Augenblick die Noth ihres Mannes und verzehrte gierig den
Rest ihres Vorraths. Es war bald geſchehen; ~ jettt kam sie erſt wieder zum
ruhigen Nachdenken, und mit einem herzetſchütterten Blicke der Reue rief sie:

„Ich habe Alles verzehrt ~ und Du haſt nichts gehabt|-'
ji „O, ich kann warten, bis Frances kommt. Sie wird vielleicht etwas
ringen.“

„Doch wenn sie nichts bringen sollte ~iach, wenn sie nichts bringen sollte 1“
rief die arme Frau reuevoll.

Doch der Alte hörte ihren Ruf nicht ; er sank auf seinen Schemel vor dem
Herde zurück und hielt die Hände, krampfhast gegen die Kniee gepreßt, über
das Feuer. Cr ſaß neben ihr, aber er hatte ſie nicht gehört. Die Frau legte
ihre Hand sanft auf die seinige; er bemerkte es nicht.

Da ſchlang sie ihren Arm um seinen Hals und „Benjamin !“ entfloh ihren
Lippen im Tone zärtlichen Vorwurfes, der ihm zum Herzen drang und ihn
aus seinen düſteren Gedanken riß.

(Fortſetung folgt).
 
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