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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0489

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Erſcheint wöchentlich 8 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poftaufschlag. Inſs.-Geb. 2 kr. d. Z.

für Stadt



Protestantenvereinliches.

+ Heidelberg, 20. Okt. Vergangenen Mittwoch Abend hielten
die HH. Schenkel und Bluntſchli als Redner des Protestanten-
vereines Vorträge im unteren Saale der Harmonie in Gegenwart
von beiläufig 200 Perſonen, die der öffentlichen Einladung des Pro-
teſtantenvereines, gez. Schell enberg, gefolgt waren. Ueber dieſe
Verſammlung berichtet man uns :

„Bei den Hehreden gegen die Jeſuiten und den kecken Ein-
miſchungen in die Hausangelegenheiten der Katholiken, wie sie von
Seiten des hiesigen Proteſtantenvereines geſtern in der Harmonie
wieder beliebt worden sind, dürfte es nicht ohne Interesſe sein, an
die Worte zu erinnern, welche der Präsident dieses Vereines am 18.
Juni d. J. bei Gelegenheit einer Todtenfeier an den Gräbern der
gefallenen Krieger auf dem hiesigen Friedhofe ſprach. Derselbe Herr,
welcher die geſtrige Verſammlung arrangirte, ergoß sich damals in
die Worte : „Nun laßt uns pflegen die Mächte uud Kräfte, die uns
heute den Sieg gegeben; laßt uns in Liebe und Einigkeit bauen am
Vaterlande; laßt uns dazu einen und verbinden in gegenseitiger Ach-
tung und Duldung. Draußen ſind sie geſtanden, der Jſraelit neben
dem Chriſten, der Katholik neben dem Protestanten, und fie haben
ſich lieben und achten gelernt und ihr Blut iſt zuſammen gefloſſen
~ und hier, hier schlummern sie in Frieden, der Protestant neben
dem Katholiken; o laßt das eine hl. Mahnung ſein; es iſt der Ruf
aus der Tiefe meines Herzens, laßt keinen Riß durch Deutſchlands
Einheit reißen, laßt uns alle bösen Geiſter der Zwietracht bannen.“

So vor vier Monaten und so jetzt. Da hört doch Alles auf!

Von anderer Seite wird sich über das ungehörige Treiben
etwas ſchärfer in folgender Weiſe ausgeſprochen:

„Die Hetze des Proteſtantenvereins fängt an luſtig zu werden.
Kaum haben die Comödianten die Bretter in Darmſtadt verlaſſen, ſo
eilen ſie, auch uns, in der viel heimgeſuchten Muſenſstadt, „ein fri-
ſches Reis von dem Bäumlein“ der neueſten Erkenntniß darzubie-
ten. Der Vorderſte, Kirchenrath Schenkel, läßt ſich im Saale
der Harmoniegeſellſchaft von Stadtpfarrer Schellenberg das Wort
geben, stellt sich der Verſammlung als den prophetiſchen Sieger
dar, der eben von der „gewonnenen Schlacht“ zurückkehre, rühmt
ſich „ſeines Mannesmuthes“ und tobt wie ein Beſeſſener gegen „das
Attentat der päpſtlichen Unfehlbarkeit‘. Es war warm im Saale:
Schenkel wurde in dieſer Atmoſphäre immer lebendiger und zuletzt
ſo naiv frech, daß er uns Katholiken die Lehre gab „den Primat
des Papstes, die Hierarchie, die Tradition abzuſtreifen“".
Das Abſtreifen ſcheint in der That ſeine liebſte Beſchäftigung zu



Samſtag den 21. Oktober



Inseraten -Inhalt der Aunoncen-Expedi-

] ; tionen von Rud. Mosse. Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. L. Daube & Clos. in

München, Frankfurt u. Stuttgart rc.

Is T:3.
. ~



sein: längst ist er mit allen fundamentalen Glaubenssſäten fertig
geworden, wenn nur der ſchwarze Talar ihm bleibt, den allein
hält er feſt und heilig. Mahnſt du ihn, daß Chriſtus Gottes
Sohn ſei, so antwortet er dir : „bin ich das nicht auch ? " Und
wenn ein halbgläubiger Protestant ihm zuruft: „Luther hat uns
vom Banne der Geiſtesknechtſchaft befreit", ſo entgegnet der tolle
Polterer, wie jüngſt in Worms : „Luther war ein Kind, ich ſtehe
vor euch als Mann.“

Und das iſt derſelbe Schenkel, der einst, der orthodoxeſte von
Allen, die Vertreibung des Philosophen Fiſcher von unſerer Hoch-
schule betrieb ~ weil er keinen Offenbarungsglauben habe !

Gehen wir von dieſem wahnwitzigen Schwäher zu Bluntſchli
über, der nach ihm, ein geharnisſchter Jequitenfreſſer, auf die Bühne
trat. Er beginnt damit, daß er alt, wie wir Alle wisſſen, ein al-
ter Sünder fei, aber nicht ruhen könne, weil sich wieder die Ge-
legenheit biete: „Hepp hepp“, gegen die Jeſuiten zu ſchreien. Dieſe
beſt-verläumdeten Ordensmänner erſcheinen ihm hauptſächlich deß-
halb so gefährlich, weil sie nicht genußſüchtig und voll Aberwitz
wie Freimaurer, sondern nüchterne eifrige Kämpfer für ihre Kirche,
Sclaven ihrer Gelöhniſſe und ihrer Oberen seien. Die Jeſuiten,
ruft er, um den stärksten Trumpf auszuſpielen, „sind die Todfeinde
des neuen deutschen Staates“. Er ſchreit, als wenn Bismarck es
hören und die ihm gestellte Aufgabe erkennen sollte; dabei wirft er
einen Blick auf die zahmen, gasfenden Biertrinker, die ihn umge-
ben, als bildeten sie eine Armee, stärker wie die Zehnmalhundert-
huet die der Mann von Blut und Eiſen nach Frankreich ge-
ührt hat.

) ss das nicht arme Menfchen, die sich von ſolchem hohlen
Schnack unterhalten und begeistern laſſen, die zwei verlaufene,
durch tanſend Wandlungen abgehäutete Schweizer andächtig an-
hte ſttz Uu! denen die Thäler ihrer Heimath ſich für immer ver-

oſſen haben !

Hy Wir, aber, sagen tir es offen, wir werden, sſo oft man
es an uns bringt, dieſe kläglichen Anfeindungen unserer Kirche
und unserer ſelbſt mit der tiefsten Verachtung zurückweiſen. Die
Maulhelden mögen Acht haben, ſtatt der Wange werden wir ihnen
die Fauſt entgegenhalten. Auch wir fragen heute zum Schlusse :
Ist das euere Toleranz ? Sind das eure Begriffe von Freiheit,
hzt FFesihett des Willens und des Geiſtes? Könnt ihr euch noch
ämen t

MMM



Eine amerikaniſche Criminalgeſlchichte.



(Fortsetzung.)

Als ich mich zur Ruhe gelegt hatte, nahm ich nochmals das am Tage Er-
lebte im Geiſte durch, bis ich gegen Tagesanbruch in einen unruhigen Schlaf
verfiel. Beim Erwachen am nächsten Morgen beſchloß ich, den Gefangenen zu
beſuchen und seine Erzählung des Hergangs der Sache zu hören. ~ Durch
den Cinfluß meines Ontels fand ich keine Schwierigkeit , Zutritt zu erlangen,
und bald stand ich allein vor ihm in seiner Zelle. Nie werde ich dieſen Augen-
blick vergessen. Mit blaſſem verſtörten Gesicht ſaß er vor mir auf einer rauher
Bank, ein Mann von jo edlem Ausſehen, daß, nachdem ich ihn betrachtet und
mein Auge dem ſeinigen begegnet war, ich hätte ſchwören können, niemals sei
ein Mordgedanke in der Seele dieſes Mannes geweſen. Er stand auf und
ſszit .f mich zu. Ich war vollſtändig verdußt und wußte kaum, was ich

Doeh antwortete ich ihm auf seine Frage, weßhalb ich käme, daß ich, ob-
gleich ein Fremder, doch sein Freund sei und meine Kräfte ihm zur Verfügung
ſtele. Er ergriff meine Hand und erwiederte einfach :

n Ihre Mühe wird vergeblich ſein, der Fall liegt zu klar auf der Hand und
Alles iſt gegen mich".

„So meinen Sie, daß Sie ſchuldig sind ?"

uNein , aber die Umstände sind gegen mich. I< habe die Sache sorgſam
geprüft, und troydem ich ſo unschuldig bin, wie Sie, ſo glaube ich doch, daß
keine Hoffnung mehr für mich ist.“

_ nWenn ich als Fremder, doch zugleich als Bote von Einer, die Sie mehr
' liebt als ihr Leben, Ihnen ſagen würde, daß Ella Raymond Sie für unſchul-
dig hält, würden Sie dann wohl Muth fassen und mir einen genauen Bericht
. vgs der Sache, soweit Sie mit derſelben in Berührung gekommen

, : ;

„Ella Raymond, kennen Sie sie?! |

Jo, und nur in ihrem Interesse stehe ich hier.“ j rc

„Glaubt sie, daß ich ſchuldig bin ?% Sein Gesicht erglänzte bei dieſer

Frage in getroſter Erwartung einer günſtigen Antwort. ..)!



„Sie hält Sie für unschuldig und nichts in der Welt als Ihr eigenes
Geständniß kann dieſelbe von Jhrer Schuld überzeugen.“

„Gelobt ſei Gott! Schon hatte ich beſchloſſen, mich nicht zu vertheidigen,
da mir das Leben eine Laſt geweſen wäre, wenn sie mich schuldig gehalten
hätte. Ich will Jhnen Alles mittheilen."

Mit feſter Stimme erzählte er dann Folgendes ;

„Ich war bei Raymonds geweſen, um Ea zu einem Ausfluge nach Mil-
grave einzuladen. Sie willigte ein und ich ging daher heimwärts um meine
Vorbereitungen zu treffen. In dem kleinen Gehölz Green Hallow Jah ich plöt-
lich ein Pferd an mir vorüberrennen, welches ich sofort als das von John Rho-
des erkannte. Zwei Minuten darauf traf ich zu meinem Entsezen John Rho-
des im lettten Todeskampfe. Ich stieg ab, hob ihn in die Höhe und bemerkte,
daß er erſchoſſen worden war. Cinen Schuß hatte ich nicht gehört, da ich viel-
leicht zu ſehr mit meinem zukünftigen Glücke beſchäſtigt geweseu war. Sobald
ich ſah, was hier geſchehen, blickte ich umher. Das Poſtfelleiſen war aufgeſchnit-
ten, doch ob es seines Inhalts beraubt war oder nicht, vermag ich nicht zu
sagen. Als ich mein Pferd wiederum bestieg um Hilfe herbeizuholen glaubte
ich einen Mann hinter einem großen Baumwollenbaum, ungefähr zweihundert
Schritte vom Ort der That entfernt, zu ſehen. Ih rief, erhielt jedoch keine
Antwort: und meinem Pferde die Sporen gebend kam ich an das nächſte
Wohnhaus, um Hilfe herbeizuholen. Meine Hände waren voll Blut und ein
unglücklicher Zufall wollte, daß ich meinen Revolver verlor. Meine größte
Beſorgniß war indessen, daß Niemand zu Hauſe war. Nicht weit davon war
ein Waſſerbaſſin, in welchem ich meine Hände wuſch, um nach der Stadt zu-
rückzukehren, als die drei Bürger, deren Zeugniß mich ohne Zweifel verurthei-
len wird, daher geritten kamen, und mich einen Mörder nannten. Meine Ver-
wirrung, das Blut an meinen Kleidern und Händen, schien ihre Aussage zu
bestätigen.

| Hel rachten Sie sich als Arreſtant, Herr Mill,“ sagte der Eine, „da wir
Sie hier bewachen werden, bis Gerichtsdiener das Weitere mit ihnen veran -
lassen." i

(Fortſegung folgt).
 
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