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U. 40.
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bei der Expedition von L. Sch we iß dahier gemacht werden.
Beſtellungen in Paketen von mindestens 10 Exemplaren, wobei
wir je ein Freieremplar gewähren, werden ebenfalls von der Expe-
dition entgegengenommen, und erſuchen wir um rechtzeitige Anmel-
dung derselben.
) Fettes zu dem äußerſt billigen Ansatz von 2 kr. die 3ſpaltige
Petitzeile, finden bei der großen Auflage unseres im ganzen Lande
und über deſſen Grenzen hinaus geleſenen Blattes die beſte Verbrei-
tung. Die Expedition.
Deutſſc><l an d.
* Heidelberg, 1. April. Es iſt ſchon lange her, daß uns das
halbverſchollene Heidelberger Journal , langweiliges Organ des hie-
igen Proteſtantenvereins und ſeiner Profeſſoren, nicht mehr zu Ge-
sicht gekommen ist, –~ da erfahren wir von Freundeshand, daß die
„ſittliche Entrüſtung“ anläßlich unseres Artikels über die Stockacher
Keilerei gegen uns einmal wieder wie vor einer Reihe von Jahren
in Scene geſeßt sei, als wir mit dem gothaer Rattenſchwanz in
Fehde lagen. Dabei wollen wir uns doch den Spaß machen, den
Leſern zu erzählen, wie die in der ganzen deutſchen Presse so viel-
fach citirte „sittliche Entrüſtung“ zwiſchen zwei Gänſefüschen gerathen
iſt. Wenn wir nicht irren, war es anläßlich des Mannheimer libe-
ralen Schandtages, als das Heidelberger Journal gegen uns, die
in Mannheim Mißhandelten auch noch zu der erlittenen Mißhand-
lung die ,sittliche Entrüſtung“ anrief, alſo gegen die Katholiken, die
das altteſtamentariſch geheiligte Mannheim zu betreten gewagt hat-
ten. Es war das damals ein ebenſo unverſchämter wie blödſinniger
Artikel und wir säumten denn auch nicht, in Ermangelung eines
eigenen hiesigen Organs, die „sittliche Entrüſtung der Gothaer“ in
der Pfälzer Zeitung zu beleuchten, von welcher aus das verhöhnte
Stichwort die Runde durch die Preſſe gemacht hat. Doch da wir
gerade bei dem Mannheimer Scandaltage angelangt sind, ſo wollen
geworfenen geflügelten Wortes, das lediglich unsere ängstliche Für-
ſorge für das Wohl der liebenswürdigen Herren im Auge hatte und
wofür dieſe daher hätten dankbar sein sollen, auch in's Gedächtniß
zurückzurufen, wie seine Gelehrten den Kampf mit unserer Partei
auffaßten. „Wer nicht mit uns handelt und denkt,“ schrieb eines
Dienstag den 4. April
Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-
ſ tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und sand. Vogler & G. ILff.. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.
1871.
Tages das fein äſthetiſche „Journal“, ,ist ein rechtloſer Menſch“.
Ein rechtloſer Menſch iſt aber nun ein solcher, den kein Gesetz
schützt, dem alſo Jeder straflos den Schädel einschlagen darf. Der
jezt noch hier lebende damalige Redakteur Pfeifer sowie der Verleger
ſelbſt werden sich gewiß noch jener Gerichtssitzung mit Lindau erinnern,
in welcher das jurisſtiſche Kapitel über die „Rechtlosigkeit“ verhan-
delt wurde. Und noch mehr, = dasgsſelbe feinsinnige Blatt, deſſen
Gönpyer bei jedem etwas derben Wort in Ohnmacht fallen wollen,
ſchrieb ganz gemüthlich bei dem Mannheimer Schädeltag : „Wird
nicht auch in Heidelberg ein ebenso gesundes Stück Volkskraft sich
finden?“ d. h. wird man den verhaßten „Schwarzen“ in Heidelberg
nicht ebenſo auf die Schädel ſchlagen, wie man’s in Mannhein ge-
than hat? Wir rathen also dem Heidelberger Journal, vor ſeiner
eigenen Thüre zu kehren, ehe es anderen Leuten lästig fallen will.
Dieſe Politiker haben eben die Impertinerz, als ſelbſtverſtändlich
ihre ſämmtlichen Gegner ungeſtraft mißhandeln zu dürfen, insbeson-
dere aber die „Ultramontanen“., die sich bei allen Gelegenheiten, selbst
bei Friedensſchmauſereien alle Beleidigungen gefallen lassen müßten.
Ebenso arrogant benehmen sie sich denn auch in ihren Vereinen und
sonstigen Zusammenkünften, wie ein Beiſpiel in der nämlichen Num-
mer des gleichen Blattes beweiſt, ~ ein Vortrag des Prof. Holt-
mann im Proteſtantenverein, „Der Krieg und der Protestantenverein“
betitelt, in welchem der letzte Krieg als ein proteſtantiſcher Triumph
gefeiert wird und die rücksichtsloſeſten Invectiven nach katholiſcher
Seite hin zuſammengehäuft ſind. Aber damit noch nicht zufrieden,
wird auch das Hetzgeſchäft für die Zukunft noch weiter eingeleitet,
da alle mögliche eingebildete Gefahren für das ,deutſche Cultu.leben“
aus den Wahlsiegen der Katholiken in Norddeutſchland gefolgert
werden. Es fällt uns nicht ein, auf das Gerede des Herrn Holt-
mann, welches in boshafteſter Weiſe politiſche Ereignisſe zu seinen
confeſſionellen Zwecken ausbeuten will, weiter einzugehen, sondern
wir empfehlen ihm die kathol. Vereine zum Muſter, in welchen nie-
mals eine Heterei gegen die Proteſtanten vorkommt oder geduldet
würde, indem wir mit „Verachtung und Ekel“ derartigen Feindſelig-
keiten den Rücken kehren.
Auch der liebenswürdige Emmerling hat in ſeiner Heidelb. Ztg. sich
ſ an uns reiben wollen; was wir dem Heidelberger Journal gesagt
wir nicht versäumen, dem gelehrten Journal wegen eines uns vor-
haben, gilt ihm in doppeltem Maße. Nach all’ den Rohheiten und
Ungezogenheiten, mit welchen ſein Blatt uns seit Jahren überſchüttet,
noch in „sittlicher Entrüſtung“ machen zu wollen , iſt eine von den
ſeltſamsten Prätensionen, mit denen sich der Mann aufbläht. Mag
man zwiſchen ihm und uns richten, – wir kehren ihm mit unaus-
ſprechlichen Gefühlen den Rücken.
Wer hat das gethan?
(Eine Heſchichte aus dem Lehen.)
(Fortsetzung.)
„Bis zu meinem zwölften Jahre, ſagte sie, bin ich sehr glücklich gewesen.
I< war das einzige Kind meiner Eltern, sie hatten mich beide ſo lieb, daß ich
mich kaum eines herben Wortes von ihnen erinnerte. Da stürzte mein Vater,
er war Rittmeister, bei einem Manöver mit dem Pferde. Von dem Tage an
wurde er krank und dreiviertel Jahre ſpäter ſtarb er. Und als er kaum todt
war, wurde meine Mutter auch krank und immer kränker, und gerade an meinem
vitrzthutn g zr uta ht wurde ſie begraben –~ und ich stand ganz allein in
ite ett.
Thränen erstickten für einige Augenblicke die Stimme des armen Kindes;
nie hatte sie den Verluſt der Mutter so ſchmerzlich empfunden wie heute, und
doch mußte sie Gott danken, daß ihre Eltern den Tag nie erlebt hatten.
fit elt wo blieben Sie, als Ihre Eltern gestorben waren ?“ fragte der Prä-
ent weiter.
HmMein Vormund, ein Freund meines verstorbenen Vaters, nahm mich zu
sich. Cin Jahr noch beſuchte ich die Schule, dann half ich im Haushalt und
unterrichtete die kleineren Kinder bis im vorigen Herbſte. Da verließ ich das
Haus meines Vormundes, um nach Menzingen als Erzieherin zu gehen und
da bin ich geblieben bis . . . . . bis ich hierher kam."
Der Vertheidiger erhob sich bei ihren lezten Worten und beantragte di e
Verleſung der über die Angeklagte eingeforderten Zeugnisse, was der Präſident
ſofort genehmigte. Dieſe Zeugnisse waren, wie ſich denken läßt, die freund-
lichſten und ehrenhafteſten Lobſprüche für Hermine, und ihr blaſſes Gesichtchen
bedeckte sich mit einer tiefen Röthe der Freude und der Verlegenheit bei der
Verlesung, die sie mit niedergeſchlagenen Augen anhörte und die auf ale
Anwesenden den Gindruck machte, als müsse hier nothwendig ein Irtthum wal-
ten, als sei eine Schuld der Angeklagten unmöglich. Als der Präſident ſeine
Fragen von neuetn begann, war es mehr als Einem im Saale, als enthielten
ſie eine nicht zu duldende Beleidigung des liebenswürdigen Mädchens.
Haben Sie mit der Haushälterin Liſette Fiſcher in Feindschaft gelebt ?-
fragte der Präsident. z jz.
„In Feindſchaft, wiederholte sie mit einem Tone, der faſt verwundert
klang. Nein ich weiß nicht, daß ich je ein Wort gesagt habe, das Liſette
kränken oder beleidigen konnte."
„Aber die Haushälterin hat Sie beleidigt und gekränkt ?“
Herminens Augen füllten sich gegen ihren Willen mit Thränen, sie dachte
an die lette Unbill, die Liſette ihr bereitet hatte, an die rohen, harten Worte,
mit denen Leonhards Vater ihr angekündigt hatte, sie müsse das Haus ver-
lassen, er dulde eine Liebſchaft mit seinem Sohne nicht.
„I< weiß nicht, warum sie so unfreundlich gegen mich war, ſagte sie
traurig. Vom erſten Abend an zeigte sie mir, daß sie mich nicht leiden mochte.
Ich habe mir alle Mühe gegeben, sie zu verſöhnen; aber es gelang mir nicht."
„Waren Sie am Abende des Himmelfahrtstages in dem Zimmer der
Liſette Fiſcher ?/ n Ja.4
H nWie tantett Sie dahin, da Sie doch mit ihr in keinem freundſchsftlichen
erkehr standen ?“ /
ht tt wandte bei dieser Frage geſpannt den Kopf nach ihr; über dieſen
Punkt hatte er durchaus keine Erklärung von ihr erlangen können.
Hermine zögerte keinen Augenblick , die Frage des Präſidenten, wie fie in
Liſettens Zimmer gekommen, zu beantworten. „Mein Zimmer in Menzingen,
ſagte sie, liegt über dem Küchenzimmer, dessen Fenster © ; Abende offen waren.
Ich glaubte, während ich ſchrieb, Liſette um Hülfe ru,? ; zu hören, erſt laut,
dann zum zweiten Mal mit gedämpfter Stimm .. Ich riß nein Fenſter auf
und ſah hinaus, hörte aber nichts. Ich glaubte mich getäuſcht zu haben, da
ich auf meine Frage: Sind Sie noch auf, Liſette ? keine Antwort bekam. Ich
wartete noch eine Weile; dann hörte ich aber unten einen dumpfen Fall, und
nun hatte ich keine Ruhe mehr, ich mußte nachſehen, ob ihr ein Unglück be -
gegnet sei. Ach Gott ! unterbrach sie ſich ſelbſt, ich mache mir bittere Vorwürfe,
daß ich nicht gleich hingelaufen bin, als ich den Hülferuf hörte, vielleicht hätte
ich sie noch retten können. Aber nun wartete ich erſt, vielleicht noch mehrere
Minuten, weil ich glaubte mich getäuſcht zu haben und weil ich mich fürchtete,
ohne Grund zu Liſette zu gehen. Und dann mußte ich von meinem Zimmer
erſt über einen langen Gang, über die große Treppe, über die Souterain-
Treppe und noch einmal über einen langen Gang und durch die große Küche
gehen, ehe ich zu ihr kommen konnte ~ und da war es ſczon zu ſpät gewor-
den, Als ich sie von dem Boden arfhoh, sie an's Fenſter ſette und ihr das
Kleid und das Tuch auflöſte, da wc ſie ſchon i." (Forts. f.)