Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0469

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext


erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
IUrägerlohn und Poſtaufschlag. Inſ.-Geb. 2 kr. d. H.



~ Der deutſche Reichstag iſt auf den 16. d. M. einberufen;
es wird derſelbe durch den Kaiſer in Perſon eröffnet werden und
ſich zunächſt mit Finanzangelegenheiten, hauptsächlich die Militär-
ausgaben betr. zu beſchäftigen haben. Ein allerhöchſter Erlaß ver-
ordnet die Hinausgabe von verzinslichen Schatzſcheinen im Betrage
von 4,900,000 Tyhlrn. zum Zwecke der Erweiterung der Bundes-
kriegsmagazine und der Herstellung einer Küſtenvertheidigung.

~ Kaiſer Wilhelm iſt Samstag früh aus Süddeutſchland zu-
rückkehrend in Berlin eingetroffen. Reichskanzler Fürſt Bismark
traf am Abend zuvor daſelbſt ein.

_ ~ Diesen Sonntag, 8. Oct., wurde in Frankreich für die General-

räthe gewählt. Man ſsieht diesen Wahlen eine große Wichtigkeit bei-
gelegt, mit Bezug auf Stellung und Stärke der Parteien gegenüber
der Mehrheit der Nationalverſammlnng, gegen welche das Volk sich
bereits im Juni bei den Ergänzungswahlen für die Nationalversſamm-
lung und bei den Gemeindewahleu im republikaniſchen Sinne erklärt
hat. Die Republikaner, in zwei Lager getheilt, haben dreierlei Mo-
narchiſten gegen sich; um ſo leichter wird es ihnen hierdurch, den
Sieg davon zu tragen.

Spanien hat ein neues Ministerium bereits erhalten ~ ge-
nommen aus der Fortſchrittspartei. Die Namen der neuen Miniſter
klingen für das Ausland unbetaännt.

— Der franzöſiſche Finanzminister hat sich nach Berlin begeben,
zur Schlußverhandlung über den Vertrag, gemäß welchem gegen
Zahlung der vierten Halbmilliarde der Kriegsentſchädigung in Wechſelu
und Zollbegünſtigungen an der französiſch:elſäsſiſchen Grenze 6 wei-
tere Departements von den deutſchen Truppen geräumt werden und
dann nur noch 50,000 Mann in Frankreich ſtehen bleiben sollen.

~ Aus R o m von 4. d. wird gemeldet: Der französische
Geschäftsträger, Marquis de Saypve , iſt angekommen und von Hr.
Visconli Venoſta empfangen worden. ;

~ Von der römiſchen „Liberta“, einem Organ der Regierungs-
partei, war die Nachricht verbreitet worden, es hätten die italieniſche
Regierung und der heil. Stuht in der letzteren Zeit mit einander
Uebereinkünfte zur Regelung materieller Interesſen getroffen. Die
Verhandlungen ſseien von officiöſen Bevollmächtigten geführt worden.
Es erhielt nun die Genfer Correſp. eine Mittheilung aus Rom, wo-

D a g. e. 6 b ex i

Dienstag den 10. Oktober

C





Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi--

h] 1 ) tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
11 f a n e Vogler & G. I.. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.

1871.









nach an der ganzen Mittheilung kein wahres Wort iſt. Die ein-
fache gesunde Vernunft, ſagt der Correſpondent, warnt jeden denken-
den Menſchen vor so plumpen Erfindungen. „Seit einigen Tagen
ſcheinen unsere Regierer ein großes Bedürfniß zu fühlen, nach außen
hin auf gutem Fuße mit dem Vatican zu ſtehen. Warum? Für
heute genügt es, dieſe Tendenz, welche die Lüge der „Liberta“ erklärt,
zu constatiren. Die piemontesiſchen miniſteriellen Organe in Rom
ſind ſo kindlich, sich einzubilden, das Publikum werde auf ihr Wort
hin an der Freundſchaft zwiſchen Wolf und Lamm glauben ; ſolche
Märchen sind gut für Kinder. Die Zeit, wo Sella durch einen Brief
des Cardinals Antonelli beehrt wird, iſt noch nicht getommen und
wird überhaupt nie kommen.“



Der proteſstantenvereinliche Jesuit ensſturm in
Darmſtadt.

>< Bruchſal, 5. Oct. Vor Hundert Jahren lebte man im
philoſophiſchen Zeitalter, und was die damaligen sogenannten Philo-
ſophiſs chen waren, dasselbe sind heutigen Tags die Liberalen.
Jene haiten sich zur Aufgabe geſtellt, der kathol. Kirche den Garaus
zu machen; dieſe haben gegenwärtig den nämlichen Plan. Alle,
welche damals zur Secte der Philoſophen zählten , ſprühten Tod
und Teufel gegen den Jeſuitenorden und verläumdeten ihn als den
Weltfriedensſtörer, um ſeine Vernichtung herbeizuführen, behufs desſen
den Fürſten geſchmeichelt und un: die Miniſtergunſt gebuhlt wurde.
Gerade ſo treibens die heutigen Liberalen. Beſseſſen von der Je-
ſuitenfurcht ſchreiben sie dem Orden alle Verbrechen bei, welche der
Haß gegen die Kirche in die umnebelten Köpfe hineinmalt ; die
Patres ſind, ohne einen einzigen Beweis zu liesern, Staatsverbrecher,
confeſſionelle Friedensſtörer, Feinde der Geiſtes - Cultur 2c. darum
der Ruf: fort mit ihnen! Dieß das Ende des Liedes vom
Darmſtädter Proteſtantentag in der Zeit vom 3. bis 6. d. M. Das
ganze Deutschland wird aufgefordert, dafür thätig zu sein, den
Orden mit ſammt alen ein geiſtliches Ordenskleid trageuden Perſonen
über Land und Meer zu jagen, damit der große Völkerfriede
sich in Deutſchlands Gauen niederlaſſen könne.

Um dieſen Völkerfrieden, deſſen Feinde nach der satani-
schen liberalen Lügenfabrik die Jeſuiten heute wie vor hundert Jahren



Das Blumenmädchen.
Cine amerikaniſche Geschichte.

(Schluß .)

„Ein halber Cagle , so wahr ich lebe, ein echter halber Eagle !“ rief seine
Frau, das Geldstück in die Hand nehmend und es eiſrig unterſuchend, da ſie
noch an der Wirklichkeit desselben zweifelte.

BU i t; ji ess f>. tu ess V sl ts;thticgs uu

. "tt sf e 2
verſichert. Fünf Dollars! Denk nur, welch’ ein Reichthum l4 set
üüte. fer unmöglich konnteſt Du dieß alles verdienen ?“ sagte der Groß-

nVerdienen? Nein, gewiß nicht“, rief die Kleine lachend. „Wer könnte
wohl glauben, daß ein kleines Mädchen, wie ich, fünf Dollars in einem Tag
verdienen könnte ? Und doch weiß ich nicht sicher, ob sie nicht verdient sind.
Die gute Frau auf dem Markte rieth mir, für meine Blumen zu nehmen was
man mir biete. Die ſchönſte Dame, die ich je geſehen, nahm eine Roſenknospe
und ließ dafür das Goldstück in meinen Korb fallen.“

. n Doch wer war diesſe Dame ? Sie mag ſich geirrt haben. Sie hat viel:
leicht nicht gewußt, daß es ein Goldstück ſeil“ ſagte der Alte, das Goldstück aus
der Hand ſeiner Frau nehmend. ;

„Ich glaube beſtimmt, ſie wußte, was sie mir gab“, antwortete das Kind;
„ſie ſuchte es aus ihrer Vörſe hervor und beſah és. Ich ſelbſt jedch erfuhr
erſt dieſen Abend, daß ſie mich so reich gemacht.“

IU t t. tz Gz t zg Jul. . tits qluittase U
immer betrachtend, als wolle er sich von deſſen Virklichkeit überzeugen. „Deine
Großmutter iſt auch mit ihrem Abendesſen fertig. Erzähle, King t "

Obgleich Frances der plötzliche Ernst des Großvaters etwas ſchmerzte, so
war sie doch ſogleich bereit, ſeiner Aufforderung Folge zu leiſten. '

„Gern, Großväterchen," ſagte sie freundlich , „doch müßt Ihr mich nicht
unterbrechen, bis ich zu Ende bin. Ich will mir Mühe geben, Ales so mit-
zutheilen, wie es sich ereignete. – Ihr wißt, daß mir der Bäcker. diesen Mor-
gen den Korb borgte, und daß ich mich damit aufmachle, mein Glück zu ver-
. quchen. I: Nun, ich ſuchte mir ſelbſt Muth einzureden, doch war ich immer

dem Weinen nahe. Es kam mir Alles ſo fremd vor, ich war so ängſtlich.
Arch, Ihr wißt nicht, wie ſehr ich erschrocken war ! '
| erul M G 1u S z; G z ie Vor vert "e uz

Bruder; auch kann es im Walde nicht so einſam ſein, als unter so vielen
! kaltherzigen Menſchen, deren Gesichter wir nie zuvor geſehen. – Im ſchönen

grünen Walde, wo überall Blumen aus dem Moosteppich wachſen, wo die



Bäume ſchattig ſind und die Vögelchen ſo ſchön ſingen, ~+ die lieben, kleinen
Vögel, welche die Kinder mit Laub zudeckten. – Und daun hatten die Kinder
zu ihrer Labung saftige Beeren, uud ich war so sehr hungrig. In den Fen-
stern der Bäcker ſah ich ſo schöne Kuchen und Brödchen liegen, gerade als ob
ſie dorthin gelegt wären, um mich noch hungriger zu machen ; doch ich habe
Cuch ſchon erzähit, daß ich, durch den Markt gehend, mehr und mehr den
Muth verlor, bis ich endlich die gute alte Frau sand.“ ;

„Der Himmel ſegne ſie für ihre Güte!“ rief der alte Mann.

nEr wird sie ſegnen, sie hat uns vom Hungertode gerettet!“ sagte die
Großmutter.

„Ach hättet Jhr sie nur sehen können ; ich hoffe, daß Ihr sie noch kennen
lernen werdet.“

Und die Kleine fuhr in derselben kindlichen Weise fort zu erzählen, von
ihrem Gang durch die Straße, von den vielen Schiffen und dem Park, von
wo aus sie zuerſt das große Dampsſchiff gewahrte.

„Ich schritt muthig durch die Straßen, hie und da nach dem Wege fra-
gend, und obgleich ich ſehr naß ward, so hatte ich doch das Glück, einen großen
Vorrath an Erdbeeren und Blnmen zu verkaufen, und fröhlich, wenn auch
recht ermüdet, langte ich endlich auf dem Markte an..

„Die gute Marktfrau freute ſich ſehr, mich zu sehen, und war über mein
Glück recht erſiaunt. Sie hatte mich gewiß für viel zu ungeſchickt gehalten,
um Ales verkaufen zu können. Ich gab ihr all mein Geld, und da fand ſich
denn auch dieß Goldſtück, welches ich gar nicht zu wechſeln nöthig hatte; es
war Silbergeld genug da, um meine Schuld zu bezahlen, und noch ein halber
Dolar für dieß ſchöne Abeudesſen. Morgen früh bekomme ich meinen Korb
mit ſchönen Früchten und Blumen gefült ~– der Blumenhandel gefällt mir
am Beſten ~ und wenn ich recht fleißig bin, bekomme ich von der guten
Frau, was ich nur wünſche, ~ jie hat es mir ſelbſt gesagt.

„So, Großvater, das waren die Erlebniſſe dieſes wunderbaren Tages,
klingt es nicht ganz wie ein Feenmärchen ?

Der Alte und ſeine Frau hatten während dieſer Erzählung ihre thränen-
seuchten Augen nicht von dem lieben Gesichtcheu der Enkelin gewandt, und ſo
verfloſſen mehrere Secunden; sie schienen, von Rührung erſült, unfähig zu
ſprechen. Dann zog die alte Frau das Kind an ihre Bruſt nnd überſchüttete
es mit Liebkoſungen.

Vater Walter aber legte ſeine Hand ſegnend auf den Scheitel des Kindes
und ſagte : „Vertraue auf den Herrn; er verläßt nicht die, welche ihn lieben !“

Frances beugte ſich andächtig nieder, und die Großmutter flüsterte ein
leiſes: „Amen !“ ;


 
Annotationen