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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0373

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erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerſtag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Jnſ.-Geb. 2 kr. d. Z.

„Ms. 94.

L Dio Berfelgung des Oberſtiftungsraths slots
Edelmann.

In den Blättern sind bisher verſchiedene Mittheilungen erſchie-
nen über den Conflict, welcher zwiſchen der Großh. Regierung
und Herrn Oberſtiftungsrathsassesſsor Edelmann bezw. der erzbiſchöfl.
Curie anläßlich der Beförderung des Letzteren zu einem Regierungs-
collegium ausgebrochen iſt. Diese Mittheilungen waren theils unge-
nau, theils unrichtig. Wir sehen uns nun in der Lage, über den
wahren Sachverhalt berichten zu können, wobei wir uns um so mehr
der größten Dbjectivität befleißigen können, als die Thatſachen für
ſich allein zu sprechen ausreichend sein werden.

Herr Aſsseſſor Edelmann war ſeit dem Jahre 1865 Mitglied
des Oberstiftungsralthes, ernannt durch die Kirchenbehörde, beſtätigt
durch den Großherzog. Seine Signatur iſt nur von dem höochſ.
Erzbiſchof Hermann erfolgt und betrachtete derſelbe dieses ihm über-
tragene Amt als lediglich von dieser Behörde ausgehend, so daß es
ihm auch nur von dieſer Seite her wieder abgenommen werden
lönnte. Zu ſeinem Erstaunen aber erhielt Herr Edelmann am 8.
Juli durch ein Schreiben des Staatsminiſters Dr. Jolly die Nach-

für Stadt

richt, daß er zum Regierungsrathe bei dem Großh. Verwaltungshofe
ernannt sei, ~ unſtreitig eine Beförderung und zugleich Verbeſſerung
in pecuniärer Hinsicht, um die er sich nicht beworben hatte. Katho-
likenfeindliche Blätter, wie insbesondere das Frankf. Journal, konn-
len sich nicht enthalten, ihre Verwunderung auszusprechen, daß ein
Beamter nicht ſofort zugrkife, wenn ihm eine Verbeſſerung seiner Lage
auf der einen Seite, bei erfolgter Weigerung aber möglicherweiſe
der Verluſt der ganzen Staatsdienercarrière andererseits in Aussicht ſtehe.
Vir zweifeln nicht an der niedrigen Denkweise solcher Leute, deren
ganzes Leben und Trachten nur auf „Zulage“ und „Rangerhöhung“
gerichtet ſein mag, – Herr Edelmann dachte anders. Von der
Ansicht ausgehend, daß nur die Kirchenbehörde, die ihm ſein Amt
überlragen, ihm dasselbe auch wieder zu entziehen befugt ſei, unter-
breitete er legterer die Entſcheidung über die Frage der Annahme
oder Nichtannahme der ihm angetragenen neuen Stellung. Das
Capitelsvicariat wandte sich darauf an die,, Großh. Regierung mit
dem Ansinnen, Herrn Edelmann bei dem Oberſtiftungsrathe zu be-
laſſen und zum R athe in dieſem Collegium zu befördern. Ohne
weitere Rückſicht hierauf jedoch wurde Oberſtiftungsrath Ma uz von
dem Miniſterium des Innern beauftragt, Herrn Edelmann „ſofort“
und „troßg etwaigem Widerſpruch der Kirchenbehörde“ aus dem Colle-
gium zu entlaſſen! Edelmann erklärte darauf, daß er weder die Gr.
Staatsbehörde noch den Oberſtiftungsrath Manz für befugt erachte,



Dienstag den 15. Auguſt





Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

§ i C ) tionen von Rud. Mosse, Haasensteink
rei gti : > Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.



B





ihn ohne Genehmigung der Kirchenbehäürde aus dem Collegium zu
entlaſſen; er werde deßhalb auch bis auf weiteres seine Functionen
fort versehen. Die Kirchenbehörde aber säumte nicht, den Standpunkt
des Herrn Edelmann als den correctcen zu bezeichnen und ihn zu er-
ſuchen, seine Stelle bis auf weitere Entſchlicßung beizubehalten.

Von dieser Lage der Sache setzte Herr Edelmann in einer Ein-
gabe S. K. H. den Großherzog in Kenntniß, mit der unterthänig-
ſten Bitte, es wolle S. K. H. gnädigſt geruhen, die Ernennung zum
Regierungsrgthe wieder aufheben zu wollen.

Man hätte nun erwarten sollen, daß bis zur Allerhöchsten Ent-
scheidung in dieſer Streilfrage weitere Schritte unterbleiben und der
status quo einstweilen aufrecht erhalten werden würde. Indeſſen
erklärte Herr Oberstifiungsrath Manz dem Aſsseſſor Edelmann, als
dieſer verſucht hatte, der Sitzung des Oberstiftungsrathes anzuwoh-
nen, er werde Gewalt gegen ihn bei seinem weiteren Erſcheinen in
Anwendung bringen, ohne für dieſen äußerſten Schritt eine genügende
Vollmacht des Ministeriums vorweiſen zu können, ja er verſuchte
ſogar die Ausführung dieſer Gewalt in einer Weiſe, die vielleicht
noch ihre nähere Darſtellung finden wird.

Als aber am Morgen des 27. Juli sich Herr Edelmann zur
Sitzung begeben wollte, wurde er durch Polizeimannſchaft an dem
Betreten des der Kirche gehörigen Dienstgebäudes gehindert und poli-
zeilich auf das Bezirksamt vorgeführt. Herr Edelmann proteſtirte
gegen die ihm gewordene Behandlung und bat in einem Bericht an
Großh. Ministerium des Innern um Belassung in ſeiner bisherigen
Function, bis die Entſcheidung des Großherzogs erfolgt sei. Diese
Bitte wurde abgeschlagen und polizeiliche Haft bei etwaigem Zu-
widerhandeln iu Ausſicht geſtellte –

Am s. Aug. iſt nunmehr durch Großh. Ministerium des Innern
Herrn Edelmann eröffnet worden, daß S. Kgl. H. der Großherzog
der Vorstellung des Letteren keine Folge zu geben geruht
h at. Herr Edelmann hat inzwischen (am 4. Aug.) eine weitere

Eingabe an den Langesfürſten und zugleich eine Denkſchrift über den

Sachverhalt und insbesondere über die R echt s frage gerichtet, auf
welche er die Hoffnung einer weiteren Allerh. Eutſchließung gründet.

Dies iſt die Lage der Dinge ihrem objectiven Sachverhalte nach,
wobei wir die Rechtsfrage vorderhand außer dem Bereiche unſerer
Darstelung gelassen haben, indem dieſe voraussichtlich ihre eingehende
Beleuchtung in Bälde erhalten wird. Nicht unterlassen können wir
aber, diesen intereſſanten Beitrag auf dem Gebiete der kirchlich-poli-
tiſchen Kämpfe unseres Lavdes unseren Freunden und Gesinnungs-
genoſſen vor d em Beginne der Wahlen zur reiflichen Beach-
lung und Erwägung an's Herz zu legen.





Edke Rache.
(Alte und Neue Welt.)

(Fortsetzung. ;
Auf der genannten Strecke trtsuul die Bahn einen großen Tunnel
und man zweifelte nicht, daß der Mörder diesen Ort zur Ausführung feines
Verbrechens benützt hatte. Mißtrauiſch blickte Einer den Anderen an ; Alle
litten unter dem Drucke des Verdachtes einer ebenſo kühnen als ganz unerhör-
ten That. Sollte der Mordanfall von einem Beamten des eigenen Zugper-
ſonals ausgeführt worden ſein, so war kein Zweifel, daß nur Haß und Er-
bitterung einen Untergebenen getrieben haben konnte, seine Hand gegen den
Vorgeſeßten zu erheben, allein der Oberbetriebsinſpector Sturm war ein so
allgemein geliebter und geachteter Mann, er genoß ein ſo reiches Maß von
Liebe und Anhänglichkeit Seitens seiner Untergebenen, daß Jeder, der den
Charater, die wohlwollende, väterliche Gesinnung Sturm'’s kannte , dieſen
Gedanken mit Entrüſiung zurückwies, weil man keinen Beamten fähig hielt,
dem Manne nach dem Leben zu trachten, welcher die Rechte seiner Unterge-
benen ſtets vertreten, für die Verbesserung ihrer Lage Sorge getragen und durch
sein humanes , freundliches und gewinnendes Wesen mit Recht auf ihre Dank-
barkeit Anſpruch machen konnte. Auch erklärte der Zugſührer, daß das Dienſt-
perſonal mit Ausnahme der Bremſer ſich in dem Dienſtcoupe befunden und
Niemand dasselbe während der Fahrt von R . . . nach H . . . verlassen habe;
nur der jüngste Schaffner , der auch zufällig den Wagen, in welchem das Un-
glück sich ereignete, zu bedienen hatte, war später als die Uebrigen, jedoch noch
vor Einlauf in den Tunnel, erſchienen. Unwillkürlich richteten sich die Augen
der Anwesenden auf dieſen, und die beredten fragenden Blicke ſchienen eine
Antwort zu fordere. ;
Der Schaffner war ein blutjunger Menſch, höchſtens 22 Jahre alt, der
' Sohn einer alten Wittwe, die er treulich unterſtütte. Niemand konnte ihm
übles nachſagen, und man hatte um ſo eher Urſache, ihn der Thäterschaft
nicht zu zeihen, als er durch besondere Verwendung Sturm's die Stelle erhal-
ten hatte, welche er erſt einige Monate bekleidete. Eine peinliche Stille herrſchte
in dem Zimmer. Das Gemurmel einzelner Stimmen war verſtummt; die
Plötzliche Ruhe war gerade unheimlich.



Was wissen Sie von der Sache ?" fragte der Stationsvorſteher, vor den
Schaffner hintretend.

Eine jähe, fahle Blässe überzog das Antlitz des jungen Mannes ; Thränen
traten ihzn in die Augen und mit zitternder Stimme und erhobenen Händen
ſagte er: „Gott weiß es, daß ich unſchuldig bin, ich habe nichts geſehen."

„Hatten einzelne Reiſende besondere Coupe's ?

Ja, drei oder vier.“

„Erkennen Sie unter den Anwesenden einen ſolchen wieder ?“

Der Schoffner muſterte mit seinen thränenumflorten Blicken alle die
Jremden und ſchüttelte verneinend den Kopf.

nWar Ihnen“ , wandte der Stationschef sich an die übrigen Beamten,
„von den Reiſenden Niemand persönlich bekannt ?“

î_ Man miugßte die Frage verneinen. Die Sache war duntel. Nochmals
wurde der ganze Zug einer genauen und peinlichen Revision unterworfen, allein
erfolglos. Nach einer halben Stunde ſetztte der Schnellzug ſeine Reiſe fort,
der junge Schaffner aber wurde in Haft gebracht.

Der Oberbetricbsinspector Sturm “ag weich gebettet in dem Hoſpital .der
Stadt H . . . An einem Lager standen ſeine Gattin und ſein einziges Kind,
ein Knabe von vierzehn Jahren, welche man telegraphiſch von dem Vorfalle
in Kenntniß gesetzt hatte. Die treue Gattin war herbeigeeilt, ihren ſchwerver-
wundeten Mann zu pflegen. Das Antlitz des Kranken war bleich, der große
Blutverluſt hatte seine Kräfte erſchöpſt. Der Arzt hatte zwar der tief gebeug-
ten Frau Troſt zugeſprochen und ihr die Verſicherung gegeben, die Wunde ſei
nicht tödlich ; allein der Ton, mit welchem dieſe Worte geſprochen worden,
hatte der Frau verrathen, daß das Leben ihres Mannes dem ungewiß aufflackern-
den Lichte einer verglimmenden Kerze gleiche. Die entſetzliche Nachricht hatte
die gute Frau in tiefster Seele erſchüttert ; sie war nicht in Ohnmacht gefallen,
als sie die unheilvolle Depeſche laß, aber auf der Reiſe nach H . . .. hatte ſe

hm | ſich ausgeweint. Jett hatte sie keine Thränen mehr. Ihr Schmerz war

stumm. Um ſo gewaltiger arbeitete er jett in ihrem Innern. Unverwandt
ruhte ihr beſorgter , ängſtlicher Blick auf den bleichen Zügen, jede Bewegung
des Kranken beobachtend und die Bedürfnisse desselben \1~~. 1.410. Mit lieben-
der Hand nette ſie die welken Lippen und strich die ©1116 von der bleichen,
kalten Stirn. Jortſetzung folgt).
 
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