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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0227

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Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
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„JU. 57.

V om Reichstag.
Si zung vom 10. Mai.

Es findet die erſte Berathung des Antrages der Abgg. Lasker
und Gen. auf Zuſtimmung zu dem von ihnen vorgeſchlagenen Ge-
ſetßentwurf statt, betreffend die geſchäftliche Behandlung eines ungewöhn-
lich umfangreichen Gesetzentwurfes.

Das Gesetz lautet nach dem üblichen Eingange :

„§ 1. Ueber einen Gesſeßentwurf von ungewöhnlich großem
Umfange kann der Reichstag nach dem Abſchluß der erſten Berathung
unter Zustimmung des Bundesrathes beschließen, daß der Entwurf
einer Commission zur Vorberathung überwieſen, die Verhandlung
des Reichstages in der nächſten Sesſion derselben Legislaturperiode
begonnen oder fortgeſeßt werde.

§. 2. Auf die Verhandlungen, sowie auf die perſönlichen
Rechte der Mitglieder der Commission für die Dauer der Commis-
ſionsſizung finden die in dem Artikel 21, Absatz 1, Artikel 22, Ab-
ſatz 2, Artikel 30 und Artikel 31, Abſaß 1 und 2 der Verfaſſung
enthaltenen Vorschriften Anwendung. Im Uebrigen bleibt der Ge-
ſchäfts-Ordnung des Reichstages vorbehalten, die Regeln über die
Zuſammenſezung und die Wahl der Commission, sowie die durch
den Beſchluß bedingten Regeln des Verfahrens in dem Reichstag
und in der Commission festzuſtellen.

§. 3. Für die zwiſchen einer und der andern Sesſion abge-
haltenen Sitzungen der Commission erhalten deren Mitglieder Erſatz
der Reiſekoſten und außerdem Diäten, deren Höhe bis zu gesetzlicher
Festſtelung durch das Bundespräſsidium festgeſetzt wird.“

Abg. Lask er weist zur Begründung seines Antrages darauf
hin, daß häufig bei bedeutenden Gesetzen, namentlich bei techniſchen
Fragen Erörterung von Sachverſtändigen nöthig sei, die nur in
Commiſssionen ſtattfinden könne. Die Berathung in der Commission
könne aber nicht immer in gründlicher Weiſe ſtattfinden, da die Ses-
sionen des Reichstages dadurch zu ſehr in die Länge gezogen wür-
den; auch ſsei es ſchon ost vorgekommen, daß Gesetze von Bedeutung
hätten liegen gelaſſen werden müssen, weil sie nicht mehr in der
Commission hätten erledigt werden können. Aus dieſen Gründen –
zur gründlichen Behandlung eines Gesetzes und um Gesetze, die in
einer Session nicht erledigt waren, nicht für längere Zeit unerledigt
zu laſſen ~ bittet er um Annahme ſseines Antrages.

Abg. Dr. Windthor ſt (Meppen): Ich glaube, daß wir dem
Abg. Lasker dankbar sein müssen für die Anregung, welche er durcl)
dieſen Antrag gibt. Es iſt ferner nicht zu verkennen, daß derselbe die
Geſchäftsverhandlungen dieses Hauſes bis in ihren innerſten Kern
trifft. Jch geſtatte mir deshalb, ihm meinestheils, besonders für die

für Ftadt-

Dienstag










Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-

tionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Cand. Vogler & G. I:. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.





glänzende Vertheidigung der juriſtiſchen Thätigkeit zu danken, welche
wir in diesem Antrag anerkennen müſſen. Denn bei dem Entſchädig-
ungsgesetze habe ich ſo viele mißbilligende Aeußerungen über die Juri-
ſten gehört, daß ich faſt in die Verführung gekommen wäre, zuerklären :
ich bin kein Juriſt. Ja, ich freue mich, daß durch dieſen Antrag
der Commission eine gewiſſe Huldigung zu Theil geworden, die ihr
bisher mit Unrecht verſagt iſt. J< zweifle nicht, daß jeder, der die
Aufgaben eines Parlaments-Mitgliedes kennt, nicht beſtreitet, wenn
ich sage : es iſt eine faſt übermenſchliche Anstrengung, die an ein
ſolches gerichtet wird ; es iſt ein Ueberfluthen von Regierungsvorlagen,
von Amendements , Anträgen und sonstigen Entwürfen ; so mächtig
und überwältigend, daß man sagen kann: es iſi phyſiſch unmöglich
diese Menge zu bewältigen. Was ſoll nun erſt der Geiſt anfangen
können? Wenn wir in dieſem Hauſe, bei dieſer Luft, fünf bis ſechs
Stunden geſeſſen haben, dann noch Abends bis spät in die Nacht
in den Commiſſions- und Fractions - Situngen thätig gewesen sind,
so iſt eine gründliche Prüfung der übrigen Vorlagen in der übrigen
Zeit doch wohl nicht möglich. Daß der Antrag nach dieser Richtung
hin eine tiefere Gründlichkeit ermöglicht, iſt gar nicht zu verkennen.
Dennoch aber muß ich erklären, daß ich mich demſelben nicht an-
ſchließgen kann. Denn wir ſtehen hier nicht bloß vor einer Geſchästs-
ordnungs-Frage, wir stehen hier vor einer einſchneidenden Cardinal-
frage der Verfaſſung. Dies zeigt sich in doppelter Richtung. Zu-
nächſt enthält der Lasker'ſche Antrag außer der Modalität der Ge-
ſchäftsordnung den sehr bestimmten Say : „daß Gesetze, deren Be-
rathung in einer Sesſion begonnen, in der folgenden fortgeſezt werden
müſſen.“ Seine Commiſsion ſoll die Brücke sein von der erſten
Berathung der Session A. bis zur zweiten Berathung in der Session
B. Das aber iſt eine Continuität des Parlaments. Die Verbin-
dung der Sessionen ist nicht neu : ſie iſt in den verſchiedenſten Län-
dern, auch in Preußen verſucht, aber auch wieder fallen gelassen
worden. Ich bin gegen die Continuität des Parlamerts in einem
geordneten Staate, wo man eine feſte Regierung und zwei Häuſer
hat, wie in Preußen, und noch entſchiedener dagegen in einem Staate,
wo man eine noch nicht klar ausgebildete Regierungsgewalt hat, eine
Kammer und einen Bundesrath, von dem wir neulich ein Lob ge-
hört haben , welches, wie ich wohl gesehen habe, alle Bundesräthe
roth gemacht hat. (Heiterkeit.) Das Parlament darf nicht eine ſo
ſtarke Uebermacht bekommen. Jc< glaube in meinem Innern ſchon
das Gefühl zu haben, daß das Parlament nach und nach eine ſolche
Macht haben wird, daß ich nicht weiß, ob sich dagegen die Regie-
rungsgewalt behaupten kann. (Großer Widerſpruch und Heiterkeit.)
Ich weiß wohl, daß dies heute noch curios klingt, daß die Herren



Der dem Schaffot Entflohene.

(Novelle von Pr. J. F.)

(Fortsetzung.)

tu V lett:, c act Tage bei uns verweilte.“

nLVeider nur a age.’

„Diesmal aber bleibt er ſechs Wochen.“

„Ach, was sind sechs Wochen, wie ſchnell sind die vorüber !“

„Daß der Menſch doch nie genug hat |“

„Marianna ! Die morgige Feier macht mich recht traurig."

„Traurig ? Und mich erfüllt sie mit einer wahren Wonne. Wie glücklich
werden die beiden Verlobten ſein.'

_ nHEhen dieſer Gedanke macht es mich fühlen, daß ich ein ſolches Glück
nicht hoffen darf.“

Das wäre sonderbar. Du liebſt und wirſt wieder geliebt; Karl’s Eltern
halten Dich wie eine Tochter und sind gewiß zufrieden, wenn Du es wirklich
wirst.

„Möglich; obwohl ich daran zweifle, daß Herr Dupre, bei seiner zu gro-
ßen Delicatesse es je zugeben wird, daß ich seines Sohnes Gattin werde."

„Das begreife ich nicht, er iſt reich . . ."

„Und ich, wie ich hörte, noch viel reicher. Das eben, fürchte ich, wird
der Grund ſeiner Weigerung sein: denn er würde ſelbſt den Schein fürchten,
als habe sein Sohn nach einem Vermögen gestrebt. Zudem bin ich von meinem
Onkel abhängig, der Obervormund ist, und ohne dessen Einwilligung weder über
meine Hand noch über mein Vermögen verfügt werden darf."

„Ei was, dieſer Onkel lebt in Amerika, am Ende der Welt, und hat sich
um andere Dinge zu bekümmern. Dem ſchreibt man kurz und deutlich; setzt
ihm die Herzensangelegenheit auseinander, bittet ihn um ſeine Einwilligung
und seinen Segen und über's Jahr ſind der diesjährige Brautführer und eine
der Kranzjungfrauen ein Paar, wie es ſchon öflers geſchah.“

.. nHDu nimmſt die Sache leichter, als sie zu nehmen iſt. Mein Onkel, den
ich als Kind nur einmal sah und dessen ich mich gar nicht mehr erinnere, ſoll
ſehr mißtrauiſch und stolz auf seinen Adel ſein."



„Was kümmert sich die Liebe um den Adel ? Karl iſt der edelſte Menſch,

"! 126 ſage ich mir oft; aber der Onkel, der iſt im Stande, mich nach
merika zu rufen.“

nDa gehe ich mit Dir.“

„Und Karl?" M.

„Muß auch mit. Der Onkel wird mit allen Waffen angegriffen, die einem
Mädchen zu Gebote stehen ; wir bestürmen ihn gemeinschaftlich. Drei gegen
Einen, wie kann er einen ſolchen Angriff aushalten ? Er ergibt sich und ſagt : Ja |“

Hätte Madame Dupre, ſo wie wir, das Gespräch der beider Mädchen
belauscht, ſo brauchte sie ihren Scharfsinn nicht mehr anzuſtrengen, um zu erfahren,
ob und mit welchem der beiden Mädchen ihr Karl in einem Verhältnisse ſtehe.
Die gute Mutter liebte ihren Sohn und die Mädchen zu ſehr, als d1ß ſie
eines von Beiden bevorzugt hätte. Sie kannte weder pecuniäre noch andere
Rücksichten; nichts lag ihr am Herzen, als das eigentliche Wohl der jungen
Leute. An Clementinen's Vermögen dachte sie gar nicht, ihr Sohn hätte sie
anständig versorgen können, wäre sie auch ganz arm gewesen. Marianne, als
eine entfernte Anverwandte , erſette ihr eine eigene Tochter, die ihr der Tod
schon als kleines Mädchen entriſſen hatte. Sie war nicht reich, hatte aber
immerhin ein nicht ganz unbedeutendes Erbtheil. Lebte Clementine nur den
Wissenſchaſten und Künsten, wie es ihre Geburt mit ſich brachte, ſo beſchäftigte
sich Marianne mehr mit dem Hauswesen und war so zu sagen die rechte Hand
der Mutter, wie sie Madame Dupre nannte. Wußte Clementine die ſchönsten
Stellen unſerer Claſsiker zu citiren und mit Geiſt und Ausdruck vorzutragen,
so hatte Marianne so viel natürlichen Verstand und so muntere und witzige
Einfälle, daß sie oft die ganze Familie lachen machte und von Herrn Dupre,
den seine Geschäfte oft sehr ernst ſtimmten, gewöhnlich nur die Sorgenver-
theilerin genannt wurde ; Clementine ſpielte den Flügel mit Meisterſchaft, da-
gegen sang Marianne mit einer Innigkeit, die in die Tiefe des Herzens drang.
Kurz jede hatte ihre guten Eigenschaften, ihre Vorzüge, die in Einer vereinigt
ein vorzügliches Mädchen, aber noch immer keinen Engel gemacht haben würden;
denn beide hatten auch ihre kleinen Fehler, ohne die doch wohl nur die in
Romanen figurirenden Helden und Heldinnen sind. Ich ſchildere Menſchen wie
ich ſie wirklich fand und als ſolche auch unſere beiden Mädchen.

(Fortsetzung folgt:.)
 
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