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A. 55.
für Stadt
Der kathol. Hoſpitalfond in
densgeschichte und Auswanderung.
(Schluß.)
(©) Bretten, 4. Mai. Ein Miniſterialerlaß, gez. Jolly vom
4. Dec., vermochte der Vorstellung der kath. Stiftungscommission
keine Folge zu geben und sah gar nicht ein, warum man noch mit
der Uebergabe zögern solle, worauf denn auch das Gr. Bezirks-Amt
dahier einging und festſeßte, daß in den ersten Tagen nach Neujahr
1860 die Auswanderung zu erfolgen habe.
Am 7. Januar des Jahres 1870 fand die Auslieferung des
kath. Hoſpitalfondes an die Gemeindebehörde unter seierlicher, proto-
kollariſch aufgenommener Rechtsverwahrung der Stifiungscommission
in demſelben Lokale des Pfarrhauſes ſtatt, in welchem von der glei-
chen glücklichen Behörde nach kaum 6 Monaten auch der kath. Pri-
vatalmoſenfond auf Grund des neuen bad. Stiftungsgesetes unter
den Hammer genommen wurde. Sollte ein Engländer Luſt tragen,
den Tiſch oder Stuhl, auf welchem die Uebergabe unterzeichnet wurde,
als hiſtoriſche Rarität badiſcher Zustände zu kaufen, so iſt man zu
Gunſten unſeres bis jetzt noch nicht geholten armen Kirchenfondes
recht gerne erbötig, dieſes Mobiliar zu veräußern.
Durch dieſe Auslieferung fielen übrigens nicht ſämmiliche Rech-
nungen mit Beilagen des Fonds seit 180,4, zuſammen 112 Bände,
in den weltlichen Gewahrſam, das wäre noch zu verſchmerzen gewesen,
es nehmen auch, und das war der zarte Gegenstand ungeheuchelter
Aufmerksamkeit, über 44,000, sage mit Worten: über vier u n d
vierzig Tauſeu d an Capitalien, Liegenſchaſten und Gebäuden
von der alten Heimath Abichied, „und wer das Scheiden hat erdacht,
hat an den Schmerz wohl nicht gedacht.“ ~ Während man nun in
loco Bretten eifrig damit handtirte, den kath. Spitalfond in Sicher-
heit und unter „pü nktl iche re“ Verwaltung zn bringen, brauſte
der Sturm des Rechtsstreites über diesen Gegenſtand vor den Schran-
ken der zuſtändigen Gerichte. Nachdem das Kreisgericht Karlsruhe
ſich bei fraglichem Streite für incompetent erklärt hatte, folgte
“Ussstgit; au den Appellationsſenat des Kreis - und Hofgerichies
Karlsruhe.
Indessen traten die Stär1de zu einem Landtage in Carlsruhe
zuſammen, der in den Blättern der Geschichte und der Rechtswiſsen-
ſchaft seine gerechte Beurtheilung einstens finden wird.
Die Vertreter der kirchlichen Rechte und Freiheit an der Spitze
der ausgezeichnete Rechtsgelehrte, Herr Oberhofgerichtsrath Dr. Roß-
hirt, mit seinen unerſchrockenen Freunden Baumſtark, Biſſing, Len-
der und Lindau, legten feierlichſt Proteſt gegen das proponirte Stif-
den 11. Mai
tungsgesez auf den Tiſch des Hauſ
Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
[ fionen von Rud. Mosse, Haasenstein&
und Ü and. Vogler & G. L. Danube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart 2c.
1871.
ZE
ses nieder und verließen in jener
denkwürdigen Sitzung den Ständeſaal, da sie es nicht über sich örin-
gen konnten, bei einer Vorlage und deren Discussion Augen- und
Ohrenzeugen sein zu müssen, allwo den Rechten der Kirche in ihren
Stiftungen und Vermächtniſſen wie in keinem anderen Lande entge-
gengetreten wurde. Es erfolgte in kurzen Zwischenräumen das Stif-
tungsgeſeß am 5. Mai 1870 und auf den 28. Mai war Tagfahrt
J. S. unseres Hoſpitaifonds anberaumt. Dem neuen Stiftungsge-
set entſprach denn auch das Urtheil des Kreis- und Hofgerichies
Karlsruhe und Herr Kuſel, der gegneriſche Anwalt, konnte sich freuen,
eine ſo gute Hinterlage in dem obſchwebenden Rechisſtreite gefunden
zu haben,
So groß übrigens die Ungunſt iſt, welche kirchlichen Verwal-
tungen, namentlich seit dem neuen Stiftungsgeſetz entgegensteht, so
iſt doch in dem vorliegenden Falle nach dem Schlußſatß des § 11
des Gesetzes anzuerkennen, daß für das kath. Spitalgut ein Rechts-
ſubjekt in der moraliſchen Perſon der kath. Kirchengemeinde gegeben
iſt, weil der fragliche Theil des Spitalvermögens in der anno 1803/9
unter Connivenz des Großh. Ministeriums vorgenommenen Theilung
der kath. Gemeinde zum Zwecke der Erhaltung eines kath. Spitals
zu Eigenthum überlaſsen worden iſt, – weil sie es ſeitdem ununter-
brochen beſaß und ihr Verwaliungsrecht bisher nicht nur nicht be-
ſtritien, ſondern von der politiſchen Gemeinde ausdrücklich anerkannt
worden iſt. Deßhalb wolten wir den ley'en Urtheilsſpruch ver-
nehmen, und legten, der ſchon oft bewährten Gerechtigkeit des höch-
ſten Gerichtshofes vertrauend, Oberberufung ein. Unsere Hoffnung
war übrigens nicht ſo roſig, um nicht auch auf die letzte Entſchei-
dung auf Grund des nagelneuen Gesſeßes zu unseren Ungunſten
vorbereitet zu ſein, und ſo war es denn auch, denn ſeit einigen Ta-
gen iſt uns die traurige Gewißheit geworden, daß, wie zwar noch
anderwäris in unserer badischen Heimaih geſchehen, auch unſer kathol.
Hoſpitalfond uns entzogen iſt und rufen wir ihm auf dieſem nicht
ganz ungewöhnlichem Wege bis auf ein glückliches Wiederſehen ein
herzliches Lebewohl nach.
Nach dem Gesetze wurde nun seit einem Jahre der Armenrath
und Stiftungsratih constituirt, in dem Armenrath befindet sich der
kath. Geiſtliche als einziger Katholik, und im Stiftungsrath der
einzige kath. Gemeinderath. Auf welcher Seite nun die Majori-
tät bei etwaiger Abstimmung über vorhandene Meinungsverſchieden-
heit wäre, braucht keines mathematiſchen Nachweiſes. Die Ansicht
übrigens von den Berathungen sich ferne zu halten, ist ganz ver-
werflich und theilen wir dieſelve deßhalb nicht, weil wir uns zu-
nächſt verpflichtet halten, unſeren Armen und Kranken das Wort
Der dem Schaffot Entflohene.
(Novelle von Pr. FJ. F.)
. nIa , ja ! Herr Hieronymus !“ sagte Marianne, ein ſchmuckes, fröhliches
Mädchen von ſechzehn Jahren, mit sreundlichem Lächeln, „recht bald ſehen wir
uns wieder. Grüßen Sie einſtweilen Thereſen und Baſtian recht freundlich
von mir.“ Und ſomit trat sie aus dem Pavillon, der von Jasmin, Flieder
und Geisblatt umgeben, in einem abgelegenen Theile des großen, auf engliſche
Art angelegten Gartens stand. Schöne, geſunde, kräſtige Bäume, friſche Bad-
ſtätte, wohlriechende Blumen, hie und da zerſtreut und in Gruppen ſtehend,
ein klarer Bach, der die ganze Anlage in vielen Krümmungen durchſchlängelte
und von so kaltem Waſſer, daß er ſelbſt Forrelen zum Aufenthalte diente,
machten die Hauptzierde des Gartens aus. Nirgends erblickte man Spuren
von Steifheit, man ſchien nichts anderes, als der Natur nachgeholfen und das
Verunglückte, Unvollkommene , was sie etwa hervorbrachte, beſeitigt zu haben.
Da fand ſich kein verkrüppelter Baum, keine dürren Aesſste, keine abgestorbenen
Zweige, keine abgefallenen Blätter ; alles war hier ſorgfälltig beseitigt, ſowie
die Wege von Gras und Untraut gereinigt und mit ſchönem feinem Sande
beſtreut. Uebrigens überließ man die gesunden Bäume ihrem freien natürge-
mäßen Wachsthume; keine barbariſche Scheere zwang sie in moderne Formen.
Kühn breiteten ſie ihre kräftigen Arme ringsherum aus und ſtrebten mit ihren
Scheiteln zu den Wolken empor. Unter ihren dichtern Blättern fand man Schatten
. Fos: ja wohl auch ein Obdach gegen einen plötzlich hereinbrechenden
eg en.
So entwickelt sich auch der Menſch im einfachen Naturzuſtande viel freier
und kräftiger, körperlich ſtärker und geiſtig geſünder. Der in früheſter Jugend
eintretende geiſtize Zwang, das zu frühe und anhaltende Anſtrengen der
Seelenkräſte halten das körperliche Wachsthum zurück und geben wohl ſelbst
dem Geiſte, leider nur zu oft, eine ſchiefe Richtung. Man ſieht viele gelehrte
Kinder, deren Wissen unsere Voreltern nicht nur mit Bewunderung und Staunen
erfülen, ſondern bei ihnen ſelbſt den Glauben an's Märchenhafte hervorbringen
würde ; aber allenthalben erblickt man auch junge Greiſe, blasse Gestalten, körperlich
entnervte , geiſtig verſchrobene Geſchöpfe, an denen die Natur den Abfall von
der liebevolsten Mutter rächt.
Marianne war nicht von dieſer Art, sie war ein Kiud der Natur. In
ihrem Buſen ſchlug ein reines unverdorbenes Herz und in ihren Adern floß
geſundes und leichtes Blut. Sie wußte nichts von Pomaden, Eſſenzen und
wohlriechenden Oelen, ihr Waſchwaſſer holte sie von keinem Pariſer Parfumeur,
sie holte es am Brunnen, und doch hatte ſie eine Gesichtsfarbe wie reine Milch,
in die ein Tropfen warmes Blut fällt. Ein großer Strohhut bedeckte ihr dunkel-
braunes Haar, unter dem ein paar freundliche Augen hervorblickten. Hatte
ihr Arm auch nicht die Weiße des Marmors, so hatte er doch dessen Festigkeit,
und ohne ihren Körper in einen künſtlichen Cüraß zu zwängen, war ihr Wuchs
ſchlank und hätte dem Bildhauer in Ermangelung einer Antike als Modell
dienen können. f
Wir fanden ſie, als ſie sich eben bei Hieronymus beurlaubte. An ihrem
Arm hing ein Körbchen und mit dieſem vorwärts ſchreitend, setzte sie fich auf
die Bank , die vor einem kleinen reinlichen Häuschen stand, und indem sie die
Blumen zu ordnen anfing, ſprach ſie vol Vergnügen : „D was für ſchöne
Blumen, welch’ herrliche Sträußchen kann ich für die Gäſte binden! . . . Das
wird ein glückliches Paar werden! Was werden die für ſchöne Hochzeitsge-
schenke erhalten! . . . Zuerſt wird Herr Dupré den Contract gratis ausferti-
gen. . ÿ . Pot) Tauſend ! der ist ein reicher Notar, der kann es leicht thun.
. . . Und was die Mama betriffl, die . . . Gi da da kömmt ja Herr Sidney,
der stumme Engländer, den man nie reden hört. . . . Ich will wetten, daß ich
nicht vier Worte aus ihm herausbringe.“
Da ſchritt aus einer Seitenallee des Parkes eine lange , hagere Gestalt.
Ihre tiefliegenden Augen ſahen ängſtlich umher , wie die eines Menſchen, der
Jemanden zu begegnen fürchtet, den er zu vermeiden wünſchte. Dann wurde
ſein Gang haſtig und oft blieb er stehen, um sich umzuſehen. Endlich näherte
er ſich Mariannen.
|H Hart Morgen Herr Sidney!“ rief ihm das Mädchen freundlich entgegen,
„wie geht es ?“
! ut war die lakoniſche Antwort.
„Eins“, ſagte das Mädchen, „das freut mich! Sagen Sie mir doch, Herr
Sidney, iſt der Heirathscontract schon geſchlossen ?“
„Nein !
(Fortſeßung folgt.)