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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

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https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0059

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Trägerlohn und Poſtaufschlag. Inſs.-Geb. 2 kr. d. H.

F. 15.

Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnertene. „ eopy '
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne kür Ftadt











c

|E Bestellungen für die Monate Februar und März auf den
fler Boten können noch immer bei allen gr. Poſtanſtalten uud
andpoſtboten gemacht werden.

Deutſclan d.

* Heidelberg, 1. Febr. Man iſt gewöhnlich geneigt, mit sou-
veräner Selbstüberhebung auf die französische Schulbildung herabzu-
. sehen, da man hierin in Deutſchland auf weit höherer Stufe ſtehe.
Es iſt nun richtig, daß der Schulunterricht in Deutschland viel grö-
ßere Dimensionen hat als in Frankreich, ~ dies iſt nicht zu bezwei-
feln; aber vor Uebertreibungen in solchen wie andern Dingen möch-
ten wir denn doch ernsthaft warnen. Von katholischer Seite iſt schon
vielfach solchen Maßlosigkeiten widerſprochen worden , die offenbar
nur den Zweck haben, über die Erziehung der Jugend durch Geiſt-
liche den Stab zu brechen. Hören wir nun auch, was heute ein
langjähriger Kenner und Beobachter französiſchen Wesens in der
Frankfurter Zeitung hierüber sagt, alſo in einem Blatte, das doch
anerkanntermaßen alle Gelegenheiten hervorſucht, um der kath. Kirche
und ihrem Lehrberufe Schlimmes nachzuſagen. Dort heißt es: „Es
iſt gewiß, der Bruchtheil der Bevölkerung, der überhaupt keine Schul-
bildung genießt, iſt in Frankreich bedeutend größer als bei uns.
Hüten wir uns aber aus dieſem Umſtande voreilige Schlüſſe zu
ziehen! Der unterrichtete Franzoſe nimmt eine Bildungsſtufe ein,
die mindestens derjenigen entspricht, auf welcher bei uns die Classe
von Leuten ſteht, die sich par excellence ,die gebildete“ nennt ;
nicht selten sind seine Kenntnisse gediegener. Von fremden Sprachen
habe ich besonders unter dem Kaufmannsstande Engliſch und Jta-
lieniſch häufig und gut sprechen hören. Kenntniß der deutſchen
Sprache habe ich wenigstens getroffen und mehrfach in Privatquar-
tieren Gelegenheit gehabt, die bei La Hachette erschienenen Separat-
ausgaben deutſcher Claſſiker als aite, liebe Bekannte zu begrüßen.
Auch über den Stand der eigentlichen Volksſchule hat man bei uns
meiſt kein richtiges Urtheil. Schon die schönen, immer praktiſch,
oft ſogar luxuriös eingerichteten Schullocale flößen ein gewisses Ver-
trauen ein. Eines iſt mir jedenfalls aus den zahlreichen Schulhef-
ten, die ich durchblätterte, klar geworden, daß der Franzose, der
überhaupt die Schule besucht, etwas lernt, um das ihn bei uns manche
Kathedergröße zu beneiden Ursache hätte; gründliche Kenntniß und
vollſtändige Beherrschung seiner Muttersprache.“ Wäre die Erziehung
in Frantreich wirklich so ſchlecht, wie sie vielfach geſchildert, ~ ge-
wiß, die Frankfurter Zeitung hätte sich eine so ſchöne Gelegenheit
!. entgehen laſſen, Steine auf katholische Pfarrer und Klöster zu
werfen.







Samſtag den 4. Februar



Inseraten - Inhalt der Annoncen-Expedi-

' 1 4 tionen von Rud. Mosse, Haasenstsin &
und CLand. Vogler & G. L. Daube & Cie. in

München, Frankfurt u. Stuttgart ec.

1871.







* Heidelberg, 2. Febr. Wenn Herr Plat in der Warte meint,
wir würden ihn „,ſehr verbinden“, wenn wir ihm über Hrn. v. Sau-
vigny nähere Auskunft geben wollten, so bemerken wir diesem Herrn,
daß es uns nie einfallen wird, ihm über irgend etwas in der Welt
[ Rede und Antwort zu stehen. Möge er zunächst zuſehen, wie er
das anständige Benehmen eines Theiles ſeiner Gesinnungsgenossen
mit seinem eigenen polternden Gebahren in's Einvernehmen ſetze;
uns gegenüber wenigstens iſt über sein rücksichtsloſes alle Schranken
der Polemik weit überſteigendes Auftreten von ihm befreundeter Seite
die offenſte Mißbilligung ausgeſprochen worden. Ein Mann, der
wie früher im Frankfurter Journal, so jetzt in der zu diesem Zwecke
nicht einmal gegründeten Warte die giftigſte Katholikenhetze organi-
sirt, kann von uns keine Aufklärung über irgend welche Vorgänge
im politiſchen Leben verlangen.

X Bruchſal, 31. Jan. Das Eintreffen der Capitulationsnach-
richt am letzten Samſtag hat hier wie überall die freudigſte Bewegung
hervorgerufen, welcher durch Beflaggung und Illumination der Stadt
sowie durch einen Fackelzug Ausdruck verliehen wurde. Aber in
dieſe Freudenfeier sollte leider auch ein garstiger Bubenſtreich fallen.
Am Sonntag Morgen früh nämlich unterstanden sich drei betrunkene
Wüſilinge, welche zur gebildeten Claſſe gezählt sein wollen, zwischen
das Hausthor des ſehr geachteten Bürgers und Sattlermeiſters Guth
brennende Fakeln zu schieben unter wüſtem Lärm und Abbrülen ge-
meiner Schimpfworte. Zum Glücke entdeckte der Hauseigenthümer
alsbald die gelegten Brander, ansonst großes Brandunglück hätte
entstehen können. Aber auch die Thäter, wiewohl sie bei Ausübung
ihres Bubenstückes vermummt waren , sind von hinlänglich vielen
Augen beobachtet worden. Und wer sind sie? Ein Mann und noch
dazu ein Nachbar des Herrn Guth. Wirklich ein hübsches nachbar-
liches Stück von einem Menschen, der übrigens als hochmüthiger
Struwelkopf einen Ruf besitt und als menſchliches Hohlgeschoß viele
anerkannte Fähigkeiten zu derartigen Streichen aufweist. Die anderen
zwei Brandgehilfen sind ziemlich stark angewachſene Buben, wovon
der eine der Sprößling eines Fabrikanten ohne Fabrik und Arbeiter
und der andere ein unreifes naſenweiſes Bürſchlein iſt, im übrigen
gar nicht weit her. Warum aber dieſe Hausverwüſtung des Herrn
Guth ? Dieser, einer der solideſten Bürger und einer der tüchtigſten
Geschäftsleute hier, gab nicht die geringſte Veranlaſſung. Nun ja,
einer solchen bedarf es auch nicht für junge und alte Buben –
doch halt! Sattlermeiſter Guth gehört zu den „Schwarzen“. Das
iſt ſchon genug, um eine gewisse Raſſe von Menſchen zu veranlassen,



an die Behauſung des Verhaßten Feuer zu legen. Die Thäter werden den
verübten boshaften Muthwillen wohl bereuen und büßen müssen.



Wer hat das gethan ?
(Eine Yeſchichte aus dem Leben.)
(Fortsetzung. )
__ Die Röthe des Zorns, villeicht auch der Scham, stieg dem rohen Mann
ins Gesicht; er drehte ihr den Rücken indem er einen Fluch über ihre Zimper-
lichkeit und falsche Freundlichkeit zwiſchen den Zähnen murmelte.

Von diesem Tage an, der sie aus ihrer kindiſchen Arglosigkeit emporge-
schreckt hatte, fühlte Hermine eine stete heimliche Angst, ein Unbehagen, als
stehe ihr ein Unglück bevor, wenn sie nicht in der Nähe Leonhard’s oder der
Frau Heider sich befand. Sie wagte Herrn Heider kaum anzuſehen und mußte
alle Kraft aufbieten, um nicht zuſammenzufahren, wenn er an ihr vorüber ging.
Es entging ihm nicht und erfüllte ihn mit Groll gegen sie, den er so wenig
verbarg, daß Lisettens Gesicht von Schadenfreude leuchtete. Sie äußerte einige
Male, daß Herr Heider die Gouvernante verabſchieden werde, und Hermme be-
fürchtete es eine Zeitlang ſelbſt; aber war es nun die Rücksicht auf seine Frau,
oder hatte er sonst einen Grund, ihr Weggehen nicht zu wünſchen, genug, es kam
nicht ſo weit, und er vermied ſogar, trot aller Grobheit, solche Außerungen,
die sie hätten veranlassen können, ihrerseits ihre Stellung aufzugeben.

Liſette hatte seit der Rückkehr des Hausherrn und besonders seitdem die
Frau Heider das Zimmer hütete und der Haushälterin Alles überließ, ein ganz
anderes Wesen angenommen. Sie saß nicht mehr wie ſonſt ſchweigend am Mit-
tagstiſch und verzehrte ihr Mal nicht mehr im Fluge, sondern ſie machte mit
zuverlässiger Miene die Wirthin und legte für Herrn Heider die besten Bissen
zurecht, sie war sehr geſprächig geworden und bemühte sich, ihn durch Klatiſche-
reien und derbe Späſse zu unterhalten und zu beluſtigen, sowie sie überhaupt
„für sein Behagen auf alle Weiſe Sorge trug. .liätht

„Das muß wahr sein, Liſette,“ ſagte Heider mit Anerkennung, „du machst
deine Sachen gut, du bist ein fixes Mädchen. Wer sollte das merken hier im
Hause, daß die Frau sich um nichts bekümmert ! Ich bin noch nie ſo gut ver-
sorgt gewesen, wie in diesem Winter.“

„Ach, entgegnete ſie beſcheiden, das ſagen Sie nur so; die Frau kann ich doch
beim besten Willen nicht ersezen. Die Leute haben doch den Respect nicht so,

wie vor einer Frau. Es dauert mich zuweilen recht, Herr Heider , daß Frau

Heider nie geſund iſt. Was haben Sie doch von Ihrem Leben? . . . Gar
nichts! Cin Mann in Jhren Jahren, was könnte der für ein fideles Leben
führen, wie luſtig könnte es hier im Hauſe ſein! Wenn ich denke, wie es auf
Almehlo zugeht! . .. Und Sie hab’'ns wahrhaft besser dazu, als der Baron
Almeho und wenn Sie eine Frau hätten, die überall selbſt nachſähe, ſo könnte
doch gewiß mancher Thaler für Vergnügen ausgegeben werden, der jett nicht
verdient wird oder verkommt.“

Oder für Badereisen, Doctor und Apotheker ausgege ben wird, ja wohl, fiel
er ein. Ja, es iſt ein Malheur, und man mag predigen, wie man uwell, es
hilft nichts; sie ſizt hinter dem Ofen und stöhnt und . . . na, ich will mich
nicht darüber ärgern.“ . '

„Ich glaube allemal, sagte Lisette, wenn Herr Leonhard und jetzt auch die
Gouvernante Frau Heider nicht so besſtärkten in ihren Grillen, ſo wäre es doch
nicht ſo schlimm. Alber die stecken immer die Köpfe zuſammen . ."

„Ja, unterbrach er sie wieder, ich bin manchmal wie verrathen und ver-
kauft in meinem eigenen Hauſe. Ich werde nächstens einmal mit einem Don-
nerwetter dazwiſchen fahren! Es iſt wahr, man iſt ein geſchlagener Mann mit
einer Jo zimperlichen Frau. Es iſt nur gut, daß ich d ich habe. Du ſolſſt aber
auch an Weihnachten ein ordentliches Präſent haben, ein besseres als meine
Frau ; das verdienſt du.“

Liſette bedankte sich für das Lob und das Versprechen, aber im Herzen
hoffte und spekulirte sie auf bessern Lohn für ihre Bemühungen, als ein gu-
tes Weihnachtsgeſchenk. Früher war das Beſtreben des herrſchſüchtigen Mäd-
chens nur dahin gegangen, Frau Heider alumählich von den erſten Platze im
Hauſe zu verdrängen und sich selbſt möglichſt unabhängig zu stellen, wodurch
sie zugleich Gelegenheit fand, zu sparen, wie Heinrich es nannte. Sie hatte
dem Hausherrn geſchmeichelt und seine Schwäche benutzt, um Geschenke zu be-
kommen , damit sie, wenn sie ihren Dienſt verließ, um Heinrich zu heirathen,
nicht mit leeren Händen ihren Hausſtand beginnen mußte. Aber ſseit Frau
Heider's jahrelange Kränklichkeit einen beunruhigenden Charakter angenommen
hatte, war ein ganz anderes Ziel vor Liſettens Augen aufgestiegen. Sie wollte
nicht mehr die Fau des Bedienten, sondern die des Herrn werden.

(Fortſetzung folgt.)


 
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