Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1871

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43884#0123

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. ~ Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
Trägerlohn und Poſtaufschlag. Ins.-Geb. 2 kr. d. H.

F¿ 31.

EE

Weitere katholiſche Wahlsiege in Preußen.

B rilon- Lippstadt: Rechtsanwalt Schrö de r in Beuthen.

Borken-Recklinghauſen (definitives Reſultat): Graf v. Land s-
berg mit großer Mehrheit. .

Oppeln: Graf St rach witz mit großer Majzorität.

Franke nſtein-Münſter berg: Geh. Rath Dr. Krägtz ig in Ber-
lin (doppelt gewählt; s. unſere lezte Nummer).

Allen stein-Röſssel: Domherr Borow ski in Fravenburg mit
bedeutender Mehrheit.

Thorn- Culm: Probſt Maran ski.

* Die Karlsruher Zeitung und die Wahlen.

Wenn man, wie die Karlsruher Zeitung, die Regierung in der
Presse des Landes repräsentiren will, so sollte man sich doch vor
allen Dingen hüten, durch theils böswillige, theils geradezu einfäl-
tige Verdrehungen der thatſsächlichen Zahlenergebniſſe dem Anſehen
tte ]*t bei allen Leuten, die halbwegs gesunde Sinne ha-
en, zu ſchaden.

Der Hochofficiöſe gibt sich alle erdenkliche Mühe, aus dem

für Stadt





Procente ~ eine Bagatelle ~ abgenommen habe. Bedenkt man

aber, daß die Zahl der Wähler auf unserer Seite immer noch gleich|

groß iſt wie diejenige bei den Unterschriften, welche wir für das
Concordat und gegen die Civilehe einbrachten, dann ist die Behaup-
tung der Karlsruherin doch offenbar eine Unwahrheit. Und dabei
legen wir überdies das Zahlenverhältniß zu Grund, welches der
amtliche Correſpondent herausbrachte, welches übrigens total falſch

Hutu r we. tic zuuu Ursi! ohne jeden Scrupel das Regierungsorgun der kathol. Volkspartei

3500 zutheilen darf, wie es bei einiger Offenheit wohl selbſt zuge-

partei, zu denen auch die sich offen als Parteiblatt gerirende Karls-
ruherin gehört, haben ja ſtets behauptet, unter jenen kathol. Un-
terſchriften ſeien eine Menge solcher von Frauen, Mädchen und
Kindern, ~ jettt bei den Wahlen ſind’'s doch aber offenbar nur
Männer, die abſtimmten; wenn also die Zahlen sich jett noch gleich-
ſtehen , ſo0 müſſen wir ſtärker geworden sein, da die Franen und
Kinder diesmal abzurechnen ſind!

Der Correſpondent des Regierungsorganes bringt uns eine Zu-
ſammenſtelung der Wahlergebnisſſe von 1868 und 1871, aber wie
wenig der Vergleich in den einzelnen Bezirken durchgeführt werden kann
und wie sehr er deßhalb hinken muß, geht schon aus der allgemeinen
Thatſache hervor, daß die Wahleintheilung der Kreiſe u. s. w.
eine ganz andere geworden iſt, eine für die miniſterielle Pattei
Fletch! worüber der Verfaſſer aus guten Gründen ſtillſchweigend
inweggeht.
. Wir wolln uns nicht aufhalten bei der Darstellung des Stim-
menverhältniſſes im Jahre 1868; nur gelegentlich wollen wir dem
Verfasser bemerken, wie lächerlich es iſt, wenn .er beim Kreiſe
Karlsruhe die Wähler der kathol. Volkspartei als gar nicht vor-
handen bezeichnet, weil damals Herr v. Göler dort gewählt wurde,
den nicht seine eigenen wenigen Gesinnungsgenossen durchſetten, son-
dern die zahlreichen katholiſ < en Wähler. Man dente sich nur
den Unsinn, der Amtsbezirk Bruchsal solle keine katholiſchen Wähler
aufzuweisen haben! Aber da wir doch einmal am KX. Wahlkreise
ſind, ſo müssen wir dieselbe Rechenkunſt der Karlsruher Zeitung auch
für das Jahr 1871 nochmals ansſtaunen. Wenn dieselbe uns anno 68
in Karlsruhe-Bruchſal gar keine Wähler zugestand, so iſt sie in
diesem Jahre so gnädig, uns eine Stimmenzahl von 705 zuzu-
weisen, und gleichwohl weiß sie ſelbſt, daß sie damit eine Unwahr-
heit und Täuſchung Anderer begeht. Der Karlsruher Zeitung iſt
es ſo gut bekannt wie uns, daß gelegentlich der Candidatur des
Prinzen Wilhelm Bürgermeister Lauter von Karlsruhe sich an die
verſchiedenen Parteien mit dem Ansinnen wendete, Sr. Großh. Ho-
heit alle Stimmen aus den versſchiedenſten Parteilagern zukommen
zu laſſen. Die Karlsr. Ztg. weiß, daß hierüber Unterhandlungen mit
einigen Herrren in Karlsrnhe stattgefunden haben, die ihrerseits im Bad.
Beob. die genannte Candidatur acceptirten u. daß darauf Lindau, welcher
als Candidat in dem Bezirk hatte aufgestellt werden sollen, die Can-
didatur für denselben in der Presſe ablehnte, nicht freilich weil er
î mit der Beovachter-Bewerbung einverstanden gewesen wäre, sondern
lediglich deßhalb, um im lettten Augenblicke kein Durcheinander her-
vorzurufen. Die Wähler aus der kathol. Volkspartei stimmten also
theilweise für den Prinzen Wilh:lm, weil dieſer ohne Widerspruch
im Beobachter als ihr Candidat bezeichnet war, theils enthielten sie



| Dienstag den 14. März





- Inhalt der Annoncen-Expedi-

Rud. Mosse, Haasenstein&
& G. I.. Daube & Cie. in
„ Frankfurt u. Stuttgart 2c.

. 1871.

Inseraten
io

und Land.ütti

Vogler
München







ſsich ganz der Abstimmung; eine kleine Zahl von 705 blieb jedoch

trot Lindaus entſchiedener Ablehnung bei dessen Candidatur ſtehen,
indem sie sich mit den im Bad. Beobachter gegebenen Beruhigungen
in Betreff der Haltung des Prinzen Wilhelm gegenüber den etwai-
gen kirchlichen Fragen auf dem Reichstage nicht zu befreunden ver-
mochten. Letzteres war allerdings auch der Standpunkt der den
Wahlaufruf unterzeichnenden Abgeordneten, die lediglich des Zuſammen-
haltes bei den Wahlen wegen es vermieden, gegen die im Beobach-
ter aufgestellte Candidatur ihrerseits Verwahrung einzulegen. Wenn
alſo die Karlsruher Zeitung von den Wählern des großen kathol.
Amtsbezirks Bruchſal uns nur die 705 Stimmen zuerkennen will,
die auf Lindau fielen, dagegen die zahlreichen kathol. Wähler für
das ministerielle Lager in Anspruch nimnit, die nach dem Ueberein-
kommen zwischen einigen Karlsruher Herren und dem Oberbürger-
meister Lauter (wir steigen absichtlich nicht höher hinauf) für deu
Prinzen Wilhelm stimmten, so wird sie ſelbſt genügend wissen, wie
weit sie sich von der Wahrheit entfernt; die Herren Vertrauensmän-
ner in Karlsruhe können aber daraus erſehen, wie geriugſchätzig
ihre Mithilfe behandelt wird und wie man sie einfach unter die

Wahlergebniß herauszubringen, daß die kath. Volkspartei um einige | Miniſteriellen steckt, was wir troß Herrn Lauter's rührender Auffor-

"derung von Anfang an nicht anders erwartet haben.

Eine weitere. Unrichtigkeit enthält die Karlsruher Zeitung in den
angegebenen Zahlen ' des IX. Wathlkreiſes, wo uns gar nur 312
Stimtnen zugetheilt werden, obgleich auch hier der Bad. Beob. im
letten Momente auf eine Anregung von Ettlingen hin die Katho-

liken"für den demoktratiſchen Candidaten Faas bestimmte. Ungeachtet

deſſen aber werden die Demotraten von der Karlsruher : eitung auf
die Zahl von 3,934 in jenem Kreiſe hinaufgeſchraubt, von welchen

ſtehen wird. Und ähnlich iſt es im Kreiſe Mannheim, wo es doch
handgreiflich iſt, daß eine Partei, die wie die unsrige im gan-
zen Lande vertreten iſt, mindestens auch einige Anhänger zählen
wird. Aber nicht einen gibt uns das Regierungsblatt und doch
wird es demſelben bekannt sein, daß in den Landorten die Katholi-
ken, insofern sie übe rh aupt stimmten, dem Herrn v. Feder ihre
Stimmen zukommen ließen. Die Karlsruher Zeitung wird also
wohl die Güte haben, von 3940 Stimmen, die unter der demokra-
tiſchen Rubrik hier verzeichnet sind, uns mindestens 2000 Stimmen
zuerkennen zu wollen.

So weit haben wir mit der Karlsruher Zeitung über die Zah-
len zu rechten. Wenn dann aber ſchließlich das Regierungsorgan
aus einer, die Gegner bedeutend an Zahl herabdegradirenden Dar-
ſtellung den Schluß zu ziehen ſcheint, daß die bisherige Regierungs-
politik im Inneren eine vollkommen gerechtfertigte sei und ihre Weiter-
fortſeßzung sich, gestütt auf jene Zahlen, empfehle, so verneinen wir
dies auf's Entſchiedenſte, insofern die gegenwärtige Regierung darauf
Anspruch erheben will, eine dem ganze n Lande erſprießliche ſein
zu wollen. Wenn = abgesehen von anderen Parteien, die faſt gar
nicht in Betracht kommen = eine Partei wie die unſerige mit solcher
Stärke dem nationalliberalen Programm entgegenſteht, ſo glauben
wir, es werde jede weiſe Regierung einsehen müſſen, daß sie in
vielen inneren, namentlich confessſionellen Fragen, einen anderen Weg
einſchlagen müsse, als denjenigen, der die confesſionele Spaltung
verewigt und auf alle Verhältnisse des Lebens überträgt; sie wird
einſehen müssen, daß sie nach vieljährigen Erfahrungen eine faſt
gleich starke Partei wohl zu bekämpfen, aber nie aufzulöſen vermag,
und sie wird daher, da das Ziel nach Außen erreicht iſt, Hand an-
legen an eine ehrliche und offene Versſöhnungspolitik, die allein im
Stande ist, die verderbliche Zweitheilung des Landes zu verhüten.
Wenn aber, was wir nicht hoffen, das Ministerium lediglich eine
Ehre darin ſuchen wollte, der nationalliberalen Partei anzugehören,

dann allerdings würden wir es begreiflich finden, wenn die Hezjeean.

der Bad. Correſpondenz auf die ,„ſchwarze Meute“ nicht eine allein-
lhewe Arbeit des Dr. Böttcher oder seines Souffleurs bleiben

Deutſc<land.

* Heidelberg, 10. März. Was anderwärts verächtlich in den
politiſchen Rumpelkasten geworfen wird, das wird in manchen Klein-
ſtaaten hintennach in den Himmel gehoben und als etwas ganz
besonders Merkwürdiges verherrlicht. So ist es auch bei den Reichs-
tagswahlen mit den Nationalliberalen ergangen. In Norddeutſch-
 
Annotationen