_ Trägerlohn und Poſtaufſchlag. Jnſ.-Geb. 2 kr. d. Z.
Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
J Ü D tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
un ê an o Vogler & G. L. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart ec.
1871.
Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. - Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
für Stadt
Samſstag den 21. Januar
Aukfru .
Die Wahlen zum deutschen Reichstag stehen nahe bevor. Von welcher tiefgreifenden Bedeutung dieselben sind, bedarf nicht erst
der Darlegung. Mögen unſere Gesinnungsgenoſſen nach Kräfteu dahin wirken, daß ihr Ausfall dem Vaterlande zum Heile gereicht !
Es wird dies nur dann der Fall sein, wenn aus der Wahlurne ſelbſlloſe, charakterfeſte Männer hervorgehen, welche das moraliſche
und das materielle Wohl aller Volksklaſſen, wie aller das deutsche Reich bildenden Stämme am Herzen liegt, welche die bestehenden
Besonderheiten nur insoweit der Einheit geopfert ſehen wollen, als dieselben nachweislich dem Ganzen zum Schaden gereichen , welche
endlich — wie die politiſche + ſo auch die kirchliche Freiheit und das Recht der Religionsgeſellſchaften gegen mögliche Eingriffe der
Gesetzgebung sowohl als gegen feindliche Parteibeſtrebungen entschieden gewahrt wissen wollen.
Es gilt baldmöglichſt, in den verſchiedenen Wahlkreiſen solcher Männer sich zu verſichern , welche demnächst ihrerseits im engen
Anſchluſse aneinander als parlamentariſche Partei den gedachten Beſtrebungen Ausdruck und praktiſche Folge zu geben Willens ſind.
Insbesondere aber gilt es, nach Kräften dahin zu wirken, daß das Bewußtſein von der hohen Wichtigkeit der bevorſtehenden Abîstim-
wt Fsticaet tes Volkes durchdringt und so das Ergebniß dieſer Abſtimmung der möglichſt getreue Ausdruck seiner Wünſche
und Bedürfnisse wird. j s
FI. 9.
Berlin, den 11. Januar 1871. : :
von Savigny, Wirkl. Geh. Rath. Pet. Reichensſperger, Ober-Tribunals-Rath. Dr. Windthorſt, (Meppen), Staatsminister
a. D. Elkemann, Pfr. Freiherr von Schorlemer-Alst. Gajewski, Bürgermeiſter. Graf Praſchma. Dr. Lieber.
von Grand-R y, Gutsbesitzer. von K ehler, Legations-Rath a. D. Bernards, Landgerichts-Assesor. Boro w ski, Domherr.
Briese, Probſe D auzenberg, Pfr. Ellering, Kreisgerichts-Rath. Ever s, Kreisgerichts-Rath. Fren g e r, Gutsbesitzer.
Funke, Euprieſte. Ge ſcher, Kreisgerichts-Rath. von Haß f eld, Kreisgerichts-Rath. Freiherr von Heereman. Hecking,
Domecgapitular und Dechant. Graf Henckel von Donnersmarck, Rittergutsbeſizer. Herrlein, Gutsbesitzer. Hüffer,
Kreisgerichtsrath. Dr. Kam pſchulte, Pfarr -Dechant. von Keſseler, Landgerichts -Assesſor und Rittergutsbesiker. Kraemer
(Heilsberg), Schulze. Dr. Krebs. Lindemann, Oberpfarrer.
Felix Freiherr von Lo s. Maäiff, Kreisgerichts-Rath. von
Mallin <rodt, Regierungs-Rath. Nels , Lederfabrikant. Dr. Peters, Gymnasial- Oberlehrer. Dr. A. Reich enſperger,
Appellations-Gerichts-Rath. Resse m ann, Landwirth. Rintelen, Regierungs-Assesor. Dr. Rudolph i, Director a. D.
ſ am, Amtsrichter. Scha eff er, Rector und General-Präſes des Geſellenvereins.
Schulze. Schumann (Rybnikt), Erzprieſte. Strecker, Kreisgerichts-Rath.
Thissen, Domcapitular. Ulrich, Oberbergrath. Dx. Web er (Hörter), Sanitäts-Rath.
von Thi mus, Appellations-Gerichts-Rath.
S ch a ff er, Stadtpfarrer. S Ut q s: sus
d e Sy o, Appellations-Gerichts-Rath. Freiherr
Dr. Zehrt, biſchöflicher Commissarius, Ehren - Domcapitular und geiſtl. Rath.
Deutſc<land.
* Heidelberg, 19. Jan. Obiger Aufruf iſt uns von unſeren
unterzeichneten Gesinnungsgenoſſen aus Preußen soeben zugegangen.
Mir haben dabei denſelben die Versicherung zu geben, daß unlſere
Parteigenoſſen in Baden ,die bestehenden Besonderheiten“ nicht hoch
anschlagen und daß hierüber am wenigsten ein Differenzpunkt zwischen
ihnen und uns ſich ergeben könnte. Freunde und Parteigenossen !
Rechtfertigen wir das Vertrauen, welches unsere norddeutſchen Brü-
der gleicher Gesinnung uns entgegentragen ; ſchlagen wir in die Hand
ein, die sie uns entgegenſtrecken und mit der sie uns einführen in
den neuen deutſchen Reichsverband !
* Heidelberg, 19. Jan. Ein Ereigniß von welthiſtoriſcher Be-
deutung hat sich gestern vollzogen, – das deutsche Reich iſt wieder
auferſtanden und von neuem iſt ein Kaiser an seine Spitze getre-
ten. Wir gestehen offen, wir hatten zur Zeit des Fürſtentages ge-
hofft, die Krone Karls des Großen werden auf dem Haupte des
öſterreichiſchen Kaisers sich niederlaſſen und mit fieberhaftem Puls-
ſchlag warteten wir, wie lange, – ach! vergebens. In den schwer-
ſten Unglückstagen standen wir zum Hauſe Deſterreich, aber ſein
Stern iſt am deutſchen Horizonte niedergegangen, wie es ſcheint,
für immer. Persönliche Wünſche und Sentimentalitäten haben aber
da keine Berechtigung mehr, wo das Vaterland seine auf anderem
Wege erlangte Conſtituirung feiert. Wer sein Gesicht abwenden will,
wenn Barbaroſſa aus dem Berge steigt und die Glocken die Aufer-
ſtehung des Vaterlandes läuten , der iſt mindestens geſagt kein P a-
tri ot und er dauert uns, der arme Mann, der die flüchtigen ungreif-
baren Gestalten der Vergangenheit erhaſchen will, während der helle
Sonnenschein eines neu anbrechenden Tages durch ſeine Scheiben
Wer hat das gethan ?
(Cine Heſchichte aus dem Leben.)
(Fortſepung.)
„Ic<h meine, daß mein Vermögen durch den Rauſchfang flöge, wenn ich
meine gelehrte Frau wirthſchaften ließe, statt Liſette, und daß ich mit dem wei-
ßen Stabe ziehen müßte, wenn ich meinem studirten Sohn nicht den Daumen
auf's Auge drückte. Was für eine Geſchichte haſt du da wieder angefangen,
„um mein Geld in den Dreck zu werfen. Da komme ich bei der Mühlenwieſe
vorbei und ſehe ein Dutzend Arbeiter dort ſchaufeln und graben. Was machst
du da ? Was haſt du wieder angefangen in meiner Abwesenheit ?“
J„I< lasse Erde auffahren und einen Abzugsgraben machen, um den
Sumpf, der nichts einbringt, in eine Wieſe zu verwandeln, die jährlich sechs
bis hu Thaler abwirft," erwiederte Leonhard mit mühesam verhal-
ner Heftigkeit.
“t:! willst du wohl sagen. Das wird wieder so eine Geſchichte wie im
vorigen Jahre mit den Steckrüben, die mir an Arbeitslohn dreimal mehr ko-
steten, als sie beim Verkauf einbrachten.“
„Weil du sie ausziehen ließest, ehe sie halb ausgewachſen waren."
„Einerlei, ich will keine Neuerungen auf meinem Gute; ich habe hier zu
befehlen, und an der Mühlr.iese wird kein Spatenstich gethan. Wie sie von je-
her gewesen ist, so soll ſie bleiben !“
„Dann ist alles bisher angewendete Geld weggeworfen.’
Heider fuhr in aufgeregter Stimmung zu seinem Sohne gewendet fort :
„Ja, leider iſt ales Geld weggeworfen! Ich bin ein geſchlagener Mann, daß
ich nicht vierzehn Tage vom Hauſe sein kann, ohne bei der Rückkehr Alles in
der heilloſeſten Verwirrung zu finden. Der Teufel hat mir den Rath gegeben,
U dich nach Hohenheim und nach der Universität zu ſchicken! Aber das kommt
davon, wenn man in eine Familie heirathet, wo eben nichts dahinter iſt. . . .
Deinem Bruder ~ wandte er sich zu seiner Frau > habe ich es zu verdan-
ken., daß ich einen Sohn habe, mit dem nichts anzufangen iſt. Und ich Dumm-
kopf habe mich wieder von ihm beſchwatzen lassen, auch aus Anna teine ſolche
Zierpuppe machen zu laſſen."
„Vater !“ rief Leonhand haſtig aufsſpringend, „in meiner Gegenwart ſolſt
ſolſt du über meine Mutter und meinen Onkel nicht so ſprechen, ich leid
es nicht !-
. du willst mir das Maul verbieten, du, der Sohn, dem Vater ?!
Nun wird's zu arg! Wer iſt Herr im Hauſe ? Was für ein Recht hat deine
Mutter ? Hat sie vielleicht Tauſende mitgebracht, um Ansprüche machen zu kön-
nen, wie eine Prinzeſſin und auf mich herabſehen zu können, wie auf einen
Schuhputzer? Und von wessen Gelde hast du ſstudirt, auf wessen Koſten haſt
du deine Weisheit geholt, wenn nicht auf meine? Soll ich mir von einem na-
seweiſen Burschen vorſchreiben lassen, wie ich Haus und Hof verwalten und
meine Frau behandeln ſoll ?" .
„Schlimm genug, ſchrie Leonhard außer sich, daß dein eigenes Gewiſſen
dir nicht sagt, wie ſchändlich du meine Mutter behandelſt! Schlimm genug,
daß ein Sohn seinen Vater verachten. . .' ! ;
„Leonhard !“ rief ſeine Mutter und versſuchte zwiſchen die erhittten Män-
ner zu treten, taumelte aber und fiel in Herminens Arme, die erſchrocken aus-
rief: „Liſette helfen Sie, sie wird ohnmächtig !“ — Liſette eilte hinzu, aber
troy ihrer halben Bewußtlosigkeit ſchüttelte Frau Heider mit einer Geberde des
Widerwillens die Hand der Haushälterin von ihrem Arme ab. „Bring mich
zu Bette", flüsterte ſie Herminen kaum hörbar zu. [1331
Der Streit zwiſchen Vater und Sohn ſtockte; Beide ſahen mit einem Aus-
druck von Reue in ihren zornrothen Gesichtern auf die todtenblaſſe Frau, die
ſich mühſam, gestützt von Hermine und der ſchluchzenden Anna, ins Nebenzim-
mer schleppte. Als Hermine die Thür hinter sich zuzog, sah sie, daß Herr Hei-
der das Zimmer verließ und Liſette ihm unmittelbar folgte.
„Mein armes, armes Kind ! was soll aus dir werden !“ flüsterte Frau
Heider, Anna schwach an sich ziehend, während Hermine ihr das Kleid löste und
ihr die vom kalten Schweiß bedeckte Stirne wuſch. – „Du wirſt wohl nicht
mehr bleiben wollen in dieſer Hölle, ſezte fie hinzu, du wist mich verlassen,
Hermine !"
(Fortſeyung folgt.)
Inseraten -Inhalt der Annoncen-Expedi-
J Ü D tionen von Rud. Mosse, Haasenstein &
un ê an o Vogler & G. L. Daube & Cie. in
München, Frankfurt u. Stuttgart ec.
1871.
Erſcheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag, Donnerstag
und Samſtag. - Preis : vierteljährlich 40 kr. ohne
für Stadt
Samſstag den 21. Januar
Aukfru .
Die Wahlen zum deutschen Reichstag stehen nahe bevor. Von welcher tiefgreifenden Bedeutung dieselben sind, bedarf nicht erst
der Darlegung. Mögen unſere Gesinnungsgenoſſen nach Kräfteu dahin wirken, daß ihr Ausfall dem Vaterlande zum Heile gereicht !
Es wird dies nur dann der Fall sein, wenn aus der Wahlurne ſelbſlloſe, charakterfeſte Männer hervorgehen, welche das moraliſche
und das materielle Wohl aller Volksklaſſen, wie aller das deutsche Reich bildenden Stämme am Herzen liegt, welche die bestehenden
Besonderheiten nur insoweit der Einheit geopfert ſehen wollen, als dieselben nachweislich dem Ganzen zum Schaden gereichen , welche
endlich — wie die politiſche + ſo auch die kirchliche Freiheit und das Recht der Religionsgeſellſchaften gegen mögliche Eingriffe der
Gesetzgebung sowohl als gegen feindliche Parteibeſtrebungen entschieden gewahrt wissen wollen.
Es gilt baldmöglichſt, in den verſchiedenen Wahlkreiſen solcher Männer sich zu verſichern , welche demnächst ihrerseits im engen
Anſchluſse aneinander als parlamentariſche Partei den gedachten Beſtrebungen Ausdruck und praktiſche Folge zu geben Willens ſind.
Insbesondere aber gilt es, nach Kräften dahin zu wirken, daß das Bewußtſein von der hohen Wichtigkeit der bevorſtehenden Abîstim-
wt Fsticaet tes Volkes durchdringt und so das Ergebniß dieſer Abſtimmung der möglichſt getreue Ausdruck seiner Wünſche
und Bedürfnisse wird. j s
FI. 9.
Berlin, den 11. Januar 1871. : :
von Savigny, Wirkl. Geh. Rath. Pet. Reichensſperger, Ober-Tribunals-Rath. Dr. Windthorſt, (Meppen), Staatsminister
a. D. Elkemann, Pfr. Freiherr von Schorlemer-Alst. Gajewski, Bürgermeiſter. Graf Praſchma. Dr. Lieber.
von Grand-R y, Gutsbesitzer. von K ehler, Legations-Rath a. D. Bernards, Landgerichts-Assesor. Boro w ski, Domherr.
Briese, Probſe D auzenberg, Pfr. Ellering, Kreisgerichts-Rath. Ever s, Kreisgerichts-Rath. Fren g e r, Gutsbesitzer.
Funke, Euprieſte. Ge ſcher, Kreisgerichts-Rath. von Haß f eld, Kreisgerichts-Rath. Freiherr von Heereman. Hecking,
Domecgapitular und Dechant. Graf Henckel von Donnersmarck, Rittergutsbeſizer. Herrlein, Gutsbesitzer. Hüffer,
Kreisgerichtsrath. Dr. Kam pſchulte, Pfarr -Dechant. von Keſseler, Landgerichts -Assesſor und Rittergutsbesiker. Kraemer
(Heilsberg), Schulze. Dr. Krebs. Lindemann, Oberpfarrer.
Felix Freiherr von Lo s. Maäiff, Kreisgerichts-Rath. von
Mallin <rodt, Regierungs-Rath. Nels , Lederfabrikant. Dr. Peters, Gymnasial- Oberlehrer. Dr. A. Reich enſperger,
Appellations-Gerichts-Rath. Resse m ann, Landwirth. Rintelen, Regierungs-Assesor. Dr. Rudolph i, Director a. D.
ſ am, Amtsrichter. Scha eff er, Rector und General-Präſes des Geſellenvereins.
Schulze. Schumann (Rybnikt), Erzprieſte. Strecker, Kreisgerichts-Rath.
Thissen, Domcapitular. Ulrich, Oberbergrath. Dx. Web er (Hörter), Sanitäts-Rath.
von Thi mus, Appellations-Gerichts-Rath.
S ch a ff er, Stadtpfarrer. S Ut q s: sus
d e Sy o, Appellations-Gerichts-Rath. Freiherr
Dr. Zehrt, biſchöflicher Commissarius, Ehren - Domcapitular und geiſtl. Rath.
Deutſc<land.
* Heidelberg, 19. Jan. Obiger Aufruf iſt uns von unſeren
unterzeichneten Gesinnungsgenoſſen aus Preußen soeben zugegangen.
Mir haben dabei denſelben die Versicherung zu geben, daß unlſere
Parteigenoſſen in Baden ,die bestehenden Besonderheiten“ nicht hoch
anschlagen und daß hierüber am wenigsten ein Differenzpunkt zwischen
ihnen und uns ſich ergeben könnte. Freunde und Parteigenossen !
Rechtfertigen wir das Vertrauen, welches unsere norddeutſchen Brü-
der gleicher Gesinnung uns entgegentragen ; ſchlagen wir in die Hand
ein, die sie uns entgegenſtrecken und mit der sie uns einführen in
den neuen deutſchen Reichsverband !
* Heidelberg, 19. Jan. Ein Ereigniß von welthiſtoriſcher Be-
deutung hat sich gestern vollzogen, – das deutsche Reich iſt wieder
auferſtanden und von neuem iſt ein Kaiser an seine Spitze getre-
ten. Wir gestehen offen, wir hatten zur Zeit des Fürſtentages ge-
hofft, die Krone Karls des Großen werden auf dem Haupte des
öſterreichiſchen Kaisers sich niederlaſſen und mit fieberhaftem Puls-
ſchlag warteten wir, wie lange, – ach! vergebens. In den schwer-
ſten Unglückstagen standen wir zum Hauſe Deſterreich, aber ſein
Stern iſt am deutſchen Horizonte niedergegangen, wie es ſcheint,
für immer. Persönliche Wünſche und Sentimentalitäten haben aber
da keine Berechtigung mehr, wo das Vaterland seine auf anderem
Wege erlangte Conſtituirung feiert. Wer sein Gesicht abwenden will,
wenn Barbaroſſa aus dem Berge steigt und die Glocken die Aufer-
ſtehung des Vaterlandes läuten , der iſt mindestens geſagt kein P a-
tri ot und er dauert uns, der arme Mann, der die flüchtigen ungreif-
baren Gestalten der Vergangenheit erhaſchen will, während der helle
Sonnenschein eines neu anbrechenden Tages durch ſeine Scheiben
Wer hat das gethan ?
(Cine Heſchichte aus dem Leben.)
(Fortſepung.)
„Ic<h meine, daß mein Vermögen durch den Rauſchfang flöge, wenn ich
meine gelehrte Frau wirthſchaften ließe, statt Liſette, und daß ich mit dem wei-
ßen Stabe ziehen müßte, wenn ich meinem studirten Sohn nicht den Daumen
auf's Auge drückte. Was für eine Geſchichte haſt du da wieder angefangen,
„um mein Geld in den Dreck zu werfen. Da komme ich bei der Mühlenwieſe
vorbei und ſehe ein Dutzend Arbeiter dort ſchaufeln und graben. Was machst
du da ? Was haſt du wieder angefangen in meiner Abwesenheit ?“
J„I< lasse Erde auffahren und einen Abzugsgraben machen, um den
Sumpf, der nichts einbringt, in eine Wieſe zu verwandeln, die jährlich sechs
bis hu Thaler abwirft," erwiederte Leonhard mit mühesam verhal-
ner Heftigkeit.
“t:! willst du wohl sagen. Das wird wieder so eine Geſchichte wie im
vorigen Jahre mit den Steckrüben, die mir an Arbeitslohn dreimal mehr ko-
steten, als sie beim Verkauf einbrachten.“
„Weil du sie ausziehen ließest, ehe sie halb ausgewachſen waren."
„Einerlei, ich will keine Neuerungen auf meinem Gute; ich habe hier zu
befehlen, und an der Mühlr.iese wird kein Spatenstich gethan. Wie sie von je-
her gewesen ist, so soll ſie bleiben !“
„Dann ist alles bisher angewendete Geld weggeworfen.’
Heider fuhr in aufgeregter Stimmung zu seinem Sohne gewendet fort :
„Ja, leider iſt ales Geld weggeworfen! Ich bin ein geſchlagener Mann, daß
ich nicht vierzehn Tage vom Hauſe sein kann, ohne bei der Rückkehr Alles in
der heilloſeſten Verwirrung zu finden. Der Teufel hat mir den Rath gegeben,
U dich nach Hohenheim und nach der Universität zu ſchicken! Aber das kommt
davon, wenn man in eine Familie heirathet, wo eben nichts dahinter iſt. . . .
Deinem Bruder ~ wandte er sich zu seiner Frau > habe ich es zu verdan-
ken., daß ich einen Sohn habe, mit dem nichts anzufangen iſt. Und ich Dumm-
kopf habe mich wieder von ihm beſchwatzen lassen, auch aus Anna teine ſolche
Zierpuppe machen zu laſſen."
„Vater !“ rief Leonhand haſtig aufsſpringend, „in meiner Gegenwart ſolſt
ſolſt du über meine Mutter und meinen Onkel nicht so ſprechen, ich leid
es nicht !-
. du willst mir das Maul verbieten, du, der Sohn, dem Vater ?!
Nun wird's zu arg! Wer iſt Herr im Hauſe ? Was für ein Recht hat deine
Mutter ? Hat sie vielleicht Tauſende mitgebracht, um Ansprüche machen zu kön-
nen, wie eine Prinzeſſin und auf mich herabſehen zu können, wie auf einen
Schuhputzer? Und von wessen Gelde hast du ſstudirt, auf wessen Koſten haſt
du deine Weisheit geholt, wenn nicht auf meine? Soll ich mir von einem na-
seweiſen Burschen vorſchreiben lassen, wie ich Haus und Hof verwalten und
meine Frau behandeln ſoll ?" .
„Schlimm genug, ſchrie Leonhard außer sich, daß dein eigenes Gewiſſen
dir nicht sagt, wie ſchändlich du meine Mutter behandelſt! Schlimm genug,
daß ein Sohn seinen Vater verachten. . .' ! ;
„Leonhard !“ rief ſeine Mutter und versſuchte zwiſchen die erhittten Män-
ner zu treten, taumelte aber und fiel in Herminens Arme, die erſchrocken aus-
rief: „Liſette helfen Sie, sie wird ohnmächtig !“ — Liſette eilte hinzu, aber
troy ihrer halben Bewußtlosigkeit ſchüttelte Frau Heider mit einer Geberde des
Widerwillens die Hand der Haushälterin von ihrem Arme ab. „Bring mich
zu Bette", flüsterte ſie Herminen kaum hörbar zu. [1331
Der Streit zwiſchen Vater und Sohn ſtockte; Beide ſahen mit einem Aus-
druck von Reue in ihren zornrothen Gesichtern auf die todtenblaſſe Frau, die
ſich mühſam, gestützt von Hermine und der ſchluchzenden Anna, ins Nebenzim-
mer schleppte. Als Hermine die Thür hinter sich zuzog, sah sie, daß Herr Hei-
der das Zimmer verließ und Liſette ihm unmittelbar folgte.
„Mein armes, armes Kind ! was soll aus dir werden !“ flüsterte Frau
Heider, Anna schwach an sich ziehend, während Hermine ihr das Kleid löste und
ihr die vom kalten Schweiß bedeckte Stirne wuſch. – „Du wirſt wohl nicht
mehr bleiben wollen in dieſer Hölle, ſezte fie hinzu, du wist mich verlassen,
Hermine !"
(Fortſeyung folgt.)